Christoph Marzi - Lycidas

  • Ups. Ich wolllte eigentlich oben die Atmosphäre positiv hervorheben. Die gefällt mir wirklich gut, wird aber eben leider immer wieder durch diese Ungereimtheiten und den Schreibstil unterbrochen. Jedenfalls in meinem Empfinden.
    Das Buch treibt mich zum Weiterlesen, während es mich gleichzeitig irgendwie nervt. Schwer zu beschreiben :D Vielleicht entwickelt es sich ja noch. Bei HP 1 lasse ich die ersten Kapitel beim jährlichen Lesen auch immer aus, weil sie mich nerven.

    „Die Zeit nimmt alles. Ob man will oder nicht. Die Zeit nimmt alles, die Zeit trägt es von einem fort, und am Ende ist dort nichts als Finsternis. Manchmal treffen wir andere in dieser Finsternis. Und manchmal verlieren wir sie dort auch wieder.“
    Stephen King - The Green Mile

  • Soo. Jetzt bin ich fertig und kann meinen Gesamteindruck mit euch teilen.
    Das Buch ist in 3 Teile aufgeteilt und das spürt man deutlich. Sie werden nämlich qualitativ immer besser.


    Einige globale Punkte:
    o Tolle Story, wenn auch noch ein wenig unausgereift. Bei einem Erstlingswerk sicher zu verzeihen.
    - anfangs sehr, sehr schwach
    - einige "Logikfehler". Sie klären sich später auf, verhindern aber erst einmal den Lesefluss und nehmen die Lust weiterzulesen. Gelungener Cliffhangar geht anders.


    - Gelernt Sätze zu bauen bei Meister Yoda Christoph Marzi hat. Gelegentlich zur Weissglut es den Leser treibt!
    + An anderer Stelle beweist sich Marzi als genialer Schreiber mit enormem Wortschatz und Sprachgefühl
    --> Was war denn da los??


    o christliche Mythologie. Dröööge. Eigentlich gäbe das einen Minuspunkt, aber Marzi hat die Thematik gut umgesetzt.
    + ägyptische Götter und Wesen. Definitiv ein Pluspunkt ;-)
    - Zu viele Wiederholungen. Erinnert stellenweise an einen gewissen anderen deutschen Fantasy Autoren..
    - Ist es die Kultur der uralten Metropole oder Marzis persönliche Abneigung, die die Obdachlosen und Armen im Buch zu "Restefressern" und "Abschaum" macht? :-s


    Mein erster Eindruck - Lycidas Teil 1 (Lycidas)
    Zitat aus einem meiner vorherigen Posts:
    Ich empfinde Marzis Schreibstil als äusserst anstrengend. Wenn ich noch einmal "Dieses Kind!" oder "Frag nicht!" lesen muss, dann breche ich dasBuch ab. Und das meine ich bitterernst. Die ersten paar Mal waren diese Gags noch lustig, aber irgendwann nerven sie einfach nur noch. Genau wie die sehr kurzen, abgehackten Sätze, die man eigentlich durch Kommata hätte teilen können.
    Eigentlich gefallen mir diese als Stilmittel sehr gut, Marzi setzt sie allerdings so inflationär ein, dass der Lesefluss immer wieder ins Stocken kommt.
    Zudem wechselt er gelegentlich aus der Vergangenheitsform in den Präsens. Auch das gefällt mir normalerweise gut und eigentlich passen die Stellen auch gut zur Handlung, aber Marzi schafft es irgendwie
    nicht, diese Stellen vom restlichen Text abzusetzen, sodass auch hier immer wieder der Lesefluss ins Stocken gerät.
    Dann wird erst einmal seitenlang und irgendwie kontextlos über die Höhenangst der kleinen Aurora berichtet. Okay. Gut. Aber warum jetzt? Was soll das? Ach sooo.. Ganz am Ende der Ausschweifungen wird
    berichtet, dass unsere Gruppe gerade an einer Schlucht steht. Marzi erwähnt die derzeitigen Handlungsorte oft erst am Schluss seiner Ausführungen und das ist verwirrend. Genauso verwirrend ist die Zielgruppe dieser Geschichte. Einige Abschnitte wirken wie für Kinder geschrieben, andere wiederum aufgrund ihres Inhaltes oder aber ihres Vokabulars eher wie für Erwachsene geschrieben.
    Zu guter Letzt wirkt das Waisenhaus wie ein Anachronismus. Man wähnt sich zunächst im viktorianischen London, als "Lastwagen" mit Lebensmitteln auftauchen,
    vielleicht auch im frühen 20. Jahrhundert. Und dann kommt die U-Bahn. Oooookay. Zudem das Mädchen "Aurora". Das "Schokoladenmädchen". Gehts noch? Das passt in ein vergangenes London,
    aber sicher nicht in die moderne Metropole London mit einem sehr hohen Anteil farbiger Bewohner, das zudem als eine der offensten Städte der Welt gilt. Es passt einfach nicht. Genau wie der prügelnde Mr Meek, die "Missgeburt" Emily mit ihrem Glasauge, die Kinder, die weggebracht werden (bisher denke ich an Kinderprostitution aber vielleicht klärt sich das ja noch als mit der Story zusammenhängend) und so weiter. Warum gehen die Kinder nicht zur Schule? Warum hat das Jugendamt keinen Blick auf das Heim? Vor allem nach Emilys "Unfall"? Klar, das sind alles Elemente einer Urban Fantasy Geschichte wie ja auch Harry Potter im Wandschrank hausen muss, aber sie sind einfach zu übertrieben.
    Was mich ebenfalls stört, sind die völlig unglaubwürdig handelnden Charaktere. Da wird von einem Eingang in die Unterwelt aus die halbe Unterwelt durchwandert, sich extra ein Führer angeheuert, bis die kleine Emily von der Brücke fällt. Und dann? Dann gehen einfach alle nach Hause statt nach ihr zu suchen. Und sie gehen nicht einfach den Weg zurück, nein das würde ja noch einen Rest Logik bewahren. Sie steigen einfach 3 Meter weiter durch die nächste UBahn Station wieder an die Oberfläche. Warum zum Teufel haben sie denn dort nicht ihre Reise begonnen?? Zum roten Ritter sage ich nichts. Spoileralarm. Aber ich fand ihn schon sehr, sehr lächerlich.



    Die Reise geht weiter - Lycidas Teil 2 (Lilith)
    Die Einleitung in den zweiten Teil liest sich fast perfekt. Spannend, gut geschrieben, macht Lust auf mehr. Dann aber verfällt Marzi wieder in seinen seltsamen Schreibstil, in alte Fehler aus dem ersten Teil. Und reduziert sie konsequent immer weiter. Bis man kaum noch auf solche Stolperstellen stößt und langsam beginnt, die Story genießen zu können.
    Den Leser erwarten am Ende des zweiten Teiles einige fiese Ereignisse, die deutlich die Spannung erhöhen.
    Mir hat dieser 2. Teil weit besser gefallen, als der erste. Aber mehr kann man einfach nicht mehr dazu sagen.


    Das Finale - Lycidas Teil 3 (Licht)
    Teil 3. An vielen Stellen wirkt Teil 3 langatmig, einige Aussagen wiederholen sich innerhalb weniger Seiten vielfach. Das nervt! Insgesamt aber hat sich Marzis Schreibstil bis hierher sehr verbessert, das Buch wird deutlich angenehmer zu lesen. Auch die Story nimmt weiter an Fahrt auf, endlich begegnen wir düstereren Wesen, lassen den albernen roten Ritter und die langweilige Hölle aus dem ersten Teil hinter uns und steigen hinab in eine weitaus spannendere Hölle. Endlich lösen sich die Handlungsfäden auf, die soooooo oft wiederholt wurden, dass man gelegentlich ein paar Seiten nur noch überflogen hat.
    Viele Autoren schaffen es einfach nicht, dem Buch ein befriedigendes Ende zu geben. Auch mein Lieblingsautor Stephen King scheitert gerne mal daran. Marzi hat es geschafft. Ein paar Dinge sind noch etwas unklar, aber es gibt ja schließlich noch Fortsetzungen. Vor allem aber ist die Auflösung der Geschehnisse nachvollziehbar und mit dem Gefühlsleben des Martin Mushroom erwartet den Leser noch einmal eine tolle Wendung.
    Besonders gut gefallen hat mir auch der eigentliche Finalkampf.


    Fazit:
    Was bleibt unter dem Strich? Ein durchaus lesenswertes Buch. Gerade das Ende ist einfach sehr gut gelungen. Leider muss man sich aber erst einmal durch den zähen, nervigen Anfang quälen. Und ich habe in diesem Thread schon gelesen, dass einige das Buch aus diesem Grunde wieder aus der Hand gelegt haben. Kann ich gut nachvollziehen.
    Ich bewerte "Lycidas" mit :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb: und bin eigentlich froh, es nicht abgebrochen zu haben. Aber ob ich die Nachfolger lese oder sogar noch einmal zu "Lycidas" greife? Im Moment steht mir jedenfalls nicht der Sinn danach, zu anstrengend war es, diese Geschichte zu lesen.

    „Die Zeit nimmt alles. Ob man will oder nicht. Die Zeit nimmt alles, die Zeit trägt es von einem fort, und am Ende ist dort nichts als Finsternis. Manchmal treffen wir andere in dieser Finsternis. Und manchmal verlieren wir sie dort auch wieder.“
    Stephen King - The Green Mile

  • - Ist es die Kultur der uralten Metropole oder Marzis persönliche Abneigung, die die Obdachlosen und Armen im Buch zu "Restefressern" und "Abschaum" macht?


    Oder als dritte Alternative: Eine Spiegelung unserer Realität? Wenn man bedenkt, wie bei uns heute z.B. Obdachlose behandelt werden, musste Marzi da nicht mehr viel Kreativität walten lassen.


    Ansonsten eine sehr schöne Rezi, Boi. Danke dafür! :winken:

  • Kurzbeschreibung:
    Als die kleine Emily eines Nachts Besuch von einer sprechenden Ratte erhält, weiß sie, dass nichts in ihrem Leben so bleiben wird, wie es einmal war. Nicht, dass sie ein gutes Leben in dem kleinen Waisenhaus in einem Armenviertel Londons führen würde. Doch dass sie auf der Suche nach dem Geheimnis ihrer Herkunft eine phantastische Stadt unter den Straßen Londons entdecken würde und schon bald von den seltsamsten Wesen verfolgt wird – das hätte sich Emily selbst in ihren kühnsten Träumen nicht ausgedacht. *Quelle*


    Zum Autor:
    Christoph Marzi, Jahrgang 1970, wuchs in Obermendig nahe der Eifel auf, studierte in Mainz und lebt heute mit seiner Familie im Saarland. Seit dem großen Erfolg seiner Saga um die Uralte Metropole (Lycidas, Lilith, Lumen und Somnia) ist er einer der erfolgreichsten deutschen Phantasik-Autoren.


    Meinung:
    Die 12-jährige Emily Laing wächst im Waisenhaus von Rotherhithe in London auf. Dort ist Gewalt und Grausamkeit an der Tagesordnung, was Emily zu spüren bekam, als sie ihr eines Auge verlor. Eines Nachts jedoch bekommt sie Besuch von einer Ratte namens Lord Brewster, die ihr einen Auftrag erteilt. Emily verlässt heimlich das Waisenhaus und macht bald die Bekanntschaft des Alchemisten Mortimer Wittgenstein und des Elfen Maurice Micklewhite, die ihre Freundin Aurora Fitzrovia ebenfalls aus dem Heim befreien.


    Die beiden haben mit Emily Großes vor, denn sie soll sich gemeinsam mit ihnen auf die Suche nach der entführten Mara Mushroom machen, die in die Uralte Metropole verschleppt wurde. Diese ist eine Stadt unter der eigentlichen Stadt Londons, in der die Uhren anders ticken und die viele verschiedene fantastische Lebewesen beherbergt. Doch was hat es mit den Entführungen weiterer Kinder in die Metropole auf sich? Dies und auch ihre Herkunft wird Emily im Laufe der Geschichte erfahren, die abenteuerlicher und spannender nicht sein könnte...


    Lange schon wollte ich mich an der Uralten Metropole versuchen und habe nun endlich den 1. Teil dieser Reihe gelesen. Mit 864 Seiten ist Lycidas ein umfangreicher Roman, den man auch nicht eben mal schnell wegliest. Christoph Marzi hat hiermit ein Feuerwerk an Fantasie und Kreativität erschaffen, das meiner Meinung nach seinesgleichen sucht.


    Anfangs dachte ich noch, dass das Buch im viktorianischen London spielt. Doch da wurde ich schnell eines Besseren belehrt, denn die Handlung bezieht sich auf die Gegenwart und die moderne Zeit. Allein in der Uralten Metropole scheint die Zeit etwas stehengeblieben zu sein und Christoph Marzi versteht es meisterhaft, Moderne und Vergangenheit zu verbinden.


    Es wimmelt nur so von sagenhaften Gestalten, seien es Werwölfe, Engel, ägyptische Gottheiten, Irrlichter oder auch Golems. Das mag manchen Lesern vielleicht zuviel des Guten sein, doch mich konnten diese Wesen allesamt begeistern. Die Geschichte selbst wird aus der Sicht Mortimer Wittgensteins in der Vergangenheitsform erzählt und Spannung kommt hier keinesfalls zu knapp. Auf brutale blutige Szenen wird nicht verzichtet und Missbrauch von Kindern wird angesprochen, wenn auch nur zwischen den Zeilen. Dessen sollte man sich vor dem Lesen bewusst sein, Lycidas ist keineswegs ein Kinderbuch, auch wenn die Protagonistin erst 12 Jahre alt ist!


    Mich konnte es definitiv begeistern und ich werde die Reihe weiterverfolgen. Glücklicherweise endet der Roman ohne großartigen Cliffhanger, trotzdem bin ich gespannt, welche Abenteuer Emily Laing und ihre Verbündeten noch bestehen müssen und freue mich deswegen auf Lilith.


    Fazit:
    Ein Buch zum Eintauchen und Genießen, fantasievoll und kreativ. Unbedingte Leseempfehlung!

  • Emily Laing lebt im Waisenhaus von Mister Dombey, als sie eines Tages von einer Ratte angesprochen wird, die sie bittet, sich um Mara, einen der Neuzugänge des Waisenhauses zu kümmern. Kurz darauf wird Mara entführt – von einem Werwolf – und für Emily beginnt ein unglaubliches Abenteuer, in dem sprechende Ratten und Werwölfe noch die kleinste Überraschung sind, da gibt es nämlich auch noch u. a. Engel und Götter und auch um Emily selbst gibt es ein Geheimnis …


    Lycidas ist ein Fantasyschmöker, wie ich sie gerne mag – dachte ich. Die Erzählung ist eine Mischung aus geschichtlichen Ereignisse, historischen Persönlichkeiten, Legenden, Mythen und Märchen, literarischen Anspielungen und sogar Religion und somit eigentlich eine interessante Sache.


    Leider bin ich nach dem Lesen des Buches sehr zwiegespalten. Sicher, der Roman weiß zu fesseln (stellenweise), ist interessant allein durch die darin vorkommende Vielfalt von Wesen und baut auch eine gewisse Spannung auf. Die Spannung hat aber einen Antagonisten, der hier ziemlich oft die Oberhand gewinnt: die Langeweile. Diese Langeweile entsteht durch die Langwierigkeit der Erzählung. Christoph Marzi erzählt nicht nur sehr ausschweifend, er wiederholt sich auch gern, viele Szenen werden gleich mehrfach erzählt – und zwar ohne dass dies handlungsrelevant wäre. Und obwohl ich Zitate aus Romanen sonst vermeide, hier muss ich (aus dem rezensierten Roman selbst) zitieren: „Die Hölle sind die Wiederholungen“!


    Auch sonst ist Lycidas nicht immer nach meinem Geschmack. Ich kann z. B. keinen wirklichen Zugang zu den Charakteren finden, wobei mir vor allem Emily, die Hauptfigur, oft ziemlich auf die Nerven geht. Abgesehen davon, dass sie nicht immer klug handelt (nun, sie ist noch recht jung, zunächst 12, später 13 Jahre alt), auch das ständige Problematisieren ihres körperlichen Makels wird mir schnell zu viel, auch hier schlägt Marzis Wiederholungsliebe zu. Aber auch die anderen Charaktere kommen mir nicht wirklich nahe. Am ehesten noch Mortimer Wittgenstein, Alchimist und Emilys Mentor, der als Ich-Erzähler fungiert. Zu ihm erhält man dadurch doch einen gewissen Zugang.


    Wittgenstein ist zwar der Ich-Erzähler, erzählt aber auch Vieles, bei dem er gar nicht zugegen war. Das kann manchmal irritierend sein, stört aber nicht wirklich. Mehr stören könnten allerdings die vielen Sprünge. Die Erzählung springt zeitlich vor und zurück, es gibt einige Rückblenden zu Ereignissen, die vor längerer Zeit stattfanden, aber auch die aktuellen Geschehnisse werden selten chronologisch erzählt. Auch zwischen den Figuren gibt es viel Hin und Her. Da Wittgenstein nicht nur Ich-Erzähler ist sondern auch allwissender Erzähler, hat er diese Möglichkeit der Erzählung, zudem macht er des Öfteren Andeutungen, die erst viel später aufgelöst werden (manchmal hunderte von Seiten später) oder er beginnt eine Szene, die er erst viel später auflöst. Das soll wohl Spannung erzeugen, funktioniert aber nur bedingt, nervt auch hin und wieder.


    Der Roman ist sehr düster und eher für Erwachsene als für Jugendliche (oder gar Kinder) geeignet. Christoph Marzi hat zudem einen Hang zum Dramatischen, oftmals zum übertrieben Dramatischen und dann wird es auch schon einmal etwas kitschig.


    Lycidas ist der Beginn einer Trilogie. Ob ich die anderen Bände auch lesen würde, wenn ich sie nicht schon hätte, weiß ich nicht, wahrscheinlich eher nicht, aber so werde ich die Trilogie zu Ende lesen – und, wer weiß, vielleicht vermögen mich die anderen beiden Teile noch zu fesseln, dieser konnte es leider nicht wirklich.


    Insgesamt ein Roman, den man lesen kann, aber nicht muss, für mich hat der Roman nichts Besonderes. Da er mich trotz aller Längen aber doch stellenweise fesseln konnte, vergebe ich 3 Sterne.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Ich kann mich der Meinung von @PMelittaM nur voll und ganz anschließen. :thumleft:
    Und die Rezi von @Boi trifft es total. :applause:


    Die Geschichte selbst gefiel mir eigentlich ganz gut bzw. hätte mir richtig gut gefallen können, wären da nur dieses ewigen Wiederholungen ("Dieses Kind!", "Nun denn", "Fragen Sie nicht!" oder "Zufälle gibt es nicht") nicht gewesen. Den Schreibstil empfand ich bis zum Schluss als extrem sperrig. Auch die Charaktere blieben mir leider sehr fremd und blutleer.
    Auch die erlebten Abenteuer kamen mir eindeutig zu kurz (zumal dem Leser dann die Spannung auch ganz oft wieder genommen wurde, in dem der Erzähler einwirft: "Wir hatten Glück." - nah prima! #-o ) und die Intrigen und Berichte darüber waren mir zu langatmig.
    Ebenfalls störend empfand ich dieses viele Vor- und Zurückspringen in der Erzählung der Ereignisse. Natürlich kann ein "Allwissender" Erzähler im nachhinein die Geschehnisse so wieder geben, aber dient das wirklich einer gut erzählten Geschichte. Mich hat es leider oft gestört und den Lesefluss ins Stocken gebracht.
    Auch Wittgenstein`s Andeutungen ( = was wir alles später noch erfahren oder eine andere Geschichte ist) sorgten bei mir leider nicht für Spannung, sondern nervten mich eher.
    Aus meiner Sicht wären 500 - 600 Seiten ausreichend gewesen.

    Ich :study: gerade:

    [-X 2024: SuB 7.708

    gelesen/gehört insgesamt: 11 davon 6 :study: = 2265 Seiten / 5 :musik: = 53:34 Stunden

    (2023 gelesen: 14 B. / 4.602 S. + gehört: 32 HB. / 327:27 Std.)

  • Was dieses Buch für mich zusammenfasst ist: Liebesbeziehung relativiert Kindeopfer.

    Achtung Spoiler. Wer das Buch noch nicht gelesen hat, sollte die Rezension nicht lesen.

    Was mich gestört hat, ist ein gewisser Teil der Handlung. Lucifer, hier Lycidas genannt, begeht zusammen mit seiner Gefährtin Lillith schreckliche Taten und opfert tausende Kinder um selbst jung bleiben zu können. Soweit so gut. Als die Lichtengel dem einen Garaus machen, nachdem sie darum gebeten wurden, wird das als grausam dargestellt, weil sie zwei Liebende trennten. Ich empfinde es als etwas unangebracht zwei Menschen zu bemitleiden, weil sie ihre Liebe nicht forführen können, die sie Jahrtausende lang leben konnten und das auf Kosten von unzähligen Kinderopfern. Es wird im Buch so dargestellt, als entschuldigten seine und Liliths Taten die Tatsache, dass sie vom Himmel verstoßen wurden. Lilith, Luzifers Gefährtin, die im Buch ebenfalls eine Kinderquälerin ist, wird im Buch vergöttert und verherrlicht. Weil sie Verletzlichkeit in einem Moment zeigt (Die Szene mit den Urieliten, als sie diese gefangen nahmen), wird sie als mitfühlendes Wesen dargestellt, das im weiteren Verlauf verherrlicht wird und unendlich viel Mitgefühl (durch den Schreibstil des Autoren) bekommt. Da denke ich mir: Nur, weil jemand Verletzlichkeit in einem Moment zeigt, wo sie gerade tatsächlich verletzlich ist, da Lichtengel nunmal stärker als sie und Macht über sie hat (nicht wie es sonst umgekehrt immer der Fall war, wo Lilith die Macht über ihre Opfer hatte), macht sie das nicht deswegen zu einem besseren Menschen. Auch ein Serienkiller zeigt Schwäche, wenn er zum Opfer wird, ist ja klar. Den seelenlosen Kindern wird kein weiteres Mitgefühl im weiteren Buchverlauf zuteil, sie werden kaum noch erwähnt, finden nur als willenlose Armee gegen den Nyx ihren Zweck. Die vereitelte Liebe zwischen Lycidas und Lilith ist alles, was zählt. Das ist etwas, das mir negativ aufgefallen ist und leider auch sehr negativ zum Bilde des Buches beigetragen hat.


    Ansonsten: der Plot der Geschichte ist ganz gut, fesselnd würde ich das Buch nicht beschreiben, aber durchaus spannend und die Geschichte ist gut durchdacht. Die Charaktere entwickeln wenig Tiefe und ich konnte bis zum Ende des Buches keine Bindung zu Emily und Aurora oder Wittgenstein und den anderen aufbauen. Das ständige Wiederholen von „Fragen Sie nicht“ und „Es gibt keine Zufälle“ macht einen Charakter auch nicht tiefgründiger.

    Insgesamt sehr viel Beschreibung der Stadt und Umwelt und teilweise etwas langatmig. Die Stimmung ist trist und hoffnungslos. Aber so soll es vermutlich auch sein.


    Insgesamt eine 3 von 5, aufgrund der moralischen Komponente, die ich im ersten Abschnitt beschrieben habe, nur 2 von 5. Warum? Fragen Sie nicht.