• Seitenzahl: 338


    Inhalt:
    Der junge George Duroy ist überzeugt er wird sein Glück in Paris machen. Fast mittellos kam er vom Land in die quirlige Stadt und hielt sich bisher nur gerade mal so über Wasser. Da begegnet ihm der alte Freund Forestier und bietet ihm eine Stelle bei der "Vie Francaise" als Journalist an. Als erstes soll er einen Bericht über seine Erfahrungen in den Provinzen Algeriens schreiben. Doch wie all das ohne Vorkenntnisse zu Papier bringen. Forestier um Hilfe bittend schickt dieser ihn zu seiner Frau, die selbst gerne im Hintergrund schreibt und Informationen zusammenbringt. Damit ist der Anfang getan. George Duroy lernt schnell Instinkt und Charme einzusetzen, den üblichen Weg zu unterwandern, Kniffe zu übernehmen, kleinere Affären für sein Weiterkommen zu avancieren und so machem Ehemann die Hörner auszusetzen. Die anfänglichen Skrupel schrumpfen dahin und Schritt für Schritt kommt er seinen Zielen näher.


    Meine Meinung:
    Mein drittes Buch von Guy de Maupassant und wie ich gleich vorausstellen will mein persönlicher Favorit.
    Mit Bravour beschreibt er den aufsteigenden Journalisten George Duroy, ein Verführer und Schwerenöter, wie er im Buche steht. Zugegeben Frauen sind bei diesem Typ Mann meist nur Mittel zum Zweck, Gefühle nur vorübergehender Natur, denn er ist Jäger, aber amüsant mit Charme.
    Guy de Maupassant spielt nicht den Moralapostel, sondern beobachtet genau und voller Ironie das damalige Sittenbild der bürgerlichen Gesellschaft, schildert den abenteuerlichen Karriereaufstieg in Perfektion, lebhaft witzig, verschlagen, fesselnd und spannend. Man vergißt beim Lesen schnell, dass es sich hierbei um einen Klassiker anno dazumal handelt, denn er wirkt modern ja fast zeitlos.
    Ich gebe zu ich hätte noch gerne weitergelesen, zu schnell hatte ich die 338 Seiten verschlungen, aber es bleibt die Gewissheit "Bel Ami" wird sich nie ändern. :D


    Gruß Wirbelwind


    :study: Nadia Fusini, Clara

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Endlich ein Maupassant, den ich gelesen habe, wenn auch schon vor Ewigkeiten. Dafür konnte ich mich aber erstaunlich gut erinnern. Wenn das kein gutes Zeichen für ein gutes Buch ist. Ich kann mich Wirbelwinds Rezi nur anschließen. Wenn es die Zeit mal erlaubt, würde ich es gern noch mal lesen, aber zuerst müssen seine anderen Bücher gelesen werden.

  • Putziger- (und putzenderweise, denn ich war gerade beim Abstauben meines SuB-Regals) ist mir gestern Morgen gerade dieses Buch in die Hände gefallen. Ich wollte nur ein bisschen darin blättern, habe mich dann aber festgelesen und in einem Rutsch fünfzig Seiten verschlungen. Du hast recht, Wirbelwind, Maupassants Stil ist wirklich mitreißend. Ironisch (manchmal leicht bissig), amüsant, temporeich und präzise. Seine Schilderungen von Personen und Örtlichkeiten sind sehr detailliert, ohne im Mindesten weitschweifig zu sein. Besonders gut gefällt mir auch seine Fähigkeit, einen Sachverhalt oder ein Phänomen in einem kleinen Satz zusammenzufassen (z.B. die charakterliche Veränderung, die mit dem Protagonisten während seiner Militärzeit vor sich gegangen ist). George Duroy ist nicht gerade ein sympathischer Held (seine Erinnerung an die Kriegsepisode mit den Arabern gleich am Anfang ist ziemlich widerwärtig), aber trotzdem wird er als Mensch mit Träumen und Sehnsüchten dargestellt, der wie alle Menschen sein Glück sucht. Außerdem ist er auch nicht schlechter als das aufkommende Bürgertum um sich her, wo Äußerlichkeiten, Geld und Erfolg immer wichtiger werden und die menschliche Anteilnahme sich in engen Grenzen hält.

    Man vergißt beim Lesen schnell, dass es sich hierbei um einen Klassiker anno dazumal handelt, denn er wirkt modern ja fast zeitlos.


    Stimmt! Deswegen ist der Roman auch für Leser empfehlenswert, die vor Klassikern im Allgemeinen zurückscheuen. Ich freue mich jedenfalls, dass ich noch zwei Drittel dieses schönen Buchs vor mir habe!


    Gruß mofre

    :study: Willa Cather - Meine Antonia

    :study: Wolfgang Herrndorf - Tschick

    :study: Reiner Stach - Kafka. Die Jahre der Entscheidungen

    :study: James Wood - Die Kunst des Erzählens















    Einmal editiert, zuletzt von mofre ()

  • @ Wirbelwind, das Du mir / ich Dir hinterherlese, ist ja nichts Neues. Wir haben halt einen ähnlichen Geschmack.


    Aber diesmal ist sogar noch Telepathie im Spiel. Oder wie erklärst Du Dir, dass ich "Bel Ami" vor zwei Wochen aus der Bücherei mitbrachte, so dass es jetzt oben auf meinem Bücherei-SUB liegt und als nächstes dran ist? :-k


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • mofre
    herrlich, dass dich das Buch auch mitreißt! Um deine zwei Drittel noch zu lesenden Seiten beneide ich dich fast. :lol:
    Unsympathisch finde ich George Duroy nun wirklich nicht - ich kann mich seinem Charme nicht entziehen zumal ich mir sage, dass man Frauen nur zu etwas verführen kann, wozu sie innerlich bereit sind. Seine Skrupellosigkeit dabei ist natürlich weniger schön, aber man bedenke er kommt als armer Schlucker in die Stadt, möchte es endlich zu etwas bringen. Wen wundert es ,dass er alle Register zieht, die sich ihm zur Verfügung stellen. Sein Verhalten (und späterer Kommentar) in Algerien als Offizier war wohl ein Allgemeinbild. Man dachte und handelte damals anders und oftmals sehr überheblich.


    Marie
    ja manchmal denke ich es ist Telepathie im Spiel. :lol:
    Jedenfalls freue ich mich schon bald deinen Kommentar zum Buch zu erfahren. Obwohl :-k soviel habe ich darüber gar nicht zu sagen. Für mich war es einfach ein Genießerbuch.
    Apropo Telepathie - am Samstag auf dem Flohmarkt habe ich ein Buch von "Nadia Fusini "(dank deiner Rezi war mir der Name ein Begriff) "Clara" entdeckt. Dichte Atmosphäre, aber für meinen Geschmack zu wenig Bodenhaftigkeit, schade.



    Viel Spaß beim Lesen euch beiden!!!


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Caroline Llewellyn, Die verborgene Geschichte

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Guy de Maupassant ist für mich nach wie vor ein unschlagbarer Schriftsteller. Ich habe seine Bücher sehr gerne gelesen. Seine Beobachtungsgabe,
    Fähigkeit die Inhalte sehr lebendig wiederzugeben, ironische Art die Gesellschaft wiederzuspiegeln sind es, was mich bei seinen Romanen anspricht.
    In "Bel Ami" war mir die Hauptfigur unsympatisch, seine Art zu leben "ohne Rücksicht auf Verluste" war mir unangenehm, gehört aber zu der Story und hat
    das Lesegenuss nicht beeinträchtigt. :wink:

    2024: Bücher: 73/Seiten: 32 187

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

    --------------------------------------------------

    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
    ------------------------------

    "Das Nicht-Wahrnehmen von Etwas beweist nicht dessen Nicht-Existenz "

    Dalai Lama

    ------------------------------

    Lese gerade:

    Lapuente, Sofía/Shusterman, Jarrod - RETRO - Geh nicht online

  • Ich habe das Buch nun beendet und kann Wirbelwinds Meinung und meine ersten Leseeindrücke nur bestätigen. Ein ironischer und sehr unterhaltsamer Roman, in dem keine einzige Zeile langweilig ist. Am Beispiel des Emporkömmlings Georges Duroy, der nicht besonders intelligent oder begabt ist, aber es mit seinem guten Aussehen, seinem Charme und seiner Skrupellosigkeit bis in die höchsten Kreise schafft, entwirft Maupassant das Bild einer modernen Gesellschaft, für die nur der Erfolg zählt, egal, mit welchen Mitteln er erreicht wurde. Es ist schon erstaunlich, dass die undurchsichtige Verflechtung von Medien, Politik und Geld vor mehr als hundert Jahren schon genauso aktuell war wie heute und dass es auch schon den Typus des einflussreichen, meinungsmachenden Journalisten gab, der mit seinen Artikeln Politiker stützen oder stürzen konnte. Mir hat auch gefallen, wie Maupassant in die überwiegend locker und amüsant erzählte Geschichte als Kontrast einige ernste Momente einbaut: das Duell, das Gespräch mit dem alten Dichter Norbert de Varenne über das Altern und den Tod, das Sterben Forestiers, die Seelenqual Frau Walters. Übrigens finde ich es gut, dass die Übersetzung konsequent die Anrede Herr und Frau statt des üblichen Monsieur und Madame verwendet.


    Wie Wirbelwind sagt: ein Roman, den man genießen muss. Genießen wie eine Kutschfahrt an einem warmen Sommertag durch den Bois de Boulogne.


    Gruß mofre

    :study: Willa Cather - Meine Antonia

    :study: Wolfgang Herrndorf - Tschick

    :study: Reiner Stach - Kafka. Die Jahre der Entscheidungen

    :study: James Wood - Die Kunst des Erzählens















  • Das hast du schön gesagt, mofre! :D


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: W.Somerset Maugham, Auf Messers Schneide

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Unterhaltung, wie ich sie mag: Eine interessante, in keiner Passage langweilige Geschichte, ein schillernder (wenn auch mir nicht unbedingt sympathischer) Protagonist, eine bunte Szenerie von Land und Leuten. Und das Ganze mit leichter Hand erzählt.


    Wenn man Maupassants Lebensgeschichte betrachtet ( z.B. hier), liegt der Verdacht nahe, dass Georges Duroy sein Alter Ego ist: Der Beruf des Journalisten, der gesellschaftliche und finanzielle Aufstieg, das Liebesleben. Die Ironie, mit der Maupassant das Treiben seines Protagonisten schildert, gewinnt dadurch eine zusätzliche Dimension: Es ist der Galgenhumor, mit dem der Autor sein eigenes Leben und vor allem seine Ängste wegen seiner Syphilis-Erkrankung betrachtet. Die entsprechenden Szenen, in denen die Todesangst thematisiert wird, hat mofre schon genannt.
    Während aber der Autor selbst psychisch immer kränker wurde, ist Georges Duroy ein Stehaufmännchen par excellence. Widerstände reizen ihn, eine Absage lässt er nicht gelten, eine vermeintliche Niederlage muss gerächt werden.


    @ Wirbelwind, es sind weniger Georges' Verführungen, die ihn mir unsympathisch machen, obwohl ich sein Verhalten gegenüber Suzanne, die noch ein halbes Kind ist, fragwürdig finde. Ich denke eher an die Diffamierungen gegenüber Forestier nach dessen Tod oder an die Bloßstellung seiner Ehefrau, auch wenn man die Doppelmoral beiseite lässt.
    Auf alle Fälle werde ich mich auch in Zukunft von Dir telepathisch beeinflussen lassen. :lol:


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Klingt für manchen vielleicht merkwürdig, aber ich akzeptiere in Büchern öfters Dinge, die ich im "richtigen" Leben weit von mir weisen würde. Genau genommen ist Duroy ein (milde ausgedrückt) Dreckspatz, aber zu lesen ist es nun mal spannender als der brave Bürger. :lol:
    Marie
    Unsere telepathische Neigung greift weiter um sich - siehe Verdi. :D


    Liebe Grüsse
    Wirbelwind


    :study: Asta Scheib, Eine Zierde in ihrem Hause

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Genau genommen ist Duroy ein (milde ausgedrückt) Dreckspatz, aber zu lesen ist es nun mal spannender als der brave Bürger. :lol:


    Nicht nur zu lesen, denn seien wir doch mal ehrlich: Insgeheim haben wir Frauen allesamt eine Schwäche für die großen Verführer. Auch wenn man am Ende mit gebrochenem Herzen dasitzt, hat man eine Zeit lang doch verdammt viel Spaß mit ihnen gehabt! :wink:


    Gruß mofre

    :study: Willa Cather - Meine Antonia

    :study: Wolfgang Herrndorf - Tschick

    :study: Reiner Stach - Kafka. Die Jahre der Entscheidungen

    :study: James Wood - Die Kunst des Erzählens















  • :loool: jnein - das Ruder würde ich nicht aus der Hand geben. :lol:


    Gruß Wirbelwind


    :study: Asta Scheib, Eine Zierde in ihrem Hause

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Auch wenn man am Ende mit gebrochenem Herzen dasitzt, hat man eine Zeit lang doch verdammt viel Spaß mit ihnen gehabt!


    Solange die einzige Konsequenz ein gebrochenes Herz ist ... und nicht anschließend 9 beschwerliche Monate und 20 nervende Jahre folgen. Denn als Vater haben diese Herren nur begrenzte Tauglichkeit. [-X
    Maupassant z.B. hinterließ drei seiner Geliebten ein Kind. Da hat Bel Ami wohl besser aufgepasst. :thumright:


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Da hat es de Maupassant tatsächlich geschafft, mir die Charaktere so nahe zu bringen, dass ich aufgrund der "Antipathie", die ich gegen Duroy entwickelt habe, einen halben Punkt abziehe und statt vier nur dreieinhalb Sterne vergebe.


    Das Buch ist toll geschrieben und auch wenn de Maupassant anscheinend selbst einen windigen Lebensstil pflegte, hatte er doch durchaus eine emanzipierte Ader. Magdalena Forestier z.B. entspricht dem Typus "Hinter jedem starken Mann steht eine starke Frau." und ist trotz ihres Hangs zu Adelstiteln eine politisch interessierte und clevere Frau. Mme. Marelle nimmt sich, was sie braucht und schwimmt letzten Endes immer oben.


    Duroy, Bel Ami selbst, ist jetzt nicht der Art Verführer, der mir vorschweben würde. Dafür hat er zu wenig von einem Wolf, sondern mehr von einem Windhund :wink: . Sympathisch (klar, dass das nicht die Intention eines solchen Buches sein kann) war er mir beim Besuch seiner Eltern, dieses Kapitel gefiel mir auch sonst sehr gut.
    Wenn sich die Abneigung gegen ihn und seine Machenschaften (weniger das Verführen von Mme Marelle oder Mme Forestier, sondern das üble Reden über seinen toten Freund, das Ausnutzen der Familie Walter) gelegt hat, erhöhe ich vielleicht auf vier Sterne :loool: .

  • Duroy, Bel Ami selbst, ist jetzt nicht der Art Verführer, der mir vorschweben würde. Dafür hat er zu wenig von einem Wolf, sondern mehr von einem Windhund

    Wir liegen, was den Verführer betrifft, der uns vorschweben würde, anscheinend auf derselben Linie. :wink:

    :study: Willa Cather - Meine Antonia

    :study: Wolfgang Herrndorf - Tschick

    :study: Reiner Stach - Kafka. Die Jahre der Entscheidungen

    :study: James Wood - Die Kunst des Erzählens