Damals... Seite 101 - 200

  • Hallo zusammen,
    habe nun auch die zweite Einteilung bis Seite 200 gelesen.
    Die Familienstory plätschert so vor sich hin.
    Rebecca vermischt Gedankenspiel mit Realität und ruft doch tatsächlich ihre frühere Jugendliebe Will an. Schon allein über diese Tatsache kann ich nur den Kopf schütteln. Wie unsicher und man verzeihe mir verrückt muß man sein, sich diese Peinlichkeit anzutun. Sie hat ihn damals vor vollendete Tatsachen gestellt und ohne Erklärung verlassen. Nicht gerade die feine Art und nun ruft sie an um einfach mal hallo zu sagen. Wenn man sich irgendwann mal per Zufall über den Weg läuft, ist das eine Sache, aber so finde ich es lächerlich. Und zur Krönung fordert sie ein Treffen, das dann auch prompt in die Hosen geht. So was nennt man Tagträumer. Sie wundert sich wie alt er geworden ist und versucht an der Vergangenheit anzuknüpfen.
    Er muß sehr einsam sein - eine Woche lang das gleiche Essen, sein Tagesablauf ohne Höhen und erkennbare Emotionen. Mehrere Telefongespräche bis sie ihn zu sich einlädt. Ist ihr bewußt was sie da tut? Will sie alte Wunden aufreißen, um letztendlich zu merken, dass sie auf dem falschen Gleis läuft und ihn erneut sitzen lassen? Mich fröstelt.
    Rebecca hat zwei Gesichter - die routinierte Geschäftsfrau, liebevolle Mutter und Großmutter - und der immer noch pubertierende, unreife Teenager.
    Das wäre ein interessantes Thema, wenn Anne Tyler nicht so entsetzlich an der Oberfläche bleiben würde. Bei einer 53 jährigen erwarte ich mehr Tiefgang. Rebecca ist aber nur eines - widersprüchlich.
    Auf Seite 173/174 glaube ich dann nicht recht zu sehen.
    Rebecca denkt über eine Babywillkommenparty für Min Foo´s Sohn nach und schildert eine Begegnung auf dem Flughafen. Zwei Familien, die zwei Mädchen aus Korea adoptiert haben und diese nun feierlich abholen.
    Genau diese Story ist der Beginn von Anne Tylers neustem Buch "Tag der Ankunft". Sie muß wohl schon sehr lange mit dieser Idee schwanger gewesen sein. Schade, dass dann so wenig dabei herausgekommen ist.
    So nun warte ich auf eure Eindrücke. :wink:
    Gruß Wirbelwind


    :study: Anne Tyler, Damals als wir erwachsen waren

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Ich habe S. 193 beendet - und damit Kapitel 6. Anscheinend ist dies auch der Punkt, an dem Wirbelwind angelangt ist.


    Ähnlich wie Wirbelwind fand ich Rebeccas Handlungsweise gegenüber Will seltsam und befremdlich. Nach einigem Nachdenken fand ich sie aber sehr mutig. Ich bin zwar erst 30 Jahre alt, aber es gab schon einige Situationen, in denen ich froh war, dass jemand nach Jahren (einem Jahrzehnt) die Initiative ergriffen hat, den Kontakt wieder herzustellen. Seitdem habe ich großen Respekt vor allen, die diesen Schritt wagen.


    Rebeccas Erwartungen an das Treffen sind allerdings eher unrealistisch und damit zum Scheitern verurteilt. Im echten Leben (das sie als falsches wahrnimmt), hat sie Würde, Energie und Verstand. Beim Treffen mit Will (und in ihren Träumen) verwandelt sie sich aber in einen schüchternen, unsicheren und zerissenen Teenager - wie auch Wirbelwind das sieht. Im 5. (oder 6.?) Kapitel lacht sie selbst über sich und ihre Erwartung. Sie erkennt, dass es nicht sehr schlau war, als ersten Schritt zu sich selbst, einen Mann heranzuziehen (und damit wie ein Mädchen der 50er Jahre zu handeln). Das fand ich sehr sympathisch.
    Ihre Idee, stattdessen 2 ernste Bücher pro Woche zu lesen und Sport zu machen, sind ebenfalls wieder überzogen, aber nicht undenkbar. Kennt man das nicht von sich selbst?! ;)


    Ich kann die Suche nach sich selbst gut nachvollziehen - das Blindsein gegen das gute im eigenen Leben, die verblendete Sehnsucht nach dem "Was wäre gewesen, wenn..." und lese den Roman gerne. Er hält sicher noch einiges parat (hoffentlich ein Happy End für Zeb & Rebecca).
    Allerdings finde ich auch, dass einiges oberflächlich bleibt. Das besondere Etwas von "Dinner im Heimweh-Restaurant" und "Im Krieg und in der Liebe" fehlt mir.


    Aber als Geschichte doch gut zu lesen.


    Nun noch zu Will:
    Er ist wirklich sehr einsam, aber auch ein schwieriger Mensch. Die eintönige Ernährung, seine Unfähigkeit die Beweggründe seiner Tochter nachvollziehen zu können, das "Verstecken" am College - alles das sind für mich Anzeichen dafür, dass er mit seinem Leben nicht zufrieden ist. Aber ich habe den Eindruck, als wolle er das so. Nach der Devise: "So war es immer, so soll es bleiben."
    Ich habe den Eindruck, als passten beide nicht besonders gut zueinander. Bloß, dass Rebecca das (noch?) nicht wahrnimmt.

    She wanted to talk, but there seemed to be an embargo on every subject.
    - Jane Austen "Pride and prejudice" - +

  • Ich bin gerade auf Seite 202. Mal sehen wieviel ich heute Abend noch schaffe.
    Fezzig,
    du findest Rebeccas Handlung mutig - hm so kann man es auch sehen, aber in diesem Falle kommt es mir eher unverantwortlich vor.
    Ihre Idee zwei Bücher zu lesen und Sport zu machen - ein Lippenbekenntnis, doch im innersten weiß sie das selber. Ging wohl jedem mal so oder?! :loool: Beziehe mich da auf den Sport. :lol:
    Ein Happy End mit Zeb - an die Variante habe ich bisher noch nicht gedacht, alles möglich.
    Will und Rebecca als Paar - ich denke auch auf Dauer wäre das nicht gut gegangen.
    Überhaupt als Frau an Wills Seite kein Zuckerschlecken - zu unbeweglich und langweilig. Bin mal gespannt wann Rebecca merkt, dass Joe für sie fast so ne Art Rettung war.
    Gruß Wirbelwind

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Ich finde ihre Entscheidung, mit Will Kontakt aufzunehmen, auch mutig. Es ist für mich ein Zeichen, dass sie diese Phase ihres Lebens (Studienzeit, Beziehung mit Will) für sich nicht abgeschlossen hat. Hat sie damals unüberlegt gehandelt? War sie zu kurzentschlossen? Jedenfalls hat sie das Bedürfnis, diese Phase einem Ende, einem Abschluss zuzuführen (wie auch immer dieses Ende aussehen mag, so weit bin ich noch nicht).


    Die Schilderungen rund um NoNos Hochzeit fand ich auch etwas übertrieben und langatmig, mal sehen, wie es weitergeht.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Rebeccas Entscheidung Will anzurufen, konnte ich so gar nicht nachvollziehen. Ich kann mich da nur Wirbelwinds Meinung anschließen, auf einer Seite organisiert sie, schmeißt den Alltag für die Großfamilie und managed Parties für ihre Kunden, andererseits benimmt sie sich wie ein Teenager. Für mich kann ich diese ganzen Was-wäre-wenn-Gedanken von ihr nicht so recht verstehen. Mir ist so etwas noch nie in den Sinn gekommen und in meinem Lebenslauf ging es auch nicht nur nach Wunsch. Aber muss man nicht ausjeder Lebenssituation versuchen, das Beste zu machen, statt irgendwelchen Gedanken nachzuhängen, die ja letztlich zu nichts führen.


    Und dann dieses ständige Auflegen des Telefonhörers, wenn Will anruft. Sie hat doch die Situation selbst heraufbeschworen. :roll: Naja, am Ende des Kapitel kommt es dann ja doch noch zu einer Verabredung. Ob aus den beiden noch etwas wird?? Ich hatte eher das Gefühl, dass sich zwischen ihr und Zeb etwas anbahnt.


    Ich bin aber immer wieder erstaunt, woher Anne Tyler die Vielzahl an skurrilen Typen und chaotischen Familien zaubert.

  • Na das finde ich jetzt sehr lustig. Du bist die zweite, die eine Anbahnung mit Zeb sieht oder zumindest hofft. Ich gestehe mich mußte man draufstoßen. Ihr vertrautes Verhältnis habe ich registriert und es nur für Freundschaft gehalten.
    Inzwischen habe ich das Buch fertig gelesen und brauch deshalb nicht mehr zu spekulieren, aber verraten wird noch nichts. Lest selbst. :wink:
    Eines muß ich unbedingt noch loswerden.
    Die leibliche Mutter der "Mädchen" Tina erscheint auf NoNos Hochzeit, läßt sich von Rebecca verwöhnen, geht mit den Töchtern essen. Rebecca bleibt zumindest äußerlich gelassen, obwohl sie das locker, leichte Verhältnis schmerzt. Sie liebt ihre Stieftöchter wie eigene Kinder. Ich denke mal, dass ich nicht so cool wäre - meine Toleranz hat Grenzen. Natürlich haben beide Seiten ein Recht auf Kontakt, aber ich würde mich distanzieren. Rebecca machte die Arbeit und Tina spielt die Dame, brr.
    Gruß Wirbelwind

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Ich habe ganz und gar nicht das Gefühl, dass sich etwas zwischen Rebecca und Zeb anbahnt. Oder vielleicht habe ich auch irgendetwas überlesen, zumindest erscheint mir der Altersunterschied der Beiden doch etwas zu groß. Was ja weiß Gott kein Hindernis ist, ganz und gar nicht, aber ich kann es mir trotzdem einfach nicht vorstellen. Stattdessen hoffe ich irgendwie das es doch noch mit Will klappt, obwohl mir mein Gefühl etwas anderes sagt.


    Das sie ständig den Hörer auflegt, Will aber trotzdem immer wieder den Kontakt mit ihr sucht und dann scheinbar das vorherige Telefonat so vergessen scheint, wundert mich auch. Auch das sie außen immer so gelassen ist, innerlich aber doch etwas tobt - ich könnte das ganz ehrlich gesagt nicht.


    Eine meiner liebsten Stelle befindet sich auf Seite 183:
    "Offenbar tragen Kinder, die mich Nachtlicht im Zimmer aufgewachsen sind, Sehschäden davon. Man vermutet, dass ihre Augen sich nicht richtig ausruhen können."
    "Vielleicht haben Kinder schon von Anfang an nicht gut sehen können" sagte Rebecca, "und es gibt irgendeine biologische Verbindung zwischen Angst vor der Dunkelheit und schwachsem Sehvermögen. Schon mal daran gedacht?"
    "Hmm."
    "Vielleicht haben sie Angst vor der Dunkelheit, gerade weil sie schlecht sehen. Wenn der Stuhl zum Beispiel wie ein Monster aussieht."

    Das hat mir irgendwie richtig gut gefallen...


    Überhaupt finde das Buch sehr gut, bin froh bei dieser Leserunde dabei zu sein. :)

  • Zwischen Rebecca und Zeb ist eine ganz große Vertrautheit, fast schon Intimität. Sie sorgt sich um ihn, er fragt sie um Rat und im Krankenhaus bei Poppy spürte ich so eine Spannung zwischen beiden. Vielleicht legt Anne Tyler das auch nur als falsche Fährte, damit es zu der Beziehung zu Will noch eine Alternative gibt.


    Tina ist wirklich eine ganz "Besondere". :loool: An Rebeccas Stelle hätte ich sie auch nicht so bedient. Höflich hätte ich darauf aufmerksam gemacht, dass diese Aufgabe ja wohl eher ihren Töchtern zukommt.


    Ich finde es auch recht eigenwillig, sich halbherzig vorzunehmen monatlich zwei anspruchsvolle Bücher zu lesen und zu joggen. Das wird nicht ausreichen, um ihr Leben umzukrempeln.

  • Mittlerweile bin ich auch mit diesem Teil fertig und quäle mich ein bisschen durch das Buch, Begeisterung mag so gar nicht aufkommen..... es ist für mich so "amerikanisch". Große Familie, in der es drunter und drüber geht, es wird geschieden und geheiratet, keiner und jeder ist verantwortlich und zuständig und "Miss Ellie", in diesem Fall Rebecca, hält alles zusammen. Aber es dümpelt für mich schon alles sehr, sehr oberflächlich dahin.


    Da es mein erstes Buch von Tyler ist hätte ich da eine Frage an die Mitleserinnen: Sind alle Bücher von ihr so?


    Dass sich zwischen Rebecca und Zeb was anbahnt, darauf wäre ich nicht gekommen .... 8) . Ja, sie sind sich sympathisch und Zeb ist recht feinfühlig, aber gleich ... naja, wir werden sehen.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


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  • Rosalita


    Anne Tylers Bücher (ich habe "Im Krieg und in der Liebe" und "Fast ein Heiliger" gelesen) sind schon amerikanisch geprägt. Aber auch für mich ist dieses Buch anders als die beiden von mir bereits gelesenen. Bei denen waren die Protagonisten ganz normale Typen, die jeder irgendwie in der Nachbarschaft wohnen hat. Das empfinde ich bei diesem Buch nicht so. Es herrscht schon ein recht großes Familienchaos und Heirat und Scheidung wechseln sich ab wie Jahreszeiten. Mich hatte auch immer beeindruckt, wie Anne Tyler die Normalität so gut in einen Roman verpacken konnte, ohne Langeweile aufkommen zu lassen. Dieses Buch hat für mich auch deutliche Längen.


    Rebecca und Will wäre mir eine zu einfache Lösung des Romanes. Gefühlsmäßig hatte sie sich ja schon einmal gegen ihn entschieden, ihr jetziger Anruf bei ihm entstand ja nicht aus noch lodernder Liebe, sondern war eher eine Kopfentscheidung.

  • Danke, @Karthause, für die Info.
    Ich habe noch "Im Krieg und in der Liebe" auf meinem SUB, zu schade, wäre es vom selben Modell.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


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  • @ Rosalita
    "Damals als wir erwachsen waren" ist der denkbar schlechteste Einstieg um Anne Tyler kennenzulernen. Er ähnelt sehr ihrem neuen Roman"Tag der Ankunft" - für meinen Geschmack zu amerikanisch.
    Ihre besten Romane sind mit Sicherheit "Im Krieg und in der Liebe" und "Dinner im Heimweh Restaurant". Wesentlich mehr Tiefgang und, wie Karthause schon sagte, interessantere Typen, wohl durchdachte Handlung ohne langatmige Seiten.
    Gut gefallen hat mir auch "Mister Morgan und die Puppenspielerin", der eine heitere Note zeigt.
    Unser LR-Buch ist nicht das Maß aller Dinge, leider.


    Gruß Wirbelwind


    :study: John Cheever, Die Geschichte der Wapshots

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