Peter Stamm - An einem Tag wie diesem

  • Inhalt:
    An einem Tag wie diesem ändert Andreas sein Leben. Ihn packt eine Sehnsucht, die zwischen Heimweh und Fernweh nicht mehr unterscheidet. Er wirft alles hin, verkauft seine Wohnung und kündigt seine Stelle in Paris, um nach einem halben Leben zu der Frau zurückzukehren, die er einmal geliebt hat. Die Gleichheit der Tage war sein einziger Halt, jetzt hofft er auf ein Wunder und darauf dass alles neu beginnt. Seine Reise führt ihn in die Provinz seiner Jugend und wieder weg bis ans Ufer des Atlantik, in die Arme einer Frau, deren Liebe er beinah verspielt hatte.


    Der Autor:
    Peter Stamm wurde 1963 geboren. Er studierte nach einer kaufmännischen Lehre einige Semester Anglistik und Psychologie. Er lebt in Winterthur in der Schweiz. Sein erster Roman „Agnes“ erschien 1998.


    Meine Meinung:
    Das Buch welches Peter Stamm uns vorlegt ist ohne Frage sehr lesenswert. Unaufgeregt schildert er wie sich Andreas auf die Suche nach der unerfüllten Vergangenheit begibt. Stamm behält Distanz zu seinem Protagonisten. Er schubst ihn nicht dauernd an, sondern überlässt ihn auch manchmal seinem Phlegma. Es sind keine weltbewegende Dinge die dort passieren, es sind aber Dinge die jedem von uns täglich passieren können. Er verachtet nicht die, die ihren täglichen Trott leben, sondern zeigt auch, dass dieses tägliche Einerlei durchaus auch seinen Reiz haben kann. Andreas sucht seinen Platz im Leben, sucht sein Leben überhaupt. So wie viele von uns auch, ist er immer auf der Suche, verbunden mit dem Gefühl, vielleicht etwas verpasst zu haben, aber gerade das eigentlich nicht genau zu wissen.

  • Hallo Voltaire :)


    Habe das Buch gestern bei Amazon beim Stöbern entdeckt und habe es schon auf meiner Liste für die nächsten Bücherkäufe, schließlich ist mein SUB in den letzten Monaten auf sage und schreibe 1 Buch geschrumpft. Nachschub muss also her :wink:


    Es hört sich sehr interessant an und ich bin schon gespannt, wie es sich liest.


    LG Tanni

    Liebe Grüße von Tanni

    "Nur noch ein einziges Kapitel" (Tanni um 2 Uhr nachts)



  • Andreas ist Ende 30, Junggeselle, Lehrer in Paris. Er führt ein recht zurückgezogenes, ereignisloses und eigentlich trostloses Leben, vermeidet soziale Kontakte, scheut sich davor, tiefere Beziehungen einzugehen, er unterhält einige belanglose Affären. Auch die familiären Kontakte zu seinem Bruder beschränken sich auf Anstandsfloskeln.
    Im Zuge der Geschichte bekommt man einen Hinweis, warum Andreas dieses Leben gewählt hat. Er hatte vor 20 Jahren die Liebe seines Lebens, Fabienne, kennen gelernt, aufgrund seiner Schüchternheit aber an seinen besten Freund verloren. Damals verließ er seinen Heimatort in der Schweiz um in Paris – jenem Ort, wo auch Fabienne studierte – seine Zelte aufzuschlagen.
    Die nächsten 20 Jahre verbringt er in einer melancholischen Trauer um die verlorene Liebe, in einem Alltagstrott, wo jeder Tag dem anderen gleicht. Bis er eines Tages mit der möglichen Diagnose einer schweren Krankheit konfrontiert wird. Ohne das Untersuchungsergebnis abzuwarten, krempelt er von einem Tag auf den anderen sein Leben um. Er kündigt seinen Job, verkauft die Wohnung und macht sich mit einem alten 2CV auf die Reise in die Schweiz, um die Vergangenheit aufzuarbeiten.


    Es ist eine grandiose, faszinierende Geschichte, die Peter Stamm hier erzählt. In nüchternem, fast kargem Stil erfährt man von dem tristen, ereignislosen Leben des Andreas. Er selber erkennt, dass er sein Leben wegwirft, doch ist er zu bequem, zu passiv und zu phlegmatisch, um es selber in die Hand zu nehmen. Es bedarf erst dieser – vermeintlich – bedrohlichen Krankheit, um ihn zum Leben zu erwecken. Seine „Reise in die Vergangenheit“ wird zu einer Reise in die Zukunft, …


    Die angesprochenen Themen betreffen uns wohl alle. Es geht um vermasselte Chancen, darum, Vergangenes abzuschließen, zu bewältigen und nach vorne schauen zu können. Andreas ist derart in seiner Melancholie und Trauer gefangen, dass er seine Außenwelt gar nicht mehr wahrnimmt und so auch mögliche Chancen nicht wahrnehmen kann.


    Das Ende sehe ich etwas ambivalent.

    .

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

    Einmal editiert, zuletzt von Rosalita ()

  • Nachdem ich "In fremden Gärten" und Voltaires Rezi gelesen hatte, lag dieses Buch auf dem SUB... Ich wurde gestern fertig. Eure Kommentare geben mir ein wenig "Hilfe". Das Buch hat etwas, ohne Zweifel, doch ich blieb auch nachher irgendwie ratlos: Die Wörter, die meines Erachtens das Leben von Andreas prägen - teils so wortwörtlich im Buch - sind auch "Leere, Zufall, Alltagstrott..." Sicherlich findet man sich in manchen eigenen Stimmungen darin wieder. Aber "reizen" tut mich dieses Leben nicht, auch wenn Wiederholung Sicherheit schenken mag?! Am Ende stand für mich die Frage: War es das? Ist das Leben so? Es bleibt eine recht kleine Aussicht auf Hoffnung - ich will darauf bauen...


    Lesenswert! Für nachdenkliche Perioden...

  • Schon wieder ein Roman, in dem der Protagonist aufgrund einer schweren Krankheit sein Leben ändert? Diese Thematik erscheint mir momentan sehr beliebt zu sein, und so hatte ich meine Bedenken nach den ersten Seiten. Doch hier weiß die Figur gar nicht, ob er wirklich schwer erkrankt ist. Es sind Anzeichen für eine schwere Erkrankung vorhanden, und Andreas nutzt diese um seine Leere, die er mit jeder Körperzelle spürt, endlich aus der Welt zu schaffen. Manchmal braucht es eben nur einen Anlass um etwas in Bewegung zu setzen.


    Andreas führt ein beschauliches und festgefahrenes Leben. - Er ist Mitte vierzig und ledig, hat aber gleich zwei Geliebte, die er zu bestimmten Tagen trifft. Doch beide sind im gleichgültig, dennoch kann er sich nicht von ihnen lösen. – Als gebürtiger Schweizer arbeitet er in Paris als Deutschlehrer, doch viel mehr als seinen Wohnbezirk und den Weg zur Schule hat er in den 18 Jahren nicht kennen gelernt.
    Irgendetwas stimmt mit Andreas nicht, das erkennt der Leser gleich. Seine Liebesunfähigkeit, Lebensunfähigkeit und sein grauer Alltag haben ihre Wurzeln in der Vergangenheit. Bei der Aufklärung dessen setzt Stamm uns bewusst den Spiegel vor, und so wird dann der Tag zu diesem. Mir hat es gefallen! :thumleft:

  • Nun habe ich dieses Buch gelesen und muss sagen es gefiel mir nicht besonders. Nach den überaus positiven Rezensionen hier fragt sich natürlich warum?


    Es liegt an Andreas. Er war mir praktisch von Anfang unsympathisch. Natürlich gibt es, dass jemand irgendwann vor der Entscheidung steht, führe ich nun dieses langweilige, zwar bin ich nicht einmal unzufrieden damit dennoch eintöniges Leben weiter, oder versuche ich einen Neuanfang. Allerdings verwunderte es mich bei Andreas überhaupt nicht dass er mit 40Jahren vor den Scherben eines, seiner Ansicht nach „verpfuschten“ Lebens steht. Er scheint mir so voller Gleichgültigkeit zu sein sich und seiner Umgebung gegenüber. Nichts lässt erkennen dass er an irgendetwas Freude empfindet.


    Wie er an seine „Beischlaf- Bekannschaften“ denkt zeugt von einem absoluten Desinteresse den Frauen gegenüber. Auch wenn er mit seinen Gedanken in der Vergangenheit bei seiner „grossen“ Liebe Fabienne weilt, niemals erkennt man als Leser dass er mit Zärtlichkeit an sie denkt. Wie er dann mit Delphine zu schlafen beginnt, die Frauen dienen ihm, sie sind einfach für ihn da. Er hat eine so plumpe Art die Frauen „anzumachen“ dass es mich sehr wundert dass er überhaupt bei den Frauen „punkten“ kann.


    Er gibt zwar vor sein Leben radikal zu ändern wollen, indem er seine Wohnung kündigt, seine Stelle aufgibt und versucht nochmals von vorne zu beginnen indem er in die Vergangenheit fährt. An seiner Art, zu Sein, zu Denken ändert sich jedoch nichts und er erkennt auch nicht dass dies das Wichtigste wäre.


    Dies seine Haltung machte mir Mühe und es fiel mir darum schwer hinter Andreas noch eine andere Person zu sehen, eine Person die vielleicht nicht das grosse Glück dennoch eine gewisse Zufriedenheit findet indem er einen Neuanfang wagt. Die Sensibel und voller Freude am Leben sein kann.


    Die knappe, präzise Art von Peter Stamm zu schreiben ist gut, er verzettelt sich absolut nicht, vermochte mich auch teilweise zu fesseln, leider nur teilweise.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

    Einmal editiert, zuletzt von serjena ()

  • Interessant, serjena, deine Meinung zu hören. Es ist jetzt zwar schon wieder einige Zeit her, dass ich das Buch gelesen habe, aber mit dem Protagonisten hatte ich eigentlich keine Probleme.
    Natürlich will ich ihn nicht zuhause auf Couch sitzen haben .... ;) aber ich glaube, dass es viele Menschen dieser Spezies gibt, deren Leben so vorbeizieht und die erst im Nachhinein dem Versäumten nachweinen, und Peter Stamm hat den Charakter außerordentlich gut und treffend gezeichnet.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)


  • Die knappe, präzise Art von Peter Stamm zu schreiben ist gut, er verzettelt sich absolut nicht, vermochte mich auch teilweise zu fesseln, leider nur teilweise.


    Für mich ist es genau das, was du sagst, was Stamm auszeichnet: knapp, präzise und nicht verzettelnd. Er zeichnet sehr prägnant Figuren! Ob ich sie mag oder nicht, das stellt sich bei Stamm für mich nicht, ich lasse mir einfach von ihm etwas erzählen. Irgendwie schafft er es immer, dass mir sein Buch gefällt.
    (Also die Person mochte ich auch nicht sonderlich :wink: )

  • Ob ich sie mag oder nicht, das stellt sich bei Stamm für mich nicht,

    Dies kann ich beim Lesen leider nicht ausschliessen, der oder die Protagonistin ist für mich einen wichtigen Punkt in einer Erzählung. Ich bin mir allerdings bewusst dass ich dadurch, dass ich solche Ressentiments gegen Andreas hegte, dem Buch evtl. nicht gerecht werden konnte.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Seit 18 Jahren lebt der Schweizer Andreas als Lehrer in Paris, ein Tag so unspektakulär wie der andere. Seit er die Chance vertan hat, sich seiner Jugendliebe Fabienne zu offenbaren, nimmt er das Leben wie es kommt und verschwendet keine Energien darauf, den Ablauf seines Daseins zu verändern oder Beziehungen zu vertiefen. Nichts berührt ihn wirklich, seine Freundschafts- wie auch Liebesverhältnisse und die Verbindungen zu seiner Familie bleiben oberflächlich, als ob mit der Nichterfüllung seiner Liebe zu Fabienne jegliches Interesse an Anderen erloschen sei. Erst als der Verdacht entsteht, er habe eine ernsthafte Krankheit, beschließt er aus dieser Monotonie seines Lebens auszubrechen.
    Obwohl ich das Buch gerne gelesen habe, fällt es mir nicht leicht, es Anderen zu empfehlen. Die Handlung ist weder übermäßig spannend geschweige denn humorvoll, der Protagonist dröge und eher langweilig - weshalb sollte man es dann lesen? Vielleicht weil es ein Abbild des wahren Lebens ist, gerade in dieser Gleichförmigkeit, wo sich kaum ein Tag vom anderen unterscheidet. Doch letzten Endes liegt es nur an einem selbst, dies zu ändern. Andreas' Krankheit veranlasst ihn dazu: Statt in seinen Träumen weiter zu verharren und den verpassten Chancen nachzutrauern, ergreift er selbst die Initiative und erkennt, dass die Träume nur wenig bis nichts mit der Realität zu tun haben. Das echte Leben befindet sich genau vor ihm, er muss nur den Schritt hineinmachen.
    Ein Buch, das weniger Unterhaltung bietet als Stoff zum Nachdenken.

    :study: Das Eis von Laline Paul

    :study: Der Zauberberg von Thomas Mann
    :musik: QUALITYLAND von Marc-Uwe Kling