Alina Bronsky - Scherbenpark

  • Seitenzahl: 286


    Inhalt:
    Die siebzehnjährige Sascha lebt mit ihrer Großtante Maria und ihren Geschwistern zusammen und hat sich zwei Ziele fürs Leben gestellt. Zum einen will sie ihrer Mutter ein Buch schreiben und zum anderen Vadim töten.
    Warum sie so einen Hass auf Vadim hat und weshalb Maria besonders für die jüngeren Geschwister zur Ersatzmutter wird, wie ein Verbrechen den eh schon schwierigen Alltag völlig verändert und welchen Einfluss der Jornalismus in ihr Leben hat, all das erzählt sie in diesem Buch.


    Autorin:
    Alina Bronsky, geb. 1978 in Jekaterinburg/Russland, verbrachte ihre Kindheit auf der asiatischen Seite des Ural-Gebirges und ihre Jugend in Marburg und Darmstadt. Nach abgebrochenem Medizinstudium arbeitete sie als Texterin in einer Werbeagentur und als Redakteurin bei einer Tageszeitung. Sie lebt in Frankfurt und "Scherbenpark" ist ihre erste literarische Veröffentlichung.


    Meine Meinung:
    Bevor ich begann das Buch zu lesen stieß ich auf zwei Fronten. Die Einen jubelnd, die Anderen eher verhalten. Ich war neugierig wie ich das Buch empfinden würde.
    Keine lange Einleitung, sondern sogleich hinein ins Getümmel. Damit stößt man bei mir schon mal alle Türen auf.
    Sie erzählt von ihrer Kindheit und ihrer Mutter und was es mit diesem Vadim auf sich hat und lernt dabei, dass das Leben nicht immer so läuft wie es geplant war. Die Schreibweise ist jung, frech, zum Teil respektlos und kritisch, zeigt Humor mit Biss, ist flott und quirlig und bringt dabei so viel Wärme rüber. Ich sah die Siebzehnjährige genau vor mir, spürte ihre Wut, ihre Verzweiflung und ihre Verletzbarkeit. Obwohl der Hintergrund eigentlich sehr ernst ist, gab es zahlreiche Stellen, die mich köstlich amüsierten oder gar zum Lachen brachten.
    Als hohe Literatur würde ich es nun nicht unbedingt bezeichnen, aber als verdammt gute Unterhaltung mit erfrischend neuem Einschlag.
    Alina Bronsky für mich jederzeit wieder. Ich bewerte das Buch mit :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: / :bewertung1von5: - lasse mir bewußt noch einen halben Stern Luft, weil ich denke, es ist noch mehr drin.
    Ich empfehle es euch gerne weiter. :thumleft:


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Anita Amirrezvani, Das Lied der Rosen

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Danke, Wirbelwind, für die schöne Rezension.
    das Buch habe ich im Dezember gelesen - und zwar fast in einem Rutsch.
    Auch mir hat es gut gefallen und ich kann mich dir nur anschließen.
    Mag sein, dass Bronsky einige Klischees bedient - aber lesenswert ist das Buch. :wink:
    Ein tolles Debüt für eine junge Autorin. Ich bin gespannt auf ihr nächstes Buch.


    ein link:


    http://www.scherbenpark.de/

  • Hallo Conor,
    wenn man in den Buchandlungen sämtliche Bücher rausziehen würde, in denen Klischees bedient werden, hätten wir kaum noch Auswahl. :loool: Solange es sich im Rahmen hält......
    Bin auch gespannt ob Alina Bronsky die Erwartungen erfüllen kann, sich eventuell sogar steigern, oder nur eine Eintagsfliege war.


    Liebe Grüsse :winken:
    Wirbelwind


    :study: John Burdett,Der Jadereiter

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Ihre Sätze hämmern sich ins Bewusstsein, der Rhythmus ihres Debütromans macht fast atemlos. Wäre Scherbenpark ein Popsong, wäre er schnell, gut durchkomponiert, aufmüpfig und stellenweise ohrenbetäubend laut. Definitiv kein Stück, das schwermütig macht. (Brigitte)


    Die hochbegabte Alexandra Naimann, genannt Sascha, kam aus Russland und wohnt mit ihren Geschwistern und der Tante in einem Neubau-Ghetto von Frankfurt/Main, dem Scherbenpark. Zwei große Ziele hat sich die 17jährige gestellt, sie will für ihre Mutter ein Buch schreiben und sie will Vadim umbringen. Was es mit diesen Wünschen auf sich hat, erfährt der Leser erst im Laufe der Handlung. Zu Beginn stehen dazu die Fragen im Raum, welche sich jedoch nach und nach erklären.


    Frisch, frech, spritzig, witzig, angenehm anders, diese Worte fallen mir nach der Lektüre von „Scherbenpark“ spontan ein. Die Handlung ist simpel, wird jedoch durch den flotten Erzählstil der Autorin deutlich aufgewertet. Unbekümmert und wie ihr der Schnabel gewachsen ist, erzählt Alina Bronsky die Geschichte der Sascha Naimann. Sie steht als Aussiedlerin am Rande der Gesellschaft. Alles ist anders als in Sibirien, wo sie geboren wurde und die Kindheit verbrachte. Von der alten Heimat hat sie sich noch nicht vollkommen gelöst, in der neuen ist sie noch nicht ganz angekommen. Zu den Mitschülerinnen hat sie kaum Kontakt gefunden. Aber durch das Verbrechen, dem die Familie zum Opfer fiel erlangte sie traurige Berühmtheit. Ihre Kommentare und Bemerkungen über ihre neue Heimat sind mitunter bissig, aber doch zutreffend. Die gängigen Klischees von Aussiedlern aus Russland bedient sie ebenso wie die über die Neubau-Ghettos. Aber vielleicht sind es gar keine sondern eher Wahrheiten? Das hohe Erzähltempo hält sie von Anfang bis Ende durch. Das unterstreicht den jugendlichen Eindruck, den ich von ihrer Schreibweise erhielt. Gut gefallen hat mir auch der Humor, der in der doch tragischen Geschichte steckt.


    Mein Fazit: „Scherbenpark“ ist ein Buch, das mich von Beginn an gefangen und gut unterhalten hat. Es ein echter Page-Turner, der die Suche einer 17jährigen nach ihrem Platz im Leben eindrucksvoll beschreibt.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Ein sehr interessantes Buch über ein junges sehr kluges Mädchen, das ihr „Zuhause“ sucht. Sehr realistisch wurde das Leben in einer Siedlung, wo vor allem die russischen Neubürger wohnen, beschrieben. Die Sprache ist fesselnd, humorvoll und flüssig. Die Geschichte ist wie das Leben selbst: realistisch und fiktiv, tragisch und humorvoll, grausam und faszinierend.

  • Meine Meinung:
    Die 17-jährige Ich-Erzählerin Sascha Naimann ist Russland-Deutsche und lebt mit ihrer Großtante Maria und ihren jüngeren Stiefgeschwistern Anton und Alissa in einem tristen Hochhaus-Ghetto in der Nähe von Frankfurt/M.
    Sascha ist hochbegabt und besucht als einzige aus ihrem Viertel ein katholisches Elitegymnasium. Ihre Mitschüler dort führen ihr vor Augen, dass sie selbst in einer anderen Welt lebt, Sascha, die mit Migrationshintergrund.
    Sascha hat zwei Träume: sie will ihren Stiefvater Vadim töten und ein Buch über ihre Mutter schreiben. Mit Schrecken erfährt man, wie es dazu kam.


    Maria, die aus Nowosibirsk kam, um sich um die drei Kinder zu kümmern, kann kein Deutsch, sodass Sascha sich rührend nicht nur viel mit ihren Geschwistern beschäftigt, sondern auch versucht, Maria das Einleben zu ermöglichen. Dabei hat sie selbst viel Wut und vor allem Hass auf die Männer in sich.
    Als Sascha eines Tages ein Interview mit Vadim in einer Frankfurter Zeitung entdeckt, fährt sie wütend zum Verlagshaus. Dort lernt sie den Ressortleiter Volker Trebur kennen. Dieses Kennenlernen mit Volker und seinem Sohn Felix führt zu grundlegenden Änderungen in Saschas Leben, die auch ihre Fassade allmählich bröckeln lassen.


    Alina Bronsky ist es mit diesem Debütroman gelungen, dem Leser eine freche, respektlose Sascha nahe zubringen, die trotz ihres bisher harten Lebens lebensbejahend und fast angstfrei durchs Leben geht. Sascha ist hochintelligent, mutig, trotzig und verleiht mit ihrem sarkastischen Humor auch traurigen Ereignissen ein komisches Gewand. Doch auch wenn man häufig schmunzeln und lachen muss, ahnt man, dass hinter Saschas Coolness Trauer, Ängste, Sehnsüchte nach Zugehörigkeit und Liebe stecken.
    Der Schreibstil Alina Bronskys ist schlicht, mitleidlos und distanziert. Knappe, schnörkellose Sätze kommen direkt auf den Punkt.
    Das macht den Roman besonders authentisch, liest man doch mit Saschas Augen. Elend und Verzweiflung werden gekonnt hinter einer spritzigen Sprache verborgen.
    Dass diese temporeiche Geschichte von einer Autorin geschrieben wurde, die selbst aus Russland stammt, sollte unseren Blick auf unsere deutsche Gesellschaft mit ihren „Randgruppen“ schärfen.
    Danke, Frau Bronsky!


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: / :bewertung1von5: von mir.

  • Dieses Buch hat mich schon nach ganz wenigen Seiten in seinen Bann gezogen. Zum einen durch die frische, unverblümte Sprache, zum anderen durch seinen Inhalt und die vielen Fragen, die gleich zu Anfang entstehen. Warum nimmt sich dieses Mädchen vor, Vadim zu töten. Wer ist überhaupt Vadim? Und warum will sie ein Buch über ihre liebenswerte, aber "hirnlose" Mutter schreiben? Alina Bronsky gelingt es schon nach wenigen Seiten, den Leser mit ihrer Geschichte zu überzeugen. Beim Lesen haben mir nicht nur die teils überraschenden Entscheidungen der Protagonistin gefallen, sondern auch ihre Art, die Mitmenschen zu beschreiben und damit eine unverblümte, treffende Analyse unserer Gesellschaft zu präsentieren. Bis zum zweiten Drittel des Buches war ich regelrecht begeistert und habe fest eine Fünf-Sterne-Bewertung eingeplant. Dass es am Ende doch nur viereinhalb werden, liegt daran, dass es scheint, als hätte Alina Bronsky zwischendurch ein wenig den Faden verloren, wie es mit ihrer Geschichte weitergehen soll. Keine Sorge, sie hat sich gefangen und das ganze auch gut zu Ende gebracht. Aber gerade am Anfang des Buches fand ich die Geschichte noch ein kleines bisschen besser


    Fazit: Ein ganz großartiges Buch, das ich unbedingt als Lesestoff empfehlen würde. Von dieser Autorin muss ich unbedingt noch mehr lesen!!

    Da es der Gesundheit förderlich ist, habe ich beschlossen, ab heute glücklich zu sein (Voltaire)

  • Zitat

    Manchmal denke ich, ich bin die Einzige in unserem Viertel, die noch vernünftige Träume hat. Ich habe zwei, und für keinen brauche ich mich zu schämen. Ich will Vadim töten. Und ich will ein Buch über meine Mutter schreiben. Ich habe auch schon einen Titel: "Die Geschichte einer hirnlosen rothaarigen Frau, die noch leben würde, wenn sie auf ihre kluge älteste Tochter gehört hätte". Vielleicht ist das nur ein Untertitel. Ich habe Zeit, es mir genau zu überlegen, denn ich habe noch nicht angefangen zu schreiben. (Seite 9)


    Sascha Naimann ist 17 Jahre alt. Ziemlich intelligent, ist sie an einem angesehenen Gymnasium aufgenommen worden, obwohl sie in einer von Russlanddeutschen bewohnten Hochhaussiedlung lebt, dem Scherbenpark.
    Dort lebt sie nach dem Tod ihrer Mutter mit ihren beiden jüngeren Geschwistern und einer entfernten Verwandten.


    Allerdings haben die drei Geschwister schon einiges durchgemacht - ihr Stiefvater hat ihre Mutter und den neuen Partner vor ihren Augen umgebracht. Kein Wunder, das ihr Bruder in einer Therapie ist. Doch Sascha hat sowas nicht nötig - sie muss sich um die Geschwister kümmern, um Maria, die entfernte Verwandte, die extra aus Russland kommt und ihr Vormund wird. Aber Maria kann kaum deutsch und so muss Sascha immer wieder für sie übersetzen.


    Als Leser wird man sofort in die Story reingeworfen. Was genau mit Sascha und ihrer Mutter passiert ist, erfährt man erst wie beiläufig nach einigen Seiten. Und so ist auch der ganze Tonfall im Buch. Der ganze Roman ist in einem hohen Tempo geschrieben. Die Erlebnisse, die Sascha erzählt, sind tragisch, manchmal auch komisch.
    Sascha ist keine strahlende Heldin, sondern nur ein einfaches Mädchen, das versucht, das beste aus ihrem Leben zu machen. Nicht alle ihre Entscheidungen machen Sinn, aber anders kann sie nicht. Da die Ereignisse aus der Sicht von Sascha erzählt werden, konnte ich mich auch wunderbar in sie hineinversetzen. Aber gerade in der Mitte des Buches fand ich einige ihrer Entscheidungen ziemlich seltsam. Dadurch wirkt das Geschehen etwas abstrus.


    Die Nebencharaktere sind durch allesamt doch ziemlich klischeehaft - übergewichtige, stark geschminkte russische Mamas, trinkende Väter. Wirklich gestört hat mich das jedoch nicht, dazu bietet das Buch einfach beste Unterhaltung.
    Nachdem mich letzte Jahr schon Die schärfsten Gerichte der tatarischen Küche begeistert hat, ist Alina Bronsky nun endgültig in die Riege der Autorinnen gelandet, von denen ich mehr lesen möchte.


    Fazit: Schnell. Laut. Cool. Tolle Unterhaltung - trotz einiger Klischees. :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

  • Mir hat die Geschichte der aufmüpfigen 17-jährigen, die ihr Leben mutig in die Hand nimmt und sich trotzdem liebevoll um ihre kleinen Geschwister kümmert, sehr gut gefallen. Sascha hat es als einziges Mädchen mit russischem Migrationshintergrund auf ein deutsches Elitegymnasium geschafft. Sowohl in der Schule, als auch in ihrem Wohngebiet, dem "Scherbenpark" ist sie dadurch sowas wie eine Außenseiterin. Das stört sie aber nicht. Ganz bewußt macht sie sich einen Plan für die Zukunft: sie will ein Buch über ihre Mutter schreiben und Vadim töten.


    Wie es dazu kommt, ist rasant erzählt, intelligent, sympathisch und cool. Saschas Entscheidungen sind nicht immer sinnvoll, dafür aber nachzuvollziehen. Mit großer Wut, Hass auf alle Männer und ohne Angst rennt sie durchs Leben, eckt immer wieder an, und erfährt, dass es in den deutschen Vorzeigefamilien auch nicht ohne Probleme zugeht.


    Ich habe sie gerne auf ihrem Weg beobachtet - und vergebe :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Nicht jeder, der das Wort ergreift, findet ergreifende Worte :-,


    (frei nach Topsy Küppers)