KLR: Teil 1 des Buches

  • Hallo Katja,


    Ich denke, es geht Camus darum, seine Idee des Absurden, seine philosophisch-moralischen Gedanken in Romanform darzustellen.


    ich habe inzwischen den zweiten Teil FAST durch und bin voll und ganz Deiner Ansicht. Meiner Meinung nach geht er sogar noch einen Schritt weiter. Dazu werde ich mich aber im zweiten Tread äußern. Auch Dein Zitat von Camus selbst fand ich sehr aufschlußreich.
    Ich habe mich anfangs wohl zu sehr auf Nebensächlichkteiten und diese (wirkliche) Kurzbiographie gestützt. Ich fand einfach die kurzen Sätze zu dem Leben von Franzosen in Algier und Umgebung und ihr "Zusammenleben" mit den Arabern interessant. Aber soetwas gab es vermutlich in jeder Kolonie.


    Viele Grüße
    Leseratte

    ...Dann sagte ein Lehrer: Sprich uns vom Lehren.
    Und er sagte:
    Niemand kann Euch etwas eröffnen, das nicht schon im Dämmern Eures Wissens schlummert.


    Khalil Gibran
    Der Prophet

  • Angeregt durch eure Leserunde habe ich mir heute den "Fremden" aus der Bibliothek ausgeliehen: auf französisch (s. unten) und deutsch. Ich habe vor, mich durch den Originaltext zu kämpfen (mein Französisch ist sehr eingerostet). Das kurze Einlesen in der Bibliothek führte dazu, dass ich auf dem Heimweg und danach das erste Kapitel komplett las.
    Dank der Vokabelangaben in den Fußnoten kann ich den Text recht gut verstehen, ohne weitere Wörter nachschlagen zu müssen. Für den Notfall habe ich mir auch eine deutsche Ausgabe besorgt.


    Meine Eindrücke zum ersten Kapitel:


    Meursault (hat er eigentlich einen Vornamen?) reist von Algier in seinen Heimatort, um bei der Beisetzung seiner Mutter dabei zu sein. Man erfährt, dass er sie einerseits geliebt hat, andererseits aber kurz nach ihrer Unterbringung im Altersheim den Kontakt abbrach. Er rechtfertigt sein Verhalten mit den Kosten und seinem freien Tag, aber gerade dieser Zwang, sich rechtfertigen zu wollen, ist für mich Ausdruck seines schlechten Gewissens.
    Auch seinem Arbeitgeber gegenüber scheint er die Verpflichtung zu verspüren, seinen Urlaub rechtfertigen zu müssen. Hier ist das erstemal ein Hauch von Absurdität zu spüren, der sogar kommentiert wird.


    Insgesamt bleibt die Erzählung distanziert. Über Meursault selbst und seine Mutter erfährt man wenig und wenn, dann aus den Aussagen des Direktors. Die Beerdigungszeremonie an sich wird zwar erwähnt, aber die Nebensächlichkeiten stehen im Mittelpunkt (z. B. M. Perez, die Bemerkung der Krankensschwester, die Umgebung). Und doch fühlt man die Trauer unterschwellig - bei Meursault, aber auch den ehemaligen Freunden der Verstorbenen.
    Dieses Stilmittel ist typisch für die Existentialisten, deren Meinung ist, der Mensch ist sich selbst fremd. Er agiert in einer menschenfeindlichen Umwelt (hier dargestellt zum einen durch den Arbeitgeber, der schon einen freien Tag nur missmutig gewährt, zum anderen durch den zwar integeren Direktor des Altersheimes, der Meursault durch die Bürokratie daran hindert, seine Mutter sofort zu sehen.)


    Auffällig auch die immer wiederkehrenden Naturbeschreibungen. Die Dunkelheit während der Totenwache, die einladende Beschreibung der Umgebung, als Meursault sich vorstellt, wie seine Mutter mit ihrem Verehrer Mr. Perez harmonisch spazieren geht. Die gleiche Umgebung und Hitze wird während des Totenzuges bedrückend und gefährlich dargestellt.


    Hier hört mein aktuelles Wissen über den Existentialismus leider auch schon auf. Ich muss mir seine Besonderheiten unbedingt nochmal ins gedächtnis rufen, bevor ich weiterlese.


    Schon in meinem Literaturkurs in der Berufsschule hat mich Camus' Philosophie angesprochen. Bisher habe ich allerdings nur eine Biografie über ihn gelesen. Sein Werk werde ich nun entdecken.


    Ich freue mich aufs Weiterlesen! Danke für eure Anregung! :thumleft:

    She wanted to talk, but there seemed to be an embargo on every subject.
    - Jane Austen "Pride and prejudice" - +

  • Schön, Fezzig, dass wir dich "anstecken" konnten! Und danke für die erklärenden Worte. Ich habe das Thema "Existentialismus" einmal nur im F-Unterricht in Sachen Jean-Paul Sartre gestreift.


    Ich bin schon sehr gespannt auf Deine weiteren Kommentare und werde sie hier verfolgen! :thumright:

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

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  • Hallo Rosalita,
    danke für deine Worte. Ich hatte schon Zweifel, ob es überhaupt Sinnmacht, hier nach Abschluss der Leserunde noch etwas hinzuzufügen.


    Ich habe mir gestern abend noch meine "Geschichte der deutschen Literatur" aus dem Klett-Verlag geschnappt und mein Wissen über die existentielle Literatur aufgefrischt. Das wichtigste soll hier stichpunktartig genannt werden:


    - die industrielle Gesellschaft hat einen Rhythmus, der dem Menschen zuwider läuft (Stichworte: Akkordarbeit, Anonymität, erhöhter Produktionsdruck, wenig Rechte des Einzelnen...)
    -der Mensch fühlt sich innerlich gespalten und von so Natur und Gesellschaft getrennt, dass er die Realität sinnlos und bedrohlich findet (nicht zu vergessen bei Camus: er schrieb vor dem Hintergrund der französischen Kolonialpolitik, aber auch dem des 2. Weltkrieges)
    - der Mensch ist einsam, ängstlich, resignierend, hoffnungslos und unsicher
    - die eigene Unsicherheit lässt den Menschen und seine Welt lächerlich erscheinen, er ist nicht mehr selbstbestimmt und fühlt sich ausgeliefert
    - Krankheit und Gefangenschaft sind häufige Motive


    Camus geht darüber hinaus und legt seinen Finger auf einen positiven Aspekt, nämlich die Tatsache, dass der Mensch doch Mensch bleibt. Ist sein Leben auch sinnlos und absurd, so kann er doch erfüllt leben, wenn er sein Schicksal akzeptiert. So behält er zumindest seinen Stolz und seine Würde.


    In seiner Biografie steht als Nachwort ein Zitat, dass ich euch nicht vorenthalten möchte:


    Zitat

    Ich erbitte ein einziges, und ich erbitte es demütig, obwohl ich weiß, dass es ungeheurlich ist: gelesen zu werden mit Aufmerksamkeit.


    Wir können uns sicher sein, ihm seinen Wunsch erfüllt zu haben. ;)

    She wanted to talk, but there seemed to be an embargo on every subject.
    - Jane Austen "Pride and prejudice" - +

  • Hallo Fezzig,


    auch ich fand Deine Erklärungen sehr hilfreich. Ich glaube, ich hatte von "Existentialismus" bis heute morgen noch nie etwas gehört. Die gestreifte Literaturgeschichte in der Schule hatte mich damals nicht sehr interessiert. :uups:


    Gruß
    Leseratte

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  • Zitat

    Original von Chantal

    Die Gleichgültigkeit und die Distanz, die er gegenüber dem Tod seiner Mutter hat, habe ich mir zuerst dadurch erklärt, dass er es zuerst gar nicht nachvollziehen kann, das dachte ich auch weil er sagt:


    Den Eindruck habe ich auch, zumal er nach dem Baden zu Marie sagt, dass seine Mutter gestern gestorben sei. Das stimmt zeitlich nicht, da sie Dienstag oder Mittwoch gestorben sein muss. Ein klares Zeichen dafür, dass er die Augen vor der Realität verschließt und sie sich so schafft, wie er das wünscht. Überhaupt finde ich die Art, wie er mit dem Tod seiner Mutter umgeht sehr eigentümlich. Es ist, als ob er mit dem Ausstieg aus dem Bus in sein altes Leben zrurückschlüpft: bloß keine Menschen treffen, die ihn auf seie Trauer ansprechen könnten, eingraben und die Trauer verdrängen.


    Im Original heißt das Mädchen übrigens Marie. Was bringt die Übersetzer dazu, die Namen zu verändern? War Maria damals die gängigere Form des Namens?


    Ich habe nun die ersten 3 Kapitel gelesen und finde Meursault ebenfalls lethargisch, unsicher, "wie in Watte gepackt". Vieles geht ihm auf die Nerven und wenn er nicht bei der Arbeit ist, langweilt er sich und empfindet sein Dasein als leer. Er hasst Sonntage - obwohl man im ersten Kapitel erfährt, dass er seine Mutter u. a. deshalb nicht mehr besuchte, weil er seinen Sonntag verloren hätte. Hier ist doch ein klarer Widerspruch!


    Er zeigt kaum Gefühle, dadurch wirkt seine Verliebtheit viel mehr auf, auch wenn er sagt, dass er Marie nicht liebt. Kann sie nach zwei Nachmittage miteinander ernsthaft erwarten, ein "Ja" auf ihre Frage zu erhalten? Aber durch die Sprache erfährt man, wieviel er für sie empfindet, auch wenn er es nicht zugibt. Symptome für Angst, fehlende Zuversicht und die oberflächliche Anlehnung von Gefühl? Ich denke schon, wenngleich wahrscheinlich noch mehr dahinter steckt.

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  • Zitat

    Original von Fezzig
    Camus geht darüber hinaus und legt seinen Finger auf einen positiven Aspekt, nämlich die Tatsache, dass der Mensch doch Mensch bleibt. Ist sein Leben auch sinnlos und absurd, so kann er doch erfüllt leben, wenn er sein Schicksal akzeptiert. So behält er zumindest seinen Stolz und seine Würde.


    Das ist wohl der Punkt, und genau das wird auch in der Person des Meursalt transportiert.
    Es kann eine Methode sein, um ein tristes, elendes Dasein aushalten zu können.


    Allerdings hat man dann nie eine Chance oder eine Aussicht, dass es sich ändern wird. Nur solange man selber aktiv versucht der tristen Situation zu entkommen, kann dies gelingen, denke ich.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
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  • Hallo Rosalita,


    "Allerdings hat man dann nie eine Chance oder eine Aussicht, dass es sich ändern wird. Nur solange man selber aktiv versucht der tristen Situation zu entkommen, kann dies gelingen, denke ich.[/quote]"


    Genau das war auch mein Fazit des Buches. (s. 2. Tread) Aber jeder Mensch ist nun einmal anders und das muss man respektieren. Vielleicht wollte uns das Albert Camus auch sagen.


    Gruß
    Leseratte

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  • Ich konnte nicht widerstehen und habe heute morgen noch den ersten Teil beendet.


    Zitat

    Original von Katia


    Zum "Mordgrund": Ich denke auch, dass er nicht viel nachdenkt über diesen Mord, wie bei der Beerdigung seiner Mutter machen ihn Sonne und Hitze zusätzlich noch teilnahmslos. Es passiert eben, so wie vieles andere auch passieren könnte ...


    Katia


    Bei dem Charakter habe ich auch das Gefühl.
    Die Sonne brennt auf ihn nieder, er fühlt sich unwohl, hat vielleicht sogar einen Sonnenstich und die Bilder von der Beerdigung tauchen auf. Zudem fühlt er sich von dem Araber bedroht. Irgendwie gewinnt man den Eindruck, als sei schießt er auch deswegen, um die Macht über den Tod zu erlangen, die ihm hinsichtlich seiner Mutter fehlte.


    Für mich wird in der Gestalt Meursaults besonders deutlich, dass ihm alles egal ist: seine Mitmenschen, der Umzug nach Paris, heiraten - bloß nichts zu dicht an sich ranlassen. Alle positiven Wendungen seines Lebens lehnt er bisher nicht direkt ab, lässt aber Gelegenheiten verstreichen. Und tritt somit auf der Stelle.

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  • Zitat

    Original von Fezzig


    Im Original heißt das Mädchen übrigens Marie. Was bringt die Übersetzer dazu, die Namen zu verändern? War Maria damals die gängigere Form des Namens?


    Hallo Fezzig!


    Ein paar Gedanken dazu (ohne Gewähr!):


    Ist es "verändern" oder "übersetzen"? Es gab/gibt da wohl zwei verschiedene Möglichkeiten:


    "Maria" ist die deutsche Version des französischen Namens "Marie" (bzw. des aramäischen oder hebräischen Myriams).
    Viele Namen haben ja in den jeweiligen Sprachen ihre Formen, zB; Juan, Jean, Giovanni, John, Johannes, Johan etc.


    In gewissen Übersetzerschulen mag es eher üblich sein, die Namen als Eigennamen zu übernehmen, selbst wenn sie manchmal dann befremdlich sein könnten (was bei "Marie" das heute so nicht mehr der Fall ist, weil es eine solche deutsche Koseform (ist es das?) gibt? ), um dem Original treu zu bleiben und einen Touch von Eingebundenheit in ein Orts- und Kulturumfeld zu unterstreichen.


    Andere nehmen halt die "deutsche(re)" Form, vielleicht um eher den universellen, bzw. uns betreffenden Aspekt herauszustreichen?!


  • Tom: Interesante Ausführungen. Das kann natürlich sein. Allerdings kenne ich mehr Maries als Marias. Hier ist bestimmt ein regionaler Zusammenhang - Maria ist doch eher in Süddeutschland, Schweiz und Österreich üblich. Dementsprechend wäre ich als Übersetzer wahrscheinlich niemals auf die Idee gekommen, etwas am Eigennamen zu verändern.


    Allerdings war der Übersetzer Georg Goyert hauptsächlich für süddeutsche Verlage tätig - die Theorie würde also passen. Aber es gibt nirgends Hinweise auf die Gründe...

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  • Hallo Fezzig,


    "Irgendwie gewinnt man den Eindruck, als sei schießt er auch deswegen, um die Macht über den Tod zu erlangen, die ihm hinsichtlich seiner Mutter fehlte."


    Dieser Satz hat mich sehr beeindruckt. Es hat mich dazu verleitet, noch einmal hoch zu blättern um Deine Ausführung zum Existenzialismus zu lesen.


    - der Mensch ist einsam, ängstlich, resignierend, hoffnungslos und unsicher
    - die eigene Unsicherheit lässt den Menschen und seine Welt lächerlich erscheinen, er ist nicht mehr selbstbestimmt und fühlt sich ausgeliefert


    Auch wenn ich ich nur Deine eigenen Sätze wiederhole - ich finde, sie passen immer besser. Aber wieweit ist sich Meursault seiner eigenen Art bewußt - und wieviel geschieht unbewußt?


    Gruß
    Leseratte

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  • Zitat

    Original von leseratte4


    Auch wenn ich ich nur Deine eigenen Sätze wiederhole - ich finde, sie passen immer besser. Aber wieweit ist sich Meursault seiner eigenen Art bewußt - und wieviel geschieht unbewußt?


    Ich hatte den Eindruck, dass er neben sich stand - nicht dachte, einfach handelte. Die Sonne brennt, macht die Gehirnleistung langsam, er fühlt ein Unsicherheitsgefühl, als er den Araber sieht. Als dieser dann noch in seine Tasche greift und die Hand nicht wieder herauszieht, steigert sich seine Angst noch. Dann sieht er das Messer - erinnert sich (wahrscheinlich mit einer Mischung aus Angst und Rachegelüsten) an die Behandlung seines Freundes Raymond und entscheidet sich unterbewusst für die Strategie: Angriff ist die beste Verteidigung.


    Ich finde das sehr interessant, hätte man doch gedacht, dass er umdreht und den Araber in Frieden lässt. Mal wieder den Weg des geringsten Widerstands wählt.
    Aber vielleicht ist der Mord in seinem Denken auch der einfachste Ausweg: weg mit der Unruhequelle (so wie er die Trauer "wegschläft" oder den Sonntag gelangweilt herum sitzt, statt ihn mit Ereignissen zu füllen).
    Ich verstehe ihn einfach nicht. :scratch: Komischer Typ.


    Aber gerade dieses Unverständnis lässt mich weiterlesen. Vielleicht finden sich im zweiten Teil mmehr Erklärungen. :-k

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  • Ich glaube auch, dass er "neben sich" stand, dass ihm gar nicht bewusst war, was er tat bzw. er sich den Folgen seines Handelns auch nicht bewusst war.


    Was einerseits wiederum auf seine Grundeinstellung zurückzuführen ist - "es wird schon nicht so schlimm sein", "es wird schon - irgendwie - alles wieder gut werden", etc.


    Andererseits würde aber "Umdrehen", "den Araber in Ruhe lassen", "ja nichts anfangen" genauso zu seiner Grundeinstellung und Lebenshaltung passen. :-k :-k


    Ich verstehe ihn auch nicht ... [-(

    Herzliche Grüße
    Rosalita


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  • Hallo Fezzig und Rosalita,


    Meine Frage bezog sich weniger auf den Mord als mehr auf das ganze Buch. Inwieweit ist er sich bewußt, genau diesen Merkmalen des Existentialismus


    - der Mensch ist einsam, ängstlich, resignierend, hoffnungslos und unsicher
    - die eigene Unsicherheit lässt den Menschen und seine Welt lächerlich erscheinen, er ist nicht mehr selbstbestimmt und fühlt sich ausgeliefert


    zu entsprechen?


    Gruß
    Leseratte

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  • Ich glaube nicht, dass ihm seine Einstellung bewusst ist, ich glaube, er denkt gar nicht weiter bzw. überlegt gar keine Alternative. Er selber fährt ja ganz gut mit dieser Haltung, es ist ein Schutzschild gegen Unannehmlichkeiten und Aufwand. Es ist ja ein recht einfacher Weg, jemand oder etwas anderem die Schuld zu geben (der heißen Sonne z.B.).
    Er ist wohl ein bequemer Mensch, der sich nicht gerne Gedanken macht, dem das alles viel zu mühsam und aufwändig ist. Er will seinen gewohnten Tagesablauf und das Leben "irgendwie absolvieren".
    Und nachdem ihm das so genügt, er bezeichnet sich ja selber als "glücklich" hat er auch keinen Grund, irgend etwas zu ändern.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


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  • Die Frage nach dem Bewusstsein habe ich mir gar nicht gestellt. Inzwischen habe ich bis zum Schluss gelesen und habe das Gefühl, dass Camus im "Fremden" etwas sehr künstliches geschaffen hat. Der erste Teil, der aus Einzelmomenten besteht und dann der zweite, in dem sich die Philosophie des Protagonisten auslebt.


    Camus hat einen Menschen nach seiner Existenzphilosophie geschaffen. Dementsprechend denke ich einfach, dass er handelt und denkt, ohne weiter darüber zu grübeln, weshalb er so ist, wie er ist. Trotz aller Widersprüche in Meursaults Charakter ist er doch sehr gradlinig dargestellt: jemand, der mit möglichst wenig Widerständen kämpfen möchte - und die Suche nach einer Lebenseinstellung inklusive Zweifeln ist sehr zeit- und kraftaufwändig. Seinem Charakter ist das fremd, wie er sich selbst fremd bleibt.

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