"Die geschützten Männer" von Robert Merle
Ach ich liebe diesen Roman. Ein echtes Kleinod. Zum ersten Mal habe ich ihn schon als zarter Teenager gelesen. Meine Oma lies mich damals eines Abends ein Buch aus ihrem Regal aussuchen. Als sie dann später sah, dass ich "Die geschützten Männer" gewählt hatte, meinte sie das sei ja wohl noch nichts für mich. Aber ich rückte es nicht mehr heraus
Worum geht es? Der us-amerikanische Wissenschaftler Dr. Martinelli entdeckt den hochansteckenden Virus "Enzephalitis 16", der mit erschreckender Geschwindigkeit immer mehr Menschen ins Koma fallen und sterben lässt. Wichtiges Detail: der todbringende Virus befällt nur geschlechtsreife Männer. Frauen, Kinder und alte Männer bleiben dagegen verschont.
In den USA kommt es durch die Epidemie zu beispiellosen gesellschaftlichen Umwälzungen: da die Männer wie die Fliegen sterben, müssen die Frauen ihre Aufgaben in Politik und Wirtschaft übernehmen. Als der Präsident stirbt, gelangt Sarah Bedford an die Macht, eine Frau, die von Männern absolut nichts hält und ihre Position nutzt, um deren Rechte rigeros zu beschneiden und ein diktatorisches Matriarchat zu errichten. Die ohnehin von der Krankheit gebeutelte Männerschaft wird quasi zum Freiwild, nur noch Männer, die sich kastrieren lassen (und dadurch immun gegen den Virus sind) werden geduldet, stehen aber in der sozialen Rangfolge weit unter den Frauen.
Dr. Martinelli ist einer der wenigen "intakten" Männer, die toleriert werden. Der Grund dafür ist einfach: er soll für die einflussreiche Pharmaproduzentin Helsingforth einen Impfstoff gegen Enzephalitis 16 entwickeln. Dafür bietet sie ihm Schutz an, in einem isolierten Lager zusammen mit anderen Wissenschaftlern und deren Familien. Allerdings bekommt er selbst dort den zunehmenden Männerhass zu spüren und wird von den ledigen Frauen und Kastraten wie ein minderwertiges Individuum behandelt, das nur durch seinen Fortpflanzungstrieb gesteuert ist. Jedes seine Worte und Gesten wird als sexuelle Anzüglichkeit gewertet und entsprechen geahndet. Als Dr. Martinelli von den Zuständen "draussen" erfährt, droht er zu verzweifeln, doch überraschend nimmt eine Widerstandsgruppe Kontakt zu ihm auf..
Das schöne an diesem Buch ist meiner Meinung nach die wunderbare Erzählweise Robert Merles. Sehr unterhaltsam, ironisch, mit vielen Untertönen und eingängigen Wortbildern. Zu witzig ist es, wenn er z.B. seinen Hauptakteur, der eigentlich ein ziemlicher Frauenheld und Macho ist, zum scheuen Reh mutieren lässt, das Angst vor der Anmache einer Gruppe rüder BauarbeiterINNEN haben muss. Die Geschlechterrollen werden auf den Kopf gestellt und parodiert. Obwohl natürlich stark überzeichnet, lässt dieses Bild erahnen, wie es wohl heute Frauen in einer Männerwelt geht, wo sie hauptsächlich durch ihr Aussehen definiert und ansonsten als unwissende Blondchen belächelt werden. Nicht zuletzt geht es in dem Buch aber auch um die Kraft der Liebe, die letztlich die stärksten gesellschaftlichen Schranken überwindet. Das alles beschreibt Merle mit einem Augenzwinkern und einem Hauch Erotik.