4. Teil: Kapitel XX. bis Ende

  • Wie geplant habe ich das Buch beendet.
    Der letzte Abschnitt ist geprägt vom Ausbruch des ersten Weltkriegs und wie Alihodscha tat es mir ein bisschen weh, dem Verfall des städtischen Lebens rund um die Brücke zuzusehen. Mit dem letzten Kapitel schafft Andric einen wehmütigen und sehr passenden Abschluss für sein Buch.


    "Die Brücke über die Drina" ist ein in vielen Dingen ungewöhnliches Buch, vieles habe ich so noch nie gelesen. Als ich gerade den Artikel zum Roman im "Buch der 1000 Bücher" gelesen habe, wurde auch dort die mir oft aufgefallenen orientalisch-märchenhafte Erzählweise erwähnt. Die Brücke bietet Andrics Chronik eine Bindeglied zwischen Zeiten und Generationen, das er nicht passend in den Mittelpunkt stellt, wie sie auch jahrhundertelang der Mittelpunkt des städtischen Lebens war. Dass das Buch auch noch in einer Gegend spielt, die für mich literarisches Neuland ist, und über deren Geschichte und Kultur ich wenig weiß, machte das Buch besonders reizvoll. (Allerdings mehr meiner Unbildung, als der Leistung des Autors anzurechnen :uups: )


    Noch zwei eher technische Anmerkungen: Ich habe die Ausgabe oben aus der Serie "Romane des Jahrhunderts" von Suhrkamp, die ich sehr liebe, wegen ihrer Ausstattung und der wirklich hohen Qualität der Romane. Leider gibt es keine neuen Bände und viele sind auch nicht mehr erhältlich :cry:
    Seltsamerweise hatte mein Band ab etwa S. 320 anderes Papier, das ist mir noch nie bei einem Buch passiert. Bei Euch auch?


    Katia

  • Eine schöne Geschichte.


    Ich muss sagen inhaltlich war der erste Teil des Buches besser, für mich interessanter, aber zu kurz geschrieben. Will sagen, dass die Protagonisten im ersten Buch etwas zu kurz beschrieben, oder deren Geschichte zu kurz kam. Vom Inhalt war mir die Entstehung der Brücke angenehmer. Mein Beruf, Bauingenieur, ist vielleicht ein Grund dafür.
    Der zweite Teil war dann ausführlicher und mit großer Sorgfalt geschrieben. Seine Art Dinge zu sehen, Dinge detailgetreu zu beschreiben, hat mir sehr gefallen.
    Für die Geschichte kann Andric nichts. Man kann ihm keinen Vorwurf machen welch politische Wandlungen sich um die Brücke vollzogen haben.
    Wir können darüber diskutieren, ob die "Schwaben" das Leben lebenswerter gemacht haben, indem sie Wasserleitung, Beleuchtung und Sauberkeit gebracht haben, aber wir können es geschichtlich nicht wegreden.
    Alihodscha lies uns an senen Gedanken teilhaben als er uns zum Schluss zeigte, was wir Menschen aus unserer Erde machen.


    Zitat:
    Wer weiß, vielleicht werden diese Unmenschen, die mit ihrem Tun alles ordnen, putzen, ändern und zurechtmachen, um es sofort danach zu verschlingen und zu zerstören, sich über die ganze Erde verbreiten, vielleicht werden sie aus der ganzen weiten Welt ein wüstes Feld für ihr sinnloses Bauen und henkerisches Vernichten machen, eine Weide für ihren unersättlichen Hunger und ihre unfaßbaren Gelüste?


    Gut das der Satz mit einem Fragezeichen endet!

    Seien Sie vorsichtig mit Gesundheitsbüchern - Sie könnten an einem Druckfehler sterben. #-o


    Mark Twain

  • Was mich bewegt:


    In diesem Teil wird ja wieder darauf hingewiesen, wie euphorisch viele Menschen in den I. Weltkrieg gingen. Ein Tatbestand, den ich ja nie begreifen kann. Im Buch wird auch von den Alten geschildert, wenn die Jugend keinen Krieg kennt, dann rennen sie voller Elan hinein.
    Am Dienstag war Helmut Schmith bei Meischberger, der hat eigentlich das Gleiche über die heutige Generation gesagt. Irgendwie bedrückt und bewegt mich das sehr!


    Insgesamt ähnelt die Situation heute stark der Sitaution von damals, schrecklich!

  • Heute bin ich auch (nach "berufsbedingten" Verzögerungen, endlich) fertig geworden und bin und bleibe beeindruckt von diesem Buch.
    Dass Alihodscha fast das ganze Schlusskapitel prägt, freute mich sehr, denn er wurde mir im Laufe des Lesens zu einer der positivsten Figuren: er wehrte sich irgendwie gegen die Einseitigkeit, selbst wenn er damit stets quer dachte und handelte. Dann steht man halt auf einsamer Flur, manchmal, aber so ist es wohl.
    Der innere Monolog des letzten Kapitels hat mich sehr beeindruckt, vor allem übrigens auch dieselbe Stelle wie die von Alwin zitierte.
    Was soll der Fortschritt, wenn er sich selbst auffrißt?, war mein Gedanke. Bauen wir auf, um einzureissen? Sind manche "zivilisatorischen Schritte" nicht fast selbstmörderisch?
    Die Beschreibung des Wechsels zwischen heilvoller, erfüllter Stille, dann unheilsvollem, todbringendem Getöse und Krach, dann wiederum "nichtiger, toter" Stille war sehr beeindruckend in diesen letzten Seiten!!!
    Natürlich habe ich auch einiges gelernt über diese Gegend. Wenn aber in mir trotzdem ein Wirrwarr bleibt (die sind dann hier, dann da gewesen; die verschiednen Völker etc.) dann mag das etwas widerspieglen von der unglaublichen Komplexität und Vielschichtigkeit der Geschichte dieses Landstriches und... seiner Gegenwart.

  • Ich habe das Buch nun auch beendet.


    Das Ende fand ich recht stimmig, wenn auch traurig. Die von Alwin zitierte Textstelle fiel mir auch ins Auge, doch wie (einige Kapitel davor) schon mal erwähnt wurde, wo ein Licht, da auch ein Schatten.
    Es ist sicher keine Lösung, sich dem Fortschritt von Wissenschaft und Technik zu verschließen. Ein vernünftiger Umgang damit wäre wünschenswert.


    Ich kann jetzt nicht sagen, ob mir das Buch gefallen hat, oder nicht, noch weniger, ob ich es weiterempfehlen kann. Wie Katia schon sagte, auch ich habe noch nie etwas in diese Richtung gelesen. Die Brücke als Protagonist, als Beobachter eines Landstriches durch die Jahrhunderte. Eine sehr interessante und faszinierende Ausgangsstellung.


    Für mich sehr lehrreich die Geschichte dieses Landes (bzw. dieser LÄnder), v.a. die Zeit vor Ausbruch des 1. Weltkrieges. Ich hatte mir noch nie Gedanken gemacht, was in diesem Landstrich vor dem unheilvollen 28.Juni 1914 in Sarajevo vor sich ging.


    Alles in allem, ein beeindruckendes Werk!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Ich hatte gedacht, dass eventuell noch ein Eintrag kommen würde; ansonsten ist es nun für mich die Möglichkeit, an dieser Stelle noch für das gemeinsame Lesen zu danken!

  • Bitteschön Tom.


    Ich hatte auch noch gewartet, aber vielleicht ergeht es den anderen wie mir: Ich bin eigentlich ziemlich sprachlos. Die Geschichte der Brücke und ihren Menschen war bedrückend und nah, weil es Realität war. Aber so als Brücke hat es mich vom Roman her nicht so bewegt oder getroffen. Also irgendwie fehlt mir ein gewisser Ansatzpunkt.


    Aber ich habe das Buch gerne gelesen, auch mit Interesse.

  • Auch ich hatte noch auf weitere Wortmeldungen gehofft. Leider sind die ausgeblieben.


    Auf jeden Fall hat mir das Buch gefallen und ich hab nebenher noch ein wenig Balkan-Geschichte gehabt.

    Seien Sie vorsichtig mit Gesundheitsbüchern - Sie könnten an einem Druckfehler sterben. #-o


    Mark Twain

    Einmal editiert, zuletzt von alwin03 ()

  • Halli,
    entschuldigung für die Verspätung. Ich habe das Buch zwar schon vor einer Woche zu Ende gelesen, habe es aber aus zeitlichen Gründen nicht eher geschafft zu schreiben.
    Auf einen Punkt möchte ich auf jeden Fall nocheinmal eingehen, da ich ihn schon häufiger hier gelesen habe. Viele meinen, daß die Protagonisten in den ersten Kapiteln zu kurz, vielleicht auch zu oberflächlich beschrieben werden. Zum Ende hin werden die Episoden länger. Genau dieser Punkt hat mir auch so gut gefallen. Wir dürfen doch nicht vergessen, daß es um eine ca. 400-jährige Geschichte geht. Natürlich liegen da die Anfänge mehr im Dunkeln und können nicht so genau beschrieben werden, gerade wenn einzelne Menschenschicksale im Spiel sind. Es ist einfach zu lange her. Der Bau der Brücke konnte noch sehr detailiert beschrieben werden. Das kann man sich ja auch gut vorstellen. Aber was drumherum geschah, liegt im Dunkeln der Geschichte.


    Viele Grüße
    Leseratte

    ...Dann sagte ein Lehrer: Sprich uns vom Lehren.
    Und er sagte:
    Niemand kann Euch etwas eröffnen, das nicht schon im Dämmern Eures Wissens schlummert.


    Khalil Gibran
    Der Prophet