Klappentext (leicht geändert):
»Der Friede von Oranienburg« ist der Name für die Jahre und Jahrzehnte nach dem großen Krieg. Aber dieser Name bezeichnet keine Epoche des Wiederaufbaus, sondern eine der Sühne, der Vergeltung und Rache. Nach dem Willen der Sieger sollen die geschlagenen Feinde aus den Ruinen ihrer Städte und Industrien zurückkehren auf die Rübenfelder und Schafweiden eines vergangenen Jahrhunderts. Drei Menschen begegnen sich in Moor, einem verwüsteten Kaff an einem See im Schatten des Hochgebirges. Ambras, der »Hundekönig« und ehemalige Lagerhäftling, wird Jahre nach seiner Befreiung Verwalter jenes Steinbruchs, in dem er als Gefangener gelitten hat. Verhaßt und gefürchtet haust er mit einem Rudel verwilderter Hunde im zerschlissenen Prunk der Villa Flora. Lily, die »Brasilianerin«, die Grenzgängerin zwischen den Besatzungszonen, die vom Frieden an der Küste des fernen Landes träumt, lebt zurückgezogen in den Ruinen eines Strandbades. An manchen Tagen aber steigt sie ins Gebirge zu einem versteckten Waffenlager aus dem Krieg, verwandelt sich dort in eine Scharfschützin und macht Jagd auf ihre Feinde. Und Bering, der »Vogelmensch«, der Schmied von Moor: Er verläßt sein Haus, einen wuchernden Eisengarten, um zunächst Fahrer des Hundekönigs zu werden, dann aber dessen bewaffneter, zum Äußersren entschlossener Leibwächter. Doch in diesem zweiten Leben schlägt ihn ein Gebrechen, ein rätselhaftes Leiden am Auge, dessen Namen er in einem Lazarett erfahren soll: Morbus Kitahara, die allmähliche Verfinsterung des Blicks.
Christoph Ransmayr spielt mit der Idee, was gewesen wäre, wenn der Morgenthau-Plan tatsächlich in Deutschland nach dem Krieg durchgesetzt worden wäre. Die Industrieanlagen werden demontiert, das Schienennetz stillgelegt, Elektrizität mit Diesel-Generatoren erzeugt, usw. Die Menschen aus dem Ort Moor, gelegen an einem See am Fuß eines Hochgebirges, leben von Arbeiten im Steinbruch (der im Krieg von Zwangsarbeitern bearbeitet wurde und nun den neuen Herren, also den Amerikanern, gehört), von der Landwirtschaft und vom Fischfang. Waffen sind verboten, umherziehende Räuberbanden machen den Einheimischen das Leben schwer, um den Ort zu verlassen, benötigt man einen Passierschein.
Es ist also ein düsteres, deprimierendes Umfeld, in dem die Geschichte spielt, die sich über 20-30 Jahre hinzieht. Inhaltlich geht es vor allem um die drei Protagonisten (ansonsten spielen nur noch vier bis fünf Nebenpersonen eine Rolle) und ihre Beziehungen zueinander. Was ich vermisst habe: Eine Wandlungsfähigkeit der Personen. Sie bleiben über die Jahrzehnte hinweg immer dieselben, sind dadurch recht vorhersehbar in ihren Handlungen und scheinen alterlos. Es ist schwierig, ihnen nahezukommen. Sogar Ambras und sein Schicksal als Lagerhäftling im Steinbruch bleibt auf Distanz.
Ransmayrs Sprache ist bildhaft und anschaulich. Dennoch ist es nicht leicht, das Buch zu lesen; es benötigt Konzentration und Aufmerksamkeit, um die vielen Details aufzunehmen und den Gedanken Berings, aus dessen Sicht die Geschichte erlebt wird, zu folgen.
Mit diesem Buch habe ich einen Autor kennengelernt, von dem ich zum ersten Mal in Biografien-Raten ( @ Mara) gehört habe. Das Buch war interessant zu lesen, war mir aber im Moment zu düster und hoffnungslos. Sollte ich einem anderen Buch von Ransmayr irgendwann begegnen, werde ich es sicher lesen, aber soo begeistert, dass ich mich nun auf alle seine Bücher stürzen würde, bin ich nicht.
Marie