Franz Werfel - Das Lied von Bernadette

  • Vorgeschichte des Buches:


    Werfel wurde 1890 in einer deutschsprachigen jüdischen Familie in Prag geboren. In den 1920er Jahren wurde er als als begnadeter Stückeschreiber bekannt. In den 1930er Jahren schrieb er in Wien satirische Volksstücke und verhöhnte so das totalitäre Nazi-Regime. 1938 wurde Österreich von Deutschland besetzt und damit Teil des “Großdeutschen Reiches”. Franz Werfel und seine Frau Alma, die Witwe von Gustav Mahler, flohen nach Paris und machten Frankreich zum Zufluchtsort, bis die deutschen Truppen 1940 in Frankreich einmarschierten.


    Franz Werfel: "In den letzten Junitagen des Jahres 1940, nach dem Zusammenbruch Frankreichs kamen wir auf der Flucht von unserm damaligen Wohnort im Süden des Landes nach Lourdes. Wir, meine Frau und ich, hatten gehofft, noch rechtzeitig über die spanische Grenze nach Portugal entweichen zu können. Da jedoch sämtliche Konsuln einmütig die notwendigen Visa verweigerten, blieb uns nichts anderes übrig, als in derselben Nacht ... ins Innere Frankreichs zu flüchten."


    In den Pyrenäen herrscht das Chaos. Menschenmassen, Franzosen, Belgier, Holländer, Tschechen, exilierte Deutsche auf der Flucht, nichts zu essen, kein Schlafplatz. Endlose Reihen hochbepackter Autos mit Hausrat stehen still, weil es kein Benzin mehr gibt. Werfel hört, dass es im 30 km entfernten Lourdes evtl. noch eine Herberge gibt; sie reisen dorthin und finden einen Unterschlupf, wo sie sich mehrere Wochen verbergen. Dort hört Franz Werfel zum ersten Mal von der Geschichte des Mädchens Bernadette Soubirous, ihren Erscheinungen und den wundersamen Heilungen.
    "Eines Tages in meiner großen Bedrängnis legte ich ein Gelübde ab. Wer ich herausgeführt aus dieser verzweifelten Lage und darf die rettende Küste Amerikas erreichen - so gelobte ich -, dann will ich als erstes vor jeder anderen Arbeit der Lied von Bernadette singen, so gut ich es kann."


    Zusammen mit seiner Frau, Heinrich, Nelly und Golo Mann überquert Werfel die Pyrenäen und flüchtet über Portugal nach Amerika. Bereits 1941 erscheint "Das Lied von Bernadette", das schon zwei Jahre später verfilmt wird.


    "Dieses Buch ist ein erfülltes Geblübde. ... 'Das Lied von Bernadette' ist ein Roman, aber keine Fiktion."


    (die wörtlichen Zitate in blauer Schriftfarbe sind aus dem Vorwort des Buches)



    Marie


    (an der Rezension bastle ich noch :-k , sie kommt aber bald)

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Inhalt (kopiert bei Wikipedia):
    Bernadette Soubirous ist das älteste Kind der Eheleute Soubirous, die nach dem Verlust ihrer Mühle in großer finanzieller Not im ehemaligen Gefängnis des Ortes Unterkunft gefunden haben. Bernadette leidet an Asthma und fehlt deshalb oft im Schulunterricht. Als sie mit ihrer jüngeren Schwester und einer Schulfreundin zum Holzsuchen außerhalb des Ortes sind, bleibt Bernadette in der Nähe des Flusses Gave allein zurück. Die Stelle wird als eine Art Deponie des Ortes genutzt und heißt Massabielle. Hier erscheint ihr plötzlich und unerwartet in einer Nische der Grotte eine "Dame", die wie eine vornehme Braut gekleidet ist. Sie trägt ein schneeweißes Kleid mit einem breiten blauen Gürtelband und einen Schleiermantel. Sie ist barfüßig und hat an jedem Fuß eine goldene Rose. Bernadette verharrt regungslos vor dieser schönen "Dame" und beginnt dann mit ihr auf verschiedenen Wegen zu kommunizieren.
    Als Bernadette die "Dame" am nächsten Tage "wiedersieht" wünscht diese, das sie die nächsten fünfzehn Tage wiederkommen möge.
    Franz Werfel beschreibt nun, wie der ganze Ort in Aufruhr gerät und in Gegner und Befürworter der Erscheinungen zu Massabielle zerfällt. Bernadette bleibt dabei gegenüber Lob oder 'Tadel gleichmütig, allein ihr Wunsch die "Dame" wieder zu sehen bliebt übermächtig. So mächtig, dass sie zu sterben droht, als ihr die Besuche verwehrt werden.
    Bei einem der Erscheinungen gibt die "Dame" Bernadette den Auftrag, nach einer Quelle in Massabielle zu graben. Und tatsächlich findet sich Wasser, das eine heilbringende, ja wunderbare Wirkung hat.
    Der Autor beschreibt in seinem Roman, wie die Wissenschaftler des Ortes versuchen das Rätsel um Bernadette zu erklären und gleichzeitig die Obrigkeit des Dorfes bemüht ist - um nicht als ungebildet und provinziell zu gelten - die Prozessionen zur Grotte zu unterbinden.



    Durch eine Fernseh-Reportage, die sich mit den unterschiedlichen Ansichten der Schriftsteller Franz Werfel und Kurt Tucholsky (In den Einzeltexten von Ein Pyrenäenbuch) zu Lourdes beschäftigte, kam ich auf die Idee, das Buch aus seinem ca. 20jährigen SUB-Schlaf zu erlösen.
    Meine Erwartung war eher gering und ging in Richtung "Heiligenlegende" und manipulative Schilderung der Ereignisse im Februar 1858 in Lourdes. Aber ich wurde überrascht. Positiv überrascht.


    Lourdes als Wallfahrtsort ist gleichbedeutend mit Marienerscheinungen. Im Jahr 1858 soll dem Bauernmädchen Bernadette Soubirous die Gottesmutter erschienen sein, die ihm mehrere Aufgaben übertrug, u.a. nach einer Quelle zu graben, der bis heute wundersame Heilungen nachgesagt werden, zur Buße aufzurufen und Prozessionen zur Grotte Massabielle ins Leben zu rufen.
    Nach Werfels Schilderung ist der eher einfältigen Bernadette eine "Dame" erschienen, die nicht immer leicht zu verstehen war und die für das Mädchen "die Liebe" verkörperte. Bernadette hat niemals diese Dame mit Maria, der Mutter Jesu, in Verbindung gebracht. Und bis zu ihrem Tod blieb die Erscheinung für Bernadette immer nur die "Dame". Auch die bis heute millionenfach hergestellte (angeblich von Bernadette so beschriebene) Madonnenstatue von Lourdes hatte mit dem Aussehen der Erscheinung weniger zu tun als mit der damaligen Vorstellung von einer Hl. Maria. Nach allem, was ich während der Lektüre des Buches über das Phänomen Lourdes nachgeforscht habe, entspricht Werfels Darstellung genau den geschichtlichen Tatsachen.


    Werfel lässt mit seiner Erzählung Raum. Er schildert, wie die Nachricht von einer Erscheinung von Mund zu Mund fliegt und zu den ersten Massenhysterien führt. Er zeigt, wie die nicht näher identifizierbare Dame zur Heiligen und Wundertätigen gemacht wird. Und nicht zuletzt zeichnet er ein Bild der Kirche und der staatlichen Behörden, die aus politischem, religiösem oder Machtkalkül die merkwürdigen Ereignisse für ihre Zwecke gebrauchen.
    Für die verschiedenen, sehr differenziert dargestellten Meinungen zum Thema "Erscheinung" führt er eigene Protagonisten ein, ein Großteil davon tatsächlich historisch, aber vermutlich der Handlung des Romans angepasst.
    So wie Werfel Bernadette charakterisiert, findet ein Skeptiker durchaus Argumente, die dafür sprechen, dass das Mädchen irgendwelche Erscheinungen oder Visionen hatte, die aus seinem psychischen Zustand und seiner Sehnsucht nach Liebe und Akzeptanz herrühren; andererseits tritt er keine religiösen Gefühle von jemandem, der an Marienerscheinungen glaubt, mit Füßen.
    Insofern habe ich das Buch als spannenden Roman lesen können, dessen Sprache sich erheblich einfacher liest als Werfels "Eine blassblaue Frauenschrift".


    Nur leider leider hat der Autor diese Ausgewogenheit nicht beibehalten. Das letzte Drittel, in dem es um Bernadettes Leben als Nonne im Kloster von Nevers geht, wo sie im Jahr 1879 an Tuberkulose stirbt, wird zur Heiligenlegende. Die Tatsachen - ihre aufopferungsvolle Arbeit als Krankenschwester im Kriegslazarett, ihre lange schmerzhafte Krankheit und ihr Tod - sind historisch belegt und stimmen, doch der salbungsvolle Ton dieses Teils, die Darstellung als religiöses Vorbild wirkt nun doch manipulativ und tendenziös.


    Marie

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  • Zitat von Marie


    Meine Erwartung war eher gering und ging in Richtung "Heiligenlegende" und manipulative Schilderung der Ereignisse im Februar 1858 in Lourdes. Aber ich wurde überrascht. Positiv überrascht.


    Das habe ich ähnlich empfunden als ich dieses Buch vor circa zehn Jahren las.
    Schön, dass Du dieses Buch "zufällig" zum 150 Jahrestag der Erscheinungen besprichst?!
    Für mich hatte dieses Buch eine Fortsetzung als ich letztes Jahr dann meine Eltern nach Lourdes begleitete und sehr positiv überrascht war, was mir dieser Ort vermitteln und geben konnte. Es ist meines Erachtens offensichtlich - bei allen eventuell zu kritisierenden Randerscheinungen - dass an diesem Ort "Heilendes" geschieht, nicht etwa so sehr körperlich, als ganz gewiss für den "inneren Menschen".

  • @ tom, bisher habe ich, obwohl ich schon oft in vielen Regionen Frankreichs war, um Lourdes immer einen Bogen gemacht, weil Menschenmassen für mich ein Horror sind. (Und zuviel Marienverehrung auch.) Aber neugierig bin ich schon. Vielleicht sollte ich im Winter hinfahren. Laut Tucholsky geschehen im Winter ja auch keine Heilungen, weil der Faktor "Massenhysterie" wegfällt. :scratch:
    In welchem Monat warst Du dort?


    Marie

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  • Deine Befürchtung kann ich ein wenig verstehen. Ich selber war Anfang September zu einem "Marienfest" da, es waren über zehntausend Leute da. Doch was mich verwunderte war eben Folgendes: wenn man WIRKLICH die Ruhe und Abgeschiedenheit sucht, DANN findet man sie auch dort - echt! Es kommt dann nur darauf an, ein wenig die Logik der Orte und der Programme zu verstehen, den ein oder anderen verborgenen Platz zu entdecken und - schwupp - da hat man sein Alleinsein!
    Bei Interesse schreibe ich Dir per PN gerne ausführlicher, was ich meine...

  • Ich werde mir dieses Buch als Taschenbuch bestellen. Nach Lourdes möchte ich auf jeden Fall einmal, jedoch nicht zur Hauptsaison.
    Das Lied auf you tube finde ich auch sehr schön, aber mir gefällt vom Altmeister Leonhard Cohen auch "Hallelujah".


    Aurelie


    „Die Kultur der Menschheit besitzt nichts Ehrwürdigeres als das Buch,
    nichts Wunderbareres und nichts, das wichtiger wäre.´
    Gerhart Hauptmann
    * 15. 11. 1862 - Obersalzbrunn in Niederschlesien
    † 06. 06. 1946 - Agnetendorf [/size]
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