Clemens Meyer - Als wir träumten

  • Klappentext


    Nach den kinderspielen kommen die Kämpfe: Rico, Mark, Paul und Daniel wachsen auf im Leipzig der Nachwendejahre, zwischen Autoklau, Alkohol und Angst, zwischen Wut und Zerstörung. Jede Nacht ziehen sie durch die Straßen. Sie feiern, sie klauen, sie fahren ihr Leben gegen die Wand. Sie sind frei und dem Leben ausgeliefert. Mit direkter, wütender, sensibler und authentischer Stimme erzählt dieser Roman von dem Traum, dass irgendwo ein besseres Leben wartet.


    Meine Meinung


    Clemens Meyer hat für sein Erstlingswerk viele gute Kritiken und einige Literaturpreise erhalten. Gelesen habe ich das Buch im Vorfeld des gleichnamigen Theaterstückes, welches ich besuchte. Ein weiterer Beweggrund des Lesens war die Tatsache, dass die Story in Leipzig spielt.


    Erzählt wird die Geschichte um Daniel Lenz und seine Freunde, welche im System der DDR als Pioniere aufwachsen, rebellieren und mit Mitteln des damaligen Systems sanktioniert werden (Jugendwerkhof, JVA). Erzählt wird ebenso über die erste Liebe, das Zusammenbrechen des Systems, die Neuorientierung, und über den Sumpf von Alkohol, Drogen und Gewalt.
    Dieses Buch strotzt nur so vor "Lärm". Es wird geschrien, geprügelt, gesoffen. Es wird geklaut, demoliert, provoziert ... aber auch geliebt. Es wird die Orientierungslosigkeit dargestellt, welche zum Zeitpunkt der Wende 1989 bei vielen vorherrschte. Die Jungs machen Leipzigs Straßen unsicher und sind Stammgäste auf dem Polizeirevier.
    Aber es wurde auch deutlich, dass diese Kinder (Daniel, Walter, Marc, Pitbull und Rico) ein Elternhaus ohne Stabilität aufwiesen - Alkohol und Gewalt waren Instrumente des Miteinanders.


    Orientierungslos war auch ich als Leser des Buches sehr oft, da immer wieder Zeitsprünge in Vergangenheit und Zukunft vorgenommen wurden, die ohne Ankündigung erfolgten.


    Dieses Buch ist "Geschmackssache" - es ist chaotisch und "laut". Aber so war diese Zeit damals eben auch... Eine unbedingte Leseempfehlung kann ich dennoch nicht aussprechen. Ich denke, dieses Buch kann in 2 Lager spalten: entweder man mag es, oder nicht. Und ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, dass ich es nochmal lesen würde (aber ich kann es auch nicht negieren). Wer es gelesen hat, wird wissen, was ich meine...

  • Dieses Buch ist "Geschmackssache" - es ist chaotisch und "laut". Aber so war diese Zeit damals eben auch... Eine unbedingte Leseempfehlung kann ich dennoch nicht aussprechen. Ich denke, dieses Buch kann in 2 Lager spalten: entweder man mag es, oder nicht. Und ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, dass ich es nochmal lesen würde (aber ich kann es auch nicht negieren). Wer es gelesen hat, wird wissen, was ich meine...

    Ich fand es eigentlich eher "leise" und hab es geliebt. Ich habs für mich auf Platz 2 meiner Jahreshighlights 2008 einsortiert, kann aber auch nachvollziehen, warum manche es nicht mögen. Die Sprache ist schon sehr... eigen, und die Handlung mag nicht jedermanns Sache sein.
    Ich mochte Meyers Schreibstil sehr und die Art und Weise, wie er die Dinge nüchtern und gerade deswegen so "wahr" betrachtet und beschreibt.

  • Ich habe es in 2008 auch abgebrochen. Mir hat die ganze Atmospäre nicht gefallen. Es wurde zu viel geschrien, geprügelt, gesoffen, geklaut, demoliert und provoziert. Ich komme auch aus der ehemaligen DDR, aber so habe ich sie nicht erlebt. Allerdings komme ich nicht aus Leipzig.

  • Ich habe es in 2008 auch abgebrochen. Mir hat die ganze Atmospäre nicht gefallen. Es wurde zu viel geschrien, geprügelt, gesoffen, geklaut, demoliert und provoziert. Ich komme auch aus der ehemaligen DDR, aber so habe ich sie nicht erlebt. Allerdings komme ich nicht aus Leipzig.


    Als mich Bekannte, die das Buch nicht gelesen haben, vor dem Theaterstück fragten, wie ich es fand, antwortete ich einfach nur: "Laut." Sie sahen mich an, fragten, ob ich es als Hörbuch "gelesen" habe :mrgreen: , was ich verneinte. Meine Antwort war, dass sie es bestimmt am Stück merken werden. Und es war auch so, wie ich es erwartet hatte. Auch die Umsetzung des Buches war laut, wild und provokant (dennoch gelungen :wink: ).


    Ich selber war zur Wende so alt, wie beispielsweise der Protagonist Daniel Lenz in der Story - und auch ich habe die DDR und vor allem die "wilden Zeiten" der Wende ganz anders in Erinnerung. Dennoch ist es doch recht authentisch, denn die Autoknackerszene gab es damals wirklich - Jugendliche lieferten sich nächtliche Autorennen mit geknackten Fahrzeugen, fuhren sie zu Schrott und sich mitunter tot. Aber ich glaube, es spielte auch eine große Rolle, in welchem Familiensystem man aufwuchs - Stabilität und Verbindlichkeit ist auch heutzutage noch ein tragendes Fundament...

  • Aber ich glaube, es spielte auch eine große Rolle, in welchem Familiensystem man aufwuchs - Stabilität und Verbindlichkeit ist auch heutzutage noch ein tragendes Fundament...


    Das ist auch meine Meinung.
    Ich habe das Buch gleich nach seiner Erscheinung gelesen und es hat mir gut gefallen. Mögiicherweise aber auch deshalb, weil ich in genau dieser Gegend, in der die Handlung spielt, aufgewachsen bin - allerdings schon einige Jahre eher. Aber meine Eltern und z. T. Geschwister lebten zu Wendezeiten noch dort. Die Orte und auch die Ereignisse zur damaligen Zeit vollkommen authentisch beschrieben. Ich fand das schon interessant zu lesen.
    Die Protagonisten waren recht haltlos, auch was ihre familiären Wurzeln betraf. Aber das waren zum damaligen Zeitpunkt viele Menschen.


    Die Art und Weise wie Clemens Meyer schreibt, gefällt mir. Er eschreibt die Personen sehr genau, manchmal recht drastig. Ich habe auch sein nächstes Buch, "Die Nacht, die Lichter", gelesen. Dafür hat er 2008 den Preis der Leipziger Buchmesse erhalten. Auch dieses Buch hat mir gefallen, allerdings sollte man die einzelnen Erzählungen nicht ohne Pause nacheinander lesen, denn auch hier erzählt er über Menschen, die gescheitert sind - aus welchen Gründen auch immer - und das ist z. T. schon recht depressiv.

    :study:




    Es gibt viele Wege zum Glück. Einer davon ist, aufhören zu jammern.

    Albert Einstein

  • Ich habe das Buch gestern ausgelesen und fand es nicht so toll. Allerdings aus anderen Gründen, als bei den anderen Mitgliedern, die das Buch nicht so mochten.
    Mir hat die Thematik sehr gut gefallen, ebenso die Sprache. Sie war passend, aber wie schon so treffend beschrieben "laut". Auch ich habe das Buch als "laut" empfunden und das ist für mich der große Pluspunkt. Warum ? Genau so empfand ich die Zeit nach der Wende. Alles war plötzlich anders, ich war ruhelos, rastlos, wusste nicht so richtig wohin und was hier eigentlich passiert ist (Damals war ich 9 Jahre alt). Für mich war es eine "laute" Zeit. Und ich glaube diese Ruhelosigkeit empfanden auch die Protagonisten. Deshalb konnte ich mich gut mit ihnen identfizieren.
    Was mir überhaupt nicht gefallen hat, waren die Zeitsprünge. Diese haben meinen Lesefluß sehr gestört. Zwar waren gerade die Rückblicke wichtig für die Handlung, aber ich hätte mir gewünscht dass der Autor jeweils die Jahreszahlen nennt, damit man weiß in welcher Zeit man sich gerade befindet. Ich wußte oftmals nicht, wo ich denn gerade eigentlich bin. Schade. Außerdem hatte das Buch einige Lääängen, die nicht hätten sein müssen. Einige Stellen haben mich gefesselt, andere Stellen habe ich quer gelesen, weil ich sie einfach zu viel und zu lang fand.
    Ich finde auch, dass dieses Buch Geschmackssache ist. Meinen Geschmack hat es leider nur teilweise getroffen.
    Deshalb gibt es von mir ein "Mittelmaß" von 3 Sternchen :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Narkose durch Bücher - Das Richtige ist: das intensive Buch.
    Das Buch, dessen Autor dem Leser sofort ein Lasso um den Hals wirft, ihn zerrt, zerrt und nicht mehr losläßt.


    :study: Sarah J. Mass - Throne of Glass / Die Erwählte :study:

  • So, heute morgen konnte ich das Buch nun endlich beenden.


    Allzusehr mochte ich es nicht und es fällt mir schwer, zu sagen, warum. Meyers Sprache hat mir sehr gut gefallen, weil sie so passend war. Die Figuren waren auch sehr authentisch gezeichnet und rund.
    Allerdings finde ich, dass das Buch ziemlich monoton ist, was vielleicht von Meyer so beabsichtigt war. Die Jungs leben in einem Milieu, das nur aus Kriminalität, Drogen und "Weibern" besteht und diese Themen werden immer und immer wieder durchgekaut. Das sind die Längen des Buches; man hätte sicherlich das eine oder andere Kapitel streichen können.
    Ich kann mir aber gut vorstellen, was andere Leser an dem Buch mögen. Vielleicht bin ich auch einfach zu spät geboren (Oktober '88 ) und zu "artig". :-?


    Fazit: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Ich :study:
    J.M.Coetzee - Das Leben der Tiere
    Erzählungen von Franz Kafka
    Gedichte von Allen Ginsberg und Cummings

  • Hm..... :-k Also diese "Szene" interessiert mich schon.Vor allem, da ich einige Male (im Westen) mit ihr in Berührung kam.
    Aber bei euren negativen Kritiken weiß ich auch nicht, ob ich es wirklich lesen möchte.
    Erstmal auf die Wunschliste als "nicht so dringend" einstufen.
    Vielleicht läuft es mir mal über den Weg.

    Im Leben kann man auf vieles verzichten. Außer auf Katzen und Bücher!


    :study: Der Drachenbeithron von Tad Williams
    :musik: Die Bücherdiebin von Markus Zusak


    mb-db

  • Ich habe das Buch letzte Woche für einen Euro bei Weltbild auf dem Grabbeltisch entdeckt und einfach mal mitgenommen – für einen Euro kann man nicht viel falsch machen und so kann ich das Buch einfach mal anlesen und muss mich nicht ärgern, wenn es mir nicht gefällt. Tja, was soll ich sagen, in zwei Tagen hatte ich das Buch durch und kann mich Lillibelle in ihrer Auffassung anschließen: bisher eines meiner Lesehighlights in 2009!


    Ja, die Sprache ist derb und laut und dreckig – aber so ist auch das Milieu, in dem die Handlung spielt. Die Orientierungslosigkeit, die Wut, die Hoffnungslosigkeit, die den Alltag der Freunde um Daniel herum bestimmt, ist für mich beim Lesen richtig greifbar geworden. Das Milieu hat auf mich authentisch gewirkt und Clemens Meyer hat es trotz all des Saufens, Autoknackens und Prügelns geschafft, dass ich für einzelne Figuren Sympathie entwickelt habe. Fast jedem habe ich gewünscht, dass er es in ein besseres Leben schafft, dass es für ihn nicht beim Träumen bleibt.


    Einzelne Kapitel fand ich absolut hervorragend erzählt, zum Beispiel „Die großen Kämpfe“ (bei dem ich erst dachte, oh nein, ein ganzes Kapitel übers Boxen :roll: ) und „Die Grüne Aue“.


    Die Veränderungen durch die Wende fand ich ziemlich interessant – ich war zu der Zeit ungefähr im gleichen Alter wie Daniel im Roman, habe das Ganze aber von der anderen Seite, also als Wessi :wink: wahrgenommen. Wie authentisch diese Bezüge sind, kann ich also nur bedingt beurteilen und habe beim Lesen auch nicht so arg viel Gewicht darauf gelegt. Mein Hauptaugenmerk lag auf dem geschilderten Milieu, das so oder anders ja auch außerhalb Leipzigs existiert.


    Die Zeitsprünge haben mich nur am Anfang irritiert, später gar nicht mehr. Durch Rückbezüge ist es mir meist schnell gelungen, das Geschehen zeitlich einzuordnen, und manchmal fand ich, war das auch gar nicht notwendig, da gerade durch die unvermittelten Zeitsprünge deutlich wird, wie ausweglos und festgefahren manche Dinge für die Figuren sind: So muss zum Beispiel Rico am Ende eines Kapitels ins Erziehungsheim und kommt unvermittelt direkt am Anfang des nächsten Kapitels ein paar Jahre später aus dem Knast wieder. Etwas, was in Ricos Leben ja zur Gewohnheit wird. Da ist dann nicht wirklich wichtig, wann genau das jeweils stattfindet. Außerdem unterstreichen die Zeitsprünge ja auch die Orientierungslosigkeit, die Wirkung einer chronologischen Erzählung wäre wahrscheinlich eine ganz andere. Auch die ständigen Wiederholungen von Saufen, Weiber, Autos, Prügel spiegeln die Ausweglosigkeit und Perspektivlosigkeit der Figuren wider.


    Von mir gibts :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: John Steinbeck - East of Eden

    :study: Frank Witzel - Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969

    :montag: Veronica Roth - Rat der Neun

    :musik: Claire North - Die vielen Leben des Harry August


    "There is freedom waiting for you, on the breezes of the sky, and you ask 'What if I fall?'
    Oh but my darling, what if you fly?"
    (Erin Hanson)