Siegfried Lenz - Arnes Nachlaß

  • ZUM BUCH:
    Arne wird nach dem Freitod seines Vaters mit der gesamten Familie, wobei er nur „zufällig“ überlebte, bei einem Freund des Vaters und deren Familie in einer Hamburger Abwrackwerft aufgenommen. Hans, ältester Sohn dieser Familie, erzählt Arnes Geschichte, die durch den Zusammenhang des Nachlassordnens von Anfang an unter dem Zeichen des angekündigten Endes von Arne steht. Dieses Erzählen spielt auf zwei Ebenen: jener der Jetztzeit des Ordnens und Trauerns, als auch der des Erinnerns an Arnes Leben, hervorgerufen durch die beim Ordnen des Nachlasses auftauchenden Erinnerungsstücke.


    ZUM AUTOR:
    Siegfried Lenz wurde 1926 in Lyck/Ostpreußen geboren. Nach Kriegsdienst, Desertion und Kriegsgefangenschaft studierte er nach seiner Entlassung Philosophie, Anglistik und Literaturgeschichte an der Uni Hamburg. Nach Abbruch des Studiums arbeitete er zeitweise als Journalist und dann ab 1951 als freier Schriftsteller. Er gehörte zur „Gruppe 47“.


    EINIGE BÜCHER:
    „Es waren Habichte in der Luft“, „So zärtlich war Suleyken“; „Deutschstunde“; „Heimatmuseum“...


    MEINE MEINUNG:
    Wie geht man ein Buch an, dessen Ausgang quasi schon im Anfang vorweggenommen wird? Denn der Tod Arnes steht am Anfang und am Ende der Erzählung. Doch es geht wohl eher um den Weg hin zu diesem tragischen Ende eines circa sechzehnjährigen Jugendlichen. Dabei wird mehr angedeutet als krass beschrieben: Die Suche nach Anerkennung bei der „Clique“ des Viertels, zu denen auch die Geschwister von Hans gehören. Suche, die Arne alles Mögliche in Angriff nehmen lässt.
    Siegfried Lenz findet einen eigenen, melancholischen Ton, um den Weg des Arne zu schildern. Eingebettet in die Hafenatmosphäre Hamburgs erzählt „Arnes Nachlaß“ auf eindrückliche Art von der Sehnsucht nach Gemeinschaft und das Scheitern der eigenen Erwartungen und an denen, die man den anderen zuspricht.
    Ein trauriges, aber schönes Buch...

  • Ich habe das Buch jetzt auch gelesen und ich fand es auf seine Art wunderschön - aber auch tieftraurig.
    Wunderschön ist die Sprache von Lenz, der in Andeutungen spricht, der auch auf Details wertlegt, Kleinigkeiten beschreibt...
    und tieftraurig ist die Geschichte von Arne, der zur Familie des Ich-Erzählers kommt, als er noch ein Teenager ist. Arnes Familie ist verstorben und er hat als Einziger überlebt. Er soll ein neues Zuhause bekommen, und Arne tut alles dafür, auf seine eigene, ganz leise und zurückhaltende Art. Und genau wegen dieser bekommt er nicht, was er will: Anerkennung der "coolen" Clique, auch wenn er bereit ist, für sie alles zu tun. Sie zu unterstützen, auch wenn sie ihm nichts zurückgeben.
    Und dann ist da noch der Ich-Erzähler, der Arnes Nachlass sortieren muss und der beim Hochheben und Wegpacken der Gegenstände an so viele kleine, besondere Situationen mit Arne erinnert wird. Der dabei manchmal mit Arne spricht, als sei er noch da, als könnten sie ihre Erinnerungen zusammen belächeln oder betrauern.
    Da man von Anfang an - und bereits durch den Buchtitel weiß - was einen erwartet, ist das Buch wirklich von einer tiefen Melancholie durchzogen. Und diese lässt einen als Leser auch nicht los. Es fällt schwer zu sagen, dass es eine schöne Geschichte ist, weil sie so tragisch ist, aber auf jeden Fall zieht sie ihre Leser tief in ihren Bann und ich werde ganz sicher noch sehr lange an das Buch - und vor allem an Arne - denken.

  • Ein stilles, leises Buch - traurig wie sein Protagonist.


    Ich-Erzähler Hans, Sohn der Familie, die Arne nach dem Tod der Eltern aufnahm, soll sich laut Anordnung seiner Eltern um die DInge kümmern, die Arne im gemeinsamen Zimmer zurückgelassen hat. Jedes Ding erzählt eine Geschichte, und Hans erinnert sich. Aus den Büchern, Schulheften, Briefen und Souvenirs setzt sich Arnes Geschichte zusammen, eines hochbegabten Jugendlichen, der in seinem verzweifelten Bemühen um die Anerkennung durch Gleichaltrige ständig Fehler macht, so dass sich sein Bemühen genau ins Gegenteil verkehrt.


    Lenz erzählt wie immer in einer klaren einfachen Sprache; dass sich sentimentale Passagen einschleichen, verzeiht man - vielleicht war es bei diesem Stoff nicht zu verhindern.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich habe das Buch auf Empfehlung von @Marie (danke nochmal) gelesen und weil mir der Schreibstil von Siegfried Lenz gut gefällt. Ich hatte es innerhalb von zwei Tagen fertig. Hat mir gut gefallen aber es war wirklich sehr melancholisch. Manchmal hätte ich Arne schütteln mögen.
    Diese Atmosphäre des alten Hafens fand ich gut beschrieben. Ich finde Lenz beschreibt auch kleinste Details unwahrscheinlich präzise ohne dass es langweilig ist. Kopfkino pur ist das bei ihm. Das findet man so ausgeprägt nicht so oft bei Autoren.
    Ich gebe :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: Sterne für das Buch. Manchmal war es mir ein wenig zu sentimental.

  • Eine sehr traurige, melancholische Erzählung, die Lenz uns in diesem stillen, unaufgeregten Roman schildert. Anhand einzelner Gegenstände, die aus Arnes Nachlass verstaut werden, erfahren wir Stück für Stück die klassische, oftmals erzählte Geschichte vom Erwachsenwerden: Der clevere, aber eher ruhige Arne bewundert die extrovertierte Clique und verguckt sich ein wenig in ein Mädchen, die aber kein Interesse an ihm zeigt. Eigentlich keine nennenswert neue Geschichte, aber von Anfang bis Ende so schwermütig vorgetragen, dass die Stimmung der grosse Pluspunkt des Buches ist. Warum hat Arne sich nun eigentlich umgebracht? Eine schlüssige Erklärung gibt es nicht, kann es auch gar nicht geben. Zum Einen kommt Arne gar nicht selbst zu Wort, zum Anderen können auch die Hinterbliebenen keine zufriedenstellende Antwort für sich finden. Es bleibt eine unbefriedigende Leere, wie sie nun mal nach dem Tod eines Menschen auftritt, und zurück bleiben Dinge, an denen Erinnerungen haften, aber Fragen offen lassen. Eine sehr lebensnahe, emotionale Erzählung.