Kazuo Ishiguro - Was vom Tage übrig blieb / The Remains of the Day

  • Auch ich war von dem Roman restlos begeistert. Vieles wurde ja bereits gesagt, und ich möchte nur nochmals hervorheben, was mir so gut gefiel:


    Wie toll es der Autor geschafft hat, den Butler darzustellen, wurde ja mehrmals erwähnt. Die stilbewusste Sprache, die etwas umständlichen Sätze - das habe ich sehr gerne gelesen. Zudem finde ich die Darstellung des Menschen, der sein ganzes Leben in den Dienst einer Aufgabe stellt, durchaus nachvollziehbar. Sarange schrieb von Ausbeutung in manchen Arbeitsverhältnissen. Mag sicherlich stimmen, auch wenn die Freiwilligkeit / Motivation hier dann etwas anders läge.

    Ich denke eher u.a. an Forscher, die aus innerem Antrieb ein Ziel verfolgen, bspw Heilmittel gegen Krebs. Ein Leben lang Überstunden, Rückschläge, Kindergeburtstage verpassen, um Forschungsgelder aufzutreiben, oder sowas ähnliches - und die dann doch ihr selbstgestecktes Ziel verfehlen. Von daher konnte ich recht gut einen aktuellen Bezug erkennen. Jeder Mensch hat doch ein Ziel, manche investieren mehr Zeit darauf als andere, ordnen sich vielleicht komplett dem Ziel unter, bis zur Selbstaufgabe, und erkennen dann irgendwann, dass sie dadurch vieles verpasst haben. Ein spannendes Thema!


    Eine andere Eigenheit des Romans fand ich klasse, und wurde bisher eher indirekt, unterschwellig erwähnt: nämlich die narrative Unzuverlässlichkeit des Erzählers. In den meisten Romanen kann man als Leser dem Erzähler alles glauben, was so geschildert wird. Aber hier erzählt Einer, und als Leser merkt man ganz allmählich, dass die Dinge vielleicht auch anders liefen. Stevens bleibt ja bis zum Schluss Lord Darlington treu und verliert kein schlechtes Wort über ihn. Auch an der distanzierten Beziehung zu Miss Kenton zweifelt man erst nach und nach, als Stevens Vermutungen über Gefühlsregungen anstellt, aber teilweise auch wieder verwirft. Und diese "subjektiven Schilderungen" sind ja nicht mal beabsichtigte Lügen, sondern zeigen nur Stevens Selbstbetrug. Und diese Abweichung zwischen Stevens Schilderungen und der "Realität" mit nur einem einzigen Erzähler abzubilden, das empfinde ich als ganz große Erzählkunst!


    Und auch den Schluss fand ich sehr passend. Da ist kein Zusammenbruch und Drama. Stevens bleibt äußerlich gefasst, er bewahrt Haltung und Würde und ist damit ein konsistenter, glaubwürdiger Charakter bis zum Ende.