Teil 1: Anfang bis Seite 91

  • Okay, nachdem wir jetzt geklärt haben, wer das Buch warum mag oder nicht :wink: , lenke ich jetzt mal die Aufmerksamkeit zurück auf den Inhalt - oder versuche es zumindest. :mrgreen:


    Ich denke, dass Pandämonium mit ihrer Anmerkung, dass Bernhard eventuell hochbegabt sein könnte, wahrscheinlich richtig liegt, anders ist sein Durchkommen in der Schule nicht wirklich zu erklären. Hochbegabte Kinder haben es da ja wirklich immer schwer, weil sie besondere Förderung brauchen.
    Bernhards Abneigung gegen die Schule ist aber darüber hinaus auch in der Einstellung seines geliebten Großvaters der Schule gegenüber begründet. Es zählt ja nichts außer der Versetzung und mal ehrlich, viele Kinder würden dankbar jede Entschuldigung eines Erwachsenen annehmen, wenn sie dann nicht zur Schule müssten sondern ihren Tag so verbringen könnten, wie sie wollten.
    Was mich nur wundert, ist, dass Bildung so eine geringe Rolle spielt - oder geht es da nur um Schulbildung? Denn eigentlich würde Bildung ja ein Herauskommen aus dem "Drecksnest" bedeuten, als welches er die Kleinstadt beschreibt... zumindest wäre dies dann wahrscheinlicher. :-k

  • Ich kann zur Zeit gar nicht sagen, ob ich es mag oder nicht. Es wechselt immer mal wieder.
    Fest steht, trotz der etwas eigenwilligen Schreibweise (keine Kapitel, keine Absätze, keine wörtliche Rede) liest es sich wirklich flüssig.


    Ich bin jetzt mit dem ersten Teil durch und habe irgendwie das Gefühl, dass ich euch ziemlich hinterher hinke.


    Aber nun wieder zum Inhalt: :wink:


    Gerade auf den letzten Seiten, des ersten Teils hatte ich das Gefühl, dass er eigentlich eine wirklich glückliche Kindheit verbrachte. Die Beschreibung des Hippinghofs und die Bräuhaushöhe klingt für mich auf jeden Fall sehr danach. So ganz kann ich sein pessimistisches Weltbild nicht nachvollziehen.
    Es fällt allerdings schon auf, dass er vom Tod, von Friedhöfen und von Beerdigungen angezogen wird und häufig davon schreibt.


    Der Großvater ist teils ein Widerspruch in seinen Ansichten. Einerseits verurteilt und verabscheut er Menschen, die alles wußten oder wissen wollten, anderseits lehrt er seinem Enkel, dass es wichtig ist, zu wissen.
    Dennoch glaube ich trotz Widersprüche und seltsamer Ansichten bzw. zweifelhafter Erziehungsmethoden, ist er wichtig für seinen Enkel.


    Im Großen und Ganzen habe ich bisher den Eindruck, dass einfach etwas übertrieben wird, mit der Art, wie der Erzähler sich selbst sieht.
    "Du bist Nichts, du hast mein Leben zerstört" ect., denn wir kennen ja nur seine Sicht der Dinge. Mag sein, dass seine Mutter solche Dinge gesagt hat, aber ich habe irgendwie das Gefühl, er suhlt sich darin, übertreibt es.


    Mal sehen, wie es im zweiten Teil weitergeht.

    Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt.
    (Jorge Luis Borges)

  • Zitat

    Original von FallenAngel
    mofre:
    Mir ist bewusst, dass es nicht einfach ist, als uneheliches Kind in so eine Zeit geboren worden zu sein, aber für mich hat es nichts mit Würde zu tun, das Fahrrad des Vormunds zu stehlen und irgendwohin zu fahren! =;
    Und da er sich der Wirkung seiner Taten bewusst ist (gibt er ja auch zu), ist es meiner Ansicht nach nochmal viel schlimmer!


    Er ist sich meiner Meinung nach allerdings nicht von Beginn an seiner Taten bewusst. Er ist schließlich noch ein Kind. Er hielt es für eine tolle Idee mit dem Fahrrad seine Tante zu besuchen und die Konsequenzen sind ihm erst hinterher bewusst geworden. Und ich würde es auch nicht direkt als stehlen bezeichnen, dass er das Fahrrad genommen hat.
    Ich denke jeder hat als Kind schon mal etwas getan, was er für eine tolle Idee hielt, bis dann die Realität zuschlug. So ist das eben, Kinder machen sich nicht in dem Maße über die Konsequenzen ihres Handels Gedanken, wie Erwachsenen das tun.

    Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt.
    (Jorge Luis Borges)

  • Ich sehe die Sache mit dem Fahrrad genau so wie Pandämonium. Das ist doch ein typischer Kinderunsinn, wie wir ihn so ähnlich alle mal verzapft haben. Der Junge war schließlich erst acht und glaubte, etwas ganz Großartiges zu tun. Bernhard hat diese Episode aber wohl nicht umsonst an den Beginn seiner Erzählung gestellt: Sie ist in all ihrer Kinderharmlosigkeit für ihn eine Metapher des Scheiterns, und als ein ständig Scheiternder hat er sich sein Leben lang empfunden.


    @FallenAngel, was ich mit „Würde bewahren“ meine, ist folgendes: Unter den von Bernhard beschriebenen Umständen gibt es ja auch viele Kinder, die dem Leidensdruck nachgeben, sich anpassen, Duckmäuser und Leisetreter werden, um mal diese treffenden altmodischen Bezeichnungen zu verwenden. Sie werden zu Menschen ohne Selbstbewusstsein und Mut, immer beflissen, es allem Recht zu machen, immer den Weg des geringsten Widerstands gehend. Wenn Du Dich als Kind gegen diese Verbiegung Deiner Persönlichkeit auflehnst, geht das nur instinktiv, über Rebellion und Verweigerung, Du hast in dem Alter noch keine Möglichkeit der rationalen Bewältigung Deiner Probleme.


    Pandämonium, ich weiß nicht, wie weit Du mit dem Buch bist. Im zweiten Teil wird ziemlich deutlich, wie komplexbeladen und verängstigt das Kind ist. Sicher gab es für Bernhard auch schöne Momente, aber er hat sie wahrscheinlich deswegen nicht ausführlicher beschrieben, um nicht die Aussage seines Buches abzuschwächen, dass seine Kindheit nämlich im Wesentlichen unglücklich war.


    Strandläuferin, Bildung spielt schon eine Rolle. Die hat ihm allerdings nicht die Schule vermittelt, sondern der Großvater, der in dieser Hinsicht wirklich ein guter Erzieher war, denn er hat das Interesse und die Neugier des Kindes auf viele verschiedene Wissensgebiete gelenkt. Damit hat er ihm nicht nur die glücklichsten Stunden seiner Kindheit bereitet, Bernhard hat auch immer betont, wie wichtig die Lehren seines Großvaters für sein weiteres Leben waren.

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • So. Jetzt melde ih mih auch mal zu Wort. Ich habe in der lezten Woche einfach keine Zeit gehabt, mal wieder bei büchertreff vorbeizuschauen. :-?
    Ich bin jetzt, glaube ich, auf Seite 80. Eine richtige Meinung habe ich nicht. Den Stil von Thomas Bernhard kenne ich aus "Der Untergeher", das ich damals gut fand. An den Untergeher kommt "Ein Kind" jedenfalls nicht ran. Es geht mir wie Fallen Angel; ich kann keine richtige Beziehung zu dem Kind Thomas Bernhard aufbauen. Es stimmt schon, dass es ein schweres Schicksal ist, in dieser Zeit als uneheliches Kind geboren zu werden aber irgndwie kommen mit die Äußerunhen Bernhards manchmal zu "mitleidsheischend" vor. Wie Pandämonium:


    Zitat

    Original von Pandämonium
    "Du bist Nichts, du hast mein Leben zerstört" ect., denn wir kennen ja nur seine Sicht der Dinge. Mag sein, dass seine Mutter solche Dinge gesagt hat, aber ich habe irgendwie das Gefühl, er suhlt sich darin, übertreibt es.


    Den Großvater finde ich aber ziemlich interessant. Natürlich ist strittig, inwiefern es für ein Kind förderlich ist, anarchistische Werte weiterzugeben. Aber als Person an sich ist der Großvater für mich die interessanteste Person des Buches.


    Ich werde das Buch jedenfalls zu Ende lesen; einige von euch haben ja angedeutet, dass sich manche Dinge noch ändern werden. Mal sehen.

    Ich :study:
    J.M.Coetzee - Das Leben der Tiere
    Erzählungen von Franz Kafka
    Gedichte von Allen Ginsberg und Cummings

  • Ich habe in den letzten Tagen auch endlich die Gelegenheit gehabt, mit dem Buch zu beginnen. Es ist mein zweites Buch von Thomas Bernhard, welches ich lese - wir haben damald den "Heldenplatz" in der Schule gelesen, aber außer der Erinnerung, dass mir das Buch und die Erzählweise von Thomas Bernhard sehr gut gefallen hat, weiß ich nichts mehr (also Angaben zum Inhalt oder ähnliches ...).


    Dieses Buch gefällt mir bis zum jetzigen Zeitpunkt sehr gut; mich fasziniert eher die Art & Weise des Erzählens, als der Inhalt - mit dem Kind bin ich bis jetzt noch nicht warm geworden, irgendwie kann ich ihn nicht in mein Herz schließen. Bin sehr gespannt wie es weitergeht.


    LG,
    Casoubon.