"Die Lichtung" von Jean Hegland
Der Roman "Die Lichtung" wird aus Sicht des siebzehnjährigen Mädchens Nell erzählt, die ihre Erlebnisse und Erinnerungen in einer Art Tagebuch niederschreibt. Dafür benutzt sie ihren wertvollsten Besitz: ein paar unbeschriebene Seiten Papier, das Weihnachtsgeschenk ihrer fast gleichalten Schwester Eva. Beide leben allein im Haus ihrer verstorbenen Eltern am Rande eines Waldes.
Alles, was sie besitzen, ist knapp und wird immer knapper: Lebensmittel, Getränke, Medizin.. es gibt keinen Strom mehr und kaum Benzin. Dadurch sind die Mädchen von ihren Mitmenschen weitgehend abgeschnitten, was aber letztlich ein Segen ist, denn draussen herrschen allem Anschein nach Krieg, Hungersnöte und Seuchen. Es scheint, als ginge die Zivilisation, wie wir sie kennen, ihrem Ende zu.
Die genauen Ursachen des Niedergangs der Menschheit werden nicht beschrieben. In erster Linie geht es in diesem utopischen Roman um die beiden Mädchen, ihre Beziehung zueinander und wie sie die schwierige Situation meistern.
Die Schwestern machen einen Entwicklungsprozess durch, der über verschiedene Stationen führt. Zuerst ignorieren und verharmlosen sie, wie andere Menschen auch, die schleichende Verschlechterung der Lebensumstände. Als alles zusammenbricht, sammeln sie Vorräte, leben sehr sparsam und warten hoffnungsvoll darauf, dass irgendwann alles wieder so wird wie früher. Nell lernt für ihr Studium, Eva vergräbt sich völlig in ihren Tanzübungen. Schliesslich begreifen sie aber, dass es kein Zurück mehr gibt und lernen, im Einklang mit der Natur zu leben, anstatt von den Resten der Zivilisation. Sie schauen wieder nach vorn und gehen einen völlig neuen (bzw. sehr alten) Weg.
Wie später auch in ihrem Roman "Der Sommer, als Lucy vier war" beschreibt die Autorin schon in ihrem Erstlingswerk "Die Lichtung" sehr einfühlsam und nuancenreich das Seelenleben ihrer Protagonisten und ihre Gefühle füreinander. Es geht in ihren Büchern um den Tod, um sehr schwierige Lebensumstände und Scheidewege, an denen die Menschen stehen. Immer aber gibt es letztlich auch einen Hoffnungsschimmer, einen Ausweg, einen Sinn im Leben. Bei all dem ist ihr Schreibstil angenehm zu lesen und mitreissend. Sehr empfehlenswert!