Arto Paasilinna - Nördlich des Weltuntergangs

  • Originaltitel: Maailman Paras Kylä


    Klappentext:
    Sie suchen das Paradies? Es liegt in Nordfinnland. Denn dort ist beim Bau einer Kirche ein autarkes Dorf entstanden, das sich in der krisengeschüttelten Welt zum begehrten Zufluchtsort entwickelt. Weltwirtschaftskrise, der Untergang New Yorks und der Ausbruch des dritten Weltkrieges - im Norden Finnlands lässt man sich nicht aus der Ruhe bringen. Und als die Sonne beginnt, aus einer anderen Richtung zu scheinen, feiert man Weihnachten eben in Badehose, und Rudi das Rentier wird zum Flamingo.


    Asser, 89jähriger Kriegsveteran, Kommunist und Kirchenbrandstifter, gründet eine Kirchenstiftung und bestimmt testamentarisch seinen Enkel Eemeli, einen Zimmermann, zum Erbauer der Kirche. Nicht ohne Widerstände seitens der Behörden wird die Kirche gebaut, und nach und nach besiedeln immer mehr Leute das Land, denn die Seen sind fischreich, in den Wäldern kann gejagt, auf den Feldern gepflanzt werden. Immer mehr Land muss dazugekauft werden, eine Art Selbstverwaltung wird auf die Beine gestellt, eine Pastorin eingestellt, eine paramilitärische Gruppe zur Grenzkontrolle gegründet, und als der dritte Weltkrieg ausbricht, ist diese finnische Enklave das einzige Gebiet auf der Welt, in dem noch Frieden herrscht, auch wenn man auf eigenartige Weise in den Besitz einer Atombombe gekommen ist.


    Im Jahr 1992 hat der Autor das Buch veröffentlicht, die Geschichte beginnt Anfang der Neunziger Jahre und endet 2023. Interessant zu lesen, welche Zukunftvisionen des Autors sich bis heute bewahrheitet haben, z.B. die Weltwirtschaftskrise und das Versinken der Städte im Müll (er tippte dabei nur auf die falschen Städte, New York und St. Petersburg), Rückkehr von der Geldwirtschaft zum Tauschhandelt mit Naturalien, Einsatz von Pferd und Ochsen in der Landwirtschaft (es gibt kein Benzin mehr), usw.


    Das Buch ist leicht zu lesen, gewürzt mit viel Humor von leichter Zivilisationskritik bis zu beißender Ironie. Es wechselt zwischen schnell erzählter Zeit und breit ausgewalzten Szenen, die mir oft zu breit waren. Muss der Leser wirklich bei jedem Ausflug, bei jeder Expedition der Dorfleute darüber informiert werden, wieviele Fässer eingelegten Fisch und wieviele Kilo getrocknetes Elchfleisch mitgenommen werden? Wer wo auf dem Schlitten sitzt? Eine Raffung an entsprechenden Stellen wäre nicht schlecht gewesen.
    Es haben sich einige Fehler eingeschlichen: Es wird geschildert, wie der ockerfarbene Anstrich der Kirche vorbereitet wird, einige Kapitel später ist sie rot. Eine Gruppe hat noch 5 Kilometer bis zum Dorf zu gehen, zwei Seiten später sind es 15. Keine gravierenden Mängel, trotzdem störts.
    Mit den finnischen Namen hatte ich Probleme; die ungewohnten Vornamen konnte ich zunächst geschlechtlich nicht zuordnen (z.B. Severi = ein Mann, Tuirevi = eine Frau). Auch die andern Namen - z.B. Ryteikköinen, Kontiomäki, Ukonjärvi: Nachname? Fluss? Ortschaft? - ließen mich oft zurückblättern.


    Ein lockeres Lesevergnügen, in dem auf eine leicht Art aus der Distanz das Schreckensinferno des Weltuntergangs beleuchtet wird. 50 Seiten weniger, und es wären vier :bewertung1von5: geworden .


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Liebe Marie,


    vielen Dank für die schöne Rezi. Das Buch steht noch auf meiner Wunschliste und ich konnte mich bisher nicht dazu durchringen es zu kaufen, da ich von "Zehn zärtliche Kratzbürsten" etwas enttäuscht war. Aber dieses hört sich einfach gut an.


    Liebe Grüße von der buechereule :winken:

    Liebe Grüße von der buechereule :winken:


    Im Lesesessel


    Kein Schiff trägt uns besser in ferne Länder als ein Buch!
    (Emily Dickinson)



    2024: 010/03.045 SuB: 4.302

    (P/E/H: 2.267/1.957/78)

  • Hallo Marie!


    Auch ich finde deine Rezension sehr gelungen, weswegen ich mir das Buch vor längerer Zeit als Mängelexemplar gekauft habe. Allerdings kam ich bisher noch nicht dazu es zu lesen. Das wird sich aber gleich ändern, wenn ich im Bus sitze. Ich bin sehr gespannt auf das und hoffe, dass es hält, was es verspricht. Gut zu wissen, dass es einige kleine Fehler gibt, dann bin ich beim Lesen schon nicht ganz so irritiert. Mich interessiert auch von Arto Paasilinna "Der Sohn des Donnergottes".
    Ich werde meine Meinung dann demnächst hier posten, wenn ich es ausgelesen habe (ich muss ja gleich erstmal damit anfangen ;-) ).


    Liebe Grüße Eimyrja

    ~Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.~
    - Heinrich Heine -

  • Hallo zusammen!


    Nach zwei Wochen (was ein Rekord für ein Privatbuch ist, seitdem ich an der Uni bin), habe ich das Buch gestern ausgelesen und insgesamt hat es mir sehr gut gefallen. Da ich mich mal vor einiger Zeit ein bisschen mit Finnisch mal auseinandergesetzt habe, wobei ich dieses oder spätestens nächstes Jahr mal richtig damit anfangen möchte es zu lernen, waren z.B. die Ortsbezeichnungen nicht ganz so verwirrend für mich. Mir hat die Idee von einer autarken Gemeinde, die allen Krisen und Kriegen auf der Welt trotzt, sehr gut gefallen, da in dem Buch eigentlich sehr deutlich wird, dass man eigentlich gar nicht soviel zum Leben braucht, außer ein Dach über dem Kopf, ausreichend Kleidung und Nahrung sowie eine Arbeit, und, was mir in dem Buch auch gut gefallen hat, die allgegenwärtige Natur. Na ja, am Anfang fand ich folgende Episode

    erschreckend und gruselig... einfach nur unglaublich, was für schreckliche Menschen es gibt. Ich finde, dass die Charaktere gut dargestellt worden sind, wobei ich bei dem ein oder anderen öfters auch schmunzeln musste. Für das Buch habe ich einen recht guten Zeitpunkt zum Lesen abgepasst, da mir die etwas leichtere Unterhaltung aber dennoch mit vielen Anregungen zum Nachdenken in meinem derzeitigen Prüfungs- und Unistress gut zugesagt hat. Und ganz unrealistisch ist dieses Weltuntergangsszenario, was im Laufe des Buches beschrieben wird, wirklich nicht, wenn man sich heute umschaut.
    So, das war's erstmal von meiner Seite.


    Liebe Grüße Eimyrja

    ~Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen.~
    - Heinrich Heine -