Colum McCann - Zoli

  • Inhalt:
    Zoli Lackowa ist Roma, geboren vor dem Zweiten Weltkrieg in der Nähe von Bratislava. Als junges Mädchen überlebt sie den Holocaust in den Wäldern und lernt dort, höchst ungewöhnlich für eine Zigeunerin, lesen und schreiben. Nach Kriegsende beginnt sie, die Gesänge ihres Volkes in Gedichtform zu publizieren. Doch sowohl ihrer Familie als auch der sozialistischen Regierung sind ihre freisinnigen Texte bald ein Dorn im Auge – und ihre Sippe verstößt sie. Auch ihr Geliebter, der irische Journalist und Ethnologe Stephen Swann, verrät sie, weil er Repressalien fürchtet. Nun ist sie ganz allein, eine Verfemte. Mit nichts als dem, was sie am Leib trägt, macht sie sich auf in jenen Westen, in dem es wahre Freiheit geben soll. Drei Jahre dauert ihre Reise; sie führt durch den Eisernen Vorhang, ihr Ziel ist ungewiss. Und noch länger wird es dauern, bis Zoli ihren verräterischen Geliebten wieder trifft… (Quelle: www.amazon.de)


    Autor:
    Colum McCann wurde 1965 in Dublin geboren. Er arbeitete als Journalist, Farmarbeiter und Lehrer und unternahm lange Reisen durch Asien, Europa und Amerika. für seine Erzählungen erhielt McCann, der heute in New York lebt, zahlreiche Literaturpreise, unter anderem den Hennessy Award for Irish Literature sowie den Rooney Prize. (Quelle: www.amazon.de)


    Meine Meinung:
    Colum McCann hat ein sehr einfühlsames Buch geschrieben. Intensiv lässt er den Leser am Schicksal der Roma Zoli teilhaben. Eine Frau, die in den Traditionen ihres Volkes lebt, aber dann genau von diesem Volk verstoßen wird. Das Buch macht deutlich, dass niemand das Recht hat, über die Lebensweise und die Traditionen der Roma zu lächeln; die typische lächelnde, verständnisheuchelnde Arroganz ist genau das, was diese Menschen nicht verdient haben. Anstatt ihnen mit Verständnis und ehrlicher Toleranz zu begegnen, werden sie nach wie vor ausgegrenzt.
    McCann hat ein Buch geschrieben, dass man nach dem Lesen nicht einfach nur weglegt um sofort nach einem anderen Buch zu greifen. Es ist ein Buch, dass es verdient hat im Gedächtnis zu bleiben und dieses Buch hat es auch verdient, dass man seinem Nachhall lauscht.
    McCann macht sehr deutlich, dass es wenig Sinn macht, den Roma unsere Lebensweise überzustülpen. Gerade diese Lebensweise sorgt dafür, dass auch ihre Traditionen und ihre Geschichte verschüttet werden. Das kann ernsthaft niemand wollen.
    „Zoli“ von Colum McCann ist ein Buch welches ich uneingeschränkt empfehlen kann. Der Autor trifft genau den richtigen Ton, er stellt die Roma nicht als „Wesen aus einer anderen Welt“ da, er beschreibt sie vielmehr so wie sie sind, als ein Volk mit einer eigenen, faszinierenden Tradition, mit eigenen Sitten und Gebräuchen, die zu bewahren, den Roma immer schwerer wird und schwerer gemacht wird.

  • @Voltaire
    Ich stimme dir zu!
    Die Beschreibung dieser einzigartigen Lebensweise ist dem Autor wirklich sehr gut gelungen. Zoli - egal ob die Zeit mit ihrem Großvater oder z. B. ihre Flucht - einfach unbeschreiblich.


    Ich glaube, ich muss mit einem gewissen Abstand das Buch, bzw. mindestens die letzten beiden Abschnitte nochmal lesen... Denn ich weiß nicht, mir "fehlt" irgendwie noch etwas... ich kann mit dem Buch noch nicht so ganz abschließen. :-k

    Liebe Lesegrüße
    Eure Süße
    :study::)


    Erinnerungen, die unser Herz berühren, gehen niemals verloren.

  • Heute habe ich dieses Buch bei ebay ergattert. :D Nun werde ich nach Feierabend sehnsüchtig in den Briefkasten illern. Von McCann habe ich bisher nur "Der Tänzer" gelesen, aber das Buch hat mir sehr gefallen. Bei mir subt auch "Der Himmel unter der Stadt". Aber ihr wisst ja wie das ist. Erst mal raffen, dann stapeln und dann lesen. :loool:

  • Zitat

    Original von Karthause
    Aber ihr wisst ja wie das ist. Erst mal raffen, dann stapeln und dann lesen. :loool:


    Ganz genau so ist es! :-, O:-) :loool:

    Liebe Lesegrüße
    Eure Süße
    :study::)


    Erinnerungen, die unser Herz berühren, gehen niemals verloren.

  • Anhand einer erfundenen Geschichte, die Geschichte Zolis, die ein wenig einer polnischen Dichterin „Papusza“ angelehnt ist, bringt uns McCann in diesem Roman das Leben der Zigeuner näher. Das Buch erzählt uns die Geschichte der slowakischen Romas, und wie dieses Volk verfolgt, vertrieben, gefoltert und ermordet worden ist. Es erzählt davon, wie die Kommunisten die Zigeuner zu Brüdern machten, und sie später dazu gezwungen wurden, sesshaft zu werden. Und vor allen Dingen wird auf die vielen Vorurteile hingewiesen, die oft gar nicht so falsch sind, aber falsch interpretiert werden.


    Zoli verliert als Kind ihre Eltern, und flüchtet mit ihren Großvater von Bratislava aus in den Süden der Slowakei, wo sie ihre Cousinen und Vettern begegnen, und sich dieser Sippe anschließen. Auf dieser langen Reise erfährt Zoli, dass ihr Großvater rechnen, schreiben und lesen kann, und die kindliche Neugier auf diese Fähigkeiten bringt den alten Mann später dazu, dass auch Zoli schreiben und lesen lernt. Wobei das absolut nicht im Sinne des Fahrenden-Volkes ist, denn das geschriebene Wort bedeutet für sie ein Stück Tod. Es ist fest, endgültig und unwiderruflich, Eigenschaften, die sich mit ihrem Leben nicht vereinbaren lassen, und so fürchten sie sich vor dem geschriebenen Wort.


    Es braucht nicht lange bis Zoli entdeckt, dass in ihr ein Talent schlummert. Zunächst textet sie nur die alten Lieder um, doch dann schreibt sie ihre eigenen. Traurig, schwermütig, ganz tief aus ihren Innern holt sie diese Worte. Und auch das Sesshafte-Volk braucht nicht lange bis sie ihre Gedichte lieben. So wird aus Zoli ein Star, der im ganzen Land rumgereicht wird. Hochgelobt, um dann dazu benutzt zu werden, ihrem Volk die Freiheit zu stehlen. Letztendlich führt das soweit, dass sie von ihrer Sippe verstoßen wird, und flüchten muss.


    McCann hat mit seiner „Zoli“ nicht nur die Geschichte der Zigeuner aufgezeigt, sondern er bringt uns ihre Kultur damit näher. Der Leser erfährt, dass Vorurteile wie zum Beispiel, dass Zigeuner stehlen, nicht aus der Luft gegriffen sind, sondern nur zwei verschiednen Welten spiegeln. Das uns Wertgegenstände wichtig sind, und für sie Dinge entweder brauchbar und nehmbar, oder überflüssig sind. Die Wertschätzung, auch bezüglich des Geldes, und damit verbunden der Arbeitslohn, existiert in ihrem Denken nicht.


    Alleine das Wort „Zigeuner“ erzeugt in uns oft Furcht und Angst, aber auch Sehnsüchte. Je nachdem ob wir das Fremde verabscheuen, weil es so fern ab unserer Kultur ist, oder ob wir darin das große Abenteuer sehen.


    Dieses Buch ist ein ganz großer Schritt dahin zwei fremde Kulturen einander näher zu bringen. Die Sprache des Autors ist sehr angenehm zu lesen, und die verschiedenen Blickwinkel lassen den Roman und die Protagonisten lebendig werden. Großartig!

  • Soeben habe ich "Zoli" gelesen.
    Ein sachlich eher nüchterner Roman, der ohne etwas zu beschönigen die Welt der Roma anhand von Zolis Schicksal beschreibt.
    Wieder mal ein Roman mit dem man sich beschäftigt und der mit Sicherheit im Gedächtnis bleibt. Einfach großartig! Empfehle ihn genau wie meine Vorredner gerne weiter. :D
    Gruß Wirbelwind


    :study: Kari Köster-Lösche, Der Austernmörder

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Meine Meinung
    Colum McCann öffnete mir mit „Zoli“ ein Fenster, durch das ich einen Blick in die Welt der Roma werfen konnte. Ich habe viel über ihre Lebensweise, Traditionen und Werte erfahren. In diesem Roman weist McCann aber auch auf die Bedeutung von Würde und Selbstbestimmung der Menschen hin. Er zeigt klar die Folgen auf, die Diktatur und Fremdherrschaft für die Roma nach sich zogen.


    Sachlich nüchtern, aber nachhaltig, erzählt Colum McCann über einen Zeitraum von 70 Jahren die Geschichte der Zoli Novotna, die so nie existierte. Das Leben der Zoli wird in den 6 Abschnitten des Buches aus verschiedenen Blickwinkeln, jeder in einem eigenen Sprachstil gehalten, betrachtet. An manchen Stellen hätte ich mir bei den Protagonisten mehr Wärme und Emotionen gewünscht. Obwohl gerade diese rationale Sprache dazu beiträgt, dieses schwierige Thema neutral zu betrachten.


    Dank seiner akribischen Recherche ist mit „Zoli“ ein glaubwürdiger und meines Erachtens realitätsnaher Roman entstanden, der auch ein Zeitbild darstellt. An keiner Stelle in diesem Buch kommt der Autor auch nur in die Nähe einer verklärten Lagerfeuer- und Zigeunerromantik. Er zeigt deutlich die Härten und Schwierigkeiten des Lebens von Minderheiten in den verschiedenen Gesellschaftssystemen auf.


    Mir hat dieser Roman von Colum McCann sehr gut gefallen. Ich habe Einblick bekommen in eine mir bisher fremde Welt. Auch wenn das Buch jetzt beendet ist, wird Zoli meine Gedanken noch lange begleiten.

  • „Zoli“ erzählt eine Lebensgeschichte. Nicht nur die der weiblichen Figur Zoli (Marienka) Novotna, eine Roma-Frau, sondern auch die Geschichte ihres Volkes, ihrer Verfolgung während des 2.Weltkrieges und Holocausts, ihre Instrumentalisierung für die slowakischen Kommunisten und schluss endlich ihre erzwungenen Assimilation. Von der Politik der Faschisten als „Untermenschen“ betrachtet und verfolgt, später glorifiziert als die natürlichste aller Lebensformen durch die Kommunisten, um ihnen dennoch später das Recht auf ihre eigene rumfahrende Kultur zu nehmen. Viele politische Ansätze sind in diesem Buch, viel allgemeine Kritik daran Menschen ihr Recht auf eigene Kultur und Bräuche zu nehmen. Sie vom fahrenden Volk aus Gutmütigkeit und Erlaubniswille der Oberen zu sesshaften Menschen zu machen.


    Und doch ist dies nicht der einzige Aspekt dieses Romans, der zu gefallen weiß. Es ist vor allem die Viel-Perspektivigkeit, die der irische Autor Column McCann einsetzt, um ein breit gefächertes Bild einer Roma-Lebensweise zu erhalten. Er lässt Zoli selbst sprechen, zuerst „glühendes“ und später ausgestoßenes Mitglied der Roma; ihren Geliebten Stephen Swann, der sie verrät, der Slowake sein möchte und doch niemals über sein irisch-gefärbtes Slowakisch hinauskommt. Und er lässt Zolis Lieder sprechen, voll von Metaphoriken aus der Natur, von Tieren und Pflanzen und vor allem von den Wünschen eines jungen Menschen ihrem Platz in der Familie zu finden, den sie sehr rasch wieder verliert. Es ist auch die Geschichte einer Flucht, über die Slowakei, nach Ungarn, weiter nach Österreich – Von der Familie verlassen, vom Geliebten verraten, vom Glauben an den Sozialismus enttäuscht. Präsentiert wird eine starke Heldin, eine Heldin vor allem, die sich trotz der „westlichen“ Übermacht niemals unterkriegen lässt und trotz ihrer eigenen Isolation eine starke Persönlichkeit bleibt. Eine Kämpferin.


    Der ORF hat in einer Kritik dem Autor zu viele Klischees vorgeworfen: Er würde damit spielen sich an dem Wort „Zigeuner“ aufzuhängen, außerdem stelle er dar, sie wären fasziniert von allem, würden stehlen etc.pp. Ich möchte folgendes sagen: Natürlich verwendet er Klischees, aber nicht ohne den Hintergrund zu erläutern. Wie vielleicht dem geneigten Rezensenten vom ORF bekannt ist, wenn er es gelesen hat, erklärt Zoli, dass Zigeuner so etwas wie Besitz nicht kennen. Sie unterscheiden nicht zwischen einem Bauern und dem ihrigen Besitz, ganz getreu dem Motto: „Allen gehört die Welt.“


    Die Sprache McCanns ist zauberhaft, wirklich zauberhaft.
    Man fiebert mit, mit der anfangs jungen, am Ende alten Heldin. Man fiebert mit bei ihren Gedichten, bei ihrer Ausstoßung, bei ihrer Flucht nach Österreich…


    Zolis Geschichte wirkt wie ein riesiges Gemälde, ein Porträt einer Kultur, die fast schon vergangen scheint und doch an hochaktuellen Themen messbar ist. Ich habe die Lektüre wirklich genossen und muss dem SPIEGEL wirklich recht geben: „Die Weltliteratur hat eine neue Heldin!“


    Fazit: Ein Gemälde über die Kultur der Roma, ein Stück Geschichte, ein Stück Liebe zur Sprache – Einfach schön zu lesen!

  • Ich habe das Buch während dem Lesen sehr genossen. Ich kann mich nur anschließen, wenn es um die Meinung geht, dass Zoli wirklich eine ausßergewöhnliche Frau ist und dass es dem Autor sehr gut gelungen ist, ih Leben zu schildern.

    With freedom, books, flowers, and the moon, who could not be happy? ― Oscar Wilde

  • Ich würde gern noch etwas zu den begeisterten Rezensionen beisteuern. Doch es ist schon alles gesagt, was es zu diesem großartigen Buch zu sagen gibt. :(


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich bin so gut wie fertig mit dem Roman - und kann mich den positiven Meinungen einfach nur anschließen! :)
    Und zwei weitere Bücher von Colum McCann warten auf dem SUB - darauf kann ich mich jetzt noch freuen.


    Liebe Grüße

  • Auf einen McCann freue ich mich immer. Es wird Zeit, dass wieder mal was Neues von erscheint. Aber ein Jährchen werde ich ihm wohl noch geben müssen. :wink:

  • Ja, da bräuchte man den vielen guten Rezis und Meinungen nicht mehr viel hinzufügen, außer dem Buch – oder neuen BT-Teilnehmern ! - neue Aufmerksamkeit zukommen zu lassen nach mehreren Jahren ohne Beiträge in diesem Fred.


    Ich war anfangs skeptisch, ob es einem « Außenstehenden » gelingen mag, diese doch so andere Welt gut darzustellen. Ja doch, das macht Colum McCann echt gut, und ich ziehe meinen Hut. Er spricht von monatelangen Recherchen einerseits in Bibliotheken und Gesprächen mit Ethnologen und Musikologen, andererseits durch Besuche in der Slowakei. Man kann sich fragen, ob die Eingangskapitel eines ankommenden Journalisten in einer Roma-Siedlung nicht sehr authentisch von Erlebnissen und Eindrücken des Autors selbst stammen ? Dieses Motiv wird später nochmals wieder aufgenommen.


    Auf diesem Link kann man ein Interview mit ihm anschauen, das doch einige interessante Infos hergibt : https://www.youtube.com/watch?v=vyuNHTiihY8 Dort erzählt McCann auch von einer Nachricht, die auch von Buchkrümel erwähnte Ähnlichkeit mit einer polnischen Roma-Sängerin. Das verweist auf : https://de.wikipedia.org/wiki/Bronis%C5%82awa_Wajs Echt interessant ! Was McCann als Weltenbummler anscheinend besonders anzog ist die Problematik des Exils, des « sozialen Todes », des Ausstoßes quasi. Einerseits historische Tatsache fûr die Roma, und nicht nur unter den Faschisten, sondern auch unter den Kommunisten. Darüber hinaus – und da wird es eben noch vielschichtiger – auch Ausstoß des Einzelnen, der gegen die « Regeln » verstossen hat, aus der Gemeinschaft, und somit quasi eine Isolierung, die einem sozialen Tod gleich kommt. Da zeigt McCann, dass er nicht einfach nur ein verfolgtes Volk schönreden will, aber in dieser Anders- und Fremdartigkeit darstellt, die nicht ohne Widerhaken ist.


    Ein ausgezeichnetes Buch, das auch ich hier nur weiterempfehlen kann !

  • Bei gleichem Titel haben wir das Original auf Englisch noch garnicht verlinkt...: