Anna Enquist - Letzte Reise / De thuiskomst

  • Anna Enquist - Letzte Reise
    (Originaltitel: De thuiskomst)


    Autorin:
    Anna Enquist wurde 1945 in Amsterdam geboren, ist ausgebildete Konzertpianistin und Psychoanalytikerin. Seit 1991 veröffentlicht sie Gedichte, Romane und Erzählungen, wurde mit mehreren Preisen ausgezeichnet und in fünfzehn Sprachen übersetzt. Inzwischen widmet sich Anna Enquist nur noch dem Schreiben.


    Klappentext:
    London 1775: Elizabeth Cook wartet in ihrem Haus auf die Heimkehr ihres Mannes James, der eben seine zweite große Weltreise beendet hat. Obwohl sie immer regen Anteil genommen hat an seinen Entdeckungen und wissenschaftlichen Forschungen, hofft sie, dass er nun endlich bei ihr und den Kindern bleibt und seinen wohlverdienten Ruhm genießt. Immerhin hat er es vom Bauernsohn bis zum Admiral der englischen Flotte gebracht und gehört zur gesellschaftlichen Elite des Landes. Trotz der Aussicht auf ein beschauliches gemeinsames Leben nagen auch Zweifel an Elizabeth: Wie wird es James ohne seine geliebte Seefahrt ergehen, und vor allem, wie wird sie, die sechs Kinder mehr oder weniger allein geboren und aufgezogen und selbständig gelebt hat, mit ihrer neuen Rolle fertig werden – als Frau eines ehrgeizigen, befehlsgewohnten Kapitäns an Land? Doch es kommt anders. Cook bricht das Versprechen, das er ihr gegeben hat, und läßt sich zu einer dritten Reise überreden, von der er nicht mehr zurückkehren wird. Wie Elizabeth damit umgeht, wie sie trotz des Widerstands der Admiralität die unklaren Umstände seines Todes aufdeckt und wie sie die schweren Schicksalsschläge meistert, die das Leben ihr auferlegt – sie überlebt alle ihre Kinder - , das erzählt Anna Enquist spannend und eindringlich, facettenreich und bewegend.



    Meine Meinung:
    Das Buch wird gelegentlich als Abenteuerroman bezeichnet, was ich für etwas irreführend halte. Für meinen Geschmack war der Abenteuergehalt gerade richtig, klassische Leser des Abenteuergenres werden wahrscheinlich eher nicht auf ihre Kosten kommen. Obwohl das Buch die berühmten Entdeckungsreisen Cooks zum Thema hat, bilden diese doch eher den Hintergrund. In erster Linie geht es um die Menschen James und Elizabeth Cook und um deren Kinder. Ich fand es beeindruckend über Elizabeths Gefühle ihren Kindern gegenüber zu lesen und zu versuchen nachzuempfinden was es bedeutet haben muss, Mutter zu sein in einer Zeit, in der es keine Seltenheit war, Kinder zu Grabe zu tragen. Gut gefallen hat mir auch der Abschnitt, in dem sich abzeichnet, dass Cook sein Versprechen nicht halten wird. Es ist spannend zu lesen, wie das Paar mit dieser heiklen Situation umgeht und wie beide bis zuletzt nicht wagen, den anderen offen mit der eigenen Erwartungshaltung zu konfrontieren. Interessant auch das Aufzeigen der zwei Seiten Cooks: Auf See der souveräne Admiral, der ganz in seinem Element aufgeht und alles fest im Griff hat und an Land der zögerliche, mit sich hadernde Mann, dem auf einmal seine einfache Herkunft zu schaffen macht.


    Anders als man vor der Lektüre vielleicht vermutet, wird Elizabeth Cook nicht als reine Sympathieträgerin und Identifikationsfigur dargestellt, was ich sehr wohltuend fand. So bleibt dem Leser noch genügend Raum, sich sein eigenes Bild zu machen.


    Dass Anna Enquist auch Psychoanalytikerin und Musikerin ist, merkt man dem Buch an, es verleiht ihm eine ganz eigene Tiefe. Für mich ein rundherum gelungener Roman, der mir wunderbare Leseabende beschert hat und den ich wärmstens weiterempfehle! =D>


    Hier noch der Link zu einem Interview mit Anna Enquist, in dem sie u.a. darüber spricht wie sie Frage nach dem richtigen Zusammenspiel von Fiktion und historischen Fakten für sich gelöst hat.


    Herzliche Grüße
    Siebenstein :wink:

    :montag: Judith Hermann - Daheim


    "Sehnsucht nach Liebe ist die einzige schwere Krankheit, mit der man alt werden kann, sogar gemeinsam."
    (Bodo Kirchhoff: Die Liebe in groben Zügen)


  • Ich habe "Letzte Reise" inzwischen auch gelesen und finde es äußerst lesenswert.
    Zu Beginn musste ich mich etwas in den Schreibstil einlesen, aber dann gefiel mir der Roman immer besser.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Da ich nicht zu den Glücklichen wie Heidi gehöre, die dieses Buch geschenkt bekam, habe ich es gleich auf meine LiB gesetzt. Cooks Reisen kennt man ja, aber dies eher aus der häuslichen Sicht zu betrachten, weckt mein Interesse.
    Danke für die Vorstellung, Siebenstein!
    Gruß Wirbelwind


    :study: Paul Murray, An Evening of Long Goodbyes

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • Zitat

    Original von Siebenstein
    Anders als man vor der Lektüre vielleicht vermutet, wird Elizabeth Cook nicht als reine Sympathieträgerin und Identifikationsfigur dargestellt, was ich sehr wohltuend fand. So bleibt dem Leser noch genügend Raum, sich sein eigenes Bild zu machen.


    Ich habe das Buch im Krankenhaus, kurz nach der Heidenreichvorstellung, gelesen und war ebenso angetan von dem Buch, es ist ein wundervoller Schmöker! Elizabeth Cook wird wirklich menschlich, mit allen Ecken und Kanten, dargestellt - das ist Enquist wirklich hervorragend gelungen!


    Zitat

    Original von Siebenstein
    Dass Anna Enquist auch Psychoanalytikerin und Musikerin ist, merkt man dem Buch an, es verleiht ihm eine ganz eigene Tiefe. Für mich ein rundherum gelungener Roman, der mir wunderbare Leseabende beschert hat und den ich wärmstens weiterempfehle! =D>


    Das unterschreibe ich einfach mal so :thumleft:

  • Gleich vorweg: Ein ganz großartiges Buch, es hat mir sehr, sehr gut gefallen!


    Wie Siebenstein schon erwähnte, ist die Genrebezeichnung "Abenteuerroman" sehr irreführend. Die Reisen des James Cook (auch seine wissenschaftlichen Erkenntnisse) bilden eigentlich nur den Hintergrund, verschaffen aber einen fasziniernden Einblick in die Welt des 18. Jahrhundert, gezeichnet von Umbruch, Krankheiten und neuen Erkenntnissen.


    Wer sich einen "historischen Roman" im herkömmlichen Sinne wünscht, wird vielleicht auch ein wenig enttäuscht sein. Auch diese Aspekte bilden eher den Rahmen und den Hintergrund.
    Dazu ein passendes Zitat der Autorin aus dem von Siebenstein erwähnten Interview:

    Zitat

    Ja, ich bin mir sicher, dass ich mit den Augen einer Frau des einundzwanzigsten Jahrhunderts auf das achtzehnte Jahrhundert geschaut habe


    Für mich ist dieses Buch in erster Linie ein Psychogramm einer sehr starken Frau, die es nicht leicht hat im Leben, deren Lebensfreude und Energie nach und nach von unvorstellbaren Schicksalsschlägen untergraben wird und die am Ende völlig gebrochen ist.


    Wie schon erwähnt ist sie keine "Heldin", sie hat ihre Fehler und befindet sich ständig in einem Zwiespalt von Verstand und Gefühl. Vielleicht macht gerade das sie so menschlich.


    Auch von mir eine eindeutige Leseempfehlung!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • In der Tat kein ausgesprochener Abenteuer- oder Historienroman, sondern ein Frauenbild des 18. Jahrhunderts aus heutiger Sicht wie die Autorin selbst zugibt.
    Ob sympathisch oder nicht - diese Frage stellt sich mir nicht.
    Eine Frau mit Stärken und Schwächen, die das Verlassenwerden, das Alleinsein und den Verlust verarbeiten muß, die ihr Leben im Hintergrund eines berühmten Mannes zu bewältigen hat.
    Ein sehr feminines Buch mit enormer Tiefe.
    Bis zur letzten Seite war ich beeindruckt und fasziniert wie die Autorin Anna Enquist mit der Gestalt Elizabeth Batts verheiratete Cook umging.
    Ein großartiges, sehr lesenswertes Buch! :thumleft:


    Gruß Wirbelwind


    :study: Claude Cueni, Das grosse Spiel

    :study: Naomi J. Williams, Die letzten Entdecker









    Bücher sind die Hüllen der Weisheit, bestickt mit den Perlen des Wortes.

  • James Cook ist heute noch immer in aller Munde; ob es die „James Cook Reisen“ im TV oder im Reisebüro sind, oder seine Entdeckungen; sein Name und seine Reiseberichte sind allgegenwärtig.


    Aber was durchlebte seine Ehefrau, Elizabeth Cook? Die im Hintergrund seine Reisen mit vorbereitete, und mit an seinen Journalen bzw. Büchern arbeitete.
    Große Männer haben starke Frauen im Rücken, so heißt es. Und Elizabeth war eine ganze starke Persönlichkeit! Es ist nur gerecht, dass sich Anna Enquist dieses Themas annahm.


    Anna teilt das Schicksal so vieler Frauen im 18. Jh.. Frauen von Seefahrern, die auf sich allein gestellt waren, und die Zügel über Haushalt und Kindererziehung inne hatten. Das weibliche Geschlecht, noch nicht gesellschaftsfähig und emanzipiert, musste ihren Mann stehen. Alle Verantwortung lag auf ihren Schultern, und wurde weder von der Admiralität des englischen Königshaus noch von der Gesellschaft so honoriert, dass die Last schwerer war als sie es hätte sein müssen.
    Wenn man dann das Leben der Elizabeth im Einzelnen liest, welche Schicksalsschläge sie in der damaligen Zeit erleiden musste; den Tod ihrer Kinder, den Verrat ihres besten Freundes, das Hinsiechen ihrer Mutter, und den anrüchigen Tod von James Cook; dann ist man als Leser ergriffen wie diese Frau ihr Leben gemeistert hat.


    Das Buch hat mir äußerst gut gefallen. Es beschreibt so eindringlich die Gefühle von Elizabeth. Den Schmerz, Kummer und ihre Sorgen erlebt man direkt mit. Keinen Ansprechpartner zu haben, die Einsamkeit, Verlorenheit und Verlogenheit, all das stellt ihr das Leben. Selten habe ich so viel Nähe gelesen. Wunderbar! :thumleft:

  • Zitat

    Original von Wirbelwind
    Da ich nicht zu den Glücklichen wie Heidi gehöre, die dieses Buch geschenkt bekam, habe ich es gleich auf meine LiB gesetzt. Cooks Reisen kennt man ja, aber dies eher aus der häuslichen Sicht zu betrachten, weckt mein Interesse.
    Danke für die Vorstellung, Siebenstein!


    Ich bin durch diesen Thread gerade auf dieses Buch aufmerksam geworden und kann mich Wirbelwind (die es mittlerweile sogar schon gelesen hat)
    absolut anschließen. :wink:
    :arrow: Das Buch ist soeben auf dem Wunschzettel gelandet... :wink:

    Liebe Lesegrüße
    Eure Süße
    :study::)


    Erinnerungen, die unser Herz berühren, gehen niemals verloren.

    2 Mal editiert, zuletzt von Süße ()

  • Habe das Buch soeben ausgelesen und bin hellauf begeistert. Normale Abenteuer und Entdeckerromane kennt man ja, aber dieses Buch ist wirklich etwas Besonderes.
    Hier handelt es sich nicht um die Gefühle und Gedanken eines wirklich großartigen Entdeckers, nämlich James Cook, sondern um die Emotionen seiner Frau, die darauf wartet das er von seinen langen Südseereisen zurückkommt.
    Besonders treffend beschrieben fande ich, die anfängliche Fremde des Paares, wenn er nach so einer langen Reise zurückkehrt.
    Jedoch auch die Beschreibungen der Reisen finden ihren Platz in Tagebuchauszügen, welche sehr interessant sind.


    Ich werde in Zukunft wohl noch weitere Bücher zu diesem tollen Thema lesen. Zum Beispiel " Reise um die Welt" von Georg Forster, der auch in dem Buch beschrieben wird.


    Das Buch erhält :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: Sterne!!

    Verstehst du, was es heißt, irgendein bescheuertes kleines Musikstück oder eine Band so maßlos zu lieben, dass es wehtut?
    (Almost Famous)

  • Vielen Dank für diese Rezension, klingt toll und landet gleich auf meiner Wunschliste.

    Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt.
    (Jorge Luis Borges)

  • Habe das Buch auch gerade gelesen und mir hats ebenfalls sehr gut gefallen. Elizabeth Cook scheint eine sehr beeindruckende Persönlichkeit gewesen zu sein - die sie wahrscheinlich auch gezwungenermaßen sein musste, da sie sich größtenteils allein mit ihren Kindern durchschlagen musste. Und all die Schicksalsschläge - alle ihre Kinder und ihren Mann hat sie zu Grabe getragen.
    Die Autorin ist klasse - werde ich mir auf jeden Fall merken!!

    Wie wenig du gelesen hast, wie wenig du kennst - aber vom Zufall des Gelesenen hängt es ab, was du bist. Elias Canetti

  • Ich habe mir vor einiger Zeit das Hörbuch aus der Serie "GEO Hörwelten" gekauft und, nach einem gescheiterten Versuch, während meines Neuseelandurlaubes im Herbst letzten Jahres endlich gehört. Ein faszinierendes Hörbuch (gelesen von der mittlerweile verstorbenen Barbara Rudnik), das mir die Frau hinter dem Entdecker James Cook etwas näher gebracht hat. Vor allem, die Schilderungen, wie sie zur damaligen Zeit größtenteils mit dem Leben ohne den Mann an Ihrer Seite fertig wurde und an den Schicksalsschlägen nicht zerbrochen ist, fand ich sehr faszinierend. Zusätzlich ist sie, trotz all dem Erlebten, für die damalige Zeit mit 93 Jahren sehr alt geworden.


    Besonders aufwühlend fand ich den alternativen Hintergund zu den Gründen des Todes von James Cook. Zwar ist die hier aufgezeigt Antwort m.W. nicht wissenschaftlich hinterlegt, war aber m.E. sehr stimmig.


    Da ich das Buch nicht habe, wundert mich allerdings ein Punkt, bei dem Ihr mir hoffentlich helfen könnte: Gem. der mir bekannten Information, sind keine / wenig Briefe zw. Cook und seiner Frau erhalten. Gibt es im Buch einen Quellennachweis (Tagebuch der Elisabeth Cook?) oder ist die Handlung aufgrund der Erfahrungen der Autorin als Analytikerin und der sonstiger Seemansfrauen vor dem Hintergrund der Reisen James Cooks größtenteils erfunden?


    Vielen Dank vorab & Gruß susa

    "Begib dich einmal im Jahr an einen Ort, an dem du noch nie gewesen bist." (Dalai Lama)


    :study: 2014: 18 Bücher mit 10.009 Seiten (2013: 63 Bücher mit 27.710 Seiten)

  • Ich habe das Buch beim letzten Wichteln geschenkt bekommen und ärgere mich im Nachhinein grün und blau, dass ich es nicht gleich gelesen habe! Denn das Buch ist ein wunderbarer historischer Roman. Wie in Siebenstein's Rezi schon steht, wird das Buch zwar als Abentuerroman bezeichnet, ist es aber eigentlich (für mich) nicht. Viel mehr bilden die Reisen von James Cook eine Art Rahmen für die eigentliche Handlung, die die Familie Cook (Vater, Mutter und Kinder) und deren Leben zu damaligen Zeit beschreibt. Natürlich wird auch auf die Reisen von James Cook eingegangen und der rätselhafte Tod des Entdeckers auf seiner dritten Reise wird eingehend behandelt, da seine Frau natürlich eine Aufklärung der Ereignisse verlangt. Dennoch stehen die Menschen selbst und ihre Gedanken und Empfindungen für mich klar im Vordergrund.
    Der Schreibstil war auf den ersten 2-3 Seiten gewöhnungsbedürftig und das Buch ist sicherlich keines derer, die man an einem Tag ausliest, weil man nur so eine Zeile nach der anderen "abgrast". Das Buch ist tiefgründig und stimmt einen nachdenklich. Und genau das hat mir so gut gefallen.
    Die Person der Elizabeth wird facettenreich dargestellt, was mir sehr gut gefallen hat, denn Charaktere, die mir nur toll, gut oder schlecht, böse etc. vorgestellt werden, sind mir meist entweder zu platt dargestellt oder aber zu unrealistisch. Hier hat man alles, was wohl auch damit zusammenhängt, dass die Autorin mehrere Jahre als Psychoanalytikerin gearbeitet hat.
    Ein Aspekt aus Elizabeth's Leben hat mich ganz besonders berührt: Dass sie jedes einzelne ihrer Kinder überlebt hat. Richtig vorstellen kann (und mag) ich mir das nicht, aber es verschafft dem Charakter auch im Buch einen ganz besonderen Anklang. Überhaupt geht es in diesem Buch auch sehr stark um den Tod und die Auseinandersetzung jedes Einzelnen damit, was meiner Meinung nach eine ungewöhnliche Herangehensweise darstellt.
    Als Fazit ist somit zu sagen, dass Letzte Reise wirklich ein außergewöhnliches und schönes Buch ist, trotz oder gerade aufgrund all der Tragik darin und dass ich das Buch gerne jedem weiterempfehle, der auf anspruchsvolle und tiefgründige Literatur steht. Von mir bekommt Anna Enquist's Buch :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: .


    P.S.: Danke nochmal an meine Wichtelmama. :friends:

  • Mir hat das Buch nicht besonders gut gefallen, weil ich es für unrealistisch halte, historischen Personen so tiefgehende Gefühle zuzuordnen, wie es im Falle der Elizabeth Cook geschehen ist. Wie im Klappentext zu lesen, weiß man von der Frau des Kapitäns nur wenig. Sicher hatte sie kein leichtes Leben, war mit ihren Alltagssorgen meist alleine, musste den Tod ihres Mannes und ihrer Kinder, die sie alle überlebt hat, verkraften, aber wie sie damit umging, entzieht sich den Kenntnissen der Nachwelt. Das Gemälde am Ende des Buches sagt eigentlich mehr als alle Worte darin, zeigt es doch das Bild einer Frau, der in ihrem 94-jährigen Leben kaum ein Schicksalsschlag erspart blieb.
    Ob Elizabeth Cook wirklich so fühlte und dachte wie von Anna Enquist beschrieben, wird für immer ein Geheimnis bleiben. So kann man diese Darstellung nur als eine Form von dichterischer Freiheit auslegen, die mir aber auch stilistisch nicht sonderlich zugesagt hat. Viele Formulierungen sind zwar recht poetisch und ausdrucksstark, dennoch empfinde ich die Kluft zwischen Dichtung und Wahrheit als unüberbrückbar. Wenn ich mir diese Frau auch so vorstelle wie beschrieben, weiß ich doch, dass es sich dabei nicht um die historische Elizabeth Cook handeln kann.
    Aus diesem Grund hätte ich mich mit einer anonymen Person - stellvertretend für das Los aller Seemannsfrauen - als Protagonistin für die gewählte Romanform viel besser anfreunden können. Zumindest hätte ich mir nicht andauernd die Frage stellen müssen, ob es die zitierten Briefe nun tatsächlich gab oder nicht, und auch im Nachwort habe ich darüber keine Informationen gefunden.
    Am besten hat mir die Stelle gefallen, in der Elizabeth nach dem Tod ihres Sohnes Nathaniel bei dessen alten Musiklehrer Kraft und Trost findet. Wer die Macht der Musik schon am eigenen Leibe erfahren hat, wird dieser Passage gewiss einen allgemein gültigen Wahrheitsgehalt zugestehen.
    Insgesamt gesehen war der Roman nur bedingt nach meinem Geschmack, da er mich weder besonders gut unterhalten, noch andere Erkenntnisse über die reale Figur der Elizabeth Cook, ihres Mannes oder ihrer Kinder geliefert hat.