Fjodor Dostojewkij - Schuld und Sühne / Verbrechen und Strafe / Prestuplenie i nakazanie

  • Kurzbeschreibung (von Amazon kopiert)Rodion Raskolnikow, ein verarmter Student, ist von der Idee besessen, daß es dem "großen" Menschen erlaubt sei, "lebensunwertes" Leben zu vernichten, um "lebenswertes" zu erhalten. Er begeht einen Doppelmord an einer alten Wucherin und deren halbirrer Schwester, um mit dem geraubten Geld sein Studium zu finanzieren. Doch seine Psyche kann die Tat nicht verkraften. In einem bitteren Prozeß der Bewußtwwerdung lernt er die Strafe als Sühne zu begreifen und erfährt die erlösende Kraft der Liebe. "Schuld und Sühne" oder "Verbrechen und Strafe", erschienen 1866, ist eine Kriminalgeschichte von atemberaubender Spannung und gilt als der bestkomponierte Roman Dostojewskijs.


    Da meine Ausgabe keinen Klappentext besitzt, wusste ich überhaupt nicht, was mich erwartet.
    Die Geschichte ist verwickelt und hat ständig neue und überraschende Wendungen. Am meisten hat mich der Satz : "Die eigentliche Ausführung des Verbrechens ist immer von einem krankhaften Zunstande begleitet." zum Denken gegeben. Das beeindruckende ist auch, dass der Protagonist selber über seinen Zustand und Handlungen Erklärungen gibt, andereseits ist er zeitweise nicht Herr seiner Selbst. Er besitzt einen gespaltener Charakter, Denkweise, Handlungen.
    Ein sehr interessantes und empfehlenswertes Buch.

    :rambo: >>Nur ein Feigling stirbt für die Republik, ein Jakobiner tötet für sie!<< G. Büchner: Dantons Tod


    :study:

  • Danke, Chantal, dass Du Dich an diesen Klassiker herangetraut hast mit einer Rezi (ich hatte Dich ja fast dazu eingeladen???...) Er gehört für mich zu den ganz großen Büchern, nicht nur von Dostojewskij, sondern überhaupt.
    Schade, dass z.B. Amazon dann "nur" von einer Kriminalgeschichte spricht. Natürlich gilt das, genau wie für die Brüder Karamasow: Man kann diese Romane echt unter diesem Blickwinkel geniessen! Aber meines Erachtens spricht der russische Autor noch andere Theman an, so wie Du es andeutest: wer und wie das Verbrechen vollführt hat steht von Anfang an klar da, aber wie geht Raskolnikoff mit seiner Tat, mit seiner "Schuld" um, er, der so große Theorien hatte über das "alles ist erlaubt"? Was folgt in seinem Innenleben? Führt nicht alles fast zu einer Sehnsucht, entdeckt zu werden?
    Auf dieser Ebene wird die Begegnung mit der Armut anderer, mit der sich für die Familie prostituierenden und dennoch "unschuldigen" Sonja zur Entdeckung der anderen Seite in sich, zur Möglichkeit einer inneren Befreiung durch Bekenntnis der Schuld, bzw. das Auf Sich Nehmen der Folgen.
    Gerade bei den "Marmeladows", der Familie von Sonja, kommt es zu Szenen solch eindringlicher Schönheit und Traurigkeit, dass ich innerlich beim Lesen ganz erschüttert bin.
    Ich glaube, dass ich das Buch nun dreimal gelesen habe. Das letzte Mal irgendwann im letzten Jahr mit der Übersetzung von Svetlana Geier, die sich wirklich hervorragend liest. Diese Frau ist gebürtig russischsprechend, aber lebt seit Jahrzehnten in Deutschland.
    Ein absoluter Klassiker!!!

  • Zitat

    Original von tom fleo
    Ich glaube, dass ich das Buch nun dreimal gelesen habe. Das letzte Mal irgendwann im letzten Jahr mit der Übersetzung von Svetlana Geier, die sich wirklich hervorragend liest. Diese Frau ist gebürtig russischsprechend, aber lebt seit Jahrzehnten in Deutschland.
    Ein absoluter Klassiker!!!


    Das habe ich im Radio gehört. Diese Frau übersetzte schon sehr viele russische Titel ins Deutsche. Aber benutzte sie nicht einen anderen Titel, der dem russischem Origingal mehr entspricht?

  • Stimmt sSs, es heißt "Verbrechen und Strafe" und das entspricht dem russischen Titel auch genauer. Den Roman "Dämonen" übersetzt sie als "Geister". Ich habe auch ihre Übersetzung gelesen, kenne allerdings keine andere, allerdings kann ich den Eindruck nur bestätigen: sie liest sich wunderbar!


    Katia

  • Ehrlich gesagt, finde ich die Beschreibung von Amazon überhaupt nicht passend :uups:
    aber an eine eigene Beschreibung traue ich mich einfach nicht. 8-[

    Was die Titel betrifft, finde ich, dass "Schuld und Sühne" einfach schöner klingt, obwohl "Verbrechen und Strafe" von dem Sinn her richtiger ist.

    :rambo: >>Nur ein Feigling stirbt für die Republik, ein Jakobiner tötet für sie!<< G. Büchner: Dantons Tod


    :study:

  • Wow, ein tolles Buch, und wiedermal eines das mich überrascht hat.
    Wenn man bedenkt, dass fast das ganze Buch nur davon handelt, wie Raskolnikow mit seiner Schuld, den Verdächtigungen und dem Gedanken an Beichte umgeht, und Dostojewskij damit so ein dickes Buch gefüllt hat, ist man doch erstaunt. Erstaunt darüber wie spannend es sich dennoch lesen ließ, da die unterschiedlichsten Wendungen und Menschen die ihn begleiten immer wieder neuen Schwung und neue Denkanstöße zu diesem Thema geben, und erstaunt darüber, wie leicht sich dieser Klassiker verschlingen ließ.
    =D>

    "Wie soll auch eine Generation von Männern, die hauptsächlich von Müttern, Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen umsorgt und erzogen wurde, Frauen glücklich machen?"
    (Generation Doof)

    Einmal editiert, zuletzt von fensterfisch ()

  • In diesem handlungsarmen Roman begleiten wir den Mörder Raskolnikow. Schon früh verfasste er die Theorie, „nutzlose“ Menschen dürften aus dem Weg geräumt werden, um den „gewinnbringenden“ Menschen zugute zu kommen und der moralischen Frage, ob der Tod einer Person gerechtfertigt sei, wenn dadurch hundert Weiteren das Leben gesichert sei.
    Raskolnikow selber glaubt, zu der zweiten Kategorie anzugehören – die der außergewöhnlichen und wertvollen Menschen – und nimmt sich das Recht, die alte Pfandleiherin mit dem Beil zu erschlagen. Anstatt ungerührt und teilnahmslos über die Leiche hinweg zu schreiten, wie seinerzeit Napoleon, plagen ihn nach der Tat Abscheu und Panik.


    Sehr anschaulich, minutiös beschreibt Dostojewski die Folgen des schlechten Gewissens. Ein psychologisches Bild der Extraklasse. Paranoia, Alpträume, Misstrauen… und ständig mit einer unterdrückten Sehnsucht nach Aufdeckung. Raskolnikow läuft kopflos durch die Straßen, entsagt sich seiner Familie, entfernt sich von der Menschheit, Fieber und Ohnmachtsanfälle lassen ihn durchdrehen.


    Ein überheblicher, unsympathischer Charakter, der sich über seine humanen Züge ärgert (wie die vielen Geldspenden). Sein einziger Halt ist die Prostituierte Sonja, mit deren Liebe er das aufgekommene Desaster besteht. Die plötzliche Ergebenheit Sonjas ist mir rätselhaft geblieben. Seine Theorie beweist ihm, dass er selbst eine Laus ist, die er getötet hat. Seine Theorie, an die er bis zum Schluss festhält und ihn vom Reuegefühl abhält.


    Gruß,
    dumbler

  • Dank an dumbler, dass er diesen Fred mal wieder hervorgeholt hat...


    Mir fiel auf Deine Kommentare hin ein, dass wir Raskolnikow nur auf einem Stueck seines Weges begleiten, quasi bis zur Selbstdenunziation: das schlechte Gewissen war staerker und


    Zitat

    Original von dumbler ... ständig mit einer unterdrückten Sehnsucht nach Aufdeckung. Raskolnikow läuft kopflos durch die Straßen, entsagt sich seiner Familie, entfernt sich von der Menschheit, Fieber und Ohnmachtsanfälle lassen ihn durchdrehen.


    Dostojevski schliesst (ich habe den Roman leider hier nicht zur Verfuegung. ich bin gerade im Ausland) aber ab mit der Bemerkung, dass dann quasi noch eine ganz andere Etappe vor ihm liegen wuerde. Und man hat - wie bei mehreren Buechern von ihm - den Eindruck, dass er gut haette noch weiter schreiben koennen... Diese Etappe waere jene einer wirklichen Umkehr aus Reue, nicht nur aus Angst und Paranoia.


    Ich denke, dass man den Charakter Sonjas nur auf dem Hintergrund von Dostojevskis suchendem, zweifelndem, aber gleichzeitig auch unerhoert festem Glauben verstehen kann. Sie ist hier absolut eine sogenannte Christusgestalt. Geheimnisvoll bleibt das immer... Ist auch gut so.

  • Hallo Tom,


    Zitat

    Original von tom fleo
    Diese Etappe waere jene einer wirklichen Umkehr aus Reue, nicht nur aus Angst und Paranoia.


    Ich bezweifle, ob Raskolnikow je Reue empfunden hätte, da die tiefe Überzeugung der seinen o.g. Theorie ihm dieses verbietet.


    Zitat

    Sie ist hier absolut eine sogenannte Christusgestalt.


    Genau, fiel mir schon in anderen Werken auf, diese christlich-religiösen Elemente. Zeigt auf, wie wichtig ihm diese Angelegenheit schien. Aber ehrlich, da liefert er ein so gewaltiges, kluges Buch ab und bindet dann solche, fast schon an Naivität grenzenden Auffassung ein, die dem heutigen Leser bloß noch zum Kopfschütteln animieren.


    Gruß,
    dumbler

  • Hallo Dumbler! Interessante Bemerkungen..., danke!


    Zitat


    Ich bezweifle, ob Raskolnikow je Reue empfunden hätte, da die tiefe Überzeugung der seinen o.g. Theorie ihm dieses verbietet.


    Womit Du, im Gegensatz zu Dostojevski, jemandem definitiv die Moeglichkeit einer Aenderung absprichst? Ich spreche nicht von einer schon romaninternen Reue und Umkehr: dort ist der Weg quasi nur bis an die Pforten eines solchen weiteren Weges beschrieben worden (siehe Ende des Romans).


    Zitat

    Aber ehrlich, da liefert er ein so gewaltiges, kluges Buch ab und bindet dann solche, fast schon an Naivität grenzenden Auffassung ein, die dem heutigen Leser bloß noch zum Kopfschütteln animieren.


    Wenn das Naivitaet sein sollte, muss ich fuer meinen Teil zugeben dass - wie Dostojevski es an anderer Stelle agt - es diese Art Naiviataet und Schoenheit ist, die etwas an Trostlosigkeit und Leere aendern koennen. Die wunderbare Logik des Raskolnikov versagt naemlich klaglich, und mit ihr alle heute damit verwandte Logik des Nuetzlichen, Starken etc.

  • Zitat

    Original von tom fleo
    Womit Du, im Gegensatz zu Dostojevski, jemandem definitiv die Moeglichkeit einer Aenderung absprichst?


    Ich muss mich entschuldigen, meine Erinnerung hat mich getrübt, nachdem ich jetzt die letzten Seiten nochmals durchgelesen habe. Du hast Recht, Dostojewski lässt diese Möglichkeit tatsächlich offen. Das ändert dennoch nichts an meine Meinung über Raskolnikow. So wie ich ihn dort kennengelernt habe, traue ich ihm Reue nicht zu. Ein verdorbener, von einer Idee überzeugter Mensch müsste seine bisherigen Denkmuster über Bord werfen, alles, was ihn zu dem macht, vergessen. Ein langer Prozess, aus meiner Sicht unmöglich - sofern er nicht vorzeitig unter Demenz leidet. Vielleicht hab ich auch zuwenig positiven Glauben am Menschen, denn alleine die Tatsache, dass diese Möglichkeit von Reue im Gedächtnis blieb, zeigt, wie wenig ich sie in Betracht ziehe.
    Letztendlich Spekulation, welchen Weg R. einschlagen wird.


    Beste Grüße,
    dumbler

  • So, habe dieses Buch soeben ausgelesen. Mir hat es sehr gut gefallen. Vor allem die sehr ausführliche Beschreibung des schlechten Gewissens der Hauptfigur Raskolnikow und die aufblühende Liebe zu Sonja.


    Ich habe für "Verbrechen und Strafe" jedoch gut drei Monate gebraucht, weil ich zwischendurch immer mal wieder etwas anderes Lesen musste, da es sich teilweise schon sehr zieht.
    Die Übersetzung von Svetlana Geier hat mir gut gefallen und ließ sich gut lesen. Obwohl ich leider keine Vergleichsmöglichkeiten zu anderen Versionen habe.


    Meine Ausgabe von der Fischer Klassik Edition hatte zusätzlich ein Namensverzeichnis was das Lesen vereinfacht hat, weil man immer wieder nachschauen konnte, wenn man bei den russischen Namen Schwierigkeiten hatte. Außerdem gab es im Anhang noch einen Beitrag aus "Kindlers Literatur Lexikon"


    Das Buch bekommt von mir :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Verstehst du, was es heißt, irgendein bescheuertes kleines Musikstück oder eine Band so maßlos zu lieben, dass es wehtut?
    (Almost Famous)

  • Rodion R. Raskolnikow, ehemaliger Student der Rechte, lebt in ärmlichsten Verhältnissen und begeht ein furchtbares Verbrechen. Erst im Verlauf des Romans wird das Tatmotiv, das mit Raskolnikows weltanschulicher Gesinnung in Zusammenhang steht, klarer. Seine Schuldgefühle und Zweifel, seine Ängste und inneren Kämpfe, ob er sich der Obrigkeit stellen soll oder nicht, beherrschen weiterhin die Grundstimmung des Romans, obwohl Dostojewski auch dem Leben und Schicksal anderer Figuren, die des Mörders Wege kreuzen, seine Aufmerksamkeit zuwendet. Schließlich ist es die Prostituierte Sonja, die die Wende herbeiführt und den Mörder veranlaßt, das zu tun, was ihm sein Gewissen längst vorschreibt.


    "Schuld und Sühne" ist nicht nur "der größte Kriminalroman aller Zeiten" (Thomas Mann), sondern auch zugleich eine kunstvoll komponierte Milieu- und Gesellschaftsstudie des Petersburger Lebens um die Mitte des 19. Jahrhunderts, heißt es im Klappentext. Und so habe ich den Roman auch empfunden, als Kunstwerk, das in seiner Vielschichtigkeit der Charaktere und der breitangelegten Handlung seinesgleichen sucht. Als der arme Student Raskolnikow zum Mörder an der alten Pfandleiherin und ihrer geisteskranken Schwester wird, glaubt man an einen schon länger geplanten Raubmord, den er schließlich beging, um seine tristen Lebensverhältnisse zu verbessern. Bald aber wird klar, dass Raskolnikow ganz andere Motive zu dieser Tat bewogen haben. So glaubt er daran, dass ein vom Schicksal dazu Erwählter durchaus eine böse Tat, also auch einen Mord begehen darf, wenn daraus im Endeffekt für andere Menschen etwas Gutes entsteht. Diese Theorie krankt jedoch schon daran, dass Raskolnikow einerseits gar keine größere Geldsumme entwendete, sich nicht einmal für die Höhe des tatsächlich gestohlenen Geldes interessierte, sondern die Beute im Fieberwahn sogleich versteckte. Mir wurde deshalb nicht klar, wie er unter diesen Umständen mit dem Geld Gutes hätte bewirken wollen. Vortrefflich versteht es Dostojewski hingegen, des Mörders Seelenqualen nach der Tat, die zu einer Art Nervenfieber führen, darzustellen. Einerseits zerfrißt ihn die Angst vor der Aufdeckung des Verbrechens, andererseits sehnt er sich beinahe danach, endlich ein Geständnis ablegen und sein Gewissen erleichtern zu dürfen. Schließlich entwickelt sich zwischen Raskolnikow und Sonja ein so vertrauliches Verhältnis, dass der Mörder der Buhlin - wie es im Roman heißt - die Tat gesteht und das Schicksal seinen Lauf nehmen kann. Der Autor stellt seine Genialität aber auch an seinen übrigen Figuren unter Beweis. Mit unglaublicher Intensität versteht Dostojewski am Beispiel der Familie Marmeladow die bittere Armut zu schildern, in die die Familie durch die Trunksucht des Vaters gerät. Ich kann mir gut vorstellen, dass es solche Zustände, wie die im Roman geschilderten, im Russland des 19. Jahrhunderts, wo kein soziales Netz den Gestrandeten auffing, sehr häufig gegeben hat. Gut gefallen hat mir auch Rasumichin, Raskolnikows Freund, der ihm stets treu zur Seite steht, ebenso seine Schwester Dunja und die besorgte Mutter. Auch Dunjas ehemaliger Arbeitgeber, der Gutsbesitzer Swidrigailow, spielt eine interessante Rolle, und so manche unheimliche und geheimnisvolle Figur versteht Dostojewski so geschickt in das Geschehen einzuflechten, dass man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen möchte. Der Untersuchungsrichter Porfirij Petrowitsch sorgt durch seine Art des Verhörs ebenfalls für überraschende und spannende Momente. Raskolnikow hingegen war mir persönlich zu keiner Zeit besonders sympathisch, da ich mich mit seiner verworrenen Lebensphilosophie nicht anfreunden konnte. Was das Genie des Dichters aber auch aus weniger liebenswerten Charakteren zu schaffen vermag, hat Dostojewski hinreichend bewiesen. Dass Raskolnikow sich letztlich doch stellte und die Strafe für sein Verbrechen auf sich nahm, ohne Reue zu empfinden und weiter an der Auffassung festhielt, nur eine "Laus" getötet zu haben, fand ich konsequent und zum Gesamtkonzept passend. Dadurch hat Dostojewski jedes Abrutschen ins Klischeehafte vermieden und kann dem Leser glaubhaft machen, dass allein durch Sonjas Liebe und Rasumichins Treue eine allmähliche Erneuerung und Verwandlung des Mörders Raskolnikow ihren Anfang nehmen kann. Dostojewski widmet aber auch seinen Nebenfiguren mehr Aufmerksamkeit als so mancher heutige Autor seinen Hauptfiguren zuteil werden läßt. Wie einem begabten Zeichner gelingt es ihm, das Wesentliche eines Charakters mit wenigen Strichen zu skizzieren. Dostojewskis Sprache hat mich von Anfang an fasziniert. Ich brauchte keine Anlaufzeit, um mich einzulesen, es gab keine Längen und keine Langeweile. Ebensowenig hatte ich jemals das Gefühl, einen Text aus dem 19. Jahrhundert vor mir zu haben. Vielleicht ist aber auch diese Zeitlosigkeit, die der Autor dem Leser vermittelt, ein Zeichen seines Genies. Für mich war dieser Roman das, was ich mir unter purem Lesegenuß vorstelle.

  • Ich habe diesen einmaligen Klassiker nun auch gelesen. Zugegeben es hat ein bisschen länger gedauert, aber das war es wert. Ich fand es entgegen vieler Meinungen dass dieser Vertreter der klassischen Literatur etwas schwerer zu lesen ist, gar nicht so. Ich habe die Übersetzung von Hermann Röhl gelesen und es hat mir gut gefallen. Nachdem man sich an die etwas andere Wortwahl und Satzstellung gewöhnt hat, liest es sich meiner Meinung nach recht flüssig und verständlich.
    Zum Inhalt: Die Geschichte hat mir von vorne bis hinten extrem gut gefallen. Die eigentliche Straftat ist ja recht schnell begangen, doch was dadurch ausgelöst wird finde ich sehr spannend. Den schon fast kranken Gedankengängen von Raskolnikow zu folgen, auf und ab, fand ich sehr aufregend. Es geht um einen großen Geist mit einer sehr kranken Überzeugung. Dass er letztendlich daran zerbricht an dem was er getan hat, und ihm klar wird dass er doch nicht zu diesen "wichtigen" Menschen gehört, DA er sich so fühlt, wird durch das ganze Buch lang aufgebaut. Das zusammen mit Porfiris Plan, ihn zu überführen, den man irgendwie gar nicht durchschaut, macht es zu einem super Spannungsbogen mit einer erleichternden Auflösung, wie ich finde.
    Insgesamt, also: ein großartiges Buch, das natürlich :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: verdient :)

  • Ich lese gerade Schuld und Sühne. Und es geht mir wie mit dem "Idiot" stellenweise verschlinge ich dieses Buch
    die Detailhaftigkeit die präzise Beschreibung der Charaktere transportiert mir eine Lebhaftigkeit und Tiefe. Ausserdem ist das Buch voller Gedankenanstösse. Allerdings gibt es immer wieder lange Passagen durch die ich mich durchquälen muss um endlich mehr über die vorige Geschichte zu erfahren. Ich hoffe mein Lesegenuss mit Dostojewski wird etwas konstanter.

  • Mir geht es bei den meisten Klassikern so, Stefania, purer Lesegenuß wechselt mit reinster Quälerei. Allerdings war dieser Roman einer von den genußreichen ohne langweilige Abschnitte, wenn ich mich recht erinnere.

  • Ich nehme gerne eine Gelegenheit wahr, einen Dostojewski-Fred hochzuholen und auf eine Person einzugehen, von der hier indirekt schon die Rede war: die Übersetzerin Svetlana Geier, die uns den russischen Autor neu erschlossen hat. Am Wochenende konnte ich einen wirklichphantastischen Dokumentarfilm sehen, indem es sicherlich um das Leben von Frau Geier geht, aber auch den Aspekt des Übersetzens. Ein ganz toller, einmaliger Film, der eine sehr sympathische Frau zeigt! Ausdrückliche Empfehlung!


    Dokumentation über die Übersetzerin Svetlana Geier, die Dostojewskis fünf große Romane ins Deutsche übersetzt hat.


    Kurzbeschreibung
    Swetlana Geier gilt als die größte Übersetzerin russischer Literatur ins Deutsche. Ihre Neuübersetzungen von Dostojewskijs fünf großen Romanen, genannt die "fünf Elefanten", sind ihr Lebenswerk und literarische Meilensteine.
    Swetlana Geiers Leben wurde von Europas wechselvoller Geschichte überschattet und ihr Schicksal ist außergewöhnlich: 1923 in der Ukraine geboren, erlebt sie mit 15, wie ihr Vater bei Stalins politischen Säuberungen verhaftet wird, 18 Monate später schwer misshandelt entlassen wird und kurz darauf stirbt. Mit 18 verliert sie ihre beste Freundin, als SS Kommandos in Kiew 30.000 Juden hinrichten. Während der Besetzung der Ukraine arbeitet sie als Dolmetscherin und wird 1943 mit ihrer Mutter in ein Ostarbeiterlager in Dortmund interniert. Sie erlebt die Gräuel zweier Diktaturen, aber trifft immer wieder auf Menschen mit Zivilcourage und Mut, die sich für sie engagieren und ihr Überleben ermöglichen.
    Nach dem Krieg bleibt sie in Deutschland, studiert, gründet eine Familie und beginnt, russische Literatur ins Deutsche zu übertragen. Heute unterrichtet sie seit 40 Jahren an verschiedenen Universitäten. Sie ist mehrfache Groß- und Urgroßmutter und das Oberhaupt ihrer weit verzweigten Familie.
    Dostojewskijs Werk nimmt in Swetlana Geiers Leben einen besonderen Stellenwert ein. In einem jahrelang dauernden Prozess verleibt sie sich die Texte ein, studiert die Manuskripte Dostojewskijs, reist an die Schauplätze, an denen die Handlungen in den Romanen angesiedelt sind, um deren Geografie zu verstehen und mit den Augen des Schriftstellers sehen zu lernen.
    Mit 85 Jahren reist Swetlana Geier zum ersten Mal seit dem Krieg zurück an die Orte ihrer Kindheit in der Ukraine. Der Regisseur Vadim Jendreyko begleitete sie auf dieser Reise. In Fragmenten zeichnet der Film die Erinnerung der Protagonistin auf, Archivbilder spiegeln dabei die Weltgeschichte wider, deren Zeugin sie war. Er begleitet sie zu den versiegelten Orten ihrer Kindheit und folgt ihr zuhause bei ihren Alltagsaufgaben wie auch bei ihrer literarischen Tätigkeit.
    Der Film verwebt Swetlana Geiers Lebensgeschichte mit ihrem literarischen Schaffen und spürt dem Geheimnis dieser unermüdlichen Mittlerin zwischen den Sprachen nach. Er erzählt von großem Leid, stillen Helfern und unverhofften Chancen - und einer alles überstrahlenden Liebe für Sprache.


    (Quelle und Infos: http://www.amazon.de/gp/produc…=463375193&pf_rd_i=301128 )

  • Es freut mich jetzt sehr, dass ich hier eine Empfehlung für diesen Film lese! Ich habe den Film vor Kurzem von einer lieben Freundin zum Geburtstag bekommen, er liegt schon bereit und ich freue mich auf einen ruhigen Abend, um ihn endlich anzusehen!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • tom leo: Jetzt weiß ich auch wieder, woher der Tipp über die DVD "Die Frau mit den 5 Elefanten" stammte. :lol: Herzlichen Dank für deine Vorstellung! Ich musste mir den Film ja unbedingt kaufen :uups: Leider finde ich keine so schönen Worte für meine Begeisterung, aber hier mal meine bescheidenen Eindrücke:


    Gestern habe ich mir die DVD zum ersten Mal angeschaut und bin restlos begeistert. Eine tolle Dokumentation über Frau Geier. Ein Film den ich mir garantiert noch mehrmals anschauen werde. Eine wirkliche Empfehlung für jemanden, der gerne mehr über Frau Geier erfahren möchte! Ich bin ziemlich beeindruckt von dieser Frau, sie ist sehr belesen, intelligent, einfühlsam! Sie war wirklich eine tolle Frau. Ich hätte sie gerne persönlich kennengelernt.
    Ich fand den Film auch beeindruckend, weil er mir ein großes Stück über Übersetzungsarbeiten gezeigt hat. Da habe ich wirklich ziemlichen Respekt darüber bekommen. Natürlich war mir schon vorher klar, dass es nicht gerade einfach ist einen Text zu übersetzen, aber wie viel Arbeit dahinter steckt; wie eine Übersetzung Stück für Stück entsteht, dass ist mir jetzt viel bewusster geworden.
    Und so ein Stück Frau Geier dabei begleiten zu dürfen, ihre fleißigen Mitstreiter kennenzulernen, dass war schon klasse!


    Rosalita: Hattest du schon mittlerweile einen ruhigen Abend gehabt, um dir den Film anzuschauen? Wie war dein Eindruck gewesen?

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • Ich hab bisher nur Weiße Nächte von Dostojewski gelesen und das fand ich toll. "Schuld und Sühne" ist das nächste Werk von ihm, welches ich mir vornehmen möchte. Nur welche Übersetzung soll ich denn jetzt wählen? :-k

    "Eine ganze Stunde der Seligkeit! Ist das etwa wenig, selbst für ein ganzes Menschenleben?" - Dostojewski