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Die Milliardärin Claire Zachanassian, die „alte Dame“ aus dem Titel, besucht die verarmte Kleinstadt Güllen, in der sie ihre Jugendzeit als Klara („Kläri“) Wäscher verbracht hat. Während die Einwohner auf finanzielle Zuwendungen hoffen, sucht Claire Rache für ein altes Unrecht. Als sie in ihrer Jugend von dem Güllener Alfred Ill ein Kind erwartete, bestritt dieser die Vaterschaft und gewann mit Hilfe bestochener Zeugen den von Klara gegen ihn angestrengten Prozess. Klara Wäscher musste ihre Heimat arm, wehrlos und entehrt verlassen, gelangte jedoch danach durch Heirat mit einem Ölquellenbesitzer, der noch zahlreiche weitere Ehen folgten, zu riesigem Vermögen.
Die nun hochangesehene „alte Dame“ unterbreitet den Güllenern ein unmoralisches Angebot: Sie würde ihnen eine Milliarde schenken, wenn sie Ill umbrächten. Diese Forderung lehnen die Bewohner zunächst entrüstet ab, doch seltsamerweise beginnen sie, Geld auszugeben, die Kaufleute gewähren Kredite, so als ob alle mit einem größeren Vermögenszuwachs rechnen könnten.
Im Ich-lese-gerade-Forum wurde das Drama bereits hier besprochen.
Am Montag zeigte die ARD die neueste Verfilmung von Dürrenmatts Geschichte; aus diesem Anlass habe ich das Theaterstück nochmal hervorgekramt und gelesen. Eine "tragische Komödie" nennt der Autor sein Stück.
Claire ist eine Rachegöttin in eigener Sache. Das Unrecht, das Ill ihr angetan hat, kann er zwar nicht mehr gutmachen, aber seine Tod wäre Genugtuung und Rache. Sie kommt mit einem Tross Bediensteter in die Stadt, hoheitsvoll, distanziert und überheblich. Doch ihr Körper ist nur noch ein technisches, funktionierendes Gerät, das nach mehreren Unfällen und einem Flugzeugabsturz, den sie als einzige überlebte, aus Ersatzteilen und Prothesen besteht.
Die Honoratioren der Stadt, Pfarrer, Bürgermeister, Lehrer, Arzt überbieten sich im Anbiedern. Nein, das unmoralische Angebot, das Claire ihnen macht, können sie nicht annehmen. Einen Menschen für Geld opfern? Niemals. Wo in Güllen doch Offenheit, Freundlichkeit, Gottesfurcht und Zusammenhalt herrschen. Welch ein Schock für die unbescholtenen Bürger, als sie erkennen, dass in ihrer Mitte ein Verleumder, Betrüger und Lügner lebt. Folgerichtig muss man Ill bestrafen.
Ill ist "der Mensch" in diesem Drama. Er beginnt, sich mit seiner Schuld auseinanderzusetzen. Und er hat Angst, denn er weiß am besten, wie man aus Eigennutz korrupt und so zum Verräter wird.
Die Ironie ist dick aufgetragen, das Kleinstadtleben mit Kinderchor, Musikverein, Feuerwehr und Polizeiwache wird persifliert, die Namen (Toby, Roby, Koby, Moby - Claires Anhang, der aus blinden Eunuchen und zwei Ehemännern besteht), Gülle(n) und auch Zachanassian (man hört "Onassis" mit). Passagenweise ergehen sich die Dialoge in Plapperei, die Bühnendekoration wird während der Szenen von den Schauspielern herbeigebracht.
Das gesamte Geschehen wird von der Presse mit Kameramann und Reporter begleitet. - War Dürrenmatt etwa hinsichtlich Funktion und Gehabe der Presse hellsichtig?
Das Ende kommentiert, wie in den griechischen Dramen, der Chor, der den neuen Gott Wohlstand preist.
Dürrenmatt sagt im Nachwort: Die alte Dame ist ein böses Stück, doch gerade deshalb darf es nicht böse, sondern aufs humanste wiedergegeben werden, mit Trauer, nicht mit Zorn, doch auch mit Humor, denn nichts schadet dieser Komödie, die tragisch endet, mehr als tierischer Ernst.
Den letzten Teil des Satzes hat Nikolaus Leytner, der Regisseur des Films, leider nicht beachtet.
Marie