Joseph Roth - Radetzkymarsch

  • "Radetzkymarsch" ist schon ewig auf meiner WL. Da es hier ja einige gibt die diesen Klassiker schon gelesen haben, habe ich eine Frage. Kann mir wer eine gute Ausgabe empfehlen? Die aus dem Anaconda-Verlag sehen zwar meist sehr hübsch aus, aber es hapert dann manchmal etwas an der Umsetzung. Aja, wenn möglich gebundene Ausgabe, da ich in der Hinsicht so einen kleinen Spleen habe (Klassikerausgaben nur gebunden) :uups::pale:
    Liebe Grüße aus der ehemaligen K&K-Monarchie :lol:

    Wenn ein Mann zurückweicht, weicht er zurück. Eine Frau weicht nur zurück, um besser Anlauf nehmen zu können. (Zsa Zsa Gabor)
    :twisted:

  • @Ambermoon: Inwiefern hapert es bei Anaconda an der Umsetzung? Ich besitze kein Buch aus diesem Verlag.


    Meine gebundenen Radetzkymarsch - Ausgabe ist von Kiepenheuer und Witsch. Allerdings aus 1979 und antiquarisch erworben. Edit: Wenn ich die ISBN eingebe, erscheint leider nur eine Taschenbuchausgabe.

  • Inwiefern hapert es bei Anaconda an der Umsetzung? Ich besitze kein Buch aus diesem Verlag.

    Ich bin zwar nicht Ambermoon, aber für meinen Teil meide ich die Bücher dieses Verlages. Es sind oft (meist) verkürzte Ausgaben, kaum angemerkt eben diese Tatsache. Kommt mir etwas modisch vor, ohne den "anspruchsvollen" Leser befriedigen zu können (okay, ein dummes Wort, von wegen "anspruchsvoll").

  • @tom leo Danke, genau deswegen. Ich habe zwar schon einige Klassiker aus diesem Verlag und wie schon erwähnt sind diese im Regal ja äußerst schön anzusehen, aber wenn ich dann nur gekürzte und modernisierte Klassiker im Regal stehen habe bringt es mir persönlich auch nix.


    @SiriNYC Danke auch Dir für die Antwort. Habe mir gleich mal den Verlag aufgeschrieben. Falls Du, oder sonst jemand, noch Tipps für Klassikerausgaben und Verlagen hat dann nur her damit :lechz:


    Anbei auch gleich mal FROHE OSTERN :flower:

    Wenn ein Mann zurückweicht, weicht er zurück. Eine Frau weicht nur zurück, um besser Anlauf nehmen zu können. (Zsa Zsa Gabor)
    :twisted:

  • Zitat von Ambermoon

    Falls Du, oder sonst jemand, noch Tipps für Klassikerausgaben und Verlagen hat dann nur her damit

    Mir ist tatsächlich noch was eingefallen. Inzwischen habe ich auch sehr viele gebundene Klassiker vom Bücherbund oder Bertelsmann - Verlag aus den 60ern. Früher fand ich den Look einfach nur angestaubt, inzwischen finde ich, sie haben Charme. Die Ausgaben besitzen keinen Schutzumschlag, der Buchrücken ist aus einfarbigem Leder(imitat?), Titel und Autor sind in goldenen Lettern darauf gedruckt. Auch hier wurde ich entweder im Antiquariat fündig oder bei meinen Eltern im Bücherschrank (hätte ich vor zwanzig Jahren nie vermutet, dass ich die "ollen Schinken" in mein Regal stelle :loool: ).

  • Falls Du, oder sonst jemand, noch Tipps für Klassikerausgaben und Verlagen hat dann nur her damit :lechz:

    Falls Du auch englisch liest, dann kann ich Dir die Collector's Library wärmstens empfehlen. Ich besitze diese Dickens-Ausgabe und sie ist so liebevoll gestaltet und beinhaltet die Original-Zeichnungen, mit denen Bleak House damals veröffentlicht wurde :love:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier


  • @Squirrel
    Oje, um mein Englisch steht es leider nicht so gut, aber vielleicht wäre das ein guter Grund, um meine Englischkenntnisse wieder aufzufrischen :-k
    Vielen Dank für den Tipp. Ich werde auf jeden Fall mal dort rumstöbern

    Wenn ein Mann zurückweicht, weicht er zurück. Eine Frau weicht nur zurück, um besser Anlauf nehmen zu können. (Zsa Zsa Gabor)
    :twisted:

  • Als Joseph Trotta dem österreichischen Kaiser in der Schlacht von Solferino das Leben rettet, gelangt er nicht nur zu militärischen Ehren, sondern erhält auch einen Adelstitel. Seinen Sohn Franz bestimmt er für die Beamtenlaufbahn, während der Enkel Carl Joseph von Kindheit an zum Soldaten erzogen wird. Der junge Mann verspürt zwar nicht die geringste Berufung zu einer militärischen Karriere, doch dulden Pflichtbewusstsein und Gehorsam dem Vater gegenüber keinen Widerspruch. Carl Josephs heimliche Liebe gilt nämlich nicht nur älteren, verheirateten Frauen, sondern auch dem bäuerlichen Stand seiner Vorfahren.
    Klaglos unterwirft sich der junge Leutnant der langweiligen Routine in der kaiserlichen Armee, lustlos nimmt er an den Vergnügungen seiner Kameraden teil, besucht Kaffeehäuser und Bordelle. Als er schuldlos in ein Duell verwickelt wird, bei dem sein einziger Freund, der Regimentsarzt Max Demant, stirbt, lässt er sich in eine weit entfernte Grenzstation im Osten des Reiches versetzen. Dem Alkohol verfallen und hoch verschuldet, scheint der Untergang Carl Josephs besiegelt, doch der Arm des Vaters und die Gunst des Kaisers reichen auch in die entlegensten Winkel der Monarchie.


    Auf hohem sprachlichem Niveau erzählt Joseph Roth die Geschichte der Familie Trotta über drei Generationen. Im Mittelpunkt des Romans stehen der Enkel des Helden von Solferino, Carl Joseph, und sein Vater, der Bezirkshauptmann Baron Franz Trotta von Sipolje.
    Die Charakterisierung des jungen Leutnants finde ich sehr gut gelungen, sein unglückliches Leben hat mich zutiefst berührt. Von Kindheit an ist er einem strengen Regiment unterworfen, wird vom Vater sogar vor Beginn der Sommerferien, den einzigen, die er zu Hause verbringen darf, einen ganzen Vormittag lang geprüft – und muss dazu auch noch in Uniform antreten. Dass er ohne ausgleichende mütterliche Fürsorge aufwächst, erklärt wohl seinen Hang zu den stets älteren Geliebten.
    Besonders tragisch habe ich Carl Josephs Sehnsucht nach dem einfachen Leben seiner Vorfahren empfunden, während ihm sein Dienst bei der Armee als vergeudete Zeit vorgekommen sein mag. Dennoch stolpert er in alle Fallen, die sein militärischer Stand ihm stellt. Er beginnt zu trinken, um das öde Soldatenleben auszuhalten, und häuft Schulden an, ohne recht zu wissen, wie es dazu kommen konnte. Erst als eine riesige Summe fällig wird, wagt er es, sich an den Vater zu wenden, worauf etwas ganz Erstaunliches passiert. Der alte Bezirkshauptmann setzt Himmel und Hölle in Bewegung, um die „Affaire“ aus der Welt zu schaffen, bringt die Angelegenheit sogar vor den Kaiser. Dem sagt der Name Trotta zwar etwas, aber mehr als 50 Jahre nach dem lebensrettenden Ereignis kann sich der Greis nicht mehr so genau erinnern, wer daran eigentlich beteiligt war. Diese Szene, in der der Autor so intensiv in die Gedankenwelt des uralten Monarchen eindringt, hat schon einen ganz besonderen Charme.
    Auf jeden Fall hat mich der alte Baron von Trotta mit seinem engagierten Einsatz für Carl Joseph sehr überrascht. Im Alltag kaum einer Gefühlsregung fähig, steht der gestrenge Bezirkshauptmann im Krisenfall loyal auf der Seite seines Sohnes, vielleicht die einzige Möglichkeit, ihm seine tiefe Liebe zu beweisen.
    Wie sehr Franz von Trotta in seiner eigenen Welt gefangen ist, zeigt auch die Szene sehr gut, in der sein alter Diener Jacques erkrankt. Als der Bezirkshauptmann aus diesem Grunde nicht wie üblich die Post neben seinem Frühstücksgedeck findet, kann er kaum glauben, dass sich die Welt auch angesichts dieser Ungeheuerlichkeit noch weiterdreht.
    Dieses verzweifelte Festhalten an erstarrten Formen, an immer wiederkehrenden Ritualen, wird der Leser wohl als Symbolik für den nahenden Untergang der Monarchie deuten, die für Altbekanntes und Vertrautes stand. Ob es die Menschen tatsächlich so empfanden, mag dahingestellt bleiben.
    In einer sehr eindringlichen, atmosphärisch dichten Sprache, die auch Konzentration erfordert, hat Joseph Roth es wunderbar verstanden, diese längst vergangene Zeit auferstehen zu lassen. Mir hat das Buch trotz seiner düsteren und bedrückenden Grundstimmung sehr gut gefallen, geht doch ein ganz eigenartiger, unerklärlicher Zauber davon aus.


    Nostalgische :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • ### Inhalt ###

    Anhand von vier Generationen der Familie Trotta erleben wir das Ende der Habsburger Monarchie um 1900 bis zum ersten Weltkrieg. Alles beginnt mit einem Leutnant der Armee, der eine heldenhafte Tat vollbringt, nämlich den Kaiser vor dem Tod durch eine Gewehrkugel bewahrt, in dem er sich vor ihn schmeißt. Er ist von nun an der „Held von Solferino“, erhält die höchste Auszeichnung für militärische Tapferkeit, den Maria-Theresien-Orden, wird als „Joseph Trotta von Sipolje“ in den Adelsstand erhoben und zum Hauptmann befördert. Sein Sohn wird hoher Beamter im Habsburger Staat, sein Enkel wird wieder Soldat bei der Armee. Den größten Teil des Buches lesen wir von Sohn und Enkel und ihren Versuchen, sich zwischen Monarchie und deren Verfall einen Platz in der Welt zu suchen.


    ### Meinung ###

    Joseph Roth selber hat wohl Schmerz empfunden angesichts des Untergangs der österreichischen Monarchie mit dem ersten Weltkrieg. Schmerz, aber auch Ironie schwingen in den Beschreibungen der Handlungen, der Dialoge und des Alltags der Familie Trotta. Ich habe teilweise laut gelacht wie lange nicht beim Lesen von Büchern. Auf der einen Seite ist man stolz Teil einer adeligen Familie zu sein, die mit der Tat des Helden von Solferino begonnen hat, stolz darauf dem Kaiser zu dienen als Soldat oder als Beamter. Das Leben und Leiden hat einen tiefen Sinn, wenn man es unter kuk, das kaiserlich und königliche stellt. Und dann gibt es Szenen wie diese: Carl Joseph wird als junger Kadettenschüler in den Sommerferien von seinem Vater, dem Bezirkshauptmann von W. zu allen möglichen Themen streng, stolz und liebevoll ausgefragt und alles ist eine idyllische "Jawohl, Papa"-Harmonie. Oder wie der Bezirkshauptmann nach dem Tod seines Dieners Jaques zu seinem Sohn fährt, um ihm einige Nachlassgegenstände Jaques' zu überreichen, unter anderem eine Wurzel und der Bezirkshauptmann denkt:

    "Man wusste nicht mehr von Carl Joseph als von einem anderen Leutnant. Er war zur Kavallerie eingerückt und hatte sich dann zur Infanterie transferieren lassen. Die grünen Aufschläge der Jäger trug er statt der roten Dragoner. Nun ja! Mehr wusste man nicht! Man wurde offenbar alt. Man wurde alt. Man gehörte nicht ganz dem Dienst mehr und nicht den Pflichten! Man gehörte zu Jacques und zu Carl Joseph. Man brachte die steinharte, verwitterte Wurzel von einem zu anderen."

    Oder ein innerer Monolog des Bezirkshauptmanns nach einem Essen mit dem Grafen Chojnicki und der anschließenden Kutschen-Fahrt zu einem Fest: "Lebendig saß ihm gegenüber Chojnicki, allem Anschein nach ein lebendiger Mensch, dessen Knie sogar manchmal an das Schienbein Herrn von Trottas stießen, und dennoch unheimlich. Der alte Trommelrevolver, den Herr von Trotta mitgenommen hatte, drückte in der rückwärtigen Hosentasche. Was sollte da ein Revolver! Man sah keine Bären und keine Wölfe an der Grenze! Man sah nur den Untergang der Welt!"

    Und so sind wir in der Folge als Leser in den Köpfen einiger Menschen dieser Zeit, selbst der des Kaisers Franz Joseph und alles atmet das wehmütige Gefühl des Zerfalls und der Sinnlosigkeit gepaart mit einem trockenen Galgenhumor, der immer zwischen den Zeilen mitschwingt.


    ### Fazit ###

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Über den Untergang der Monarchie. Trauriger, wehmütiger und gleichzeitig ironischer kann man diesen Teil der Geschichte wohl nicht erzählen.

    Der ideale Tag wird nie kommen. Der ideale Tag ist heute, wenn wir ihn dazu machen. -- Horaz


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