Kazuo Ishiguro - Was vom Tage übrig blieb / The Remains of the Day

  • Das Buch hat mir mal wieder bewiesen, dass man nicht unbedingt zunächst die Verfilmung sehen und dann die Vorlage lesen sollte. Schon gar nicht, wenn man die Verfilmung nahezu mitsprechen kann, wie es bei mir der Fall ist.
    Nicht, dass es das Werk schmälert, aber der Film ist schlichtweg etwas flüssiger, weniger sprunghaft und ich finde, er stellt die Beziehung von Stevens zu Mrs. Kenton in ein deutlich bedeutenderes Licht als das Buch es tut. Dort wird einem ja eigentlich erst auf den letzten 50 Seiten die Tragweite dieser Beziehung bewusst, während im Film mehr oder minder schnell klar ist, wo die Reise hingeht. Was für sich genommen sicherlich seinen Reiz hat - nur eben nicht, wenn man bereits weiß, worauf es hinauslaufen wird :wink:


    Insgesamt fasziniert mich die Geschichte nach wie vor sehr. Zum einen als Bild der Zeit und der (damaligen) englischen Denkweise, zum anderen eben durch die Geschichte von Mr Stevens, die zeigt, dass die Grenzen zwischen einem guten Diener und Selbstaufgabe eben leider fließend sind. Letzteres ist für mich immer ein bisschen Warnung neben der handelsüblichen Tragik eines Romans und der sich einstellenden Betroffenheit. Schon allein deshalb wird mich diese Erzählung wohl nie ganz loslassen.

  • Hurra, ich hab es zum Geburtstag bekommen und werde hoffentlich bald dazukommen es zu lesen.
    Und hier noch der Originaltitel: The Remains of the Day

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • Stevens, zeitlebens mit Leib und Seele Butler gewesen, geht zum ersten Mal auf Reisen. Sein neuer Arbeitgeber hat ihm, sehr zu seinem Erstaunen, für ein paar Tage sein Auto geliehen, und nun ist er auf dem Weg nach Cornwall, um dort Miss Kenton zu treffen, die vor langer Zeit auf Darlington Hall zu seinen Mitarbeitern gehörte.


    Mit Miss Kenton verband ihn seinerzeit eine ziemlich spezielle Beziehung. Die selbstbewusste, aufgeschlossene junge Frau, die sich nie gescheut hat, ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen, und der pflichtbewusste, disziplinierte, stets auf Loyalität und Diskretion bedachte Stevens sind häufig aneinandergeraten, und doch hat Stevens sie sehr vermisst, als sie Darlington Hall verließ, um zu heiraten.


    Während er mit Mr. Farradays Ford über Land fährt und sich immer wieder mit der "ganz normalen" Bevölkerung konfrontiert sieht - Begegnungen, die für ihn völliges Neuland sind - erinnert er sich an die alten Zeiten, als Lord Darlington noch lebte und in seinem Haus hochrangige Besucher empfing, sinniert über den Beruf des Butlers im Wandel der Zeit und lässt Konfliktsituationen Revue passieren.


    So ganz wohl ist ihm ja nicht bei der Erinnerung an Augenblicke, in denen er sich vielleicht nicht ganz richtig verhalten hat. Es ist ihm unangenehm, über Gefühle zu sprechen oder auch nur nachzudenken, weil er offenbar nie gelernt hat, sie zuzulassen, von Anfang an hat er hinter einer Maske der korrekten Professionalität gelebt. Darum fühlt er sich jetzt "draußen" in der Welt auch sichtlich fremd. Flotter Smalltalk, alltagspraktisches Denken und auf das eigene Herz zu hören sind Dinge, die ihm ziemlich schwerfallen.


    Kazuo Ishiguro schafft es hervorragend, sich in diese Figur hineinzuversetzen. Allein schon die wohlgesetzten Worte, die eloquenten, aber ein wenig umständlichen Sätze, in denen sich Stevens ausdrückt, sagen sehr viel über sein Wesen aus und passen perfekt zu diesem Butler wie aus dem Lehrbuch, der sich auf einmal damit konfrontiert sieht, dass die wohlgeordnete Gesellschaft, in der er sich so gut ausgekannt hat, sich inbesondere nach dem 2. Weltkrieg stark verändert hat.


    Stevens mag steif und etwas sperrig wirken und sich manchmal unverständlich verhalten, und doch ist er auf eine leise und ein bisschen traurige Art ein sympathischer Protagonist, dem man am Ende von Herzen wünscht, er möge doch noch lernen, ein wenig lockerer zu werden.


    Ein schönes, kleines Buch mit einer ganz besonderen Atmosphäre, in dem auf nur etwa 250 Seiten sehr viele spannende Themen angesprochen werden.


    (Ich habe das englische Original gelesen und die Sprache sehr genossen.)


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Bloss gut das dieses Buch nicht genau so lange auf meinem Stabel ungelesener Bücher gelegen hat, wie auf meiner WuLi. Ein Buch ganz nach meinen derzeitigen Geschmack. Ruhig, fast ein bisschen langweilig, aber doch mit einer solcher Aussagekraft das man so gar nicht möchte das es irgendwann zu Ende geht. Bei der Begegnung Stevens und das "einfache Volk" von Moscombe hätte ich Stevens am liebsten geschüttelt und gesagt: "Aufwachen, es gibt auch noch ein Leben ausserhalb deiner Mauern von Darlington Hall!" Nur weil er Butler ist muss er sich doch auf der einen Seite nicht schämen vor den Leuten bzw. sie doch nicht als kleine Leute sehen.

    Der Protagonist ist ein absoluter Langweiler, vielleicht sogar bedauernswert. Und trotzdem ist das Buch zauberhaft

    Auf der einen Seite JA, auf der anderen Seite würde ich es nicht ganz so krass ausdrücken wollen. Sondern eher ein Mensch der nicht aus seiner Haut kann, der sich immer nur unterordenen möchte ohne viel Stress im Leben zu haben, um seine eigene Meinung verteidigen zu müssen.

    Ich finde es toll, wie der Autor es geschafft hat, eine Person, die das Klischee ihrer selbst ist - also die Gestalt eines Butlers wie wir ihn aus englischen Filmen, Romanen, usw. kennen - als glaubwürdigen Charakter darzustellen. All die Gefühle, die Stevens sich während seines Lebens nicht erlaubt hat zu empfinden, werden beim Lesen greifbar und nachvollziehbar. Stevens Versuche, ein "Butler mit Würde" zu sein, gehen bis zur Selbstaufgabe. Die ganze Geschichte ist praktisch der gescheiterte Versuch, einem Leben, das nur aus Dienen, Gehorchen und Unterordnen bestanden hat, einen Sinn abzugewinnen und diesen Sinn zu vermitteln.

    Stevens ist zum Dienen erzogen worden, darin sieht er den Sinn seines Lebens und unterdrückt eisern alle Wünsche, Bedürfnisse und Begierden, die ein Menschenleben erst ausmachen.

    Marie und mofre haben es hier schon sehr gut ausgedrückt was ich auch beim lesen empfunden habe. Ein Buch was man unbedingt gelesen haben sollte, auch wenn es mal wieder von seinen ruhigen Tönen lebt, aber gerade diese schaffen ein Atmoshäre die man sich nicht anziehen kann.


    ich vergebe :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    Sobald wir lernen, uns selbst zu vertrauen, fangen wir an zu leben. ( Johann Wolfgang Goethe )


    Jede Begegnung , die unsere Seele berührt hinterlässt eine Spur die nie ganz verweht. ( Lore-Lillian Boden )

  • Ruhig, fast ein bisschen langweilig, aber doch mit einer solcher Aussagekraft das man so gar nicht möchte das es irgendwann zu Ende geht.

    Das hast Du gut ausgedrückt. Solche kleinen Erzählungen, in denen nicht viel passiert, die aber auf stille Art und Weise mit ihrem breiten Spektrum an Zwischentönen Empathie, Tiefgang und Atmosphäre vermitteln, finden Gott sei Dank immer noch ein Publikum (wie zuletzt John William's Roman "Stoner").
    Übrigens bin ich gerade gestern in einem Literaturblog auf ein weniger bekanntes Buch von Ishiguro gestossen, das der Rezensent als sein "eigentliches Meisterwerk" bezeichnet. Es scheint wohl experimenteller als seine anderen Romane zu sein und etwas in Richtung Franz Kafka zu gehen. Ein Fall für meine Wunschliste. :D

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    :study: Reiner Stach - Kafka. Die Jahre der Entscheidungen

    :study: James Wood - Die Kunst des Erzählens















  • Vor ein paar Jahren habe ich den Film gesehen, aber ich wusste nicht, dass es eine Romanverfilmung ist.
    Der Film hatte mir sehr gut gefallen; ob dieser Eindruck jetzt, nach dem Lesen des Buches, noch bestehen bliebe, kann ich natürlich nicht sagen.

    Da dieser Link nicht mehr funktioniert hier noch zwei Links zum Film:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Was_vom_Tage_%C3%BCbrig_blieb
    und der Zweite:
    http://www.amazon.de/Was-vom-T…vom+Tage+%C3%BCbrig+blieb

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

  • Solche kleinen Erzählungen, in denen nicht viel passiert, die aber auf stille Art und Weise mit ihrem breiten Spektrum an Zwischentönen Empathie, Tiefgang und Atmosphäre vermitteln, finden Gott sei Dank immer noch ein Publikum (wie zuletzt John William's Roman "Stoner").

    Ja, wobei mir "Stoner" nicht ganz so gut her gefallen hat, da hier der Schreibstil nicht den gleichen Klang der Gefühle in mir wach gerüttelt hat. Die Art und Weise wie er sein Leben lebt, mir einfach zu simpel ausgedrückt wurde.....mir einfach der gewisse Tiefgang gefehlt hat, warum er sich von seiner Frau so "unterbuttern" lies.

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  • weniger bekanntes Buch von Ishiguro gestossen, das der Rezensent als sein "eigentliches Meisterwerk"

    Das Meisterwerk habe ich vor ein paar Tagen abgebrochen. Wenn ein Hotelpage drei Seiten lang darüber berichtet, warum er den Koffer eines Gastes so und nicht anders in die Hand nimmt und welche anderen Tragemöglichkeiten es gibt und wer alles für welche Möglichkeit plädiert und ... Da habe ich mich gefragt, ob so etwas 740 Seiten lang lesen will. Kafka hin oder her, es hat mich nicht gereizt.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Wenn ein Hotelpage drei Seiten lang darüber berichtet, warum er den Koffer eines Gastes so und nicht anders in die Hand nimmt und welche anderen Tragemöglichkeiten es gibt und wer alles für welche Möglichkeit plädiert

    Für mich klingt das wie aus dem Leben gegriffen. Als ich letztens mit einem furchtbar schweren und unhandlichen Koffer unterwegs war, waren das nämlich exakt die Fragen, über die ich die ganze Zeit nachgegrübelt habe. :loool:

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  • waren das nämlich exakt die Fragen, über die ich die ganze Zeit nachgegrübelt habe.

    ... und als du zu Hause warst, hast du das dann literarisch verarbeitet? :|

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  • Übrigens bin ich gerade gestern in einem Literaturblog auf ein weniger bekanntes Buch von Ishiguro gestossen, das der Rezensent als sein "eigentliches Meisterwerk" bezeichnet. Es scheint wohl experimenteller als seine anderen Romane zu sein und etwas in Richtung Franz Kafka zu gehen. Ein Fall für meine Wunschliste. :D

    Da Ishiguro mit seinem Stil und den angeschlagenen Themen stets wechselt und experimentiert behaupte ich mal, dass es dann doch eine Frage des Geschmacks ist, was man unter seinen Werken als "eigentliches Meisterwerk" ansehen will. W>as mich anbetrifft fande ich die "Unconsoled" ebenfalls sehr interessant und von allen Ishiguros das "Kafkaähnlichste". Dazu kommen Verzerrungen von Raum und Zeit, das Geschehen scheinbar unmöglicher Dinge... Probier's mal, mofre! Wäre gespannt auf Deine Einschätzung!

  • ... und als du zu Hause warst, hast du das dann literarisch verarbeitet?

    Das hätte ich gern getan, aber bei solch verstockten Lesern wie Dir, die die sublime Schönheit und schillernde Bedeutungsvielfalt des Koffertragens nicht zu erkennen vermögen, hat das ja gar keinen Sinn. [-(

    behaupte ich mal, dass es dann doch eine Frage des Geschmacks ist, was man unter seinen Werken als "eigentliches Meisterwerk" ansehen will.

    Sicher, aber da ich den betreffenden Literaturblog und die Meinungen des Bloggers interessant finde (er bespricht häufig Bücher "abseits des Weges"), hat mich sein Urteil neugierig gemacht. Populär scheint der Roman allerdings nicht zu sein, im normalen Handel ist er jedenfalls nicht mehr erhältlich.

    Probier's mal, mofre! Wäre gespannt auf Deine Einschätzung!

    Dein Befehl ist mir Wunsch! :)

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  • Dank Eurer Rezensionen und Kommentare bin ich auf diesen Autor aufmerksam geworden und habe mir gleich mal drei Bücher (in Französisch) von ihm bestellt.
    Soeben habe ich dieses Buch beendet und möchte mich den positiven Aussagen anschliessen.


    Es war ein ruhiges Buch mit angenehmer Sprache und einem interessanten Thema. Ich fand es erstaunlich, wie Stevens in seinem Beruf bzw. seiner Berufung aufgeht. Er gibt einfach Alles, um ein « würdiger » Butler zu sein. Ich fand die Geschichte schlichtweg ergreifend und auch bezaubernd. Die Beschreibung des Protagonisten und seine ganzen Erinnerungen, die uns durch das ganze Buch begleiten, finde ich sehr gelungen.


    Obwohl ich mich nie viel für Geschichte und Politik interessiert habe, konnte ich mit diesem Buch gut in die Epoche der Zwanziger und Dreissiger Jahre eintauchen.
    Den Beruf des Butlers/Dieners finde ich irgendwie fast ein bisschen abwertend, obwohl er in meinen Augen grossen Respekt verdient. Stevens hatte ja absolut kein Privatleben. Ich glaube, bis zu seinem Ausflug mit dem Ford seines « Herren », hat er noch nie Urlaub gemacht, ausser den normalen freien Tagen, die er wahrscheinlich auch nur in und um Darlington Hall verbracht hat. Irgendwie fehlt ihm eine gewisse Lebensfreude.


    Ein schönes, interessantes, aber auch ein bisschen trauriges Buch. Diese 268 Seiten hätte ich normalerweise an ein bis zwei Abenden ausgelesen, aber ich habe sie lieber in kleinen Dosen genossen, verteilt auf fünf gemütliche Lese-Abende.
    Ich freue mich schon auf die nächsten Bücher von Kazuo Ishiguro und geben diesem hier :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    ☆¸.•*¨*•☆ ☆¸.•*¨*•☆ La vie est belle ☆¸.•*¨*•☆☆¸.•*¨*•☆

  • Im Zuge der Vergabe des Nobelpreises an Kazuo Ishiguro 2017 bin ich auf diesen Autor aufmerksam geworden. Die Verfilmung dieses Romans von James Ivory habe ich vor fast 25 Jahren gesehen.
    Trotzdem hatte ich jetzt beim Lesen die ganze Zeit das Gesicht von Anthony Hopkins vor mir. Hopkins spielt die Rolle des Butlers natürlich grandios, aber es hat mich schon gestört mir kein eigenes Bild von Mr. Stevens machen zu können. Ich würde daher empfehlen, immer zuerst das Buch zu lesen, und den Film erst danach anzuschauen.
    Das Buch fand ich phantastisch. Ishiguro hat allein für dieses Buch den Nobelpreis vollauf verdient. Ich finden auch, dass dieses Buch extrem wertvoll für junge Menschen sein kann.
    Gerade in unserer heutigen Zeit, wo jeder der Meinung ist, er müsste sein aufregendes Leben mit der ganzen Welt teilen, zeigt dieses Buch, was es heißt eine Aufgabe zu haben und diese zu erfüllen. Und sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen oder sich anderen Menschen überlegen zu fühlen oder diese gar als minderwertig anzusehen.
    Natürlich sollte man nicht so weit wie Mr. Stevens gehen und sich und sein Leben dabei verleugnen. Aber ein wenig mehr Demut und Rücksichtnahme seinen Mitmenschen gegenüber sind Eigenschaften die auch heute noch gepflegt werden sollten. Das ist nicht altmodisch, sondern ein Charakterzug der vielen Menschen, auch älteren, heutzutage leider komplett zu fehlen scheint.
    Was Mr. Stevens für mich zu einer wahrhaft dramatischen Gestalt macht ist seine Erkenntnis am Ende des Buches, dass er sein Leben vielleicht vergeudet hat, aber im gleichen Gedankengang schon wieder an kommende Pflichten denkt. Das ist wirklich ergreifend geschildert. Ganz großartig.
    Unglaublich toll fand ich auch die Sprache von Ishiguro. Er lässt einen selbst zu Mr. Stevens werden. Die Sprache mag zwar wie aus einem anderen Jahrhundert klingen, sie zieht einen aber auch förmlich in ihren Bann. Ich wurde regelrecht süchtig, nach der Ausdrucksweise von Mr. Stevens.
    Für mich ist "Was vom Tage übrig blieb" ein moderner Klassiker, den jeder an guter Literatur Interessierte gelesen haben sollte.

    Reality is that which, when you stop believing in it, doesn't go away. PKD

  • Sehr interessanter Beitrag mit neuen Aspekten, @HansF. Und ich kann mir gut vorstellen, dass die liebe Marilyn dieses Buch ebenfalls gelesen hätte (wie so viele andere Klassiker und gute Literatur). Toller Avatar!

  • Wir haben diesen Roman in unserem Literaturkreis gelesen und besprochen.
    Es war doch ein bisschen anstrengend, diesen Roman in dem es fast keine Handlung, dafür umso mehr Gedanken und Rückblenden gibt, zu lesen. Man muss sich richtig einlassen auf die Geschichte dieses Butlers, der immer nur treu gedient und sein persönliches Leben dabei verpasst hat.
    Trotzdem hat mir die Geschichte sehr gut gefallen. Vielleicht nehme ich sie mir nochmals vor, wenn es nicht so hektisch ist (wann immer das sein könnte :-k )
    Die Beschreibungen der Gedanken, der nicht eingestandenen Gefühle sind großartig. Ein Buch, für das man sich eines nehmen sollte: Zeit.
    Ich vergebe: :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:
    :winken:

    Nicht jeder, der das Wort ergreift, findet ergreifende Worte :-,


    (frei nach Topsy Küppers)


  • ja, ich kenne die Verfilmung. Also, ich habe sie vor vielen Jahren schon mal gesehen, ich könnte sie mir jetzt, wo ich das Buch gelesen habe, nochmals anschauen. Vielleicht machen wir das sogar zusammen mit dem ganzen Literaturkreis.

    Nicht jeder, der das Wort ergreift, findet ergreifende Worte :-,


    (frei nach Topsy Küppers)


  • Mich hat ebenfalls, wie hier schon mehrfach beschrieben wurde, sehr fasziniert, wie Ishiguro dieses verstörend unkritische, bis zur Selbstverleugnung servile und entsetzlich einsame Dasein des Butlers eingefangen hat.


    Trotz der historischen Einordnung gibt es erschreckende Parallelen auch zu modernen von Selbstausbeutung geprägten Arbeitsverhältnissen, da brauche ich in meinem Umfeld nicht lange zu suchen. :| Menschen in solchen Lebensumständen sollten sich ebenso klarmachen, was am Ende des Tages noch bleibt, wenn sie nicht - anders als dieser Butler - rechtzeitig die Situation kritisch einschätzen und gegensteuern. Überzogenes und gleichzeitig irgendwie moralisch "hochwertig" verbrämtes Pflichtdenken kann immer gefährlich und zerstörerisch sein. Wie zeitlos das ist, zeigt Ishiguro mit den oft übergenau sezierten Einstellungen und Motivationen des Butlers so beklemmend auf, dass mir die Lektüre fast schon physisch wehgetan hat.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    :study: Han Kang - Griechischstunden

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