Margriet de Moor - Kreutzersonate

  • 144 Seiten


    Inhalt:
    Seit einer verhängnisvoll verlaufenen Beziehung in jungen Jahren hat der blinde Musikkritiker Marius van Vlooten nie mehr wirklich geliebt. Viele Jahre später reist er zu einem Meisterkurs in Bordeaux in der zufälligen Gesellschaft eines jungen Musikologen, der ihm ein lebendiges Portrait der Geigerin Suzanna Flier zeichnet und die beiden miteinander bekannt macht. Als van Vlooten sie den Part der ersten Geige in Janáčeks Streichquartett „Kreutzersonate“ spielen hört, wird er, ohne es zu wollen, zu einer Gestalt aus einer Tragödie, die auf ihr eigenes, unausweichliches Ende zustrebt.



    Meinung:
    Dies war nun also mein drittes Buch der Autorin und ich bin sie absolut nicht müde.
    Margriet de Moor versteht es immer wieder, auf eine ganz besondere Art und Weise, den Leser in ihren Bann zu ziehen.
    Kreutzersonate
    zeichnet sich dadurch auch, dass es mal eine ganze andere Art von Liebesgeschichte erzählt. Es geht nicht hauptsächlich um die blumig-schönen Seiten der Liebe sondern eher um die Tragik, die wohl hinter den meisten Lieben steckt.
    Vom Finden einer neuen Liebe und die Überwindung, die es kostet diese zuzulassen bis zur größten Enttäuschung. Und das alles erzählt aus der Sicht eines blinden Musikkritikers, der erst durch eine enttäuschte Liebe blind wurde.
    Kreutzersonate
    erzählt die Wahrheit, das wahre Leben. Es gibt nun mal in den meisten Beziehungen Probleme und oft genug muss man in der Liebe auch Enttäuschungen zurückstecken.
    All dies verbindet Margriet de Moor mit einer Menge Gefühl und klassischer Musik. Denn – wie könnte es anders sein – die Liebe des Musikkritikers wird von einer jungen Geigerin verkörpert.

  • Das klingt doch, als müsste ich das Buch aus seinem SUB-Dasein erlösen. Danke für die ansprechende Rezension, @ Räuberin.


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich weiß nicht: mich hat dieser kurze Roman von Margriet de Moor ausgesprochen kalt gelassen. Vielleicht liegt es auch an meinem Desinteresse für klassische Musik, hauptsächlich aber wohl daran, daß alle Figuren, sowohl der Musikkritiker van Vlooten, als auch seine große Liebe und Muse, die Geigerin Suzanna Vlier, seltsam blaß bleiben.


    Zwar beschreibt die Autorin ihr Personal, deren Äußerlichkeiten und deren Eigenschaften mittels ihres Ich-Erzählers ausgiebig, die Protagonisten geben aus sich selbst heraus aber kaum etwas über ihr Wesen preis. Schnell wird zum Beispiel klar: van Vlooten ist ein besitzergreifender, zu rasender Eifersucht neigender Mann. Doch bleibt es bei dieser plakativen Feststellung, der Leser erfährt nicht, was in ihm vorgeht, woher das Mißtrauen seiner Frau gegenüber stammt und welche inneren Kämpfe er ausfechten muß. Der Argwohn, den er gegen seine Frau und den Bratschisten aus dem Streichquartett hegt, wird nur mitgeteilt, aber nicht erklärt.


    Überhaupt: was ist das für eine Liebe zwischen van Vlooten und Suzanna Vlier ? Worin besteht die Faszination, die die Geigerin auf den blinden Kritiker ausübt, was zieht die beiden zueinander hin ? Zwar sagt es uns die Autorin ( es ist das Bildnis, welches sich van Vlooten aus dem macht, was ihm der Erzähler über ihr Äußeres mitteilt und es ist ihr Geigenspiel ), doch richtig nachvollziehen, es nachempfinden können wir nicht. Auch der Entschluß van Vlootens zum Mord an seiner Frau bleibt nebulös: natürlich, es ist Eifersucht im Spiel, doch wird dies dem Leser nur mitgeteilt - die Zerrissenheit im Kopf des Kritikers, welche ein derart elementares Vorhaben doch wohl verursachen muß, bleibt ungeschildert.


    So kratzt der ganze Roman, die ganze Handlung nur an der Oberfläche. Ohne nachvollziehen zu können, welche Entwicklungen, Gedankengänge, Zweifel und Verzweiflungen die Figuren durchmachen müssen, erscheinen alle Entscheidungen und Taten der handelnden Personen überzogen und unverständlich.


    Als Fazit bleibt also festzuhalten: ein handwerklich ganz solide geschriebener Roman, allerdings mit erheblichen Mängeln in der Personenzeichnung. Zu einer Empfehlung mag ich mich deshalb nicht hinreißen lassen.

  • Dies war nun also mein drittes Buch der Autorin und ich bin sie absolut nicht müde

    Ich weiß nicht: mich hat dieser kurze Roman von Margriet de Moor ausgesprochen kalt gelassen

    Ich habe mir dieses Buch am Samstag vom Flohmarkt mitgebracht und bin gespannt, welcher Meinung ich mich anschließen kann. Mit klassischer Musik habe ich (bis auf wenige Ausnahmen) auch nicht viel im Sinn, bei mir gilt das Motto: "Motörhead statt Mozart". :mrgreen:
    Bisher habe ich drei Romane von Margriet de Moor gelesen:
    "Sturmflut", "Der Maler und das Mädchen" und "Die Verabredung". Die ersten beiden haben mir recht gut gefallen, nachdem ich mich in ihren Sprachstil eingelesen hatte, mit dem letzten konnte ich nichts anfangen.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Margriet de Moor hat Klavier und Gesang studiert, und oft steht die Musik im Mittelpunkt ihrer Romane. Schon der Titel sagt, dass dieses Buch auch dazu gehört.


    Es scheint eine Kreutzersonaten-Kette zu geben, von der de Moors Roman das (vorerst) letzte Glied ist. Beethovens Kreutzersonate spielt in Tolstois Erzählung "Kreutzersonate" von 1887/89 eine wichtige Rolle. Von Tolstoi beeinflusst, komponierte Leos Janacek 1923 eine Kreutzersonate nach Beethovens Musik mit der gleichen Instrumentierung als Streichquartett. Dieses Quartett und Tolstois Erzählung bilden die Grundlage für de Moors Roman.


    Der Ausgangspunkt ist ähnlich wie bei Tolstoi: Der Ich-Erzähler und der Protagonist begegnen sich auf Reisen - dort in der Eisenbahn, hier auf Flughäfen. Der Unterschied: Während Posdnyschew seine Geschichte in der Zeit einer Zugfahrt erzählt, begegnen sich Marius und der Erzähler immer mal wieder (Marius ist Musikkritiker, der namenlose Erzähler Musikwissenschaftler), meist, wenn beide dienstlich unterwegs sind.
    Marius erlebte vor einigen Jahren eine unglückliche Liebe, wollte sich mit einem Pistolenschuss in den Kopf umbringen, wurde gerettet, blieb aber blind.
    Den tolstoischen Komplex um das Verteufeln der sexuellen Triebe lässt de Moor klugerweise außen vor; die sexuelle Beziehung zwischen Suzanna Flier und Marius van Vlooten scheint sehr befriedigend.
    Ansonsten folgt de Moor Tolstois Spuren: Das mehr oder wenige harmonische Familienleben, der Sohn (nicht 6 Kinder), die Geige spielende Frau (hier Berufsmusikerin), der Ehemann, der sich in seine unbegründete, krankhafte Eifersucht steigert und nach immer neuen Beweisen sucht; obwohl keine zu finden sind, glaubt er, sie zu entdecken.
    Der Spannungsmoment des Buches: Wird die Ehe zwischen Marius und Suzanna enden, wie Tolstois Erzählung endet?


    Ohne Tolstoi zu kennen wäre mir vieles in dem Buch fremd und wie im luftleeren Raum schwebend vorgekommen. Aber de Moor hat das "Plagiat" gewollt und durch den Titel kein Geheimnis gemacht, worauf ihre Geschichte fußt. Dabei geht sie in ihrem gewohnten Stil vor mit chronologischen Überlappungen, Rück- und Vorblenden, mit Zeit- und Gedankensprüngen. Wodurch sich das Buch nicht einfach liest. Doch wer die Autorin kennt, würde bedauern, wenn es anders wäre.


    Meiner Meinung nach nicht ihr bestes Buch, das bleibt für mich: Margriet de Moor - Der Maler und das Mädchen. Aber auch nicht das schlechteste. Dank Tolstoi hat es mich nicht so ratlos zurückgelassen wie Margriet de Moor: Die Verabredung .

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ohne Tolstoi zu kennen wäre mir vieles in dem Buch fremd und wie im luftleeren Raum schwebend vorgekommen.

    Ich habe dieses Buch heute im Rahmen der Monats-Challenge gelesen, ohne die Erzählung von Tolstoi zu kennen und auch ohne mich mit klassischer Musik auszukennen. Deswegen kann ich natürlich auch keinen diesbezüglichen Vergleich anstellen.
    Trotzdem fand ich das Buch interessant und auch - ungeachtet der Szenen- und Zeitwechsel - flüssig zu lesen.

    daß alle Figuren, sowohl der Musikkritiker van Vlooten, als auch seine große Liebe und Muse, die Geigerin Suzanna Vlier, seltsam blaß bleiben.

    Hier stimme ich nicht zu, gerade der blinde van Vlooten wird eigentlich sehr genau charakterisiert. Er tritt als Persönlichkeit scharf hervor, ist mir allerdings sehr unsympathisch. Ob seine krankhafte Eifersucht mit seiner Blindheit zusammenhängt (Angst, etwas zu verpassen, bzw. seine Frau nicht ausreichend kontrollieren zu können?) oder eine generelle Charaktereigenschaft ist, habe ich für mich nicht abschließend klären können. Unklar blieb für mich auch, warum Suzanna ihn überhaupt geheiratet hat, nachdem er offensichtlich von "häuslichem Leben mit vielen Kindern" geträumt hat und sie eigentlich nur an ihrer Karriere als Geigerin interessiert war. Weshalb sie auch nach dem gewissen Vorfall auf der Baustelle wieder mit ihm zusammengekommen ist, entzieht sich jedenfalls komplett meinem Vorstellungsvermögen.
    Dass er sich zuvor wegen einer von ihm total überbewerteten, beendeten "Liebes"beziehung eine Kugel in den Kopf geschossen hat, kann ich ebenfalls überhaupt nicht nachvollziehen, dazu fehlt mir wohl das Gen einer Dramaqueen.
    Ich werde wohl auch noch die Erzählung von Tolstoi lesen müssen, vielleicht gehen mir dann einige Lichter auf.
    Trotz der Tatsache, dass ich mich bestenfalls nur in die Person des Ich-Erzählers hineinversetzen konnte, bot mir "Kreutzersonate" fesselndere Unterhaltung als erwartet und ich vergebe :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: .

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    (Francis Bacon)
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