Louise Jacobs – Café Heimat

  • >Café Heimat< ist eine Erforschung der eigenen Familie – vom Rampenlicht der legendären Kaffeerösterei Jacobs bis ins Schattenreich von Verfolgung und Emigration. Auf der Suche nach ihren eigenen Wurzeln unter den bremisch-bodenständigen Kaufleuten Jacobs und den sephardisch-jüdischen Jessuruns unternimmt Louise Jacobs eine bewegende Zeitreise durch das 20. Jahrhundert.
    Die 22jährige Louise Jacobs ist immer wieder erstaunt, wie wenig bei ihr daheim über frühere Generationen ihrer Familie gesprochen wird. Obwohl sie als eine Jacobs unabwendbar Teil einer Familienlegende geworden ist. So macht sie sich auf die Suche nach den Spuren zweier unterschiedlicher Männer: Zum einen ihr Großvater Walther Jacobs, bremischer Kaffeepatriarch, der neben der Weltmarke Jacobs eine erfolgreiche Vollblüterzucht aufbaute. Zum anderen Fritz Moritz Jessurun, ihr Urgroßvater aus Hamburg, der mit seiner jungen Familie vor den Nazis aus Deutschland fliehen musste. Aus fesselnd erzählten Szenen und berührenden Begegnungen zeichnet Louise Jacobs ein einmaliges Familienpanorama.
    (Klappentext)



    Ich hatte die Autorin kurz in einer Talkshow gesehen, als sie das Buch vorstellte. Meine Neugier war vor allem geweckt, da ich annahm, dass der Hintergrund der Familie Jacobs mehr mit Seefahrt Bremens im 19. Jahrhundert zu tun hatte. Nun, in dieser Hinsicht wurde ich enttäuscht, aber das Buch ist trotzdem ein Gewinn für mich. Diese junge Frau schaffte es die Geschichte der Familie Jessurun völlig ohne Weinerlichkeit und Pathos zu beschreiben. Das ist bei dem Thema Judenverfolgung bestimmt nicht die Regel und die Fehler und Schwächen, die diese Familie hatte, machen die Sache sehr nachvollziehbar. Es ist schreckliches Unrecht, was dieser Familie widerfahren ist, doch hier dominiert irgendwie mehr der Wille zum Überleben und es gibt wenig Zeit zum Weinen. Die präzisen Darstellungen der einzelnen Familienmitglieder hat mir sehr gut gefallen. Die Familie Jacobs und dabei insbesondere Walther Jacobs kommen doch etwas schlechter weg und sind meiner Meinung nach auch nicht so tiefgehend beschrieben. Auch wird nicht genug auf die Rolle der Jacobs im Nazideutschland eingegangen, dazu hätte ich mir mehr Informationen gewünscht. Die Briefe von Walther Jacobs sind immer mit Heil Hitler unterschrieben, aber das sagt doch eigentlich nichts über die Gedanken dieses Mannes zu dieser Zeit aus. Es ist auch schon erstaunlich, jedenfalls für mich, wie diese junge Frau ihre Verabredungen treffen kann (ich kann nach NY kommen oder nach Brasilien). Allerdings sind diese Treffen mit Zeitzeugen immer ganz toll beschrieben und eine Freude zu lesen. Insgesamt hat mir der Anteil über die Jessuruns besser gefallen und es sagt wohl auch einiges über die Unnahbarkeit des Walther Jacobs aus, dass er menschlich nicht so beschrieben werden konnte wie andere Familienmitglieder.

  • Bei Erscheinen des Buches habe ich Louise Jacobs auch in einer Talkshow gesehen und nun habe ich die Taschenbuchausgabe gelesen.
    Wie weit die Familie in alle Himmelsrichtungen zerstreut ist/war, davon hatte ich seit der Talkshow nur eine wage Vorstellung. Ich brachte den Namen eben nur mit Kaffee in Verbindung. Aber auch davon erfuhr man eine Menge von Johann Jacobs über Walther Jacobs, dessen Pferdezüchtungen umd Preise bei Rennen mich weniger interessierten, aber einen sehr guten Einblick vom Aufbau und den Werbekampanien der Firma zeigte. Seine Unnahbarkeit fand ich traurig - stets freundlich, aber seinen Töchtern gegenüber nie herzlich, dennoch ein hervorragender Geschäftsmann.
    Die jüdische Seite brachte mir eine völlig unbekannte Seite ans Licht. Wegen Hitler rechtzeitig geflüchtet, stand der Kampf um einen Neuanfang im Vordergrund. Über die Schikanen, Angst und Flucht hätte ich gerne mehr erfahren. Erstaunlich wie wenig Louise Jacobs über die einzelnen Familienmitglieder vor ihren Recherchen wußte, wie wenig Verbindung bestand. Das erklärt aber auch ihr Wunsch nach Wissen und Verstehen.
    Ein insgesamt leicht und flüssig zu lesendes Buch, das mir die Ursprünge einer Familiendynastie näher brachte, auch ein Stück Geschichte vermittelt und in Anhang private Familienfotos zeigt.


    Gruß Wirbelwind


    :study: Paulo Coelho, Der Alchimist

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Ich habe etwas länger für die Geschichte von Louise Jacobs gebraucht. Das lag zum Teil daran, dass ich mich manchmal nicht richtig auf die vielen Namen und Orte konzentrieren konnte. Der jüdische Teil der Familie (ab Louises Urgroßeltern) wurde durch die Verfolgung im Dritten Reich über Portugal nach Amerika vertrieben. Diesen Teil der Geschichte fand ich am interessantesten. Sie haben alles verloren aber nie ihre Familie. Tragisch fand ich besonders, wie der Vater von Ann und Eva gestorben ist und wie sehr die Mutter (Else) ihren Halt verloren hat. Späteres Glück sollte nicht von langer Dauer sein ... Seltsam fand ich irgendwie, dass Louise mehr von ihrer Großtante Eva schrieb und weniger von ihrer Großmutter Ann. Obwohl Ann in Deutschland lebt und der Kontakt zu ihr einfacher gewesen wäre ... Eva lebt in Südamerika. Die Geschichte um die Firmenentstehung "Jacobs" war sehr interessant und sehr gut beschrieben. Ich bin zwar Pferdefan aber für den Rennsport kann auch ich mich nicht begeistern. Diese Stellen haben ich quergelesen. Interessanter war die Beziehung von Walther Jacobs zu seinen Kindern und Enkeln.


    Mein Fazit: Durchaus empfehlenswert, aber eher etwas für einen ruhigen Winterabend als jetzt für den Sommer ... ich habe mich oft von der Sonne ins Freibad locken lassen und dort konnte ich nicht so konzentriert lesen. 8)

    "Ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos ..."

    (nach Loriot)

  • Ich habe das Buch schon vor ein paar Tagen ausgelesen und fand es großartig. :thumleft:
    Ich habe auch etwas länger gebraucht um mich in die Geschichte zu finden, da man mit vielen Namen konfrontiert wird. Mir fiel es manchmal schwer alle auseinanderzuhalten. Stellenweise muss man sich sehr konzentrieren um den Faden nicht zu verlieren.
    Ich fand besonders die Geschichte Walther Jacobs sehr interessant, sowie die Entstehung der Firma "Jacobs". Sehr faszinierend, was damals noch praktisch aus dem Nichts geschaffen werden konnte. Das fand ich sehr faszinierend.
    Toll fand ich aber auch den Schreibstil von Louise Jacobs. Sie schreibt sehr bildlich und man merkt das ihr die Recherche, nach ihren Wurzeln Spaß gemacht hat.
    Schön, dass man auch ein paar Familienbilder zu sehen bekommt, so dass man zu den einzelnen Personen auch ein Gesicht hat.


    Alles in allem eine sehr schöne Familiengeschichte, allerdings bin ich auch der Meinung, das es eher ein Buch für ruhige Winterabende ist.
    Von mir 5 Sternchen.

    Narkose durch Bücher - Das Richtige ist: das intensive Buch.
    Das Buch, dessen Autor dem Leser sofort ein Lasso um den Hals wirft, ihn zerrt, zerrt und nicht mehr losläßt.


    :study: Sarah J. Mass - Throne of Glass / Die Erwählte :study:

  • Für mich als Wahl-Bremerin ist das wohl Pflichtlektüre, dann setzte ich das Buch mal ganz schnell auf meine Wunschliste :thumleft:

    Das Missliche an neuen Büchern ist, dass sie uns hindern, die alten zu lesen.
    J.Joubert

  • Wenn ich ehrlich bin, dann muss ich leider sagen, dass mich dieses Buch nicht wirklich überzeugen konnte. Das soll nicht heißen, dass ich es nicht interessant fand, die Geschichte der Familie Jacobs zu lesen, aber mir fehlte einfach ein Konzept oder ein roter Faden. Für mich wirkten die Erzählungen Louise Jacobs einfach vollkommen wahllos aneinandergereiht ohne dass damit irgendein Zweck oder Ziel verfolgt worden wäre. Ich konnte einfach kein Schema erkennen und das hat mich beim Lesen etwas gestört, vor allem, weil ich manchmal wirklich Schwierigkeiten hatte, die Zusammenhänge zu erkennen. Dieses Buch gehört also bei weitem nicht zu der Kategorie von Büchern, die ich gerne auch ein zweites Mal lese. :roll:

    With freedom, books, flowers, and the moon, who could not be happy? ― Oscar Wilde

  • Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Es hat totalen Spaß gemacht, in der Stadt nach den Plätzen zu stöbern, wo Teile des Buches spielen - und der Zufall hat mir auch so manchen lustigen Streich gespielt :)


    Ich fand schon, dass die Geschichte System hatte. Die Geschichten der beiden Familien werden chronologisch und parallel erzählt. Innerhalb der Kapitel griff die Autorin schon mal vorweg - das hat mich aber nicht ins Schleudern gebracht. Anstrengend fand ich zu Anfang, dass es keinen Familienstammbaum im Buch gibt. Aber mit Stift und Zettel konnte ich mir gut selber helfen :wink:


    Außerdem gefiel mir gut, dass Louise Jacobs den Erzählstil gewechselt hat: Teilweise war er die Beschreibung ihrer Recherche dann trat sie wieder als "Allwissende Erzählerin" auf und brachte mit ihrer Phantasie Leben in die Gesichte.


    Für mich war es ein Buch, dass ich bestimmt mal wieder lesen werde und es schon ganz vielen Freunden weiter empfohlen habe :thumleft:


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Das Missliche an neuen Büchern ist, dass sie uns hindern, die alten zu lesen.
    J.Joubert

  • Pressestimmen (von amazon.de kopiert)
    '. . . sehr emotionale Suche nach ihren Wurzeln und nach sich selbst.' (ddp, 29.08.06)


    'Louise Jacobs hat die Geschichte der Kaffeedynastie aufgeschrieben. Herausgekommen ist ein Werk im Stil der Buddenbrocks.' (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Ralf Nöcker, 01.09.06)


    'Sie trägt einen berühmten Namen, über die Familienchronik allerdings wusste sie wenig. Als sich Louise Jacobs auf Spurensuche begab, entdeckte sie die ebenso glanzvolle wie erschütternde Geschichte der Kaffeedynastie Jacobs.' (Cicero, 09/06)


    'Dieses Buch will viel auf einmal, und in der Regel ist so etwas das Schlimmste, was man über einen Titel sagen kann. In diesem Fall jedoch gelingt der Tanz auf mehreren Hochzeiten. Einerseits schildert Louise Jacobs ihre eigene Herkunft, andererseits zeichnet sie pars pro toto das Schicksal des deutschen Bürgertums in den Kriegsjahren nach. Im Vorbeigehen gelingt ihr auch noch das Porträt einer alten deutschen Firma. Das glückt vorallem deswegen, weil die Autorin mit Mut zur Prosa mehr erzählt als Fakten auflistet. Wer ein strenges Sachbuch erwartet, wird enttäuscht. Alle anderen fühlen sich gerade wegen des Plaudertons gut informiert und noch besser unterhalten.' (Süddeutsche Zeitung, Barbara Bierach, 16.09.06)


    'Ein mitreißend erzähltes Stück Zeitgeschichte.' (Stern, 11.01.07)


    'Nicht für alles hat sie in ihrem Buch Erklärungen. Sie will nicht werten, sondern erzählen. Nie distanziert sie sich, wenn sie mit klarer, schöner Sprache erzählt.' (Bücher 06/06)



    Meine Kurzbeschreibung:
    In diesem Buch erzählt Louise Jacobs die Geschichte ihrer Familie, die sie 2004 zu erforschen begann. Zu diesem Zeitpunkt, im Alter von 22, stellte sie fest, dass es sehr vieles aus der Vergangenheit gab, das sie einfach nicht wusste. Mit der Familiengeschichte hatte sie sich bislang nicht auseinandergesetzt, und wie so viele Menschen hatte sie zu einigen Mitgliedern der Familie auch - wenn überhaupt - sporadischen Kontakt.
    Doch dies sollte sich nun ändern, und Jacobs studierte alte Dokumente, sprach mit Familienmitgliedern und unternahm einige weite Reisen, um den Menschen, die zu ihrer Familie gehören, näherzukommen. In diesem Buch erzählt sie von den Gesprächen mit Zeitzeugen, Freunden und Familienangehörigen. Von der eigenen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, mit der Familiengeschichte und natürlich auch vom Kaffee - den Anfängen des heutigen Jacobs-Imperiums und dem Werdegang der Firma.
    Und Louise Jacobs rekonstruiert die Familiengeschichte, erzählt Episoden aus dem Leben der jüdischen Vorfahren, die sich ins Exil retten mussten, um den Verfolgungen durch die Nationalsozialisten zu entgehen. Von den Großeltern und den Eltern - immer neue Episoden werden erzählt, als ob ein Spot auf sie gesetzt würde. Und dabei sind nicht immer nur die schönen Momente eingefangen. Auch Schwieriges wird erzählt und vielleicht auf diese Weise aufgearbeitet.


    Meine Meinung:
    So schwer es ist, den Inhalt des Buches zu beschreiben, ohne zu viel zu verraten, so einfach lässt sich sagen, dass es ein schönes Buch ist, das die Geschichte einer sehr interessanten Familie erzählt. Louise Jacobs gelingt es gut, am Rande der Familiengeschichte immer wieder auch den Kaffee ins Spiel zu bringen, der nun mal Wahrzeichen der Familie ist und der natürlich auch für mich ein Grund war, das Buch zu lesen (denn wie gern fahre ich am Jacobs-Werk in Bremen vorbei und rieche den Kaffee auf de Autobahn...), ohne dass man das Gefühl hätte, es ginge darum, diesen in den Vordergrund zu rücken. Die Geschichte dieser Familie hat auch "kaffeeunabhängig" einiges zu bieten.
    Der Vergleich auf dem Klappentext mit den "Buddenbrooks" ist meiner Meinung nach verfehlt, aber ja, natürlich, beide Bücher erzählen Familiengeschichten. Und meist reicht das ja den Klappentextschreibern für einen solchen Vergleich.

  • Ihr habt mich neugierig gemacht. Das Buch habe ich schon eine Weile auf meinem SuB liegen. Nun werde ich wohl nicht mehr lange damit warten, es mir vorzuknöpfen :)

    Denn ich, ohne Bücher, bin nicht ich. - Christa Wolf


    2022 - 64

    2023 - 84 von 80 - geschafft :)

  • Louise Jacobs begibt sich auf die Spuren ihrer Familiengeschichte. Sicherlich diente dies in erster Linie der Suche ihrer eigenen Identität. Wer war ihr Großvater, Walther Jacobs, wirklich? Welche Biografien haben ihre Eltern und Großeltern? Was geschah in den 30er und 40er Jahren?


    Der Schreibstil ist einfach und das Buch läßt sich leicht lesen. Es fiel mir nicht schwer, in die Geschichte um die Familie von Louise Jacobs einzutauchen. Allerdings waren die Sprünge zwischen den Familienzweigen (den Jessuruns - mütterlicherseits / den Jacobs - väterlicherseits) manchmal schon etwas verwirrend. Meiner Ansicht nach wurde dem Zweig der Jessuruns mehr Aufmerksamkeit zuteil. Vielleicht lag es auch daran, dass es für die Autorin schwer war, die Familientradition der Jacobs aufzuarbeiten.
    Trotz allem fand ich das Buch durchaus gelungen, da es mir u.a. einen kleinen Einblick in die Geschichte von "Jacobs Kaffee" gewährt hat.

  • Das Buch liegt seit einigen Wochen auf meinem Bücherei-SUB, und ich habe es mir heute vorgenommen. Nach 25 Seiten neige ich zum Abbrechen: Das Landleben, eigentlich harte Arbeit, wird mir zu nostalgisch verklärt als Idylle dargestellt. Und dass mir ein/e AutorIn drei-, viermal dasselbe erzählt (dass der älteste Sohn den Hof übernahm, der zweitgeborene weg musste), mag ich auch nicht.
    Und wenn dann noch im beginnenden Frühjahr der Duft von frisch gemähtem Heu in die Nase steigt ... ](*,)

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich habe es auch abgebrochen u dem Bücherbasar gespendet. Mir war es zu schwülstig - die Frau könnte uralt sein, so wie sie erzählt. Es hat mich regelrecht aggressiv gemacht!

    "Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist." Elias Canetti