Knut Hamsun - Pan / Pan: Af Lojtnant Thomas Glahns Papirer

  • Titel der Originalausgabe: "Pan. Af Lojtnant Thomas Glahns Papirer" (1894)


    Zitat

    In den letzten Tagen dachte und dachte ich an des Nordlandsommers ewigen Tag. Ich sitze hier und denke an ihn und an eine Hütte, in der ich wohnte, und an den Wald hinter der Hütte, und ich mache mich daran, einiges niederzuschreiben, um die Zeit zu verkürzen und um meines Vergnügens willen.


    So beginnt der Roman "Pan" von Knut Hamsun. Es ist ein berühmter Romananfang mit einer besinnlichen, schwermütigen Stimmung, die aus der Stille und Einsamkeit des Ich-Erzählers erwächst und eine tragische Liebesgeschichte einleitet.


    Der junge Leutnant Thomas Glahn lebt in einer Hütte am Waldrand oben im Nordland Norwegens. Er hält sich abseits von den Menschen, nur sein Hund Äsop ist bei ihm. Gemeinsam gehen sie auf die Jagd und streifen stundenlang durch die Wälder. Für Glahn ist die Natur beseelt, überall fühlt er die Gegenwart Pans, des bocksbeinigen und schalkhaften Schutzgottes der Ziegen, Hirten und Jäger. Der Wald steckt für ihn voller Geheimnisse und Traumgesichte, jeder Zweig, jedes Blatt, selbst die Steine sprechen zu ihm. Hier spürt er Glück, Lebensfülle und tiefen Frieden.


    Eines Tages lernt er Edvarda kennen, die Tochter des Kaufmanns Mack von Sirilund, fast noch ein Kind mit ihren "langen dunklen Händen" und ihrem "leuchtenden Mund". Er verliebt sich in sie, und während der Nordlandsommer anbricht mit seinen hellen Nächten, in denen die Sonne fast nie untergeht, erleben sie eine kurze Zeit des Glücks. Doch Edvarda nimmt ihn nicht ernst. Launisch und stolz weiss sie selbst nicht so recht, was sie will. Und da ist auch noch der Baron, der eine gute Partie für die Tochter des ehrgeizigen Kaufmanns wäre. Glahn ist verzweifelt. Auch die selbstlose Liebe der sanften, warmherzigen Eva tröstet ihn nicht in seinem Kummer.


    Schliesslich reist er ab. Aber er kann Edvarda nicht vergessen....



    Wie die meisten Figuren in Hamsuns Romanen ist auch Thomas Glahn ein intelligenter, hochsensibler Sonderling und Eigenbrötler, ein Aussenseiter der Gesellschaft, deren moralische Grundsätze er nicht anerkennt. Er lebt in seinem eigenen Kosmos, einer Welt romantischer Naturverbundenheit und gefühlsbetonter Individualität. Doch trotz seiner selbstbewussten Posen steht er dem Leben und der Liebe hilflos gegenüber.


    Auf den Leser wirkt er nicht unbedingt sympathisch, zu moralisch fragwürdig und ambivalent ist sein Verhalten. Aber Hamsun - der grosse Kritiker der Zivilisation - geht es nie um Gut und Böse. Er will das Geheimnis des komplexen Innenlebens des Einzelnen offenbaren, die unbewussten seelischen Vorgänge, die rätselhaften Empfindungen, die Tagträume. Und das macht er mit einer so ausgefeilten künstlerischen Meisterschaft und so einer tiefen Kenntnis der menschlichen Seele, dass ich angesichts seiner kleinbäuerlichen, ärmlichen Herkunft immer wieder verblüfft bin.


    Seine Sprache ist schlicht, aber voller Kraft und ganz unverwechselbar. Ihm gelingt es, den eigenartigen Zauber bestimmter Situationen, Gefühle und Stimmungen aufleuchten zu lassen. Eine solche Stelle ist zum Beispiel der Liebestraum Glahns. Er träumt von Iselin, der "Geliebten des Lebens", der grossen Liebenden, die sich allen Männern um der Liebe willen hingibt. Iselin - wohl eine norwegische Mythengestalt - erzählt ihm von dem ersten Mann, den sie geliebt und nachts in ihre Kammer gelassen hat. Und ihre Empfindungen in dieser Nacht und am folgenden Morgen - das beseligende, schwebende Entrücktsein der ersten Verliebtheit - beschreibt er auf wunderbare, tief berührende Weise.


    Hamsun hat mit seinen Romanen, besonders mit "Hunger", "Pan" und "Segen der Erde" die Literatur um die Jahrhundertwende stark beeinflusst. Er wurde von ganz unterschiedlichen Schriftstellern bewundert, u.a. von Thomas Mann und Kurt Tucholsky, von Mascha Kaléko und Gottfried Benn. Heute wird er, scheint mir, kaum noch gelesen. Das ist sehr schade. Für mich ist seine Faszination ungebrochen. Vielleicht lest Ihr "Pan" ja mal.


    Zum Autor
    Knut Hamsun (Pseud. für Knud Pedersen Hamsund) wurde am 4. August 1859 in Lom (Gulbrandsdal) geboren und starb am 19. Februar 1952 auf Gut Norholm (Aust-Agder). Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen als Sohn eines Kleinbauern auf und durchlebte eine harte, wechselvolle Jugend. Er arbeitete in verschiedenen Berufen in Nordamerika und Norwegen. 1890 erschien sein erster, autobiographisch gefärbter Roman "Hunger", der als literarisches Ereignis gefeiert wurde. Fuer "Segen der Erde" bekam er 1920 den Nobelpreis. Weitere seiner Werke: "Viktoria", "Mysterien", die "Landstreicher"-Trilogie ("Landstreicher", "August Weltumsegler" und "Nach Jahr und Tag"), "Schwärmer", "Gedämpftes Saitenspiel".
    Wegen seiner Sympathie für die Nationalsozialisten wurde er 1945 in Norwegen als Landesverräter verurteilt. Nur seines hohen Alters wegen kam er nicht ins Gefängnis, musste aber eine hohe Geldstrafe zahlen, die ihn finanziell praktisch ruinierte. Reue über seine Verirrung zeigte er bis zum Schluss nicht.

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















    Einmal editiert, zuletzt von mofre ()

  • ich habe den gerade mal gegoogelt. Bei Wikipedia schreiben sie er war Nazisympathisant und hat öffentliche reden gegen KZ-Inhaftierte geschwungen. Stimmt das!? Wikipedia ist ja nicht immer zuverlässig..


    http://de.wikipedia.org/wiki/Knut_Hamsun


    Weil..von dem her, was Du schreibst klingt das Buch für mich interessant, aber wenn der Nazi-Scheiß stimmt - dann würde ichs nicht kaufen. Daß Gottfried Benn Fan war, wie Du schreibst.. okay...aber Tucholsky auch!? Das kann nicht sein? Oder Wikipedia spinnt!?


    Verwirrt,


    Millie

    Ich lese gerade "Fabian - Die Geschichte eines Moralisten" von Erich Kästner

    2 Mal editiert, zuletzt von modern_millie ()

  • modern_millie, es ist wahr, Knut Hamsun war ein Nazisympathisant. Eine bittere Enttäuschung gerade für Tucholsky, der ein leidenschaftlicher Bewunderer Hamsuns war. Noch kurz vor seinem Tod schrieb er in einem Brief, seine Verehrung für den Dichter sei immer noch größer als sein Hass auf ihn.


    Ob man die Bücher Hamsuns kaufen bzw. lesen will, muss jeder für sich selbst entscheiden. Sie sind große Literatur und bleiben große Literatur. Und Literatur wird nicht von guten Menschen, sondern einfach nur von Menschen geschrieben, das ist leider das Dumme.


    Es ist schon traurig, wie jemand, der in seinen Büchern meisterhaft wie kaum ein anderer das rätselhafte, unergründliche Innenleben des Menschen beschrieben hat und dessen feinfühlige, eigentümliche Naturschilderungen ihresgleichen suchen, als Mensch so bestürzend versagen konnte.


    In seinem Roman "Segen der Erde", der von einfachen Ödlandbauern erzählt und für den Hamsun den Nobelpreis bekommen hat, gibt es eine Stelle, die ich für eine der schönsten der Weltliteratur halte (und die mit Sicherheit auch Tucholsky geliebt hat).


    Zitat

    Was, das Leben des Ödlandbewohners öde und traurig? Hoho, nichts dergleichen! Er hatte seine höheren Mächte, seine Träume, sein Liebesleben, seinen reichen Aberglauben. Eines Abends geht Sievert den Fluss entlang und bleibt plötzlich stehen: im Wasser liegen zwei Wildenten, Ente und Enterich. Sie haben ihn entdeckt, haben den Menschen gesehen und sind scheu geworden, einer der Vögel sagt etwas, er stößt einen kurzen Laut aus, eine Melodie in drei Tönen, und der andere antwortet gleichlautend. Im selben Augenblick heben sie die Flügel und sausen wie zwei kleine Räder einen Steinwurf weit den Fluss hinauf, wo sie sich wieder aufs Wasser niederlassen. Da sagt der eine wieder etwas, und der andere antwortet; es ist dieselbe Sprache wie das erste Mal, aber so innig befreit, dass es eine kleine Seligkeit ist: die Töne sind zwei Oktaven höher gestimmt. Sievert steht da und betrachtet die Vögel, sieht an ihnen vorbei und weit ins Land der Träume hinein. Ein Laut ist in ihm erklungen, eine Süßigkeit in ihm aufgestiegen, er stand da mit einer zarten, feinen Erinnerung an etwas Wildes und Schönes, etwas früher Erlebtes, von dem die Erinnerung in ihm erloschen ist. Stille geht er nach Hause, er spricht nicht davon, plaudert nicht darüber, irdische Worte reichen dazu nicht aus. Es war Sievert von Sellenraa, jung und durchschnittlich ging er eines Tages aus und hatte dieses Erlebnis.


    Wen neuere Informationen über Knut Hamsun und die Nazis interessieren:


    Hier


    Gruß mofre

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • Das hat mir doch keine Ruhe gelassen..Tucholsky, der sich im Exil umgebracht hat, weil die Nazis ihm die Sprache weggenommen haben, der Tucholsky verehrt Nazi Sympathisanten trotz allem? Das ist etwas stark.


    Herausgefunden habe ich, daß Tucholsky vorher Hamsun-Fan war, bevor Hamsun sich als Nazi zu erkennen gab. Das klingt schon viel plausibler. Auch daß er in Briefen mit Hamsun abgerechnet hat, nachdem klar war, wes geistes Kind Herr Hamsun ist. Lies mal hier:


    http://www.ktg-minden.de/kt-ableben.htm


    Ossietzky und diverse andere waren ja wohl auch sehr angetan von Hamsun, weil keiner ahnte, was da in seinem Kopf auch noch für häßliche brauen Gedanken herumgingen. Es gibt wohl eine Festschrift zu Hamsuns 70. Geburtstag, an der sich Hesse, Musil, Schnitzler und Einstein beteiligten. Wohlgemerkt VOR Hamsuns nazifreundlichen Äußerungen.


    "Wenig später freilich, nach Hamsuns Angriffen auf Ossietzky, machte Tucholsky in einem Brief an Walter Hasenclever seiner Enttäuschung Luft: »Ein solches Maß von tierisch-dumpfer Dummheit, von Niedrigkeit und Uninformiertheit. Die ganze Liebe, die ich in diesen Mann gelegt habe, ist fort...« "
    http://www.sopos.org/aufsaetze/3cc9a5d5793da/1.phtml
    War Tucholsky eigentlich im Alter religiös? Das weiß ich gar nicht - ich fange gerade erst an mich mit ihm zu beschäftigen.
    Wenn es denn tatsächlich so einen Brief gibt, in dem er kurz vor seinem Tod schreibt daß seine Verehrung für jemanden, dessen Gesinnung dazu geführt hat, daß Tucholsky die Heimat verliert, größer ist als sein Haß - dann ist das in einer Situation, kurz vor dem Tod, wo plötzlich Ewigkeit ein Thema ist nachvollziehbar.


    Also was ich sagen will:


    Es ist etwas anderes, einen Autor toll zu finden, dann, als sich rausstellt, daß er den Holocaust unterstützt, sich von ihm zu distanzieren. Und angesichts des Todes seinen Frieden zu machen und ihm zu vergeben.


    Es war bei mir durch Deine Antwort der Eindruck entstanden das Distanzieren habe gefehlt..das wäre arg pervers gewesen.


    Und von wegen, daß jeder selbst entscheiden muss ob er dann die Bücher lesen möchte oder nicht. Klar, das entscheidet jeder für sich.
    Aber:
    Kann man sich uneingeschränkt in die sprachliche Schönheit eines Buchs versenken, wisend, daß der Autor systematischen Völkermord befürwortet?


    Ich meine, natürlich ist kein Mensch nur gut oder nur schlecht - wir sind ja keine Comicfiguren....und klar..auch die Nazis waren gleichzeitig Mörder und auch liebende Ehemänner / Väter .. bla bla..klar...aber mir wird ganz komisch, wenn ich mir vorstelle, ich erbaue mich an feinsinnigen Sprachgebilden eines Mannes der nicht gezögert hat, mit derselben Hand "politische Perversitäten" zu unterstützen.


    Ist doch zum heulen, daß ausgerechnet jemand, der sprachlich so fit war ( das Zitat das Du bringst ist total schön) - und hohe sprachliche begabung ist meistens ja auch ein Hinweis darauf, daß das Denken auch ganz gut funktioniert - auf einmal faschistoid durchknallt.

    Ich lese gerade "Fabian - Die Geschichte eines Moralisten" von Erich Kästner

    6 Mal editiert, zuletzt von modern_millie ()

  • modern_millie, es versteht sich doch von selbst, dass Tucholsky ein Verehrer Hamsuns war, bevor dieser zum Nazisympathisanten wurde, sonst wäre er ja nicht enttäuscht gewesen. Außerdem ist Tucholsky schon wenige Monate nach den Angriffen Hamsuns auf Ossietzky gestorben.


    Wie tief enttäuscht Tucholsky war, wird besonders daran deutlich, dass er am 14. Dezember 1935, also wenige Tage vor seinem Tod, bereit war, Hamsuns wegen sein Schweigegelübde zu brechen (nämlich nie wieder eine Zeile zu veröffentlichen) und einen scharfen Angriff auf den norwegischen Dichter schrieb. Er bot den Artikel sowohl einer schwedischen als auch einer norwegischen Zeitung an - beide lehnten ab.


    Tucholsky war nicht religiös, aber sehr menschlich und moralisch integer. Er nahm sich aus einer tiefen Depression heraus das Leben. Ich glaube nicht, dass er Hamsun im Angesicht des Todes verziehen hat. Seine Worte "mein Hass ist kleiner als die alte Verehrung" sind schon so gemeint. Es ist eben nicht so einfach, sich eine lebenslange Liebe und Bewunderung aus dem Herzen zu reißen. Die Verehrung war noch da, sicher nicht mehr für den Menschen Hamsun, aber für den Künstler und sein Werk. Wäre Tucholsky am Leben geblieben, hätte er sicher nie mehr eine Zeile von Hamsun gelesen.


    Ich bin durch Tucholsky auf Hamsun gestoßen. Da war ich noch sehr jung und wusste nichts von Hamsuns Kollaboration mit den Nazis. Ob ich ihn trotzdem gelesen hätte? Ich weiß es nicht. Ich kenne bis jetzt neun Bücher von ihm und finde die meisten von ihnen wunderbar. Selbst Marcel Reich-Ranicki, der dem Holocaust gerade noch entkommen ist, rechnet Hamsuns Romane „Segen der Erde“ und „Viktoria“ zur Weltliteratur. Ich denke beim Lesen eines Romans meist nicht an dessen Autor, für mich steht das Werk im Vordergrund. Richard Wagner war entschiedener Antisemit, trotzdem höre ich seine Opernvorspiele und etliche seiner Arien gern. Aber wie gesagt, jeder muss für sich entscheiden, wie weit er Werk und Autor trennen kann und will.


    Gruß mofre

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • Zitat

    Original von mofre
    modern_millie, es versteht sich doch von selbst, dass Tucholsky ein Verehrer Hamsuns war, bevor dieser zum Nazisympathisanten wurde, sonst wäre er ja nicht enttäuscht gewesen.


    Nee, das verstand sich zunächst nicht von selbst, da dieses Zitat ja Deinem ersten Post nicht drin steht.
    Für mich stand da erst mal nur ein neuer Thread, in dem ein Nazisympathisant "beworben" wird. Da, ich nenne es mal "wundert" man sich eben ein wenig.


    Mir ist es nicht möglich eine "Jedem das Seine"-Haltung diesem Hamsun gegenüber zu haben. Dieser Spruch stand lange genug höhnisch über KZ-Pforten.

    Ich lese gerade "Fabian - Die Geschichte eines Moralisten" von Erich Kästner

  • @ modern_millie, wenn ich Dich richtig verstehe, findest Du es falsch, dass ich einen Roman von Knut Hamsun vorgestellt bzw. „einen Nazisympathisanten beworben“ habe, wie Du das so nett ausdrückst. Dazu kann ich Dir nur sagen: Die Bücher sind frei erhältlich. Sie sind nicht nur Teil der europäischen Literaturgeschichte, sondern gelten auch als Klassiker der Weltliteratur und sollten deshalb in einem Bücherforum vorgestellt werden.


    Zitat

    Original von modern_millie
    Mir ist es nicht möglich eine "Jedem das Seine"-Haltung diesem Hamsun gegenüber zu haben. Dieser Spruch stand lange genug höhnisch über KZ-Pforten.


    Diesen Satz verstehe ich nicht. "Jedem das Seine" bedeutet doch etwas anderes als das Recht eines jeden auf die freie Entscheidung, ob er ein Buch von Hamsun lesen will oder nicht. Denn was würdest Du sonst vorschlagen? Sollte man die Werke des Dichters höheren Ortes verbieten? Oder ist jeder moralisch verpflichtet, sie nicht zu lesen, und macht sich verdächtig, wenn er es doch tut?


    Ein Versäumnis muss ich jedoch eingestehen. Ich habe in meinen kurzen Angaben zum Autor dessen ideologische Nähe zum Nazionalsozialismus nicht erwähnt, weil ich sie als allgemein bekannt vorausgesetzt hatte. Das ist natürlich ein Irrtum. Ich kann meine Rezension nicht mehr editieren. Aber vielleicht könnten Bonprix oder Mario noch folgende Sätze den Daten zum Autor hinzufügen:


    Wegen seiner Sympathie für die Nationalsozialisten wurde er 1945 in Norwegen als Landesverräter verurteilt. Nur seines hohen Alters wegen kam er nicht ins Gefängnis, musste aber eine hohe Geldstrafe zahlen, die ihn finanziell praktisch ruinierte. Reue über seine Verirrung zeigte er bis zum Schluss nicht.



    Damit sind alle, die die Rezension über "Pan" lesen, "vorgewarnt" und können dann selbst entscheiden, ob sie diesen oder einen anderen Roman von Knut Hamsun lesen wollen.


    Gruß mofre

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • Da tut sich ja eine sehr interessante Diskussion auf.


    Ich habe von Knut Hamsun bislang "Hunger" gelesen, es hat mir sehr gut gefallen. Seine ausdruckstarken Sätze, die bedrückende Atmosphäre, der Hunger, der durch Mark und Bein ging zeigt von großer Literatur.


    Im Zuge dieser Lektüre habe ich mich näher mit Hamsun beschäftigt - und bin eben auch auf diese "nazifreundliche" Haltung gestoßen. Mein Gedanke war natürlich auch "darf/kann mann denn von diesem Menschen ein Buch lesen?". Diese Frage ist sehr schwierig zu beantworten.
    In seinen Büchern (zumindest in "Hunger") ist vom NS-Gedankengut oder sonstigen propagandistischen Anspielungen kein Wort zu finden oder auch nur im Entferntesten irgendwie so auszulegen. Deshalb finde ich es in diesem Fall für mich persönlich vertretbar, seine Bücher zu lesen, das Werk vom Menschen zu trennen.


    Würde man diese Haltung durchziehen, dürfe man kein Buch von Anne Perry lesen (sie hat jemanden vorsätzlich umgebracht), dürfe man keine Alben von diversen Sängern kaufen, die im Drogen- u. Alkoholsumpf treiben, keine Filme mit ebensolchen Schauspielerin ansehen, die Liste wäre wohl endlos fortzusetzen.


    Was mir dazu einfällt: "... der werfe den ersten Stein"

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)


  • mofre


    Ich habe den entsprechenden Absatz hinzugefügt... :thumright:

  • Bonprix, sei herzlich bedankt!


    Gruß mofre

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer

















  • @ mofre


    Ja, das mit dem "vorwarnen" finde ich gut. So war meine letzte Antwort auch gemeint ..daß die Nazisache im Vorstellungspost zu Hamsun hätte von vornherein drin stehen sollen. Da ich mich im Moment sehr mit dem Holocaust bzw. Exilliteratur beschäftige kann ich bei sowas schon mal gerade gar nicht den Mund halten, und war wohl auch ein bißchen zu frech weiter oben.


    Ich selber habe mir gerade ein Buch von Magnus Hirschfeld gekauft (der war Eugeniker und fand daß die Nazis in dem Punkt durchaus Recht hätten) - andererseits war er selber Jude + schwul und sein Institut wurde von den nazis geschlossen, seine Institutsbibliothek bei der Bücherverbrennung vernichtet. ich hab das Buch auf einem anderen Forum für eine Leserunde vorgeschlagen - und fand es selbstverständlich, da ich ja davon weiß, daß ich seine verquere Eugenik-meinung im Vorstellungs-Post erwähne. das ist auch fairer den usern gegenüber die so ein detail evtl nicht wissen udn dann evtl. sehr unangenehm berührt sind, sowas auf halbem Weg durchs Buch nebenbei rauszufinden.
    Abgesehen davin fidne ich sollte jeder selber entscheiden was er liest.



    @ Rosalita:
    Der Vergleich weiter oben - Nazigesinnung eines Autors vs. Autor hat ein Drogenproblem ist übrigens sehr geschmacklos. Einer der Nazi ist will andere töten. Einer der Drogen nimmt tötet nur sich selbst. Ein sehr großer Unterschied.


    Grüßchen,


    Millie

    Ich lese gerade "Fabian - Die Geschichte eines Moralisten" von Erich Kästner

    4 Mal editiert, zuletzt von modern_millie ()

  • Nun möchte ich mich doch auch mal zu Wort melden.


    Ich muss sagen, mofre, dass mich deine Buchvorstellung sehr gefreut und das Buch sehr interessiert hat bzw. das immer noch tut. Vermutlich werde ich es mir bald kaufen und lesen (eventuell sogar noch andere Bücher dieses anscheinend fast genialen Autors). :cherry:


    Zu eurer Diskussion:
    Ich muss sagen, dass ich 1. finde, dass ein Mensch, der mit den Nazis sympatisiert hat dennoch ein genialer Autor sein kann! :idea: Seine Bücher lesen würde ich also trotzdem, so lange keine nazistischen Andeutungen darin zu finden sind und das scheint mir wohl kaum der Fall zu sein (zumindest nicht in Pan).
    2. Kann ich somit durchaus verstehen, dass Tucholsky dennoch tiefen Respekt gegenüber diesem "Nazisympatisanten" hatte und diesen auch nicht aufgeben konnte/wollte. Denn seine Werke und sein Talent sind ja trotz allem menschlichen Fehlverhaltens schlichtweg genial. Was seine Einstellung gegenüber dem Autor als Menschen betrifft, dneke ich, dass mofre zur Genüge geschrieben hat, wie tief Tucholsky's Verachtung ging.
    3. Sind es (leider) meistens die Autoren, die menschlich und mitfühlend schreiben, die selbst aber menschlich total versagen. :cry:

  • Ich habe bisher noch nie von diesem Autor gehört, wusste daher auch nichts von seiner Sympathie den Nazis gegenüber, was mich aber keineswegs abschrecken würde, seine Bücher zu lesen. Generell finde ich diese Haltung, alles abzulehnen, was auch nur im Entferntesten mit den Nazis zu tun hat, ziemlich albern. Genau wie dieses ganze Getue um die Äußerungen von Eva Herman, aber das ist eine andere Geschichte, jedoch nicht weniger absurd.
    Warum soll man die künstlerischen Werke eines Menschen ablehnen, nur weil seine Ideologie nicht mit der eigenen übereinstimmt? Man muss ihn ja nicht heiraten oder auch nur mit ihm befreundet sein. Und ich finde, wir Deutschen sollten endlich anfangen, uns nicht mehr vor der ganzen Welt wegen der Nazi-Vergangenheit zu schämen, das führt zu nichts und hilft den Opfern dieser Zeit auch nichts mehr. Man braucht es ja nicht zu vergessen, das sollte man die eigene Geschichte generell nie, aber diese rigorose Verdrängung von allem, was damit zu tun hatte, finde ich einfach übertrieben und sinnlos.
    Aus diesem Grund würde ich mich dadurch, dass ein Autor oder anderer Künstler den Nazis ideologisch nahestand, nicht davon abhalten lassen, seine Werke zu lesen/hören/sehen.

  • JuleBule:
    Generell stimme ich dir zu. Nur ein Punkt "stört" mich:
    Das "Getue" bzw. die Haltung, alles abzulehnen, was auch nur im Entferntesten mit den Nazis zu tun hat, finde ich auf keinen Fall "albern". :idea: Ich finde es sogar richtig, wenn man solch eine Ideologie nicht einfach hinnimmt und sagt "Ich muss ihn ja nicht heiraten"! Denn würde man das immer praktizieren (gilt auch für die Herman), würden solche Ideologien wieder aus dem Boden geschossen kommen und es gäbe niemanden, der sich ihnen bzw. ihrer Praktizierung in den Weg stellen würde. Somit wäre Tür und Tor offen, dass es wieder kommt wie im Dritten Reich! Es zu verurteilen finde ich also absolut richtig und sogar notwendig (wenn man es nicht nur sagt, sondern auch meint).
    Versteh mich nicht falsch: Deshalb die Werke eines Künstlers abzulehenen finde ich genauso dumm bzw. falsch wie du, denn für mich haben solche Werke nichts mit der Ideologie zu tun (so lange es sich nicht z.B. um ein Buch wie Mein Kampf handelt natürlich)!

  • Ich bin schon lange um Hansum "herumgeschlichen" (was teilweise an Tucholskys Begeisterung Liegt - wenn er Bücher gut bewertet, gefallen sie mir auch fast immer), und siehe da: da ist mir bei Jokers doch tatsächlich ein Mängelexemplar in die Hände gefallen!
    Bei einem noch lebenden Autor würde ich vermutlich länger überlegen (soll der wirklich Geld verdienen? ), aber Hansum selbst kann finanziell nicht meht profitieren. Von daher habe ich kein Problem damit, ein Buch von Hansum zu kaufen und zu lesen.
    Außerdem denke ich wie Mofre beim Lesen eher an das Buch und nicht an dem Autor.


    Die "Vorwarnung" finde ich trotzdem gut, den zumindest in meiner Ausgabe habe ich nichts bezüglich nazifeundlicher Haltung des Autors gefunden. Vermutlich empfand der Verlag das als zu abschreckend.

  • „ …, oft kann eine kleine Freude sich an einem Regentag eines Menschen bemächtigen und ihn mit seinem Glück abseits treiben … „ (Seite 8 )


    Der Leutnant Glahn lebt zurückgezogen in einer kleinen Jagdhütte ganz abseits in der Natur zusammen mit seinem Hund. Er erlegt Wild, ernährt sich von seiner spartanischen Beute und durchstreift die Wälder, bis eines Tages Edvarda, die Tochter eines reichen Kaufmanns, an seiner Hütte vorbei kommt.
    Eine fatale Begegnung, denn Glahn verliebt sich auf der Stelle in dieses sehr eigene Mädchen. Edvarda lässt keine Chance verstreichen um den Jäger zu demütigen und zu verletzen, wiewohl sie gleichzeitig immer wieder sein Feuer entflammt.
    Aus seiner Verzweiflung heraus beginnt der Leutnant eine Beziehung zu Sarah, eine verheiratete Frau, die sich ihrerseits unsterblich in Glahn verliebt. Und so nimmt das Verhängnis seinen Lauf.


    „Wie ein Jüngling hatte er sein Mädchen geliebt. Er nannte sie oft Gottes Segen und seine Taube; ihr Schoß war heiß und wogend. Er sagte: Gib mir dein Herz! Und sie tat es. Er sagte: Darf ich dich um etwas bitten, Geliebte? Und sie antwortete berauscht: Ja. Sie gab ihm alles, und er dankte es ihr doch nicht.
    Die andere liebte er wie ein Sklave, wie ein Verrückter und wie ein Bettler. Warum? Frag den Staub auf dem Weg und das Laub, das fällt, frag des Lebens rätselvollen Gott; denn kein anderer weiß solches. Sie gab ihm nichts, nein nichts gab sie ihm, und er dankte ihr doch. Sie sagte: Gib mir deinen Frieden und deinen Verstand! Und er trauerte nur darüber, daß sie nicht um sein Leben bat.“ (Seite 137)


    Eindrucksvoll beschreibt Hamsun über die Macht der Liebe, die man wie seinen eigenen Schatten nicht abschütteln kann, obwohl der Verstand die unerfüllte Liebe erkennt.


    Ganz subjektiv bin ich hier wieder über ein Thema gestolpert, welches mich innerlich nicht so ergreift wie es vielleicht sollte. Ich kann diese Aussichtslosigkeit, und diese für mich übertriebene Machtlosigkeit nicht recht nachvollziehen, und deshalb bleibe ich bei einer solchen Handlung immer etwas ratlos zurück.


    @ All
    Muss ich jetzt diese übertriebene Machtlosigkeit auf die Nazis beziehen um den Roman richtig zu verstehen?

  • Ich habe fasziniert "Der Segen der Erde" gelesen, und moechte langfristig noch gerne mit diesem Autor zeitermachen. Natuerlich hat es mich auch schockiert, dass er etwas zwielichtig war..., doch das aendert nichts an grosser Literatur.


    Gerade habe ich gesehen, dass im Februar eine neue Biographie herausgekommen ist. Vielleicht will sich der ein oder die andere noch intensiver mit ihm befassen?1


    Ingar Sletten Kolloen: "Knut Hamsun. Schwärmer und Eroberer. Biografie"
    Aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs, Landt Verlag, Berlin 2011, 493 Seiten, 29,90 Euro

  • Danke für den Tipp, Tom, das Buch landet gleich auf meiner Wunschliste! Ich mag Hamsun ja sehr, er ist ein Meister der Stimmungen und Zwischentöne. Außerdem zeichnet er in seinen Romanen immer sehr eigenartige, individuelle Gestalten. Du musst unbedingt Pan, Mysterien, Hunger und die Landstreicher-Trilogie lesen. :applause:


    Gruß
    mofre

    :study: Zsuzsa Bánk - Die hellen Tage

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • "Pan" steht schon viel zu lange ungelesen auf meinem Regal, ich sollte das mal schleunigst ändern, wenn ich mir den Thread so durchlese.
    Was mich sehr fasziniert hatte, war das Zitat aus "Segen der Erde". Danke dir dafür, mofre! Leider gibt es "nur" noch gebrauchte Exemplare von dem Buch (oder ich war einfach nur zu blind zum finden). Wie auch immer, ich habe mir ein Exemplar ausgeguckt, das in den nächsten Tagen bei mir ankommen müsste.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • "Pan" steht schon viel zu lange ungelesen auf meinem Regal, ich sollte das mal schleunigst ändern, wenn ich mir den Thread so durchlese.

    Es wurden noch ein paar Jährchen bis ich diesen Vorsatz in die Tat umsetzte.


    Und nun hier mein Leseeindruck.


    Leutnant Glahn ist eine äußerst interessante Figur, die sich in und mit der Natur sehr wohlfühlt, aber wie ich finde, sich mit Menschen äußerst schwer tut. Mir persönlich war er herzlich unsympathisch und mein Mitleid mit ihm hielt sich sehr in Grenzen. Dann gibt es noch Edvarda. Eine junge Frau, in die er sich verliebt, die aber mit den Gefühlen von ihm nur spielt. Mir kam sie gelangweilt vor, die froh war ein neues "Opfer" für ihre manipulierende Spielchen und Zerstreuung zu finden. Das Gegenstück von Edvarda ist wiederum Eva, die Glahn ohne Wenn und Aber liebt. Was Hamsun aus dieser Konstellation gemacht hat, sollte man selbst lesen. Besonders das Ende fand ich sehr interessant, denn das lieferte mir ein weiteres Puzzlestück zu Glahns Charakter.


    Ich bin schlichtweg schwerst beeindruckt wie virtuos Hamsun schreibt. Seine Landschaftsbeschreibung, eingebettet und verwebt mit der Geschichte, sind wahnsinnig gut gelungen. Auch die Charakterbeschreibungen der Protagonisten waren einfach nur klasse! Immer wieder kommt mir als Stichwort "gut komponiert" in den Sinn. Da passt einfach alles zusammen. Trotzdem noch mal als Warnung, dass die Geschichte selbst beileibe keine Wohlfühlliteratur ist, was mir aber mein Lesevergnügen keineswegs geschmälert hat, obwohl ich öfters mal kurz innehalten und Luft holen musste.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024