Joseph Roth - Radetzkymarsch

  • Ein historischer Roman, und eher eine Männerlektüre!


    Der “Radetzkymarsch” erschien 1932 und erzählt eine Familiengeschichte anhand drei Generationen. Der Marsch zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte.


    Der Großvater Trotta war ein slowenischer Bauer und Unteroffizier, der in der Schlacht von Solferino dem Kaiser von Ungarn und Österreich, Franz Joseph, das Leben gerettet hat. Er erhielt dafür den Maria-Theresien-Orden, kam in die Geschichtsbücher, und wurde geadelt.
    Der Vater, so hatte es Großvater in weiser Vorhersehung bestimmt, sollte die Beamtenlaufbahn einschlagen, da er am eigenen Leib erkannte, dass sich das neue Adelsgeschlecht nicht zum Kriegsdienst eignete; so wurde aus ihm der Bezirkshauptmann in W..
    Der Sohn wiederum kam zum Militär, wurde seit dem siebten Lebensjahr zum Soldaten gedrillt, obwohl das nicht seinem Inneren entsprach. Sekündlich wartet der Leutnant auf den oberen Befehl, denn in Friedenszeiten ist ein Soldat nutzlos. Der Alkohol und das Spiel ersetzen diese Leere. Und wenn dann der Befehl endlich ausgerufen wird, ist es paradoxerweise der Untergang der Monarchie!


    Ist der Großvater noch der Held der Erzählung, erweist sich die Zeit und die nachfolgenden Generationen als ungeeignet, die dritte Generation scheitert gänzlich.


    Es ist ein eiskalter Roman! Nicht dass Roth keine feinfühligen Beschreibungen zu Papier bringen kann, nein, es sind wunderbare Landschaftsbeschreibungen u. a. vorhanden. Der Roman ist gefühlskalt, und spiegelt dadurch die damalige Zeit 1:1 wieder.
    Vorherrschend stammt diese Kälte durch die nicht vorhandene Eigenverantwortung, sondern dass die Menschen sich in ihr vorgegebenes Schicksal einfügen, sich führen lassen, darunter leiden, aber nicht den Mut haben daraus auszubrechen.
    Früher oder später musste aus dieser Situation die Revolution hervorkommen, denn nichts ist verlockender als die Freiheit!


    Insgesamt ist mir das ganze Buch zu männlich und militärisch, diese Thematik sprach mich überhaupt nicht an, dadurch konnte es mich nicht fesseln und begeistern.
    Nicht dass ich dadurch sagen möchte, es wäre ein schlechter Roman, nein den Untergang der Monarchie wurde gewiss nie besser beschrieben und deutlicher erzählt, aber in dieser Männerwelt hatten Frauen und auch das Feingefühl noch keinen Platz, was ja ein großes Motiv dieser Erzählung ist.
    Vielleicht ist dieses Werk tatsächlich eine Männerlektüre, denn bisher habe ausschließlich männliche Stimmen vernommen, die es anpriesen. Was aber nicht heißen soll, dass wir Frauen es nicht lesen sollten, aber wir werden weniger Vergnügen an dieser Lektüre finden.

  • Vielleicht ist dieses Werk tatsächlich eine Männerlektüre, denn bisher habe ausschließlich männliche Stimmen vernommen, die es anpriesen. Was aber nicht heißen soll, dass wir Frauen es nicht lesen sollten, aber wir werden weniger Vergnügen an dieser Lektüre finden.


    Dann habe ich wohl mein ganzes Leben lang in einem falschen Körper gelebt, ohne es zu wissen!smile01.gif


    Aber im Ernst, Deiner Rezension nach zu urteilen, Buchkrümel, scheinst Du ein völlig anderes Buch gelesen zu haben als ich. „Radetzkymarsch“ militaristisch, gefühlskalt, ein Männerbuch ohne Feingefühl? Das Gegenteil ist der Fall! Ganz abgesehen davon, dass es in der großen Literatur, und darum handelt es sich hier zweifellos, meiner Meinung nach keine ausgesprochenen „Männer"- oder "Frauenbücher“ gibt, ist der Roman ein schwermütiger, elegischer und sehr zarter Abgesang auf die Österreichisch-Ungarische-Monarchie. Der Niedergang wird am Beispiel der dem Kaiserhaus schicksalhaft verbundenen Familie Trotta erzählt, deren letzter Nachkomme, der labile und feinfühlige Leutnant Carl Joseph von Trotta, mit den überkommenen Werten nichts mehr anfangen kann, das Leben beim Militär verabscheut und schließlich gleichzeitig mit dem habsburgischen Reich zugrunde geht.


    Ich kenne kaum einen Autor, der mit einem solchen Einfühlungsvermögen, einer so genauen Beobachtungsgabe ausgestattet ist. Seine Beschreibungen sind sehr anschaulich und präzise, seine Sprache ist schlicht und poetisch. Er schreibt nicht aus der Distanz über den Untergang der Donaumonarchie, sondern als einer, der sie miterlebt hat und darunter leidet. Obwohl stets Trauer und Abschiedsstimmung mitschwingen, ist der Roman frei von Sentimentalität. Roths mitunter scharfe Gesellschaftskritik, besonders am Offiziersstand, wird durch seine gelassene Erzählweise und seinen ironischen, manchmal spöttischen, manchmal humorvollen Ton abgemildert. Vor allem ist er ein Meister der Zwischentöne. Wichtiger noch als das Geschriebene ist das, was ungesagt bleibt. Die atmosphärische Dichte, die Intensität der Stimmung steigt aus dem Raum zwischen den Zeilen hervor.


    Für mich ist Joseph Roth einer der größten Schriftsteller des 20.Jahrhunderts, und „Radetzkymarsch“ gehört unbedingt zu den zehn besten Romanen, die ich in meinem Leben gelesen habe!


    Gruß mofre

    :study: Olga Tokarczuk - Gesang der Fledermäuse

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • Das ist genau der Punkt mofre, warum ich ein eigenes Forum gegründet habe. Denn das hatte ich vollkommen satt! Dass mir einer sagt, wie ich ein Buch zu lesen und zu verstehen habe. Rezensionen sind immer subjektiv, und ich lasse darin grundsätzlich meine Empfindungen durch. Manche denken mit mir, andere anders ...


    Gerne diskutiere ich über Meinungen, aber Oberlehrer mäßig, den Ton mag ich nicht.

  • @ Buchkrümel,


    es ist, wie Du sagst, Rezensionen sind immer subjektiv. Du hast eine bestimmte Meinung zu dem Buch und ich eine ganz andere. Die habe ich geäußert, nicht mehr und nicht weniger. Warum Du Dich auf den Schlips getreten fühlst, ist mir schleierhaft. Und wo habe ich Dir bitte schön vorgeschrieben, wie Du das Buch zu lesen und zu verstehen hast? Ich habe nur beschrieben, wie ich es lese und ich es verstehe. Und dass man ein Buch, das man besonders liebt, verteidigt, ist doch auch normal. Was soll daran oberlehrerhaft sein? Ich möchte hier im Forum über Bücher reden und habe wenig Lust, dabei jedes einzelne Wort auf die Goldwaage zu legen. Es wäre schade, wenn wir uns den Spaß am Diskutieren durch persönliche Empfindlichkeiten verderben ließen.


    Gruß mofre

    :study: Olga Tokarczuk - Gesang der Fledermäuse

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • Reich-Ranicki hat diesen Roman zu den zwanzig bedeutensten Romanen des
    vorigen Jahrhunderts gezählt. Und das ist er sicher auch. Nun können
    aber auch solche Romane durchaus unterschiedlich empfunden und
    beurteilt werden. Und es gehört zu einer lebhaften und inhaltlich
    interessanten Diskussion aber auch, selbst wenn sie mit aller
    Leidenschaft geführt wird, das man die Ansicht des Gegenübers toleriet.
    Killerphrasen wie, das man wohl im Körper eines anderen Menschen gelebt
    hat, sind wenig hilfreich, eine Diskussion sachlich zu führen. Sie
    polarisieren lediglich.




    Und was spricht denn dagegen, wenn man den Roman von Joseph Roth als
    kalt und mit Militarismen überlager ansieht? Nichts! Es ist eine
    Meinung, die übrigens durchaus auch von anderen Menschen geteilt wird.
    Es gibt in der Literatur nun einmal nicht das "schwarz oder weiß" oder
    das "richtig oder falsch".




    Ich fand beide Ansichten über dieses Buch ungeheuer interessant und eine herrliche Grundlage für weitere Diskussionen.

  • Ich habe den Roman ja gar nicht abwerten wollen, denn dafür habe ich meine persönliche Empfindlichkeiten ständig in Frage gestellt oder abgemildert. Das Schicksal des Leutnants ist mir einfach schwer auf dem Magen gestoßen, auch wieder eine persönliche Empfindlichkeit, die nicht in die Zeit passte. Diese Zeit empfinde ich nach wie vor als kalt, männlich dominiert, ohne Feingefühl und Menschlichkeit. Das ist auch die erste Ebene im Buch, andere unterschwellige Facetten sind vorhanden, die genau das in Frage stellen. Diese Zerrissenheit ist Thema des Buches, und hat mich bei der Lektüre auch arg mitgenommen.

  • @ Dr. Watson, Deinen Einwurf verstehe ich nicht so ganz. Auf der einen Seite schreibst Du:


    Ich fand beide Ansichten über dieses Buch ungeheuer interessant und eine herrliche Grundlage für weitere Diskussionen.

    Auf der anderen Seite wirfst Du mir meine eigene, von Buchkrümels abweichende Meinung als Intoleranz vor. Was Du mit "Killerphrase" bezeichnest, ist doch nur eine scherzhafte, vorsichtshalber noch extra mit einem Smiley gekennzeichnete Replik auf Buchkrümels Behauptung, Frauen würden weniger Vergnügen an dieser Lektüre finden. Muss ich den Scherz wirklich noch erklären?


    Ich bin kein Freund von Drumrumgerede und habe auch keine Lust, mich fünfundzwanzigmal dafür zu entschuldigen, dass ich eine andere Meinung zu einem Buch habe als der jeweilige Rezensent. Ich habe weder Buchkrümel persönlich angegriffen noch ihre Meinung nicht gelten lassen. Sie gilt eben nur nicht für mich, ich sehe den Roman völlig anders. Intolerant fand ich offen gestanden eher die Reaktion von Buchkrümel


    Im Übrigen - das scheint mir auch der letzte Beitrag von Buchkrümel zu zeigen - liegt das Problem auch ein bisschen an ihrer missverständlichen Ausdrucksweise, für die ich nichts kann. So ist "Radetzkymarsch" zum Beispiel nicht militärisch, sondern spielt im militärischen Milieu, das sind zwei verschiedene Dinge. Dass der Roman auch von anderen als kalt empfunden wird, ist mir neu, obwohl ich viel von und über Roth gelesen habe, aber ich lasse mich da gern belehren. Vielleicht ist damit aber nur sein genauer, kristallklarer Stil gemeint, der nicht jedem liegt. Was man mit Recht an ihm kritisieren kann, ist seine Rückwärtsgewandtheit. Alle Bücher Roths sind durchzogen von der Sehnsucht nach einer alten, längst versunkenen Zeit, der glanzvollen Zeit der Donaumonarchie. Begründet ist das in seiner Biographie, er war innerlich halt- und heimatlos. Der Germanist Pierre Bertaux hat über Joseph Roth, der übrigens ein schwerer Trinker war und mit 43 Jahren an einer Leberzirrhose gestorben ist, den schönen (und traurigen) Satz gesagt: "Er hatte halt Wurzeln nur in der Luft."


    Gruß mofre

    :study: Olga Tokarczuk - Gesang der Fledermäuse

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer

















  • Dass der Roman auch von anderen als kalt empfunden wird, ist mir neu, obwohl ich viel von und über Roth gelesen habe, aber ich lasse mich da gern belehren. Vielleicht ist damit aber nur sein genauer, kristallklarer Stil gemeint, der nicht jedem liegt. Was man mit Recht an ihm kritisieren kann, ist seine Rückwärtsgewandtheit. Alle Bücher Roths sind durchzogen von der Sehnsucht nach einer alten, längst versunkenen Zeit, der glanzvollen Zeit der Donaumonarchie. Begründet ist das in seiner Biographie, er war innerlich halt- und heimatlos. Der Germanist Pierre Bertaux hat über Joseph Roth, der übrigens ein schwerer Trinker war und mit 43 Jahren an einer Leberzirrhose gestorben ist, den schönen (und traurigen) Satz gesagt: "Er hatte halt Wurzeln nur in der Luft."


    Genau diese Wehmut Roths macht aber den Roman kalt. Denn sie klingt überall durch. Ich bin politisch da ganz andere Meinung, und habe mich (im Buch) auf den Untergang der Monarchie gefreut. Er möchte an ihr festhalten.
    D. h. ich bin für andere Zeiten, er hält an diesem diktatorischen System fest und auch an dem Militärischen.

  • Jetzt bin ich richtig neugierig auf das Buch geworden, da es in meinem Regal steht, werde ich es in absehbarer Zeit erlösen.


    Wäre schön, wenn sich hier im Forum noch andere ein eigenes Bild über diesen nicht zu unrecht als sehr bedeutend bezeichneten Roman machen würden! Ich hoffe sehr, dass sich niemand von Killerphrasen, die mit Sicherheit nicht als solche zu verstehen sind, davon abhalten lassen, denn dieses Buch hat es sich verdient von vielen Literaturbegeisterten gelesen zu werden.

  • Genau diese Wehmut Roths macht aber den Roman kalt.


    Das muss mir erklärt werden. Wehmut ist für mich ein Gefühl wie Sehnsucht (nach der Kindheit, nach der großen Liebe, nach dem letzten schönen Sommer, usw), in dem Traurigkeit mitschwingt. Wenn ich aber diese Gefühle bei mir selbst oder jemand anderem entdecke, ist dies eher ein Zeichen von Wärme.
    Oder steh ich auf dem Schlauch?


    Marie


    edit: Den Roman habe ich mir auf meinem Büchereizettel bereits notiert.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Mein Problem ist ja immer, dass ich nicht zu viel von Roman preis geben möchte.
    Das liegt am Inhalt des Romans Marie. Wenn der Autor uns die Zeit anhand eines Schicksals deutlich macht, wovon ich Magenschmerzen bekommen habe; und durch andere Figuren aufzeigt, was an der Zeit falsch ist, oder Missstände aufdeckt, und gleichzeitig aber diese Zeit hinterher weint, also diese Kälte bevorzugt, dann ist das kalt, dann geht er über Menschenschicksale hinweg.

  • Buchkrümel, vielleicht meinst Du mit kalt zynisch? Aber ich sehe das nicht so. Dass die Monarchie nicht mehr wiederkehren würde, wusste Roth natürlich. Und dass einer wie er, der keine inneren Wurzeln hatte, nirgendwo, auch nicht im alten Kaiserreich Halt finden würde, war ihm ebenfalls klar (er hat ja nicht umsonst gesoffen wie ein Loch, um es mal salopp auszudrücken). Die Monarchie ist für Roth eher eine Chiffre als eine ersehnte, konkrete Realität. Sie steht für eine zwar nicht perfekte, aber vergleichsweise noch menschliche Gesellschaftsordnung.
    Denn man muss einmal an die geschichtliche Situation denken. Nach dem Zusammenbruch des Habsburgischen Reiches wurde ja keine Demokratie installiert, wie wir sie heute kennen, sondern es dämmerte die schlimmste Zeit in der österreichisch-deutschen Geschichte herauf: der erste Weltkrieg mit seinen grauenhaften Materialschlachten und das Dritte Reich mit dem Holocaust. Mit seiner Kritik am Offiziersstand hat sich Roth, wie wir heute wissen, als ziemlich hellsichtig erwiesen. Für die unselige politische Entwicklung nach dem Zusammenbruch der Monarchien in Österreich und Deutschland war nicht zuletzt das Militär mitverantwortlich.


    Aber diese Sehnsucht nach der alten Monarchie ist ja nur ein Aspekt des Romans. Viel wichtiger für mich ist seine klare, präzise Sprache, seine stilistischen Feinheiten, seine exakte, sensible Beobachtung von Menschen und Dingen. Zum Beispiel die Episode mit dem alten Diener Jacques. Das ist doch unübertrefflich, wie er mit wenigen Worten so eine eigenartige schwebende, melancholische Stimmung erzeugen kann, findest Du nicht? Ich habe übrigens noch ein schönes Wort des Schriftstellers Arnold Zweig über Joseph Roth gefunden. „Wer an seiner zarten Haut zugrunde geht, ist unserer inneren Treue sicher.“


    Unser kleiner Disput hat jedenfalls zur Folge, dass ich das Buch unbedingt demnächst wieder lesen möchte, ich glaube, zum vierten Mal in meinem Leben.


    Gruß mofre

    :study: Olga Tokarczuk - Gesang der Fledermäuse

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer



















  • Hallo Mofre,




    natürlich lag es mir fern dir Intoleranz vorzuwerfen. Meine Bemerkung
    in Bezug auf das Tolerieren war als allgemeine Aussage gemeint. Da ich
    deine Ansicht sehr interessant fand, wäre es natürlich nicht unbedingt
    logisch gewesen hier den Intoleranzvorwurf zu erheben.




    Für mich sind solche Einstiege, wie du sie in deinem Beitrag verwendet
    hast, Killerphrasen. Egal ob da jetzt ein Smiley die Wacht am Rhein
    hält oder nicht. Solche Sätze mag ich auch im direkten, im echten
    Gespräch nicht.




    Zum Buch selbst ist zu sagen, dass vielfach die Vita von Joseph Roth
    bei der Beurteilung vergessen wird. Roth ist alles gewesen aber sicher
    kein Utopist. Er war ein an sich selbst zweifelnder und verzweifelter
    Mensch. In vielen seiner Bücher finden wir Joseph Roth auf die eine
    oder andere Weise wieder.

  • Hallo


    ich muss mich hier nun auch zu Wort melden und kann mich uneingeschränkt der Meinung mofres anschliessen, ich dachte auch zuerst dies sei die Rezension eines anderen Buches. Buchkrümel, für mich ist nichts davon im Radezkymarsch so wie du es schilderst, im Gegenteil es ist ein auf großer sensibilität aufgebauter Roman der eben genau die Kälte dieser Zeit nicht in sich hat. Den meisten meiner Freunde die Radezkymarsch gelesen haben, empfehle ich immer dann gleich Kapuzinergruft hinterherzulesen, dies tu ich bei dir nicht den es ist zum Teil noch feinfühliger zu lesen und mit dieser Zeit nicht zu vergleichen. Ich liebe Joseph Roths Bücher und am liebsten hab ich Hiob, aber das ist ein anderes Kapitel. Ich sehe ein, dass wir einfach verschiedener Meinung sind und ich habe vielleicht den vorteil des höheren Alters mit Großeltern die noch aus dieser Zeit in Österreich erzählen konnten und natürlich dass Radetzkymarsch Schullektüre war und ich es das erste, von vielen Malen unter Anleitung und mit Erklärungen einer guten Professorin gelesen habe. Aber deine Rezension hat mich dahin gebracht es wieder einmal zu lesen und das ist schon etwas wofür ich Dankbar bin


    Mara

    :study: Ich bin alt genug, um zu tun, was ich will und jung genug, um daran Spaß zu haben. :totlach: na ja schön langsam nicht mehr :puker:

    Einmal editiert, zuletzt von Mara ()


  • Unser kleiner Disput hat jedenfalls zur Folge, dass ich das Buch unbedingt demnächst wieder lesen möchte, ich glaube, zum vierten Mal in meinem Leben.


    Ja, das freut mich auch :-, Wenn ich auch manchmal wie ein Elefant in den Porzellanladen eintrete :-, hier hat es zur Folge, dass das Buch gelesen wird :loool:


    Übrigens bemerke ich erst durch diese Diskussion wie sehr mich das Buch bewegt hat, und welchen Kampf ich mit ihm hatte. Sicherlich liegt einiges daran, Mara, dass meine Generation gar nicht mehr damit aufgewachsen ist. Ich bin auch kein nostalgischer Sisi-Fan, also diese Wehmut verspüre ich nicht.

  • Ich liebe Joseph Roth! Zwar ist mein eindeutiger Favorit "Hiob", aber auch den "Radetzkymarsch" habe ich sehr gerne gelesen.


    Zu eurer Auslegungsdiskussion möchte ich mich gar nicht äußern - ich versteh sie nämlich nicht so ganz. Wenn Buchkrümel den Roman anders sieht als Mofre und Mara ist das doch völlig in Ordnung. Dass ihr das Buch dennoch gefallen hat, kommt doch deutlich rüber. Dass sie den literarischen Wert des Buches erkannt hat, auch.


    Es ist einige Jahre her, dass ich das Buch gelesen habe, aber Ich kann mich erinnern, dass mich diese militärischen Eindrücke auch nicht so sonderlich interessiert haben, sondern mehr der familiäre und politische Aspekt (Untergang der Monarchie). Als warmherzig habe ich das Buch auch nicht empfunden, glaube ich, aber als ein absolutes must in der Literatur.


    Zu Marcel Reich-Ranicki: Er hat auch "Liebesleben" zum "Besten, was er in den letzten Jahren gelesen hat" erklärt. Man MUSS also nicht immer seiner Meinung sein! :|

  • @ Susannah, warum soll es denn nicht eine Auslegungsdiskussion geben? Bringt doch wenigstens mal ein bisschen Leben in die Bude! Meinetwegen könnte hier im Forum ruhig mehr und lebhafter diskutiert werden. Das heißt doch nichts anderes, als dass man seine Meinungen austauscht, seine Argumente gegeneinander ins Feld führt und auch mal seine Klingen kreuzt. Warum soll man sich nicht mal über ein Buch „streiten“ dürfen? Man darf dabei nur weder jemanden persönlich angreifen noch gekränkt sein, wenn einer gegenteiliger Meinung ist. Ich fachsimple gern über Bücher und gestehe auch, dass ich da etwas missionarisch veranlagt bin und gerne andere von einem Buch, das ich sehr mag, zu überzeugen versuche. Ein Problem sehe ich nicht. Buchkrümel hat eine bestimmte Meinung zu dem Buch, Mara und ich eine andere. Wer es so ähnlich wie Buchkrümel sieht oder vielleicht wieder ganz anders als wir drei, kann sich doch gerne äußern. Jedenfalls hat der Disput dem Buch die Aufmerksamkeit verschafft, die es verdient. Was Marcel Reich-Ranicki betrifft: Seinem Urteil über zeitgenössische Literatur traue ich auch nur sehr begrenzt. Hauptsache, es ist genug Erotik drinnen, scheint seine Devise zu sein. Mit seinen Ansichten über die ältere Literatur stimme ich dagegen häufig überein.


    Buchkrümel, ich sinne noch über das nach, was Du „kalt“ nennst. Meinst Du vielleicht, dass die resignative Stimmung des Romans Dir persönlich trostlos vorkommt? Dass Du diese Schicksalsergebenheit, diesen mangelnden Willen, nach vorne zu sehen, dieses Nachtrauern einer versunkenen Welt beklemmend findest? Denn dann könnte ich Dich in gewisser Weise verstehen. Allerdings erzeugt die sensible Sprache Roths, die melancholische, schwebende Stimmung des Romans (mit „warmherzig“ hat das nichts zu tun) in mir eher den Eindruck von verhangener, sanfter Trauer als von Trostlosigkeit. Wie Dr.Watson oben schon sagte, ist vieles aus der Vita und der labilen, an sich selbst zweifelnden Persönlichkeit Joseph Roths zu erklären. Er war schon ein Utopist, aber ein rückwärtsgewandter. Er zeichnete die Monarchie nicht wie sie tatsächlich war, sondern wie sie sein sollte, als einen idealisierten, mythisch-überhöhten Ort sozusagen. Für die Sache der Monarchisten setzte er sich konkret erst dann ein, als das Dritte Reich sich abzuzeichnen begann.


    Gruß mofre

    :study: Olga Tokarczuk - Gesang der Fledermäuse

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • Natürlich kann man gerne über den Inhalt von Büchern diskutieren, aber es kann hier kein "richtig" oder "falsch" geben, und genau den Eindruck hatte ich in dieser Diskussion ein wenig.


    Was die Aufmerksamkeit betrifft, die dieses Buch hiermit erhält, gebe ich dir völlig recht. Vielleicht wurden ein paar Leute motiviert, es zu lesen.


    Lg
    Susannah