Helen Dunmore - Bruder Bruder Schwester Schwester

  • Originaltitel: Brother Brother Sister Sister


    Klappentext von Amazon kopiert:
    Geschwister hat sich Tanya schon gewünscht. Doch dass es dann gleich vier auf einen Schlag sind, das hätte nicht unbedingt sein müssen. Auch wenn die Eltern bei der Vierlings-Geburt gestrahlt haben. Seit Sam, John, Katie und Jodie aus dem Krankenhaus gekommen sind, schleppen sich die Eltern nur noch in Zeitlupe durch das Haus. Die Mutter ist übermüdet, der Vater ist hauptsächlich damit beschäftigt, schlechte Laune zu produzieren, denn seit die vier Schreihälse im Haus sind, hat er nicht nur seinen Job verloren, sondern auch die Waschmaschine hat den Geist aufgegeben und "an manchen Tagen riecht es im Haus wie im Zoo."
    Tapfer schreibt Tanya alles in ihrem Tagebuch auf. Rechnen lernt sie spielend, denn "4 Babys mal 6 Windeln macht 24 schmutzige Windeln am Tag. 24 mal 7 ist 168. 168 Windeln pro Woche! Wie viele Regenwälder macht das wohl im Jahr? Vier Babys im Haus ist ein gutes Mathe-Training für mich." Bei diesem Chaos entdeckt Tanya schnell die Vorzüge eines Tagebuchs, denn die Eltern sind so eingespannt, dass sie oft nicht mehr richtig zuhören.


    "Geschwister" ist ein Thema, das bei Helen Dunmore immer wieder auftaucht. In "Der Duft des Schnees" geht es um eine inzestuöse, in "Im ersten Licht des Tages" um eine rivalisierende Geschwisterbeziehung, und auch in "Die 1000 Tage der Anna Michailowna" ist die Bruder-Schwester-Beziehung sehr wichtig. Das Buch ist ein besonderer Beitrag zum Thema.


    Chaos pur. Wer erfahren hat, wie ein Baby den Alltag einer Familie umkrempelt, kann sich vorstellen, was vier auf einen Schlag schaffen. Ein Baby schläft mal zwischendurch, und man hat ein paar Stunden Ruhe, aber bei vieren gibts keine einzige Minute Stille.
    Nicht nur, dass die normale Baby-Versorgung viermal zu leisten ist; die Kleinen leiden obendrein alle an Koliken, schreien stundenlang Tag und Nacht (und zwar manchmal alle auf einmal) und müssen ständig getragen werden (je eins bei Vater und Mutter in Rückentrage und Känguruhtasche). Weil die Mutter nicht mehr arbeitet und der Vater seine Stelle verloren hat, muss die siebenköpfige Familie mit erheblich weniger Geld auskommen als früher zu dritt. Doch das steckt Tanya relativ locker weg. Mehr zu schaffen machen ihr die ständig schlechte Laune des Vaters und die dauernde Erschöpfung der Mutter, die einfach keine Kraft mehr haben, um ihrer 10jährigen Tochter auch noch gerecht zu werden. Tanya schwankt zwischen Verständnis und Wut, zwischen Kindsein-Wollen und Große-Schwester-sein-müssen.


    Mit Tanyas Stimme via Tagebuch schildert die Autorin, wie sich ganz langsam die Beziehung des Mädchens zu seinen kleinen Geschwistern aufbaut, wie sie lernt, mit ihnen umzugehen und sie zu lieben. Daneben hat Tanya noch ein zweites Leben als Schülerin der letzten Grundschulklasse, die sich gerade mit ihrer besten Freundin verkracht, und ein anderes Mädchen, Nathalie, als Freundin gewinnt. Diese zweite Freundin scheint auf den ersten Blick alles zu besitzen, woran es Tanya mangelt: Ein wunderschönes großes Zimmer, eine Mutter, die für sie allein da ist, und Geld im Überfluss. Dass der Gegensatz zwischen den beiden Mädchen nicht zu einem plakativen Klischee wird nach dem Motto "was ist schon Geld wie Heu gegen Geschwister", gehört zu den Stärken des Buches.


    Empfehlenswert für jedes Alter.


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)