Teil 3: Seite 261 bis 390

  • Ich glaub', ich bin zu schnell ;) ich bin mit diesem Teil auch schon fast durch. Es ist tatsächlich ein richtiger Bruch zwischen den beiden Teilen - die Handlung des zweiten Teils ist weniger episodenhaft sondern Margarita (und der Meister) rücken nun klar in den Mittelpunkt. Der Anfang ist furios, erinnert mich an Faust, besonders an die Walpurgisnacht. Auch hier zeigt Bulgakow wieder wie Menschen angreifbar werden, unmoralisch handeln können, wenn man sie an ihrer Schwachstelle packt - Margaritas Schwachstelle ist ihre Liebe zum Meister und das nutzt Voland gnadenlos aus. Übrigens scheinen Volands Streiche immer nur zum Selbstzweck zu geschehen, er zieht keinen eigentlichen Vorteil daraus - wobei mir auch nicht klar ist, was das bei einem unsterblichen, allmächtigen Wesen sein könnte ;)
    Der Meister ist die einzige Person, die selbst ins Irrenhaus gegangen ist (mit dem System nicht zurechtkam?), den anderen "musste" erst durch Voland ihre Fehler vor Augen geführt werden, um sie dort hinzubringen.


    Ich vermute eine Parallele zwischen der Ankunft Volands in Moskau und der Ankunft Jesu in Jerusalem - es wird im "biblischen" Erzählstrang oft von der Angst gesprochen, dass Jesus Ankunft Unruhe bringen könnte. Genau das tut Volands Auftritt in Moskau, auch wenn sich Volands Streiche nicht direkt gegen die Obrigkeit richten (was Bulgakow ja wohl auch nicht hätte schreiben bzw. veröffentlichen können).


    Katia

  • Ja, Katia, ich bin auch schon fast durch und habe eine Lesepause eingelegt, damit Ihr nachziehen könnt.


    Was mir hilft, den zweiten Teil in ein anderes Licht zu rücken ist, dass der "Teufelspakt" von Margarita (sie spricht ja davon, dass sie zur Hölle ginge, wenn sie nur mehr vom Meister erfahren würde, und darauf erfolgt die Kontaktaufnahme durch Asasello...) quasi "aus Liebe" eingegangen wird. Das unterscheidet ihre Art des "Besessenseins" von der, der Menge und auch von der Faustgeschichte, soweit ich mich ihrer erinnern kann. Im Prinzip ist ihre Höllenfahrt und Anteilhabe am teuflischen Geschehen eine Folge ihrer ausgesprochenen Versicherung an den Meister "ich gehe lieber mit Dir (für dich?) zugrunde". Ich sehe auf einer anderen Ebene die Liebe von Margarita nicht als Schwachstelle, sondern als unglaubliche Gabe. Es scheint sie von den meisten anderen Personen des Romans abzuheben. Allerdings stellt uns die ausgedrückte Liebe IN DIE WELT hinein: wir bleiben/ bzw. Margarita bleibt in gewissem Sinne nicht außerhalb des ganzen Treibens, sondern wird in ein "teuflisches" Geschehen einbezogen. Darin gleicht ihre Geschichte natürlich dem, was Jesus in seinem Leiden/seinem Tod widerfuhr...


    Für mich bleibt derzeit noch die Frage, wie weit der Einfluß von Voland und der angerichtete Schaden denn gehen werden: Wird Margarita letztlich "unversehrt" bleiben? Zumindest ist ein Versprechen beim "Pakt", dass "ihr nichts geschehen wird". Mal sehen...

  • Vorweg mal eine organisatorische Frage: Bis zu welchem Kapitel schreiben wir hier in diesem Thread? Inkl. Kapitel 25 würde sich anbieten, oder habt Ihr Vorschläge?


    Ich habe nun Kapitel 22 beendet. Dieser zweite Teil gefällt mir um vieles besser, es liest sich richtig gut und die "Höllenfahrt" hat mich begeistert!


    Erstaunt hat mich die Beschreibung Volands (Kapitel 22):


    Zitat

    In der Tiefe des rechten (Auges) glänzte ein goldener Funke, der sich jedem bis auf den Grund der Seele bohrte; das linke Auge war leer und schwarz wie ein schmales Ohr aus Kohle, wie die Öffnung eines grundlosen Brunnens voll Schatten und Finsternis. Volands eine Gesichtshälfte war schief, der rechte Mundwinkel herabgezogen, auf der hohen, kahlen Stirn waren parallel zu den dünnen Brauen tiefe Falten eingeschnitten. Sein Gesicht schien für alle Zeiten von der Sonne verbrannt. Voland lag breit aufs Bett gefläzt - nur mit einem schmutzigen langen Nachthemd bekleidet, das an der linken Schulter geflickt war.


    Eine erbärmliche Gestalt, oder? Ich hätte ihn mir imposanter, dominanter, furchterregender vorgestellt. Doch seine "Werkzeuge" (der ominöse Globus, die Salbe, etc) sind faszinierend.


    Zitat

    Original von tom fleo
    Ich überlegte gestern weiter, wie denn nun eigentlich die verschiedenen (ja, sind es denn nun verschiedene?) aufeinander folgenden Jesuseinflechtungen zu verstehen sind. Die Erzählweise, Stil deutet irgendwie ja auf EINE Geschichte hin: würde das dann quasi eine "Objektivität, einen Realismus" des Gesagten ausdrücken, unabhängig vom Erzählenden?


    Da ist was dran, das ist eine sehr gute Idee! Ich habe mir das jetzt auch überlegt, und es erscheint mir sehr einleuchtend! Ich habe diesen Gedanken auch weitergesponnen. Kann es nicht sein, dass jetzt, dieser Teil II. Auszüge aus dem Erzählten in Teil I wiedergibt? Nur eben aus der Sicht Margaritas? Es war auch im Teil I immer wieder von ominösem Frauengelächter die Rede, von Dunkelheit, von Geräuschen, die nicht zuordbar waren.
    Ist aber nur so ein Gedanke ....

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Guten Morgen!


    Zitat

    Original von Rosalita
    Vorweg mal eine organisatorische Frage: Bis zu welchem Kapitel schreiben wir hier in diesem Thread? Inkl. Kapitel 25 würde sich anbieten, oder habt Ihr Vorschläge?


    Damit wäre ich einverstanden. Ich habe gestern wieder Zeit und vor allem Ruhe gehabt um weiterzulesen und bin bis einschließlich Kapitel 25 gekommen :uups: Wäre also mit Teil 3 unserer Leserunde fertig.


    @Katia: Ich kann deine Gedanken nur zustimmen.


    Nun ist Margarita in den Mittelpunkt der Geschichte. Für mich unterscheidet sie sich auch von den anderen, da sie aus Liebe zu dem Meister handelt. Und was sie in meinen Augen auch zu etwas besonderes gemacht hatte war, dass sie nach ihrer "Belohnung" für ihre Anwesenheit beim Ball sich nicht direkt gewünscht hatte zum Meister zu kommen, sondern, dass sie sich für Frieda eingesetzt hat. Also sehr uneigennützig gehandelt hat. Etwas was sogar den Satan beeindruckt hatte. Ihr wird sogar ein zweiter Wunsch gewährt. Was mich auch überrascht hatte, dass sich Voland und sein Gefolge fast rührend um den Meister gekümmert haben. Etwas was ich von einem Teufel nicht gerade erwarte.


    Zitat

    Original von tom fleo
    Für mich bleibt derzeit noch die Frage, wie weit der Einfluß von Voland und der angerichtete Schaden denn gehen werden: Wird Margarita letztlich "unversehrt" bleiben? Zumindest ist ein Versprechen beim "Pakt", dass "ihr nichts geschehen wird". Mal sehen...


    Da bin ich auch gespannt, was noch geschehen mag. Es heißt ja "Es gibt nichts im Leben umsonst."


    Zitat

    Original von Rosalita
    Eine erbärmliche Gestalt, oder? Ich hätte ihn mir imposanter, dominanter, furchterregender vorgestellt. Doch seine "Werkzeuge" (der ominöse Globus, die Salbe, etc) sind faszinierend.


    Da habe ich auch beim Lesen gestutzt. Den Teufel hätte ich mir doch auch etwas anders vorgestellt. Zumindest nicht in einem schmutzigen, langen und geflickten Nachthemd.
    Wenn ich mir das jetzt so durch den Kopf gehen lasse, steckt da auch eine gewisse Absicht dahinter. Man geht ja doch sehr vom Äußeren seines Gegenübers aus und schätzt jemand entsprechend ein. Und wenn da jemand so angezogen ist, unterschätzt man denjenigen schon eher. Was ja dann schon fatal werden kann.


    Was hält ihr denn von dem Ball? Ich habe mich gefragt warum die Frauen völlig nackt (außer den Schuhen) und die Herren bekleidet waren. Wenn jemand nackt ist, kann er ja nichts mehr verdecken. Derjenige steht bloß und verletzlich vor einem.
    Das war ja eine "nette" Gesellschaft von Galgenschwengeln, wie Margarita sich so schön ausgedrückt hat. Eine sehr unheimliche Gesellschaft. Sollte das eine versteckte Anspielung auf die höhere Gesellschaft von Rußland dieser Zeit sein? Da wird doch wohl jeder von denen "Dreck am Stecken" haben. Und alle kamen und huldigten dem Satan und seiner Ballkönigin. Jeder wollte gleich beachtet und bedacht werden mit Aufmerksamkeiten.

  • Ja, die Nacktheit, das wundert mich auch ein bisschen - allerdings passt es gut zum Teufel und seinen Ausschweifungen. Vielleicht betont es auch, dass Vergehen von Frauen (und das waren ja alles Sünder) sehr oft einen sexuellen Hintergrund haben. Es betont auch wie unangenehm der Ball für Margarita ist ...
    Ich finde es übrigens nicht so schockierend, dass der Teufel so verlottert auftritt - es hat ja auch etwas von Überheblichkeit, wenn man so völlig underdressed auf seinem eigenen Ball auftaucht. Er hat es gar nicht nötig, Furcht zu erregen durch sein Äußeres, das kann er durch seine Taten oder die seiner Suite viel besser machen!


    Katia (die übrigens schon fertig ist :uups: )

  • Was ganz am Ende des Romans bei Margarita und dem Meister an Wunden hängenbleiben wird weiß ich noch nicht, da ich ein bißchen gestoppt habe mit dem Lesen, doch im Laufe des dritten Threads, dieser jetzt hier besprochenen Kapitel, wird klar, dass sich Margarita zumindest, wie Wolves anspricht, etwas bewahrt hat: eine Liebe zum Meister und, noch universaler, hier auch noch zu Frieda, soweitgehend, dass sie erst für diese eintritt anstatt "an sich selbst zu denken". Das ist schon ein Hammer! Darin ist sie in meinen Augen ziemlich nahe daran eine, wie man in einer vielleicht hochtrabenden Sprache bei Theologen und Philosophen (besonders in der russischen Tradition) manchmal sagt, "Christusfigur" zu sein: das wird bestätigt - wenn Ihr an einige von Ihr an Frieda, an den Meister gerichteten Worte denkt - dass sie quasi Worte aus den Evangelien zitiert, bzw. sie aktualisiert: "Dir ist vergeben" "Sei geheilt" etc. Wobei ich mich frage, ob sie darin eventuell den "Meister" (Name Jesu für seine Jünger) teilweise tröstet, der an den "Folgen seines Nicht-Verstanden-Worden-Seins", trotz der besten und lautersten Absichten, quasi fast irre geworden ist. Ein ziemlich verwegener, aber mich sehr faszinierender Gedanke...


    Wenn ich es, wie Katia, auch nicht "schockierend" finde, dass der Teufel verlottert und - warum es nicht anders sagen? - häßlich ist, dann weil er eben tatsächlich nicht "schön" ist. Ich denke an die falsche Schönheit des Dorian Gray bei Oscar Wilde... alles Fassade! Dahinter steckt was Häßliches. Es ist vielleicht unser verzerrtes Auffassungsvermögen, dass bei DEM noch Schönes vermutet?!


    Zur Nacktheit: Sie ist vielleicht nicht soo negativ zu verstehen: Nacktheit (z.B. im Garten Eden) ist Eingeständnis einer Angewiesenheit, Offenheit, Sich-Nicht-Verstecken: das liegt den Frauen eventuell eher als den Männern???? Diese verstecken sich vielleicht lieber hinter "ihren Anzügen"???? (Dies sind Mutmaßungen...

  • Ich bin mit diesem Teil nun auch durch.


    Ich sehe auch in Margarita den "Inbegriff des Guten" und vielleicht auch die Lehre, dass man mit "Gutsein" in der Welt des Bösen dennoch bestehen und widerstehen kann.


    Die Nacktheit der Frauen beim Ball verbinde ich auch eher mit "verrucht" und "erniedrigend".


    Ich stelle mir den Teufel allerdings auch nicht "schön" vor, keineswegs. Aber wie er hier beschrieben ist, ist er eine erbärmliche Figur. Scheinbar ohne Kraft, ohne Energie. Das hat mich nicht schockiert, aber doch etwas verwundert.


    Ich stecke jetzt mitten im letzten Teil und werde im passenden Thread weiterschreiben.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Ich will auch mal wieder Laut geben. Zwischendurch hat mir das reallife kräftig ins Lesepensum gefunkt, aber ich bin noch dran und werde das Buch fertiglesen. Bin jetzt auch gerade beim Ball.


    Mich beeindruckt tief die totale Veränderung der Atmosphäre; war der erste Teil sehr kaleidoskopartig, für meinen Geschmack zu episodisch erzählt, so hat der zweite Teil plötzlich einen wahnsinnigen "Drive". Margaritas Besenflug ließ mir beim Lesen die Ohren flattern.


    Ich habe übrigens die Beschreibung Volands ganz anders empfunden:

    Zitat

    In der Tiefe des rechten (Auges) glänzte ein goldener Funke, der sich jedem bis auf den Grund der Seele bohrte; das linke Auge war leer und schwarz wie ein schmales Ohr aus Kohle, wie die Öffnung eines grundlosen Brunnens voll Schatten und Finsternis.


    ... das fand ich total unheimlich, da ändert auch das schmuddlige Nachthemd nichts daran. Margaritas Furchtlosigkeit und Kraft in der Ballszene sind übrigens beeindruckend. Mal sehen, wie weit ich heute abend noch komme.


    lG Zefira

  • Hallo Zefira,


    mich hatte diese Kraft und Ausdauer von Margerita auch sehr beeindruckt. Ich weiß nicht, ob ich in so einer Situation durchgehalten hätte :wink: Ich denke, die Liebe zu ihrem Meister hat ihr die Kraft gegeben das ganze durchzuhalten.


    Ich wünsch dir noch viel Spaß beim weiterlesen und bin schon sehr auf deine Eindrücke gespannt.