Seite 241-360 vom 23.01 - 25.01.07

  • Ich bin seit gestern durch. Ich kann ein Buch nicht über so viele Tage lesen. Ich lese, unterbreche, lese,....aber ich kann es nicht absichtlich in diese Tage einteilen. Ist mir unmöglich.
    ABER, ich mache mir so viele Notizen zu den einzelnen Teilen, dass alles unter der Oberfläche bleibt und ich ganz aktuell mitdiskutieren kann, auch wenn ich schon durch bin.


    ;)

    Liebe Grüße von Tanni

    "Nur noch ein einziges Kapitel" (Tanni um 2 Uhr nachts)


  • Bin auf Seite 278, habe aber die letzten paar Tage nicht gelesen. Das liegt teils an einfachen Wochenendbeschäftigungen, jetzt aber auch an Krankheit. Hab ne Erkältung und hatte deswegen gestern absolut keinen Nerv zum Lesen. Bin aber für heut und morgen krank geschrieben, da werd ich schon irgendwann so akute Langeweile haben, dass ich weiterlese.


    Aber ich bin sehr gespannt was jetzt noch alles passiert.

    "Wie soll auch eine Generation von Männern, die hauptsächlich von Müttern, Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen umsorgt und erzogen wurde, Frauen glücklich machen?"
    (Generation Doof)

  • In diesem Teil des Buches geht es in erster Linie um die problematische Vater-Sohn-Beziehung.
    Amadeu war in einer Zwickmühle, einerseits fühlte er sich seinem Vater verpflichtet, wollte dessen Erwartungen erfüllen, andererseits stellte er sich sein Leben aber ganz anders vor, hatte ganz andere Werthaltungen.
    Natürlich hatte die Autorität seines Vaters auch einen Einfluss, aber vielleicht hätte ein klärendes Gespräch (hätte Amadeu den Mut aufgebracht), doch einiges bereinigen können. Allerdings sah er ja aus dem Beispiel seiner Schwestern, dass er wohl nicht mit der Zustimmung des Vaters rechnen konnte.
    Amadeu wollte es allen recht machen, und blieb dabei selber auf der Strecke und zerriss innerlich.


    Erziehung ist alltäglich eine Gratwanderung, das empfinde ich persönlich genau so. Einerseits möchte man den Kindern alle Wege offen lassen, andererseits erwartet man sich auch so einiges und hat auch eigene Vorstellungen von der Zukunft der Kinder, es ist ein ständiger "Kampf" zwischen Loslassen und Behüten.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Hallo Zusammen :)


    Dieser Teil war für mich ein auf und ab bei den Gefühlen zum Buch.


    Sehr gut gefallen hat mir "Ein Ort der berührt". Ich habe lange überlegt, ob ich das auch schonmal erlebt habe. Und in der Tat, auch ich stand schon an einem Ort, der mich zutiefst berührt hat. Egal wieviele Kilometer ich noch heute davon entfernt bin, denke ich daran, freue ich mich und wünschte mir, mal wieder da zu sein. Ich kann diese Empfindung und Beschreibung sehr gut nachvollziehen, die Gregorius geäussert hat.


    Ich war auch etwas in der Zwickmühle.
    Merciert hat es einerseits gekonnt hinbekommen, die Handlung stetig wachsen zu lassen und das Hauptaugenmerkt von Gregorius auf Prado zu lenken. Klasse, wenn das ein Schriftsteller vermag, nur leider hat es mich etwas enttäuscht, denn mir ist Gregorius sehr ans Herz gewachsen. Ich habe ihn verstanden, ihn so gut kennengelernt, dass ich ihn gern mal kennenlernen würde. Und ausgerechnet dann schwenkt Mercier ständig zu Prado. Schade.


    An einer Stelle musste ich sogar Lachen. Als ich las, dass Prado im Liceu "gründlich irre" geworden ist. :lol: Ich musste so herzlich lachen über diesen Satz. Entweder ist man irre, oder man ist es nicht, aber noch mehr als irre kann man nicht sein. Der Begriff "gründlich irre" ist genial und hat genau deshalb seine Berechtigung, weil er das eigentlich unmögliche beschreibt, was es natürlich doch irgendwie gibt. Klasse und für mich eine Entschädigung zur quecksilbrigen Intelligenz. :wink: :thumright:


    Alles in allem hat sich jedoch an meiner Einstellung zum Buch nichts getan. Es ist nicht grandios und doch zieht es in seinen Bann...

    Liebe Grüße von Tanni

    "Nur noch ein einziges Kapitel" (Tanni um 2 Uhr nachts)


  • Ich bin inzwischen bei Kapitel 28, liege also ziemlich genau im Zeitplan - und deutlich unter meinem normalen Lesetempo - ich schmökere nebenbei noch in anderen Büchern und mein Antrieb nach Lissabon zu gehen, ist nicht gar zu groß. Die Geschichte interessiert mich einfach nicht besonders, Gregorius ist zwar ein interessanter Charakter, der mich interessiert, Prado in gewissem Masse auch, insgesamt wirken mir die Charaktere ein bisschen überzeichnet und damit unrealistisch. Gregorius Abstecher zurück nach Bern zeigt, dass der Schritt, den er getan hat, nicht wieder rückgängig zu machen ist - hmm, das hätte er auch wissen können, ohne zurück zu fahren :scratch:


    Prados Brief an seinen Vater, den ich noch nicht ganz gelesen, damit habe ich Probleme: Natürlich ist er als Richter in einem totalitären Regime in einer zu kritisierenden Position, allerdings erfahren wir nicht genau, welche Prozesse er führt, ob er z.B. mit politischen Prozessen zu tun hat. Dass er eine Diebin verurteilt - darin kann ich nichts Verwerfliches sehen, unabhängig von der Regierungsform ist Diebstahl (wiederholten!) mit Gefängnis zu bestrafen "normal". Die Frau (auch die, die er "rettet") ist in dieser Situation diejenige, die falsch handelt, nicht der Richter, der sie verurteilt, nicht der Detektiv, der sie erwischt. Ähnlich sehe ich seine Argumentation, dass er seinen Vater lieber als Verteidiger sähe, das mag ja in vielen Fällen etwas "Gutes" sein, aber z.B. Mörder und Vergewaltiger zu verteidigen?!? Da könnte er mindestens dieselben moralischen Vorwürfe gegen ihn erheben! Mir scheint Prado vermischt hier zusehr die Diktatur und ihr Beführworten mit dem beruflichen Alltag seines Vaters, insbesondere weil sich später sehr wohl herausstellt, dass dieser sehr wohl Probleme hatte sein Rechtsprechen in einer Diktatur vor sich selbst zu rechtfertigen. Für ihn scheint die Tatsache, dass ein Vater beim Staat angestellt ist, identisch damit zu sein, dass er das Regime von Salazar bejaht - und das scheint mir ein etwas zu einfach gestrickter Schluss für so einen hochbegabten jungen Mann zu sein.


    Weil ich nicht nur kritisieren will: das Buch ist ganz sicher nicht schlecht, Mercier schreibt angenehm, ich mag viele seiner Bilder - was mich nicht fesselt ist die Handlung.


    Katia

  • Ich sehe in Amadeu einen (etwas weltfremden und unverbesserlichen) Idealisten, einen Theoretiker.
    Sein Herz schlägt für die Armen und Benachteiligten, er will dieses Übel aus der Welt schaffen, mit welchen Mitteln auch immer und stellt somit auch das Rechtssystem in Frage.
    Folglich dürfen Arme und Benachteiligte stehlen und (wenn auch kleine) Verbrechen ausführen, denn die Reichen haben ja genug davon, denen geht ja nichts ab.
    Theoretisch ist es ja ein guter Gedanke, den Reichtum der Welt auf alle zu verteilen, aber praktisch funktioniert es nicht - wie man alltäglich sieht!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Bin jetzt beim 29. Kapitel, und da ist mir zum ersten Mal richtig aufgefallen, dass Gregorius oft und schnell schwindelig wird. Alleine vom Tragen einer schweren Tasche verwundert mich das schon, ich habe ihn mir nicht als schwächlichen zartbesaiteten Mann vorgestellt...
    Und seit Anfang des Buches stellt sich mir die Frage, warum ein Mensch einfach so aus seinem bisherigem Leben herausbricht. Zunächst hatte ich Midlifecrisis für mich als Antwort gefunden.. aber inzwischen denke ich an einen Gehirntumor. :-?
    Ja vermutlich male ich den schwarzen Peter an die Wand, aber der Gedanke kam mir eben..


    Ansonsten muss ich zugeben, dass ich ziemlich schnell das Leben von Gregorius und das von Prado durcheinanderwürfle.. Nicht mehr weiß, wer in wessen Vergangenheit eine Rolle gespielt hat.

    "Wie soll auch eine Generation von Männern, die hauptsächlich von Müttern, Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen umsorgt und erzogen wurde, Frauen glücklich machen?"
    (Generation Doof)

  • Es ist schon eine traurige Familienkostellation bei den Prados, die Amadeu zu dem machten, was er war!
    Der Vater, der seinen Sohn ob dessen Rebellion und Eigensinn heimlich bewundert, der selber gerne so gewesen wäre aber aufgrund der eigenen strengen Erziehung sich nie getraut hat.
    Eigenartig, wie sich die Geschichte immer wieder wiederholt. Der Richter müsste es doch besser wissen,hat er doch glaublich unter der eigenen Erziehung gelitten. Aber soviel Mumm hat er dann doch nicht, dass er es bei seinen eigenen Kindern "besser" macht. Ein Phänomen, das man immer wieder antrifft, auch heute noch.


    Die Mutter, die voller Ehrgeiz den Jungen angetrieben hat. Durchschnitt gilt nicht, er muss immer einer der Besten, wenn nicht der Beste sein.


    Und dann ist da noch Adriana, die ihn mit ihrer Aufopferung aus Dankbarkeit schier erdrückt.


    Die Atmosphäre in dieser Familie war kalt und lieblos. So richtig wird diese Atmosphäre bei der Beschreibung nach dem lebensrettenden Luftröhrenschnitt beschrieben. Mir lief ein Schauer über Rücken!


    Obwohl phasenweise das Buch doch etwas langatmig ist, gibt sehr interessante und auch sehr spannende Stellen!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Ich denke auch, man braucht für dieses Buch schon etwas Geduld. Manchmal geht einem fast die Puste aus, dann wieder wird es interessant und faszinierend. Da stimme ich Euch inzwischen zu.
    Die Übersetzungen lese ich immer sehr langsam und intensiv, um alles zu erfassen, aber auf der anderen Seite ist da aber auch die Neugier auf die Geschichte im Gesamten. Vielleicht stimmt das Gleichgewicht im Roman da nicht zu hundert Prozent.
    Die Familiengeschichte der Prados empfinde ich auch als eine tragische. Jeder möchte mit dem anderen kommunizieren, kann aber seine Erziehung, seinen Stolz und die Schuldgefühle nicht überwinden, um es dann einfach zu tun.
    Besonders interessant daher der unversandte Brief des Vaters an Amadeu, er endet mit dem Satz :

    Zitat

    Wird Dir mein Tod genügen?


    Um seine Schuld gegenüber seinem Sohn zu tilgen? Das ist schon starker Tobak.
    Irgendwie beklemmend fand ich auch Amadeus Philosophie, dass es keine Liebe gibt, nur Begierde, Wohlgefallen und Geborgenheit. Ich habe lange ernsthaft darüber nachgedacht und bin doch zu dem Entschluss gekommen, dass es für mich Liebe gibt. Ein Gefühl, dass mehr ist als Geborgenheit und Wohlgefallen, fast schon etwas Göttliches.
    Ich denke Amadeu war ein sehr armer Mensch, wenn er dieses Gefühl nie haben, bzw. zulassen konnte. Irgendwie verständlich das er aus der Not eine Tugend machte und die Existenz von Liebe gänzlich verneinte.

  • Hallo
    Amadeu verneinte die Existenz von Gott und der Liebe - eine Schutzbehauptung, weil er sich zu nichts bekennen woltte oder konnte.
    In meinen Augen ist Prado ein armer Mensch.
    Sein Verhältnis zu seinen Eltern besonders dem Vater hat er nie verarbeitet. Er konnte aber auch keinen Schlußstrich ziehen und neu anfangen.
    Alles was er tat brachte ihn in einen Zwiespalt und es wurde von ihm hinterfragt ohne eine positive Antwort zu finden. Meist traute er seinen eigenen Gefühlen nicht.
    Ein völlig zerrissener Mensch und mir manchmal ziemlich suspekt.
    Gruß Wirbelwind


    :study: Paul Murray, An Evening of Long Goodbyes

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.