Ann Granger - Wer sich in Gefahr begibt / A rare interest in corpses

  • Zur Autorin


    Ann Granger (*1939 in Portsmouth/England) ist den Krimifans als Autorin der Reihe um die Ermittler Markby & Mitchell sowie der Serie um Fran Varady bekannt.
    Jetzt hat sie erstmalig(?) einen historischen Krimi geschrieben, dessen Handlung im viktorianischen London spielt.


    Zum Inhalt (kopiert bei amazon):


    This is a gripping Victorian crime novel set in the heart of London from a highly respected author. It is 1864 when Lizzie Martin takes up the post of companion to a wealthy widow who is also a slum landlord. Lizzie is intrigued to learn that her predecessor as companion disappeared, supposedly having run off with an unknown man. But when the girl's body is found in the rubble of one of the recently demolished slums around the prestigious new railway station at St Pancras, Lizzie begins to wonder exactly what has been going on. She has re-made the acquaintance of a childhood friend, now Inspector Benjamin Ross, and with his help starts to investigate, risking her life to unearth the truth about the death of a girl whose fate seems interlinked with her own.


    Meine Meinung:


    Wer Spannung à la Mo Hayder oder Tess Gerritsen erwartet, wird enttäuscht. Wer dagegen auch ruhigere Krimis im Stil einer Anne Perry schätzt und sich gern in das neblige London des Gaslicht- und Kutschenzeitalters entführen lässt und Einblick in die viktorianische Gesellschaft nehmen möchte, ist mit diesem Buch gut beraten.
    Die Handlung wird abwechselnd aus der Sicht der zwei Protagonisten als Ich-Erzähler berichtet: Elizabeth Martin ist nach dem Tod ihres Vaters, der als Arzt einfacher Grubenarbeiter nicht zu Reichtum gekommen ist, "unversorgt" zurückgeblieben und sieht sich in der Lage, ihren Lebensunterhalt verdienen zu müssen. Zu jener Zeit sind nur wenige Beschäftigungen für eine Tochter aus respektablem Hause zumutbar und so wird Lizzie Gesellschafterin bei der Witwe ihres Patenonkels in London. Zeitgleich mit ihrer Ankunft in London wird die Leiche ihrer 2 Monate zuvor spurlos verschwundenen Vorgängerin gefunden. Lizzie, die sich als Gesellschafterin wohl geistig etwas unterfordert fühlt, beschließt, sich mit diesem Mordfall zu befassen.
    Dabei trifft sie den anderen Erzähler, Inspector Ross von Scotland Yard wieder, der seinerzeit als Sohn armer Leute seine Schulausbildung dem wohltätigen Vater Lizzies zu verdanken hatte. Gemeinsam mit Lizzie - eigentlich hauptsächlich mit ihrer Hilfe - gelingt es ihm, den Fall zu lösen und Lizzie aus Todesgefahr zu retten...


    Dieses Buch ist sicher nicht das spektakulärste Buch, das ich in diesem Jahr gelesen habe, aber es bietet durchaus angenehme Unterhaltung und eine willkommene Abwechslung zu den zeitgenössischen Ermittlerteams der Autorin. Dem Leser wird demonstriert, wie mühsam und zufallsabhängig die Aufklärung von Morden vor den Zeiten der modernen Gerichtsmedizin war.
    Soweit mir bekannt ist, ist "A rare interest in corpses" (noch?) nicht in deutscher Sprache erschienen.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Zitat

    Original von €nigma


    aber es bietet durchaus angenehme Unterhaltung und eine willkommene Abwechslung zu den zeitgenössischen Ermittlerteams der Autorin.


    Ich glaube, gehört zu haben, dass die Mitchell/Markby Reihe beendet ist

  • Vielleicht kommt es noch oder ist schon woanders als bei amazon erhältlich.
    Bei amazon steht auch, dass die englische Ausgabe angeblich erst im November erscheint, dabei habe ich es bereits letzte Woche aus der Bücherei geholt. :mrgreen:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Und hier ist die deutsche Übersetzung:


    Inhalt (von Amazon kopiert / Klappentext):
    England, 1864. Als Lizzie Martin mit dem Zug nach London kommt, um eine neue Stelle anzutreten, ahnt sie nicht, welche Abenteuer hier auf sie warten. Doch schon der erste Eindruck, den sie von der Stadt bekommt, ist bedrückend. Bereits vor dem Bahnhof begegnet sie einem Leichenwagen, der eine tote Frau abtransportiert. Und in ihrem neuen Heim angekommen, erfährt sie, dass ihre Vorgängerin unter mysteriösen Umständen von einem Tag auf den anderen spurlos verschwunden ist. Lizzies Neugier ist geweckt. Zusammen mit ihrem alten Bekannten Inspector Benjamin Ross beginnt sie nachzuforschen.


    Ann Granger kenne ich durch die Markby-Mitchell-Reihe und einen Fran-Varaday-Roman. Etwas neues stellt sie mit diesem Krimi nicht auf die Beine, sieht man von dem historischen Hintergrund ab.


    Wie immer erzählt sie die Aufklärung eines Kriminalfalls detailreich, begleitet von Lokalkolorit und ausschweifenden Dialogen. Geschichte und Aufbau der Ermittlungsarbeit und das Whodunit-Schema erinnern an englische Krimi-Klassiker wie Christie - mit dem Unterschied, dass Christie das Geschriebene auf 150-100 Seiten einzuschränken wußte, weil die Handlung nicht mehr hergab; Granger dehnt ihre Szenen aus.
    Was man sich denken kann: Die zarten Bande, die sich zwischen Ben Ross und Lizzie Martin entwickeln. Aber ein richtiges Knistern ist nicht spürbar. Vielleicht kommts noch. Das hier ist ja nur der erste Band.


    Ich mag eigentlich die ruhigen Krimis eher als die actiongeladenen oder bluttriefenden (Indridason, Fossum, Vargas), aber Granger hat (nicht nur mit diesem Roman) die Grenze zwischen "ruhig" und "langatmig" überschritten.


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich fand das Buch ganz gut. Es war an einigen Stellen zwar ein wenig langatmig, aber nie so dass Langeweile aufgekommen wäre oder so.
    Den Täter habe ich dann auch erst am Ende rausgefunden, was mich immer sehr freut, da mir so die Spannung nicht genommen wird :lol:
    Alles in allem ein gelungenes Buch.

  • Auch ich muss sagen, dass es mir ganz gut gefallen hat. Wenn man Ann Granger bereits gelesen hat, so weiß man, dass sie nicht die atemberaubende Spannungsromane schreibt. Sie steht für das ruhige, beschauliche Krimigenre. Mir gefiel's. :flower:

    "Lesen ist für den Geist das, was Gymnastik für den Körper ist" Joseph Addison

  • Ich mag ab und zu ruhige, gemütliche Bücher, und wenn die dann noch im viktorianischen England spielen, hat man bei mir schon zur Hälfte gewonnen.


    Mir hat die Geschichte um Lizzie sehr gut gefallen, auch wenn es schon recht lange her ist und ich mich nicht mehr an die Details erinnern kann, nur an ein wohlig-nettes Gefühl.

  • Ich empfand dieses Buch als angenehme Unterhaltung. Die Handlungen waren aufeinander abgestimmt, der Inhalt ist gut durchdacht und authentisch. Spannung habe ich schon anders erlebt, aber die Atmosphere war sehr angenehm und interessant. Noch einmal würde ich es wahrscheinlich nicht lesen, aber empfehlenswert ist es trotzdem. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Bücher müssen schwer sein, weil sie eine Welt in sich tragen.

  • Elizabeth Martin kommt im Jahr 1864 nach London, um eine Stelle als Gesellschafterin bei der wohlhabenden Julia Parry anzutreten, der Witwe ihres Patenonkels. Gleich nach ihrer Ankunft auf dem Weg vom Bahnhof sieht Lizzie, wie man im Armenviertel Agar Town eine tote Frau auf einem Karren weg bringt. Hier werden die Häuser abgerissen, um einen neuen Bahnhof zu bauen, ohne Rücksicht auf die Schicksale der Menschen, die hier lebten.
    Angekommen am vornehmen Dorset Place erfährt sie dann, dass ihre Vorgängerin vor einigen Wochen anscheinend spurlos verschwunden ist. Die Umstände sind sehr mysteriös und Lizzies Neugier ist geweckt. Besonders als im Hause von Mrs. Parry Inspector Benjamin Ross von Scotland Yard auftaucht, der den Tod der jungen Frau aus Agar Town untersucht und Fragen nach Lizzies Vorgängerin stellt. Als Lizzie in Ben einen Jungen aus den Kohleminen ihrer Kindheit in Derby wiedererkennt, hilft sie ihm bei den Recherchen und der Suche nach dem Mörder.


    Dies ist der erste Teil der historischen Krimireihe von Ann Granger mit Lizzie Martin und Benjamin Ross. Mir hat "Wer sich in Gefahr begibt" gut gefallen. Ganz besonders Lizzie mochte ich gleich, denn für eine junge Frau zu der Zeit ist sie sehr unkonventionell, lässt sich nicht unterkriegen und auch nicht bevormunden. Was ihr das Leben natürlich nicht leichter macht. Und auch ihr ausgeprägter Gerechtigkeitssinn macht ihr oft Schwierigkeiten.
    Benjamin Ross bleibt sich ebenfalls treu und hat nie vergessen, woher er kommt und wem er seinen Werdegang zu verdanken hat. Auch von der so genannten "besseren Gesellschaft" lässt er sich nicht einschüchtern.
    Ann Granger schreibt gewohnt flüssig und anschaulich. Die Schuttberge in Agar Town, die von Kohlenstaub schwarze Luft in Derby, der dichte Nebel in London, das alles wird lebendig in der Geschichte. Auch ein Teil von Sozialkritik schwingt mit, denn anscheinend interessiert es nur Lizzie, was mit ihrer Vorgängerin passiert ist. Auch der Satz von Lizzies Vater: "Vergiss niemals den wahren Preis von Kohle" macht nachdenklich, denn für den Komfort der Reichen mussten Kinder in den Minen arbeiten.


    Insgesamt ist dieser Krimi zwar eher unaufgeregt, aber deswegen keineswegs langweilig. Die Auflösung überraschte mich auch nicht wirklich, aber das fand ich nicht weiter schlimm. Zwischendurch gab es immer wieder neue Entwicklungen und Verdächtige, wodurch die Spannung erhalten blieb.


    Ich vergebe gute :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:


    Ich werde auf jeden Fall die weiteren Teile auch lesen, da ich wissen möchte, wie es mit Lizzie und Ben weitergeht.


    2. Neugier ist ein schneller Tod
    3. Ein Mord von bess'rer Qualität
    4. Ein guter Blick fürs Böse
    5. Die Beichte des Gehenkten
    6. Die Tote von Deptford

  • "Wer sich in Gefahr begibt" ist der erste Band einer Reihe um Lizzie Martin und Benjamin Ross. Er ist ein Inspector und untersucht den Mord an Lizzies Vorgängerin, sie ist gerade nach London gezogen, um die Gesellschafterin einer begüterten Dame zu werden, und wird ebenfalls in die Ermittlungen verwickelt. Dazu tragen neben den Umständen auch ihre eigene Neugier und Beobachtungsgabe bei, durch die ihr Hinweise auffallen, die anderen entgehen.


    Das Buch liefert eine ruhige Geschichte ohne Blutvergießen, die zwar ein wenig zu sehr von Zufallsbegegnungen getragen wird und sich eher langsam entwickelt, aber interessant ist. Granger hat verschiedene glaubwürdige Verdächtige präsentiert und es bleibt bis zuletzt offen, wer die Tat begangen hat; die Auflösung war für mich überraschend, im Rückblick jedoch offensichtlich und somit überzeugend. Dass Lizzie bei der Aufklärung des Falls involviert war, wurde ebenfalls realistisch dargestellt und es hat sich an manchen Stellen gezeigt, dass sie keine ausgebildete Ermittlerin ist, was ich mochte. Sie und Ben verfolgen unterschiedliche Strategien und haben verschiedene Mittel zur Verfügung, was sich hier recht gut ergänzt hat.


    Beide Protagonisten waren mir sehr sympathisch und ihre Interaktionen haben mir gefallen; sie haben eine Verbindung zueinander, die hoffentlich in den Folgebänden noch weiter ausgebaut werden wird. Besonders gerne mochte ich Lizzie, die für die damalige Zeit eher untypische Ansichten und ein direktes, wenig zurückhaltendes Verhalten hat. Sie war sehr erfrischend und ich fand gut, dass sie sich trotz gesellschaftlicher Erwartungen nicht scheute, offen ihre Meinung zu sagen, wenn sie dachte, es sei notwendig. Dadurch, und auch durch ihre Intelligenz, passt sie nicht wirklich in den Haushalt, in dem sie arbeitet und die Reaktionen anderer Charaktere auf sie haben viel über die jeweilige Person ausgesagt. Leider hatte ich dabei den Eindruck, dass einige der Figuren zu sehr schwarz/weiß gezeichnet wurden, obwohl das für die Handlung selbst nicht besonders schlimm war.


    Das Buch bekommt von mir :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: . Es ist eine angenehme, leichte Lektüre mit einem sehr soliden Fall und kleineren Schwächen, die ich übersehen konnte, weil mich die Geschichte trotzdem gefesselt hat.

    Carpe Diem.
    :study: Yrsa Sigurðardóttir - Gespenstisches Island

    2024 gelesen: 13 Bücher | gehört: 4 Bücher

  • London 1864 . Lizzie Martin kommt nach London um als Gesellschaftsdame für Mrs . Parry ihre neue Stelle anzutreten . Kurz davor verschwand ihre Vorgängerin Madeleine Haxham . Madeleine wird später tot in einem Abbruchhaus von Arbeitern gefunden . Lizzie und Inspector Benjamin Ross beginnen nachzuforschen .


    Die Kapitel wechseln zwischen Lizzie und Inspector Benjamin Ross hin und her . Da der Schreibstil sehr gut zu lesen ist bin ich recht zügig durch das Buch gekommen trotz manchmal sehr detaillierter Erklärungen . Die Charaktere sind sehr gut beschrieben , sie passen hervorragend in die Geschichte und in die damalige Zeit hinein . Das ganze spielt sich in London ab , es gibt auch immer mal wieder Rückblicke in die Kinderzeit von Lizzie . Die Spannung erhöht sich im Laufe des Buches , gerade zum Schluss hin wurde es nochmals spannend .


    Fazit : London im Zeitalter des Aufbruchs und Aufbaus . Die Kanalisation z . B . wird gerade ganz neu gebaut aber auch der Bahnhof . Das wird sehr anschaulich beschrieben . Auch welche Krankheiten in den Armutsvierteln grassieren . Da passt das Cover ganz gut hinein . Der Krimi ist sehr detailgetreu geschrieben auch was die damalige Kleidung betrifft . Ich fühlte mich gleich in die damalige Zeit zurückversetzt . Es ist ein gelungener Cosy Krimi der in sich abgeschlossen ist . Es ist der erste Teil einer sieben teiligen Reihe .


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: