Ernst Jünger - In Stahlgewittern

  • Ich lese gerade "In Stahlgewittern" von Ernst Jünger.


    Klappentextauszug der Klett Ausgabe von 1961:


    "In Stahlgewittern" ist jenes Buch, mit dem Ernst Jünger im eigentlichen Sinn in die Weltliteratur eingetreten ist.
    Das Werk, 1919 entstanden, ist mittlerweile in vielen Sprachen erschienen und gilt als das klassische Zeugnis des ersten Weltkriegs, an dem sich der letzte Mythos des europäischen Geistes, nämlich des Kriegers in Stahlgewittern, gebildet hat.


    Andrè Gide hat in seinen Tagebüchern dieses Werk gerühmt und als das menschlichste aller Kriegsbücher bezeichnet.
    Dieses Buch ist mit seinem Titel selbst zur Mythe geworden.
    Als Denkmal höchster Mannesbewährung steht es auf der Grenzscheide zweier Welten, zwischen dem sagenumwobenen, ruhmbeglänzten Bereich des Einzelkämpfers und der neuen Realität der atomaren und bakteriellen Maschinenkampfmittel.


    So weit der Klappentext.


    Über Jünger selbst weiss ich nicht allzuviel.
    Er wurde jedenfalls uralt, ich glaube 102 Jahre, und sein Werk, vor allem seine frühen Werke gelten ja als ziemlich umstritten.
    Man warf ihm vielfach die Verherrlichung von Soldatentum und Krieg vor und man bezeichnete ihn als Teilzeitideologen.
    Trotzdem erhielt er 1982 den Frankfurter Goethe-Preis.


    Ich jedenfalls gestehe es jedem zu das er nach zwanzig oder mehr Jahren seine Meinung zu einer bestimmten Sache, auch grundlegend ändern kann.
    Wenn man bedenkt das Jünger das Buch im Alter von 24 Jahren veröffentlicht hat, und die darin erlebten Geschehnisse in einer Zeit, in der der Autor zwischen 19 und 23 Jahre alt war durchlebt wurden so finde ich zeigt das doch mindestens eines, nämlich das dieser Mensch, zu dieser Zeit noch verdammt jung war.


    Das Buch zeigt ja auch zu Beginn wie fehlgeleitet diese Generation zu diesem Zeitpunkt schon war, die schwärmerische Sehnsucht nach einer richtigen Schlacht, den Hurra-Patriotismus mit dem viele damals (das Buch beginnt mit seiner ersten Frontverschickung im Dezember 1914) in den Krieg zogen.


    Dann, kaum ist der Krieg zu Ende, veröffentlicht Jünger seine überarbeiteten Tagebücher unter dem Titel "In Stahlgewittern", unter dem frischen Eindruck des verlorenen Krieges, die Monarchie hatte eben erst abgedankt, eine Revolution war in Deutschland gerade im Gange, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurden ermordet und die "Weimarer Republik" war noch Zukunftsmusik.


    Für mich persönlich jedenfalls, der das Buch jetzt bis ca. zur Hälfte gelesen hat ist dieses Werk trotz allem ein Anti-Kriegsbuch, weil es in seiner drastischen Klarheit eine Sache ganz deutlich zeigt, nämlich die Grausamkeit,Überflüssigkeit und Verwerflichkeit eines Krieges.


    Eure Meinung zu diesem Buch würde mich sehr interessieren, wer von euch hat es schon gelesen ?

  • Zitat

    Original von Leserausch
    Für mich persönlich jedenfalls, der das Buch jetzt bis ca. zur Hälfte gelesen hat



    Leserausch


    Ich habe den Thread in den >Ich lese gerade<-Bereich verschoben, da du das Buch ja, wie du sagst, noch nicht beendet hast, und von daher eine abschliessende Rezension nicht möglich ist. :idea:


    Gruss Bonprix ;)

  • jou, bin jetzt durch mit dem Buch und habe meiner Halbzeit-Rezession vom letzten mal eigentlich nichts hinzuzufügen.


    @bonprix: da ich ja jetzt durch bin mit dem Buch, würdest Du es jetzt bitte nach: Vorstellungen, Rezensionen & Empfehlungen » Kriegs- / Politromane verschieben ???

  • Zitat

    Original von Leserausch
    Wenn man bedenkt das Jünger das Buch im Alter von 24 Jahren veröffentlicht hat, und die darin erlebten Geschehnisse in einer Zeit, in der der Autor zwischen 19 und 23 Jahre alt war durchlebt wurden so finde ich zeigt das doch mindestens eines, nämlich das dieser Mensch, zu dieser Zeit noch verdammt jung war.


    Zitat

    Dann, kaum ist der Krieg zu Ende, veröffentlicht Jünger seine überarbeiteten Tagebücher unter dem Titel "In Stahlgewittern", unter dem frischen Eindruck des verlorenen Krieges, die Monarchie hatte eben erst abgedankt, eine Revolution war in Deutschland gerade im Gange, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurden ermordet und die "Weimarer Republik" war noch Zukunftsmusik.


    Ganz wichtig ist bei der Lektüre von "In Stahlgewittern" zu bedenken, daß der Autor das Buch im Laufe der Zeit mehrmals umgeschrieben hat. Fast jede neue Auflage ist eine neue veränderte Fassung. Der Inhalt wurde im Laufe der Zeit durch Jünger auch entschärft.

  • Ich sehe gerade, dass ich meine Meinung zu diesem Buch, über das ich letztes Semester eine Hausarbeit geschrieben habe, noch gar nicht hier gepostet habe. Seltsam, irgendwie dachte ich, das hätte ich längst getan. :-k Egal... Um Leserauschs Frage zu beantworten, auch wenn sie nun schon länger zurückliegt:


    Ich habe von diesem Buch die allererste Fassung von 1920 gelesen, die heute kaum noch zu bekommen ist und die ich selbst auch nur als Kopie von unserer Dozentin hatte (die Ausgabe, die Leserausch hier vorgestellt hat, ist die 7. und letzte Fassung, da Jünger das Buch seit 1920 viele Male überarbeitet hatte und es eben in 7 verschiedenen Fassungen veröffentlicht wurde). Man kann etwa drei Entwicklungsstadien der Entstehung des Buches unterscheiden: Die Ausgaben von 1920 und 1922; die dritte Fassung in der Ausgabe von 1924; und die Änderungen in der Ausgabe von 1934 (die danach folgenden Fassungen enthalten nur kleinere Änderungen). Die Erstausgabe erschien, wie gesagt, 1920 im Selbstverlag; 1922 wurde Jünger dann eine Veröffentlichung im traditionsreichen Mittler-Verlag angeboten, deshalb überarbeitete er sein Buch zum ersten Mal. Er entfernte alle Fotos bis auf das Verfasserfoto (was ich sehr schade finde, denn die Fotos vermitteln beim Lesen einen guten Eindruck von der Atmosphäre an der Front), nahm stilistische Verbesserungen vor, bemühte sich um eine Betonung des Realistischen, und neigte in dieser Fassung dazu, das Gedenken an die Gefallenen zu sakralisieren. Insgesamt waren die Änderungen aber dennoch recht gering. 1924 erschien dann die dritte Fassung, in der die politische Radikalisierung Jüngers zum Vorschein kommt - stellenweise hat das Buch Propagandacharakter und es wird immer wieder (wie auch in der ersten Fassung, nur noch verstärkt) die unerschütterliche Treue des niedersächsischen Soldaten betont (da Jünger zum niedersächsischen Füsilierregiment Nr. 73 gehörte); außerdem gibt es viele stilistische und sprachliche Änderungen. 1934 erschien die vierte Fassung, in der besonders die Streichung sämtlicher nationalistischer Passagen auffällt. Die Vorworte der zweiten und dritten Fassung (die jeweils immer in die neue Fassung integriert worden waren) fehlen und das der ersten Fassung wurde überarbeitet (ab der 5. Fassung hat das Buch gar kein Vorwort mehr). Jünger bemüht sich in dieser Fassung um eine Zurücknahme der eigenen Person und eine erhöhte Distanz zum soldatischen Ich. Die 5. bis 7. Fassung ist jeweils immer nur eine Überarbeitung dieser vierten Fassung mit kleineren, unbedeutenden Änderungen.
    Aber diese ganze Überarbeitungs"orgie" zeigt meiner Meinung nach (und darauf habe ich auch meine Hausarbeit aufgebaut), wie uneins Jünger mit sich war, und wie er immer wieder versucht hat, die Erlebnisse und Gräuel des Krieges in die richtigen Worte zu fassen, ohne jemals völlig zufrieden mit dem Ergebnis zu sein.
    Ich finde, sein Buch sollte daher nicht als antidemokratisch-nationalistischer Text verstanden werden, sondern als Versuch, seinen Kriegsdienst im Angesicht zahlreicher Anfeindungen durch die Daheimgebliebenen (denn damit hatten die Kriegsheimkehrer, und besonders die Freiwilligen, zu denen Jünger gehörte, ja sehr zu kämpfen, dass plötzlich alle mit Unverständnis darauf reagierten, warum sie überhaupt in den Krieg gezogen waren) zu legitimieren und mit sich selbst ins Reine zu kommen.


    *edit* Dieser Blog ist übrigens eine sehr interessante Quelle für alle, die sich vertiefend mit der Materie befassen wollen, und das "Begleitbuch zu 'In Stahlgewittern'" von Nils Fabiansson ist ebenfalls sehr lehrreich. :idea:

  • Als ich dieser Tage Jüngers "Auf den Marmorklippen" las und dann besprach, stieß ich auch auf diesen Fred und las mit Interesse Eure Eindrücke dieses Frühwerks! Danke an alle!

  • JuleBule:
    Hast du den Text der ersten Fassung noch? Wenn ja, würde ich mir die gern kopieren und zusammen mit deiner Hausarbeit gerne lesen (was ich bislang ja leider immer noch nicht geschafft habe).
    Ich finde es höchst interessant, dass der Autor versucht hat, sich und sein Handeln vor der Welt zu rechtfertigen und deshalb immer wieder Änderungen an der Geschichte vorgenommen hat! Irgendwie tut er mir deshalb auch leid. Ich meine, überlegt mal, ihr zieht in den Krieg, weil ihr es z.B. für eure Pflicht haltet oder schlichtweg euer Zuhause beschützen wollt, dann kommt ihr aber geschlagen nach Hause und werdet auch noch von den eigenen Leuten angefeindet. Sowas muss schrecklich sein, zumal ihr nur beschützen wolltet, was euch wichtig ist, für die Politik und die Gründe des Krieges könnt ihr ja nichts (so empfinde ich übrigens auch für die Vietnamsoldaten oder die Soldaten, die im Irak waren/sind)! :|

  • JuleBule:
    Hast du den Text der ersten Fassung noch? Wenn ja, würde ich mir die gern kopieren und zusammen mit deiner Hausarbeit gerne lesen (was ich bislang ja leider immer noch nicht geschafft habe).

    Jo, den hab ich noch, allerdings ist da überall mit Textmarker drin rumgemalt, daher weiß ich nicht, ob der sich nochmal kopieren lässt. :wink:

    Ich finde es höchst interessant, dass der Autor versucht hat, sich und sein Handeln vor der Welt zu rechtfertigen und deshalb immer wieder Änderungen an der Geschichte vorgenommen hat!

    Naja, das ist meine Interpretation - ob das nun tatsächlich der Grund war, kann ich nicht sagen.

  • Naja, vielleicht hat Jünger erst mal drauf los geschrieben (er war ja noch ziemlich jung damals) und erst hinterher gemerkt wie das eine oder ander der Änderung bedurfte.
    Ich finde das gut wenn ein Autor sich selbst verbessert, zumal bei einem so heiklen Thema ...

  • Naja, das ist meine Interpretation - ob das nun tatsächlich der Grund war, kann ich nicht sagen.


    Interessanter Austausch...


    Ich könnte mir vorstellen, dass es Jünger nicht so sehr um eine Selbstrechtfertigung ging, sondern um eine größere Klarstellung. Es wurde später immer offensichtlicher, wie man ihn zum Teil BENUTZEN wollte. Bei aller ziemlich "rechten" Haltung hatte er anscheinend für einen billigen Nationalismus oder dann natürlich den faschistischen Wahnsinn garnichts übrig (das gilt dann also besonders ab der 4. Fassung, wenn ich recht verstanden habe).

  • Da bin ich froh, dass ich keine große Rezension schreiben brauche, sondern nur meine kleinen Leseeindrücke anfügen darf. :wink: Im Grunde müsste man die Jahrzehnte währende Kontroverse um Ernst Jünger und sein - ich sage einfach mal - konservatives (demokratiefeindliches? nationalistisches?) Denken mit einbringen, was einen schon deswegen vor Unwägbarkeiten stellt, weil der Autor selbst unwägbar ist - er auch progressiv und aufgeschlossen daherkommt, nicht nur dank seiner "hippiesken" Rauschdrogen-Experimenten der später 1960er. Das Drumherum spar ich mir also einfach mal, und nehme nur das Buch selbst zur Hand. "In Stahlgewittern" versammelt die Fronterfahrungen des Ersten Weltkrieges des seinerzeit Anfangzwanzigers Ernst Jünger. Es handelt sich gewissermaßen um ein ausformuliertes Tagebuch, ohne dass die Erlebnisse in Romanform gegossen würden. Was meiner Meinung nach das große Plus dieses Buches ist, da jede Roman-tisierung des Krieges außen vor bleibt, die Geschehnisse ohne jede romanhafte Logik, ohne jede "große Geschichte" und ohne eine Absicht der handelnden Figuren erzählt werden, außer: den Feind zu besiegen und selbst mit heiler Haut davonzukommen. Wenn man so will die Essenz des Krieges aus der Sicht des kämpfenden Soldaten. Im Schützengraben (und diesem Buch) ist somit kein Platz für Kritik am Krieg oder pazifistische Gedanken, aber zum Glück auch kein Platz für (allzu große) Kriegstreiberei und für Hurra-Patriotismus. So neutral wie möglich, wozu selbstverständlich gehört, den "Feind zu töten". Ist man gewöhnt an offensichtliche Anti-Kriegs-Literatur, offensichtlich, weil die pazifistische Haltung oder Schreibweise des Autors das Erzählte gleich in die richtige Relation rückt, mag "In Stahlgewittern" befremdlich daherkommen. Ist aber doch im Grunde einfach nur eine meist reine Beschreibung fern jeder Stellungnahme. Und - das ist das wichtigste - wirklich famos geschrieben. Natürlich läuft einem Leser ein leichtes Grausen den Rücken hinunter, weil dem Beschriebenen eben fast jedes Quentchen an Kritik oder Kriegsmüdigkeit fehlt. Allerdings habe ich selten einen eindrücklicheren Bericht über Kriegshandlungen gelesen. Diverse Aspekte des Stellungskrieges sind mir erst mit diesem Buch aufgegangen. Wer einen Spielfilm über eine Schlacht des Weltkrieges drehen will, braucht einfach nur die Beschreibungen Jüngers eins zu eins zu übernehmen, die wie eine Kamera aus kleinen „Einstellungen“ ein Mosaik des Kämpfens erstellen, was wirklich seinesgleichen sucht. Fernab jeder Kritik am umstrittenen Autor Ernst Jünger ein jeder Aufmerksamkeit wertes Buch: Vier lesenswerte Sterne für dies literarische Wüten. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "Die Bäume" (214/365)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 43 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Esch "Supercool" (24.03.)

  • Inhalt: Jünger beschreibt seine Erlebnisse als Offizier im ersten Weltkrieg.


    Meine Meinung: ich habe das Buch verschlungen - weil ich es einfach nicht glauben konnte, weil ich es hinter mich bringen wollte. Ich hatte immer wieder von diesem Machwerk gehört und wollte mitreden können. - Es ist vielleicht das ekelhafteste, was ich je gelesen haben, obszön, menschenverachtend, überheblich und, ach ich weiß gar nciht, wie ich meine Abscheu formulieren soll.


    Jünger erzählt vom Krieg als einem großen Abenteuer, wo er als Offizier relativ ungefährdet war und er beschreibt das Sterben anderer, so empfand ich es, genüßlich. Auch Verbrechen wie Gasangriffe machen ihm nicht zu schaffen, er findet alles gut. Ja, er ist sogar überzeugt gewesen, dass die Nachwelt ihm und seinem Gesocks ein riesiges Denkmal aufstellen würden, wenn sie erst einmal erkannt hat, was für Teufelskerle sie waren und was sie für die Welt geleistet haben. Ihm eignet tatsächlich eine sprachliche Begabung, die kann man ihm nicht ansprechen, aber er nutzt sie in diesem Drecksbuch eben nur dazu, diese perverse Sichtweise auszubreiten. Es ist ekelhaft.
    Ich frage mich jetzt, ob man ein solches Buch lesen sollte. Es könnte ja evtl. dabei helfen, die Schrecken des Krieges deutlich zu machen ode die Einstellung von Kriegsbefürwortern klarer zu machen. Aber dagegen spricht die Überhöhung des Krieges, die den roten Faden darstellt. Rechte Hohlköpfe könnten dieses Machwerk evtl. sogar goutieren und ihre Freude daran haben. Ich persönlich bereue es nicht, dieses Buch gelesen zu haben, auch wenn es eine schlimme, böse Erfahrung war. Ich konnte mir einen solchen Charakter vorher einfach nicht vorstellen. Jetzt weiß ich, dass es sowas gibt. Kein schönes Wissen, aber eben Realität.
    Pfui Teufel!