Jana Frey - Das eiskalte Paradies. Ein Mädchen bei den Zeugen Jehovas

  • Meine erste Rezension. Auf ins Getümmel!


    Inhalt:
    Hannahs Vater heiratet nach dem Tod seiner Frau erneut. Seine zweite Frau, Roswitha, ist Zeugin Jehovas. Durch sie kommt Hannah zu dieser Religionsgemeinschaft. Jahrelang fühlt sie sich dort geborgen und ist fest davon überzeugt, das einzig Richtige zu glauben. In der Schule ist sie eine Außenseiterin, ein Platz, den wohl keiner gerne hätte. Hannah fühlt sich aber ihren Schulkameraden gegenüber überlegen. Jedoch bröckelt die Fassade ihrer eigenen perfekten Welt immer mehr, je älter sie wird. Mit 15 will sie so sein wie andere auch. Sie widersetzt sich den strengen Regeln und versucht, den Zeugen Jehovas zu entfliehen.


    Aufbau:
    Die Ich-Erzählerin ist Hannah selbst. Die Geschichte fängt mit dem Kennenlernen ihrer Eltern an, dann geht es chronologisch bis zu Hannahs Jugend weiter. Zum Schluss gibt es einige Informationen, was später noch passiert ist, z.B. über Hannahs weiteren Kontakt zu ihrer Familie. Der Stil ist schlicht, aber das passt gut zum Buch. Manchmal ist man froh darüber, dass die Erklärungen nicht zu detailliert sind, etwa wenn Hannah sich selbst "bestraft".


    Meine Meinung:
    Hannah gibt es tatsächlich, die Geschichte ist so passiert. Genau das hat mich am meisten erschüttert, denn was dem Mädchen passiert, ist alles andere als angenehm. Sie wird völlig von ihrer Familie und den anderen Zeugen Jehovas kontrolliert. Ich empfand beim Lesen Mitleid mit Hannah und Wut, vor allem auf ihre Stiefmutter, die anfangs immer sehr nett zu Hannah war. Das Buch hab ich innerhalb weniger Stunden gelesen, aber darüber nachdenken werde ich wohl noch lange.
    Was mir allerdings zu denken gab, war, dass die Zeugen Jehovas, die ich selber kenne, ganz anders sind. :scratch: Daher schere ich die Zeugen Jehovas auch nach diesem Buch nicht alle über einen Kamm.

    Gelesene Bücher 2011: 35 | 2012: 29 | 2013: 35 | 2014: 68, 2015: 52 | 2016: 66 | 2017: 53 (gehört: 05) | 2018: 43 (gehört: 06) | 2019: 17 (gehört: 3) | 2020: 07 (gehört: 03)

  • Ich bin auch am überlegen, ob ich das Buch lesen soll. Danke für die Rezension! :thumleft:


    Das man nicht alle Zeugen Jehovas über einen Kamm scheren sollte sehe ich genauso. Ich kenne auch einige und die meisten sind sehr nett, wobei ich auf einige kenne, die sehr intolerant sind.

  • Hört sich sehr interessant an das Buch. In meiner Klassenstufe war auch eine Zeugin Jehovas, die "durfte" immerhin auch andere Freunde haben, wenn allerdings mal ein Kumpel wegen irgendwas bei ihr angerufen hat, wurde der schon genauestens ausgefragt am Telefon (vom Vater), was er denn möchte, etc. und ihm konnte das Gespräch verwehrt werden.

    Ich :study: gerade:
    Astrid Lindgren - Los Hermanos Corazón de León
    Donal O'Shea - The Poincaré Conjecture
    Mary Janice Davidson - Undead and Unwed
    Charlotte Link - Die Rosenzüchterin

  • Ich hatte eine gute Freundin, die war auch mit ihren Eltern bei den Zeugen Jehovas. Anfangs haben wir uns gut verstanden, aber mit der Zeit wurde sie immer abgedrehter, hat mir Vorträge gehalten, durfte gar nichts mehr und hat nur noch für ihre Zeugen gelebt. Daran ist unsere Freundschaft auch zerbrochen; ich bin nun mal nicht gläubig und damit kam sie wohl nicht klar.


    Vielleicht lese ich das Buch auch :-k

  • Schlimm und gefährlich sind die Menschen, die meinen im Besitz der alleinigen Wahrheit zu sein. Zu dieser Gruppe gehören ohne Frage die Zeugen Jehovas, eine Sekte mit dem verbissenen Denken von Vorgestern, dazu ausgestattet mit fast unendlicher Intoleranz und der Humorlosigkeit von Regenwürmern. Jehovas Zeugen sind auch die Leute, die sich nichts dabei denken, oder vielleicht denken sie sich ja auch eine Menge dabei, die Menschen an einem Sonntagmorgen um halb acht aus dem Bett zu klingeln.


    Der Klappentext zu diesem Buch macht neugierig und schnell hat man die 6.95 EUR für dieses Buch den Damen und Herren Buchhändler auf den Verkaufstresen gelegt:


    „Hannah ist 15 Jahre alt und Zeugin Jehovas. Früher fühlte sie sich geborgen in ihrer Religionsgemeinschaft. Doch jetzt verspürt sie den Wunsch auszubrechen, normal zu sein wie die anderen auch. Hannah fordert ihre Freiheit ein. Und plötzlich werden die Grenzen ihrer einst so behüteten Welt zu unüberwindbaren Mauern. Erst die Liebe zu Paul gibt ihr Mut für den Schritt in eine andere Welt.“


    Jana Frey hat dieses Buch geschrieben, nach authentischen Gesprächsprotokollen mit dem Mädchen Hannah, wie es im Prolog heißt. Frey wurde 1969 in Düsseldorf geboren, studierte in Frankfurt, in den USA und in Neuseeland Literatur, Geschichte und Kunst. Bisher hat sie bereits zahlreiche Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht. Dieses vorliegende Buch ist in der Reihe „generation“ beim Fischer Taschenbuchverlag erschienen.


    Dieses Buch macht deutlich, dass religiöse Fanatiker und Dogmatiker eine echte Geisel der Menschheit sind. Aber diese fanatischen Eiferer finden wir nicht nur in den Sekten, wir finden sie leider auch in unseren „Staatskirchen“, auch dort gibt es viele dieser sehr gefährlichen Religionsfanatiker. Labile Menschen sind ihnen hilflos ausgeliefert und ein solcher Vorwurf kann sich nicht ausschließlich nur an die Sekten richten. Auch unsere großen Religionsgemeinschaften sind vielerorts nichts weiter als Rattenfängerorganisationen die einfach nur der Verdummung der Menschen dienen – mit Glauben hat es hier wie dort nur sehr wenig zu tun. Trotzdem sind die Katholische und auch die Evangelisch-Lutherische Kirche dafür zu loben, dass sie versuchen, durch ihre Sektenbeauftragten den Menschen mit dem Willen zur Loslösung aus ihren jeweiligen Sekten mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Am Ende des Buches findet sich eine Adressenliste mit den Adressen diverser Beratungsstellen.


    Die Gefahr, die gerade religiöser Fanatismus in sich trägt, kommt in diesem Buch leider nicht so sehr zur Sprache wie ich es mir gewünscht hätte. Sicher steht das Mädchen Hannah mit ihren widersprüchlichen Gefühlen im Mittelpunkt, aber man kann gerade das Schicksal dieses Mädchens nicht losgelöst vom Gesamtproblem des religiösen Fanatismus sehen. Hier wurde eine Chance vertan – schade. Trotzdem ist dieses Buch lesenswert und man sieht diese vermaledeiten Wachturm-Stillstehe-Akrobaten vielleicht jetzt ein wenig mit anderen Augen. Die Kinder und Jugendlichen die zu diesem Stehen gezwungen werden, sind zu bedauern, die erwachsenen Mitglieder dieser Sekte dagegen sind mit aller Vorsicht zu betrachten, zum Teil haben sie nur Verachtung verdient. Was sie den Kindern und Jugendlichen wirklich antun wird in „Das eiskalte Paradies“ sehr gut und anschaulich beschrieben.


    Sehr positiv anzumerken ist, dass in diesem Buch nicht die Sensation, nicht das Überzeichnen im Vordergrund steht. Hier wird schlicht die Situation eines jungen Mädchens beschrieben, der Kampf dieses jungen Mädchens zum einen gegen die eigenen Gedanken aufgrund der demagogischen Einflüsterungen von widerwärtigen Religionseiferern und zum anderen ihre Suche nach Halt und einem anderen Leben.


    Das Buch berührt, es ist sehr einfühlsam, dabei aber auch sachlich geschrieben. Es wird nicht sentimental, ist aber trotzdem mitfühlend und verständnisvoll.