Kerstin Duken - Jahrhundertsommer

  • Hallo,


    hier nun wie versprochen die abschließende Rezension; wobei abschließend in diesem Fall nicht ganz zutrifft, denn ich habe nur die Hälfte geschafft. Warum? Dazu in der Rezi mehr Informationen.



    Zur Autorin
    Kerstin Duken, geboren 1966, lebt und arbeitet als selbständige Werbetexterin in Berlin.
    Kerstin Duken wurde unter mehr als 1.600 Einsendungen für den Brigitte Romanpreis 2007 ausgewählt und von einer hochkarätigen Jury (u. a. Wladimir Kaminer, Juli Zeh, Birgit Vanderbeke) prämiert.



    Buchbeschreibung
    In jedem Leben gibt es drei Minuten, die man am liebsten ungeschehen machen möchte.


    Die richtige Stadt, der richtige Beruf, die richtigen Leute, die richtigen Labels - und schon ist das Leben das, woraus du einen Erfolg machst. Doch dann passiert etwas, das in deinem Plan nicht vorgesehen war.


    Iris hat alles im Griff. Bis sie überfallen wird. Eine Tat von ein paar Minuten. Eine Tat, die alles verändert. Während das Land einen Hitzerekord nach dem anderen feiert, versucht eine Frau mitten in Berlin, die Kälte in sich zu besiegen.
    Durch Zerstörung, durch Abwehr, durch Greifen nach dem, was bleibt, wenn man keinen Plan mehr hat.
    Ein verzweifelter Kampf, vom Opfer wieder zum Gestalter seines Lebens zu werden. Und die Erkenntnis, wie fragil unsere Idee von uns selbst und der Welt ist.


    Jahrhundertsommer ist ein beeindruckender Roman darüber, wie wenig es bedarf, um ein Leben vollkommen aus der Bahn zu werfen. Und ein psychologisch vielschichtiges Buch darüber, wie viel Willen und Kraft es braucht, sich von einem traumatischen Ereignis nicht für immer zerstören zu lassen.



    Meine Meinung
    Von der ersten Seite an habe ich gekämpft. In diesem Fall ist mir die Ich-Perspektive überhaupt nicht entgegengekommen. Ich konnte keine Sympathie entwickeln, die Protagonistin blieb unnahbar und eindimensional.


    Die Erzählsprache ist abstoßend, der Stil eigenwillig. Die Protagonistin ist unnahbar. Das Drumherum wird detailiert und ausgekostet, aber der Tathergang wird verschluckt und gar nicht zur Sprache gebracht, lediglich angedeutet, aber wer, was, warum, wie ? Der Leser darf sich Gedanken machen und bleibt im Unklaren. Denn außer ein wenig Blut wird nichts erwähnt. Man tappt im Dunkeln und kann einfach keine Gefühle aufbauen, kein Mitleid entwickeln, weil die Protagonistin nicht dreidimensional ist.
    Dann die Wortwahl und Sprache. Teilweise vulgär, ich mag das Wort mit F nicht schreiben! Aber der alles entscheidende Fehler, meiner Meinung nach, ist, dass Kerstin Duken zu viel autobiografische Details eingeblendet hat, ja fast überwiegend. Es ist natürlich schlimm, was da passiert ist und jeder geht da anders mit um, aber Kerstin Duken hat der Protagonistin einen Ablauf mit auf den Weg gegeben, der auf den Leser abstoßend wirkt, weil er sich in einem gewissen Milieu abspielt, es stets um Alkohol und Sex geht und dementsprechend karg ist das Leben und die Wortwahl der Protagonistin. Alles fokussiert sich darauf. Natürlich ist das so oder so ähnlich in Wirklichkeit passiert, natürlich ist das entsetzlich, das stelle ich keineswegs in Frage. Aber für einen Unterhaltungsroman und als solcher ist er veröffentlicht worden, ist die Erzählsprache und der Stil nicht passend, nicht hilfreich. Entweder hätte man daraus eine Autobiografie machen müssen oder einen Unterhaltungsroman der sich deutlich vom autobiografischen abhebt und einen einladenderen Inhalt hat. Es fällt schwer die Protagonistin zu mögen, sich in ihr Schicksal einzufinden, mit ihr zu fühlen. Es wird ja nichts davon berichtet. Man hat keine Vorstellung und bekommt dafür ihren sozialen Abstieg in einer so intensiven Art vorgekaut, dass es einen fast anwidert. Es nimmt kein Ende. Als auch nach der Hälfte die Protagonistin für mich eine Fremde blieb, zu der ich null Gefühle und Sympathie aufbauen konnte, habe ich das Buch endlich aus der Hand gelegt und akzeptiert, dass sie unnahbar war - ist und bleibt.


    Ich weiß nicht, ob nur ich so empfinde, das wird sich herausstellen, denn auch andere werden das Buch lesen. Vielleicht ist meine generelle Abneigung gegen Alkohol, Drogen und sexuelle Exzesse für diedes Urteil verantwortlich. Ich mag solche Menschen eben einfach nicht, egal, worin ihr Schicksal liegt, egal wie prägend das war. Ich verurteile das nicht, erstrecht nicht, wenn dem eine Gewalttat oder ähnliches zugrunde liegt, aber ich mag sowas und solche Menschen nicht. Und deshalb blieb mir der Inhalt vielleicht auch verborgen. Vielleicht fühlte ich mich deshalb außenstehend und fröstelnd. Keine Ahnung.


    Und genau deshalb will ich hier keine Sterne abgeben oder sagen es ist schlecht oder unlesbar. Ich habe nur begründet, was ich denke und fühle, wie meine Meinung ist. Jeder muss sich immer eine eigene bilden und bei diesem hier ist es glaube ich, um so wichtiger!


    Also. Nicht zu sehr beeinflussen lassen. Der Stil ist ungewöhnlich und die Sprache nicht gerade sehr willkommen, aber der Rest, ist vielleicht Ansichtssache und wird von jedem anders empfunden und interpretiert.


    Ich würde mich über andere Meinungen freuen! Wie gesagt - das war meine ganz persönliche Meinung und Empfindung.


    Liebe Grüße, Tanni
    P.S. Ich werde es sicherlich nochmal zur Hand nehmen und peu à peu den Rest lesen. Aber das wird dauern, so unlesbar wie das Buch für mich ist. Da kann ich immer nur ein paar Seiten lesen und will dann wieder lange Abstand nehmen. Ich wollte euch nur nicht so lange warten lassen.

    Liebe Grüße von Tanni

    "Nur noch ein einziges Kapitel" (Tanni um 2 Uhr nachts)


    Einmal editiert, zuletzt von Tanni ()

  • Ciao Tanni! Danke für Deine ausführliche, interessante Vorstellung. Ich habe aber eine Frage zu folgender Aussage von Dir:


    Zitat

    Original von Tanni
    Aber für einen Unterhaltungsroman und als solcher ist er veröffentlicht worden, ist die Erzählsprache und der Stil nicht passend, nicht hilfreich. Entweder hätte man daraus eine Autobiografie machen müssen oder einen Unterhaltungsroman der sich deutlich vom autobiografischen abhebt und einen einladenderen Inhalt hat.


    Was meinst Du damit, das Buch sei als Unterhaltungroman veröffentlicht worden? Wird es denn im Klappentext so angepriesen? Unter Unterhaltungsroman würde ich zunächst mal einen leichten, mitunter durchaus intelligenten Roman bezeichnen, der wirklich nichts weiter will als unterhalten. Aber es gibt doch ebenso Romane mit einem ernsten, verstörenden Inhalt, die nicht auf bloße Unterhaltung aus sind. Und ob die Geschichte nun autobiographisch oder rein fiktiv ist, macht das für Dich so einen Unterschied in der Wirkung?


    Gruß mofre

    :study: Willa Cather - Meine Antonia

    :study: Wolfgang Herrndorf - Tschick

    :study: Reiner Stach - Kafka. Die Jahre der Entscheidungen

    :study: James Wood - Die Kunst des Erzählens















  • Hallo Mofre!


    Zitat

    Original von mofre
    Was meinst Du damit, das Buch sei als Unterhaltungroman veröffentlicht worden? Wird es denn im Klappentext so angepriesen? Unter Unterhaltungsroman würde ich zunächst mal einen leichten, mitunter durchaus intelligenten Roman bezeichnen, der wirklich nichts weiter will als unterhalten. Aber es gibt doch ebenso Romane mit einem ernsten, verstörenden Inhalt, die nicht auf bloße Unterhaltung aus sind. Und ob die Geschichte nun autobiographisch oder rein fiktiv ist, macht das für Dich so einen Unterschied in der Wirkung?


    Es ist ein Roman. So steht es auch auf dem Cover. Der Titel "Jahrhundertsommer", kann alles bedeuten. Keine Differenzierung. Der Rückentext besteht einfach nur aus der Wiedergabe der ersten Seite. Was ich euch gepostet habe, steht im Inlet! Hätte ich euch das gepostet, was man von einem eingeschweißten Buch lesen kann, hättet ihr den Inhalt der ersten Seite bekommen. Es zielt also alles auf den Hinweis Unterhaltungsroman ab. Das ist für mich irreführend und schlecht gemacht.


    Etwas Autobiografisches lese ich mit ganz anderen Augen als einen normalen Roman und die Wirkung ist natürlich selbstverständlich anders auf mich, weil ja ein wahres Schicksal dahinter steht, eine Tatsache, die so und nicht anders passiert ist. Bei einem einfachen Roman spielen die fiktiven Elemente die Hauptrolle, die natürlich gespickt sein können mit autobiografischen Zügen. Wenn du dieses Buch liest und dir Infos zu Kerstin Duken holst, die man so googeln kann oder in Magazinen liest, etc., dann weiß man, dass der "Roman", den man da in Händen hat, autobiografisch in höchstem Maße ist. Dann noch die Ich-Form. Und die ungeschminkte Realität des Abstiegs, aber das Verweigern der Infos zum Überfall (jedenfalls an der Stelle, an der er erwähnt wird), macht das ganze schwer verdaulich, weil es einfach nicht zusammenpasst "für mich". Wenn ich so offen erzähle und nur so wenige Elemente fiktiv gestalte und überwiegend autobiografisch bin, dann doch lieber direkt in einer Autobiografie. Warum das ganze in einen Roman packen und so schlecht mischen, dass alles offensichtlich ist und man nicht mehr an die fiktive Protagonistin glauben kann? MICH stört das gewaltig, weil ich es dem Leser gegenüber unehrlich finde. Wenn jemand über sein Schicksal schreiben will und so offen ist, wie in diesem Buch, dann sofort als AB und nicht als Roman. Und wenn als Roman, dann doch bitte ansprechend verpackt und zwar überwiegend fiktiv.


    ABER und ich wiederhole mich. Nur meine Meinung. ;) Aber ich denke, dass ich dir jetzt meine Empfinden verdeutlicht habe.


    Liebe Grüße, Tanni

    Liebe Grüße von Tanni

    "Nur noch ein einziges Kapitel" (Tanni um 2 Uhr nachts)


  • Hallo zusammen,
    mir ist es auch sehr wichtig, dass es von Anfang an klar ist,
    um welche Art der Erzählung sich bei einem Buch, handelt.
    Denn eine biographische Geschichte sehe ich und erlebe auf jeden Fall anders als eine fiktive.
    Auch die Erwartungen an das Buch sind dabei unterschiedlich. Ein Unterhaltungs-
    roman soll mich tatsächlich unterhalten, ;)
    was ich von eine Biographie nicht unbedingt erwarte. Bei so einem Buch gehe ich eher davon aus, dass es durchaus möglich ist, dass die Person mir unsympatisch sein könnte, oder die Geschehnisse und Handlungen für mich nicht nachzuvollziehen sind, aber ich erwarte keine Unterhaltung, sondern ein persönliches Bericht. Somit sind auch meine Ansprüche, was die literarische Qualität betrifft, geringer.
    LG

    2024: Bücher: 73/Seiten: 32 187

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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