Oskar Fahr: Rodenbach Dichtungen

  • „Der Einstieg in eine Geschichte fällt mir oft sehr schwer. Daher schreibe ich ihn meistens am Ende,“ erzählte mal eine Kollegin. Sie selbst, eine gestandene Journalistin, war damals bei verschiedenen Zeitungen beschäftigt und berichtete über lokale Themen. So weit so gut. Ob sie jemals auch Literaturkritiken geschrieben hat, erzählte sie nicht.


    Ob sie wohl das Buch „Dichtungen“ von Georges Rodenbach kennt? Keine Ahnung. Der Inhalt des Buches ist aber schnell beschrieben. Genau 15 Gedichte, jeweils auf Deutsch und Französisch, sowie 2 weitere größere Prosatexte machen den Hauptteil des Buches aus. Doch nicht simple Liebesschwüre oder Humoresken machen die Texte aus. „Der flämische, französisch schreibende Symbolist wird erstmals mit einer größeren Auswahl seiner Dichtungen vorgestellt. Der Leser lernt seine Lebenswelt, gedankliche Unabhängigkeit und seine Offenheit für das Ewige kennen. Rodenbach ist ein Symbolist, den es erst noch entdecken gilt,“ wirbt Oskar Fahr, von dem Auswahl und die Übersetzung stammt. Hinzu kommt ein umfangreicher Teil mit Fußnoten. Hier gibt es Hinweise zu dem Autor und seinen Texten, zur Übersetzung, Erläuterungen zu den Werken, ein paar einführende Worte zum Autoren sowie Literaturhinweise. Oskar Fahr ergänzt den literarischen Teil noch um ein eigenes Essay, aus auf dem in dem Gedichtband enthaltenen Werk „Mentales Aquarium“ basiert.


    Was wohl die eingangs erwähnte Kollegin über das Buch sagen würde. Gute Literatur wird hier geboten. „Rodenbach ist ein Meister der Tristesse und ein Forscher nach dem Ewigen.“ Was sich nach Werbespruch anhört, hat aber durchaus seine Berechtigung. „Man kommt noch voran. Es ist trüb; im Nordwind erscheint jedes Haus wie mit einem Toten darin. Ein Bahnwärter fern bläst Signal.“ Dies ist die 1. Strophe des Gedichts „Nachtzug“. Sie ist ein gutes Beispiel für den Stil Rodenbachs. Es sind gut lesbare Texte, die aber auch ein Faible für eher schwermütige Stimmungen voraussetzen. Ob man dem Autoren wohl unrecht tut, wenn man sagt, daß es Texte für lange Herbstabende sind, an denen der Regen an die Fensterscheiben prasselt und man sich als Leser gemütlich in den Sessel kuschelt? Lediglich das „Buch von Jesus“, das lediglich auf Deutsch abgedruckt ist, macht einen wenig ausgereiften Eindruck. Zu viele Einschübe und Auslassungen stören den Lesefluß massiv.


    Auch das Essay ist nicht für Leute ohne literaturwissenschaftliche und / oder philosophische Vorbildung geeignet. Was eigentlich bedauerlich ist. Rodenbach ist in Deutschland unbekannt, wie Fahr immer wieder betont. Was wäre also naheliegender, als Rodenbach und seinen Stellenwert in der Literatur zu behandeln. Wer beeinflußte Rodenbach? Wie bekannt ist Rodenbach in seiner belgischen Heimat? Welchen Einfluß hatte er auf die dortige Literatur? Dies wären mögliche, spannendere Themen für ein Essay gewesen. Hier verpaßt Fahr die Möglichkeit, Rodenbachs Persönlichkeit genauer vorzustellen.


    Georges Rodenbach (1855 – 1898): Seine Vorfahren stammen aus dem Rheinland. In Tournai im Hennegau geboren, wuchs Rodenbach in Brügge auf. Er etablierte sich in Brüssel als Rechtsanwalt und war dort bereits schriftstellerisch tätig. Ab 1887 lebte er als Schriftsteller in Paris, wo er auch an den Folgen einer Lungenentzündung starb.


    An diese Stelle seien auch ein paar Worte zu Oskar Fahr erlaubt. 1932 geboren, übersetzt er Autoren aus dem Französischen und Englischen. Er schreibt Erzählungen, die kontinuierlich in der Literaturzeitschrift „Der Mongole wartet“ erscheinen, und Gedichte. Er ist Mitherausgeber der wissenschaftlichen Reihe „Strukturen der Macht. Studien zum politischen Denken Chinas“. Er lebt und schreibt in Duisburg.
    Georges Rodenbach: Dichtungen; 103 Seiten; 2000 erschienen im AutorenVerlag Matern, Duisburg; ISBN: 3-929899-32-9; Preis 10.- Euro.