Aus der Amazon.de-Redaktion
Am 08. Mai 1981 wurde die US-amerikanische Journalistin Alice Sebold in einem Tunnel vergewaltigt: im Tunnel eines Amphitheaters ausgerechnet, in dem normalerweise die Schauspieler auf ihren Auftritt warteten. Hier war zuvor ein Mädchen auf brutale Weise ermordet worden. Im Vergleich zu diesem Mädchen, sagte ihr ein Polizeibeamter damals, habe sie doch "Glück gehabt". Mit den Begriffen des griechischen Dramas würde man eine solche Situation wohl "tragikomisch" nennen. Aber dies hier war die grausame Wirklichkeit.
Diese zynische Bemerkung des Kriminalbeamten nach ihrer Vergewaltigung hat dem neuen Buch von Sebold, die mit In meinem Himmel zu Weltruhm kam, den Titel gegeben. Damals, mit 18 Jahren, habe sie das Gefühl gehabt, "ich hätte mehr mit dem toten Mädchen gemeinsam als mit dem großen, massigen Polizeibeamten oder meinen entsetzten Erstkommilitoninnen", schreibt Sebold. "Das tote Mädchen und ich, wir waren an demselben schäbigen Ort gewesen. Wir hatten beide auf dem dürren Laub inmitten der Bierflaschenscherben gelegen."
Dermaßen eindringlich geht es weiter in Sebolds Erlebnisbericht, der nicht nur die Geschichte ihrer Vergewatigung erzählt, sondern auch beschreibt, wie ungewöhnlich die Autorin mit der Hölle danach umging. Sebold nämlich zog sich keineswegs in sich zurück, sondern versuchte, sich aktiv mit dem Verbrechen auseinanderzusetzen -- die Verarbeitung mit den Mitteln der Sprache ist hierzu offenbar der letzte Schritt. Hiervon zeugt Glück gehabt auf anschauliche Art und Weise. Kein Buch für schwache Nerven, aber eines, das im wahrsten Sinn des Wortes nötig war. --Isa Gerck
Meine Meinung:
Ich habe vor Jahren das Buch "In meinem Himmel" von Alice Sebold gelesen, das mir sehr, sehr gut gefallen hat. Mir war von Anfang an bewusst, dass ich dieses Buch nicht mit "In meinem Himmel" vergleichen darf. Frau Sebold erzählt in "Glück gehabt" ihre eigene Geschichte, die Geschichte ihrer Vergewaltigung und was diese Tat mit dem Leben einer 18jährigen anstellt. Vor allen Dingen mit einem 18 jährigen Mädchen, das sich nicht in die "typische" Opferrolle passt, sondern kämpft, ihre Mitmenschen, vor allem ihre Familie, mit der Tat konfrontiert, ihnen Details erzählt und dann noch ihren Täter wieder findet und anzeigt. Es kommt zum Prozess, es ist ein wahrer Kampf, zu dem ein solcher Mut und Wille gehört, den ich nur bewundern kann. Das Buch startet gleich mit der entsetzlichen Tat, die sehr genau beschrieben wird, nicht auf sensible Art und Weise, sondern knallharte Fakten. Ich musste bei vielen Seiten schwer schlucken, auch was die Reaktionen der Umwelt angeht, die der Polizei, ihrer Familie, ihrer Freundinnen, ihrer Studienkollegen. Man leidet mit, auch die Schwierigkeit wird erzählt, die Alice hatte sich wieder einem Mann anzuvertrauen. Ich dachte immer, ich könnte schon teilweise verstehen, was so ein Mädel durchmacht, weit gefehlt! Ich habe das Buch gerne gelesen, muss aber gestehen, dass ich froh bin, es fertig zu haben. Es ist Frau Sebold gut gelungen, meiner Meinung nach, die Mischung zwischen ihren sämtlichen Gefühlen und den knallharten, realen Fakten. Ich kann dieses Buch empfehlen, aber man muss sich auf die Thematik einlassen können (nicht immer kann man solche bewegenden Geschichten lesen, mir geht es auf jeden Fall so!)