Margaret Atwood - Oryx und Crake/Oryx and Crake

  • Die Oryx-Antilope und die Ralle geben diesem Roman seinen Titel und sie sind beide zur der Zeit in der die vorliegende Geschichte spielt ausgestorben. Und viele andere Tierarten auch.
    Von den Menschen scheint nur noch ein Einziger übrig zu sein - Snowman - der in einem früheren Leben Jimmy hieß und nun von einer hochgezüchteten Gruppe von Humanoiden, die "Rallianer" :mrgreen: genannt werden als eine Art Prophet verehrt, denn er bringt die Gesetze ihres Lebens - von Ralle/Crake ihrem Schöpfer - und erklärt ihnen die Welt - wie Oryx, ihre erste Lehrerin im "Paradice". Und den Umgang mit seltsamen Tieren, wie sie nur der Mensch erdenken konnte.
    Während Snowman noch versucht, sich in dieser "schönen neuen Welt" zurecht zu finden :scratch: , beginnen vor seinen Augen Prozesse bei den Rallianern abzulaufen, die ihr Schöpfer abgelehnt hätte, der Snowmans bester und einziger Freund gewesen war :pale: .
    Dies alles betrachtend erinnert sich der Snowman immer wieder an die alte Welt und daran, wie es zu dem Zustand gekommen ist, in dem er sich jetzt befindet #-o .
    Religions-, Gesellschafts- und Wissenschaftskritik in massierter Form. Wie immer Margaret Atwood in einer sehr komplexen, mehrfach kodierten Sprache ein überaus eindringliches und beängstigendes Buch geschrieben, dass sich neben Klassikern wie "Brave New World", "1984", "Der Report der Markt" usw. und auch neben neueren Dystopien wie "Matrix" anderen Endzeitvisionen nicht verstecken muss. Anspruchsvoll und gut. :thumright:

  • Nach dem Report der Magd habe ich mich sehr auf den zweiten dystopischen Roman der Atwood gefreut.
    Spannend zu lesen, zum Nachdenken anregend, interessantes Thema, gar keine Frage, insofern ein sehr gutes Buch. Was mir nicht gefiel waren eher die Details: die vielen Umweltkatastrophen, die sie in Nebensätzen erwähnt. Eigentlich ein gutes Mittel, aber sie setzt es etwas häufig ein. Kleinere Unklarheiten, wie z.B. "virtuelle Munition" für die Energiepistolen. Die Fülle an Perversitäten, die sich Jimmy und Crake im Internet anschauen. Schließlich scheint mir an manchen Stellen die Übersetzung nicht besonders geglückt, z.B. die Kunstnamen der "neuen" Tiere wirken eher holprig (Hunölfe).


    Ingesamt aber sicher eine Empfehlung :thumleft:


    Katia

  • Hab den Roman in 2 Tagen durchgelesen und fand ihn absolut spitze. War mein erster von Margaret Atwood, werde jetzt aber gleich mit "Report der Magd" nachlegen. Einerseits sehr ironisch und makaber geschrieben, andererseits wird aber auch eine sehr düstere und für mich nicht mal so unrealistische Zukunft beschrieben. Vor Allem die beschriebenen Internet-Live-Übertragungen fand ich ziemlich extrem. Das Ende war klasse und hat mich sehr zu Denken angeregt. Würde das Buch auch Nicht-Science-Fiction-Lesern empfehlen.


    Den deutschen Klappentext finde ich allerdings irreführend. Von einer Liebesgeschichte zwischen Oryx und Crake kann eigentlich nicht die Rede sein und auch sind es nicht die "wenigen Reichen", die sich in gesicherten Gebäudekomplexen verschanzen, sondern Genforschungs-Konzerne mit ihren Mitarbeitern.


    Ganz klar, eins der besten Bücher, die ich in den letzten Monaten gelesen habe: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    :study: Matthias Bogner / Kevin Zindler - Die besten Horrorfilme des 21. Jahrhunderts

    :study: SUB: 330

  • Mir gefällt das Buch nach dem ersten Drittel schon sehr gut. Ich komme mit der Sprache von Atwood und den Zeitsprüngen gut zurecht. Eine gruselige Geschichte ... stellt Euch vor, die Genforschung gerät außer Kontrolle. Gruselig, weil das alles durchaus passieren könnte. Ich hoffe, wir werden die Erde nie so erleben wie Snowman bzw. Jimmy 8-[
    Ich lese gespannt weiter 8)

    "Ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos ..."

    (nach Loriot)

  • Inhaltliche Ausgangssituation:
    Die menschliche Erdbevölkerung ist ausgerottet, augenscheinlich hat nur ein Einziger überlebt, Schneemensch, der wie ein Schiffbrüchiger an der Küste lebt. Er wird sich bewusst, dass er sich im Prozess des langsamen Verhungerns befindet, da er sich von wenigen aus der Zivilisation übrig gebliebenen Lebensmittelkonserven ernähren muss. Nicht weit von ihm gibt es eine Gruppe von menschenähnlichen, genetisch mutierten Wesen, die in ihrem ästhetischen, anatomischen und chemisch-hormonellen Aufbau wesentlich besser zum Überleben in Einklang mit Umwelt und Natur geeignet ist. Ihre ausgesprochen unschuldige und friedliche Veranlagung verspricht ebenso mehr Erfolg für Gedeihen und Zusammenleben innerhalb ihrer eigenen Spezies, der „Craker“, wie Schneemensch sie nennt.
    In zahlreichen Rückblenden erinnert sich Schneemensch an die Jahre aus seiner Kindheit und als Erwachsener inmitten einer technologisch hochgezüchteten Gesellschaft; eine Gesellschaftsschicht, die in einer nahezu sterilen Umgebung extremen Wohlstands und streng kontrollierter Sicherheit aus Gier nach immer größerem Reichtum die technologische Weiterentwicklung in allen vorstellbaren (und unvorstellbaren) Richtungen bedingungslos vorantreibt. Im Gegensatz dazu steht die Außenwelt, das sogenannte „Plebsland“, das die übrige Menschheit umfasst, die breite Masse der sozialen menschlichen Unterschicht, die extremer Kriminalität und Erkrankungen durch alle möglichen Arten von Bakterien und Viren ausgesetzt sind. Nach und nach entwirren sich die ungeordneten Fetzen aus der Erinnerung von Schneemensch und fügen sich schließlich zu einem zusammenhängenden Faden von Ereignissen zusammen, wie sie zur aktuellen Situation des Schneemenschen und der Craker geführt haben.


    Oryx und Crake scheint mir eine recht bedrückende Lektüre, die mich dennoch tief beeindruckt und restlos begeistert hat:

    • Die Endzeitvision, wie von K.-G. Beck-Ewe im Eröffnungsthread treffenderweise genannt, wird von der Autorin so phantasievoll umrissen, dass allein dieser Betrachtungswinkel ein bemerkenswertes Leseerlebnis garantiert.
    • Die vielfältigen Rückblenden in Oryx und Crake wirken nie langweilig und sind perfekt eingesetzt worden, da sie dem Leser die Fassungslosigkeit und Wirrnis vermitteln, mit der sich Schneemensch konfrontiert sieht. Bruchstückhaft greift er auf Teile seiner früheren Identität und seiner damaligen Lebensumstände zurück, die sich nur langsam zu seiner Vergangenheit und damit für den Leser zu einem kontinuierlichen Handlungsfaden zusammensetzen. Auf diese Weise wird eine gewisse Spannung bis zum Ende der Lektüre aufrecht erhalten.
    • Margaret Atwood stellt sämtliche Aspekte des zugrundeliegenden Szenarios sowie den darin eingebetteten Handlungsfaden in einen logisch einwandfreien Zusammenhang. Die Plausibilität und schonungslose Nüchternheit im Erzählstil trägt dazu bei, dass ich mich als Leser der bedrückenden Ungemütlichkeit, die in der Lektüre vorherrscht, nicht entziehen konnte.
    • Es erscheint mir erstaunlich, wie die Autorin all diese Entwicklungen und Ereignisse in enormer erzählerischer Dichte auf nur 380 Seiten gepackt hat; trotzdem lässt sich Oryx und Crake leicht und flüssig lesen, da die Autorin weitestgehend auf sprachliche Schnörkel verzichtet. Margaret Atwood beschränkt sich durch das gesamte Buch auf Wesentliches; alles steht in unmittelbarem Zusammenhang zueinander. Auch arbeitet sie intensiv mit der Darstellung zahlreicher Gegensätze, was meiner Meinung nach einerseits zur Verdeutlichung, andererseits zur hohen emotionalen Beanspruchung im Leser beiträgt. Umso erheiternder empfand ich den Zynismus, den die Autorin in die eine oder andere Bemerkung des Schneemensch gelegt hat, der sich selbst als „Wortmensch“ bezeichnet.
    • Das Beste an der Lektüre jedoch bleibt für mich neben dem ausgesprochen phantasievollen Szenario die von K.-G. Beck-Ewe oben schon erwähnte massive Religions-, Gesellschafts- und Wissenschaftskritik, die Margaret Atwood auf bewundernswerte und wirklich intelligente Weise ganz gezielt herausarbeitet.


    Konklusion: Margaret Atwoods Oryx und Crake hat mich als ein dystopischer Roman mit bemerkenswert sauberer und kluger Ausarbeitung überzeugt. Ich stimme K.-G. Beck-Ewe, Katia, Kapo und Steffi zu: Ein extrem gutes Buch, das auch ich uneingeschränkt weiter empfehlen kann.

    » Unexpected intrusions of beauty. This is what life is. «


    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Ein extrem gutes Buch, das auch ich uneingeschränkt weiter empfehlen kann.


    Das möchte ich genau so in meinen Beitrag übernehmen. :)
    Ein unglaublich gutes Buch: überraschend anders, hervorragend zu lesen, spricht wichtige Themen an und ist unterhaltsam zu gleich. Jetzt sind es einige Tage verstrichen,
    als ich das Buch beendet habe, und ich bin immer noch von der Wirkung des Romans auf mich tief beeindruckt.
    Ich hatte schon mal ein Buch von der Autorin gelesen, und es hat mir nicht zu gesagt, so hatte ich auch bei diesem Buch die Befürchtung, dass es mir nicht gefallen würde.
    Allerdings in diesem Fall trifft die Aussage, dass jeder einer zweite Chance verdient hat, auf jeden Fall zu.
    "Oryx und Crake" war genau richtig - eine wunderbare Leseerfahrung, die die Autorin für mich ins neue Licht rückte.
    Von mir :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

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  • Muß mich sehr für die Rezesionen hier bedanken hätte mir dieses Buch wenn ich es in einer Buchhandlung gesehen hätte wohl nie gekauft aber aufgrund der guten Beschreibungen hier ist es auf meiner Wunschliste gelandet... habe dieses Buch in 3 Tagen durchgelesen nur unterbrochen um zur Arbeit zu gehen... wird wohl nicht mein letztes Buch von der Autorin sein :-)
    Lässt sich gut lesen und regt zum nachdenken an...

  • Okay, kurze, ketzerische Frage: Ich bin jetzt etwa auf Seite 100, habe mich am Anfang sehr gelangweilt und mich anschließend durch einen Haufen platter Medienkritik gequält. Wenn mir das Buch bis hierhin nicht gefällt - lohnt es sich noch weiterzulesen? Kommt da noch was Interessantes oder kann ich es getrost zur Seite legen?

  • Okay, kurze, ketzerische Frage: Ich bin jetzt etwa auf Seite 100, habe mich am Anfang sehr gelangweilt und mich anschließend durch einen Haufen platter Medienkritik gequält. Wenn mir das Buch bis hierhin nicht gefällt - lohnt es sich noch weiterzulesen? Kommt da noch was Interessantes oder kann ich es getrost zur Seite legen?


    Ich würde spontan sagen: nicht weiterlesen, scheint nicht Dein Ding zu sein. Das ist nicht böse gemeint, obwohl ich ein Fan bin von den ersten beiden Teilen der MaddAddam-Trilogie, aber mir geht es mit einigen Büchern bzw. Buchserien genauso wie Dir.

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
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  • Danke für deine Einschätzung, Hypocritia.
    Mir erscheint es halt alles in allem so - stumpf. Von Atwood bin ich mehr Subtilität und Rafinesse gewohnt, daher habe ich mich halt gewundert, ob das nun so bleibt oder noch mal zu altem Niveau zurückfindet.

  • Ich bin ja stur, ich habe also doch weiter gelesen. Und kann mich der allgemeinen Begeisterung mal wieder nicht anschließen. Dabei habe ich mir aufgrund der Empfehlungen aus dem BT wirklich Mühe gegeben, das Buch zu mögen, ehrlich.
    Zum einen mag meine Enttäuschung daran liegen, dass ich die deutsche Übersetzung gelesen habe, die mir gerade zu Beginn doch recht hölzern vorkam und noch dazu mit albernen Übersetzungen von Eigen- und Tiernamen aufwartete. Zum anderen ist es die Kritik mit der Holzhammermethode, die mich abschreckt: Wissenschafts-, Religions- und Medienkritik, wie sie plumper kaum geht. Gentechnik: böse, menschliches Einmischen in die Natur: böse, Wirtschaft und Konzerne: böse, Religion: dumm und böse, das Internet: ganz, ganz böse, da gibt es nur Gewalt und Kinderpornos. Usw., usf., das ganze übliche BlaBla, immer feste in dieselbe alte Kerbe geschlagen. :sleep:


    Immerhin, die Geschichte ist clever aufgebaut. Die Geschehnisse entfalten sich in geschachtelten Rückblicken, Jimmy/Snowman ist ein angenehm zynischer, sarkastischer Beobachter. Erst langsam fügen sich die einzelnen Puzzleteile zusammen, ergeben das Gesamtbild, zeigen, wie die Welt, in der der Snowman da sitzt, überhaupt entstanden ist. Jimmys/Snowmans Charakter war es, der mich dann doch noch bei der Stange gehalten hat, neben meiner Sturheit. Seine Beziehung zu Crake, zu seinen Eltern, seine Sicht auf die alte und die neue Welt sind gut ausgearbeitet. Die kluge Struktur, die gelungene Charakterisierung und der Atwood-typische, trockene Humor trösten aber nicht über die überraschende Stumpfheit, die platte Aufdringlichkeit hinweg, mit der die üblichen Schreckgespenster der aufgeklärten Menschheit hier abgenudelt werden. Oder besser gesagt: die ehemaligen Schreckgespenster. Es mag ja sein, dass die angesprochenen Themen im Erscheinungsjahr des Buches, 2003, der letzte heiße Scheiß waren, damals noch irgendwie originell oder wichtig anmuteten. Angesichts der Realität allerdings wirkt das von Atwood entworfene Schreckensszenario fast schon rührend naiv und wild-romantisch.
    So ist Oryx und Crake leider vor allem eines: Eine schlecht gealterte Erinnerung an die Nuller Jahre und an das, was man damals erschreckend fand – was aber heute jede Relevanz verloren hat (mit Ausnahme der Religion). Atwood misslingt damit, was (sehr, sehr wenigen) anderen Autoren geglückt ist: Eine Dystopie zu schaffen, die auch Jahre oder Jahrzehnte nach ihrem Erscheinen noch aktuell ist. Darüber hinaus muss die Frage erlaubt sein, ob das dargestellte Szenario tatsächlich so furchtbar ist - und wenn ja, für wen.


    Fazit:
    Ein Buch, dessen Aufbau und Struktur mir durchaus gefällt, dessen Inhalt allerdings seltsam unoriginell und vor allem sehr, sehr aufdringlich in seiner Kritik ist, in seiner Meinung darüber, was als richtig und was als falsch anzusehen ist. Das mag ich nicht.
    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb:


    Was dann wiederum nichts daran ändert, dass andere Bücher von Atwood (The Edible Woman, Good Bones) wirklich lesenswert sind. Sie ist und bleibt eine fantastische Beobachterin und Kommentatorin der aktuellen Gesellschaft. Nur von ihren Zukunftsvisionen lasse ich nun besser die Finger.

  • Und kann mich der allgemeinen Begeisterung mal wieder nicht anschließen. Dabei habe ich mir aufgrund der Empfehlungen aus dem BT wirklich Mühe gegeben, das Buch zu mögen, ehrlich.

    kommt vor :wink: Es ist doch kein "muss" ein Buch zu mögen, auch wenn es noch so vielen gut gefällt. Jeder empfindet nun mal unterschiedlich, was auch ganz gut ist, sonst wäre es ja langweilig :-,

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  • Für mich war “Oryx and Crake” das erste Buch von Margaret Atwood und einer der ersten Ausflüge ins Genre der dystopsichen Literatur. Entsprechend schwer fällt es mir nun, das Gelesene für mich zu sortieren :-k .
    Auf den ersten 100 Seiten ging es mir ähnlich wie wintermute. Atwood entwirft zwar ein sehr dichtes, detailreiches Zukunftsszenario, der satirische Unterton geriet für mich jedoch ein kleines bißchen zu moralingetränkt. Da ich die Autorin noch nicht von anderen Büchern kenne, musste ich zunächst ständig gegen das Bild einer misanthropen Dame ankämpfen, die mit der modernen Welt hadert und wahrscheinlich noch ein paar Rechnungen mit Personen aus der Wirtschafts- oder Wissenschaftswelt offen hat (ein Blick in die Danksagung offenbarte, dass ihr Bruder wohl Wissenschaftler ist :mrgreen: ) . Insbesondere ihre Fantasien zur Fehlentwicklungen im Umgang mit dem Internet gingen mir irgendwann ziemlich auf den Keks, und ich denke dass wir heute, 11 Jahre nach Erscheinen des Buches, beruhigt annehmen können, dass nicht alle Jugendliche ihre Zeit mit Pornos und Gewaltvideos aus dem Netz totschlagen, sondern durchaus auch kreative und befreiende Kräfte entstanden sind (siehe BT :wink::P ).
    Was die Ausschmückung der Zukunftswelt anging, fand ich einige Details wahrscheinlich und schlüssig, andere witzig und originell, ein paar aber auch überflüssig und albern. Warum müssen in einem Zukunftsroman Hochgeschwindigkeitszüge und sprechende Wecker vorkommen? Dies kann natürlich einen Bezug auf andere Romane dieses Genres gedacht gewesen sein, aber so wirkte die Geschichte eigentlich nicht...
    Für meinen Geschmack rutscht die Darstellung der Gesellschaft und der Protagonisten zu sehr ins Klischeehafte ab - die autistischen Wissenschaftler, die verspulten “Wortmenschen”, militante Veganer - mir ist schon klar, dass diese Überzeichnungen bewusst gesetzt sind, sie haben mich aber nur gelegentlich amüsiert (bin wahrscheinlich von "The Big Bang Theory" verdorben 8) ).
    Die wirkliche Stärke des Romans lag darin, wie spannend und abwechslungsreich er erzählt wurde (siehe Hypocritias Beitrag, dem ist diesbezüglich nichts hinzuzufügen):
    Trotz meiner anfänglichen Abwehr gelang es der Autorin mich einzufangen und mitzunehmen. Ich konnte das Buch zum Schluss nicht mehr aus der Hand legen. Und dadurch, dass ich nebenher immer intellektuell am Känpfen war mit Atwoods streitbaren Thesen (könnte das so sein bzw. kommen? Nie! Aber vielleicht doch..), wurde das Buch noch fesselnder.
    Mein Fazit: im Vergleich zu anderen Büchern ist dieses Buch große Erzählkunst, auch wenn mir der satirisch bewertende Aspekt nicht so sehr zusagte. Daher :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: :bewertung1von5:

    :study: Junge mit schwarzem Hahn- Stefanie vor Schulte


    No two persons ever read the same book (Edmund Wilson)

  • Ich möchte noch hinzufügen, dass außerdem die Figur Oryx ganz klar zu den Stärken des Romans gehört. Als einzige Hauptfigur aus der harten Realität der Plebslands, wahrscheinlich misshandelt und tief traumatisiert, ist sie die vielschichtigste Person der Geschichte (falls sie überhaupt eine Person ist). Bei ihr mischen sich auf wunderliche, stellenweise verstörende, aber nicht konstruiert wirkende Weise Omnipräsenz und Abwesenheit bzw. Nähe und Distanz, Wärme und Kälte, Geist und Herz, Liebe und Erotik, Armut und Wohlstand, Fantasie und Wirklichkeit. Durch sie wurden in diesem doch eher verkopften Roman ganz ohne Kitsch Unklarheiten wie Emotionen transportiert und neue Ebenen in die Geschichte eingezogen.

    :study: Junge mit schwarzem Hahn- Stefanie vor Schulte


    No two persons ever read the same book (Edmund Wilson)

  • Meinung:


    “Oryx und Crake” benannt nach einer Antilope und einer Rothalsralle ist ein düsterer und bedrückender Roman, aber auch unheimlich gut geschrieben. Margaret Atwood hat eine Welt erschaffen, die grauenvoller und düsterer nicht sein könnte. Nichts von unseren technischen und gesellschaftlichen Errungenschaften existiert mehr, denn wir haben es vernichtet.


    Düster wahrlich, aber auch sehr kritisch beschreibt Margaret Atwood unsere Welt, die sie durch Rückblicke von Schneemensch uns deutlich macht. Eine hochtechnologisierte Welt, die sich abschottet in Bereiche, in die anderen keinen Zutritt haben, extremer Wohlstand auf der einen Seite und Armut auf der anderen Seite, Kriminalität bis ins äußerste und Wirtschaftsunternehmen, die immer nach nur mehr Gewinn streben. Wenn man es genauer betrachtet, sehr realistisch und nah an unserer heutigen Zeit.


    Wo mich sonst Rückblenden stören, finde ich sie hier erhellend und einleuchtend. Man erkennt den ganzen Wahnsinn nach und nach, deutlicher wird dies nur noch durch die zynische bzw. sarkastische Erzählweise Schneemenschs. Margaret Atwood hält uns deutlich den Spiegel vor und schafft mit “Oryx und Crake” eine Medien-, Wissenschafts- und Gesellschaftskritik, die mehr als gut gelungen ist. Denn geht es heute nicht immer um mehr und noch mehr, nimmt die Gier in der Gesellschaft nicht immer mehr zu?


    Neben dieser kritischen Herangehensweise an unsere Welt hat mich noch mehr die Charakterisierung der handelnden Personen begeistert und ihre Motive.
    Schneemensch oder auch Jimmy genannt ist zynisch, aber auch sehr einfach gestrickt und denkt nicht viel über die Welt nach, er will eigentlich nur sein Leben leben.
    Wäre da nicht Crake, sein Freund aus Schultagen, der sehr intelligent ist und sieht wie die Welt aus den Fugen gerät. Und genau diese Welt durch die Craker ersetzen will, nur dann könnten Flora und Fauna weiter existieren. Denn sie würden nicht so mit ihr umgehen.
    Zu guter Letzt noch Oryx, die aus der Welt jenseits der gesicherten Gebiete stammt – den Plebsland – sie ist vielschichtiger in ihrem Charakter als Crake und Schneemensch. Sie ist der emotionale Part des dystopischen Romans von Margaret Atwood, wobei Crake die Kälte darstellt und Schneemensch die Gleichgültigkeit.


    Ein weiteres Plus des Romans ist die Sprache. Sie ist einfach gehalten und “Oryx und Crake” lässt sich trotz der Thematik leicht und flüssig lesen. Bis zum Ende hin hat mich das Buch gepackt, denn die sich stetig verknüpfenden Handlungsstränge haben mich auch emotional gepackt.


    “Oryx und Crake” ist mehr als nur ein dystopischer Roman, er spielt mit den Gegensätzen und hat mich auf eine Achterbahnfahrt an Emotionen mitgenommen. Manches machte mich nachdenklich, manches erkannte ich wieder, bei anderen Dingen dachte ich nur, kann dies wirklich passieren, dann gab es wieder Momente des Humor und der Entspannung ehe es wieder heftiger und kritischer wurde.


    Worauf ich mich einließ, konnte ich schon an den beiden vorangestellten Zitaten aus “Gullivers Reisen” von Jonathan Swift und “Der Leuchtturm” von Virginia Woolf erkennen. Mit beiden gibt sie den Hinweise auf ihr Buch. Darauf, dass sie “reine Tatsachen in schlichtester Art und Weise und einfachsten Stil zu erzählen” vermag und auch dass, man nicht einfach “auswendig lernen [kann], wie es in der Welt zuging” . Beide Zitate passen genau zum Buch. Eines zum Erzählstil und das andere eindeutig zur Handlung und unserer Welt.


    Fazit


    “Oryx und Crake” ist anders als andere Dystopien, realitätsnaher, wissenschaftlicher und hat mich restlos überzeugt, so dass ich es gutes Gewissens weiter empfehlen kann. Absolut Lesenswert!


    Bewertung
    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Liebe Grüße von der buechereule :winken:


    Im Lesesessel


    Kein Schiff trägt uns besser in ferne Länder als ein Buch!
    (Emily Dickinson)



    2024: 010/03.045 SuB: 4.302

    (P/E/H: 2.267/1.957/78)

  • @buechereule
    du weißt, dass du nur den ersten Teil einer Trilogie gelesen hast?


    Wenn nicht, das ist der 2. Band, und " Margaret Atwood - Die Geschichte von Zeb / MaddAddam " ist der Dritte. Du kannst dich also auf ebenso gute neue Lektüre freuen. :thumleft:

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • @buechereule
    du weißt, dass du nur den ersten Teil einer Trilogie gelesen hast?


    Wenn nicht, das ist der 2. Band, und " Margaret Atwood - Die Geschichte von Zeb / MaddAddam " ist der Dritte. Du kannst dich also auf ebenso gute neue Lektüre freuen. :thumleft:


    Diese beiden hoffentlich auch wundervollen Bücher liegen schon bereit. "Das Jahr der Flut" werde ich sicher bald lesen und danach dann auch "Die Geschichte von Zeb". Ich freue mich schon richtig darauf. Vielen Dank, @Marie .

    Liebe Grüße von der buechereule :winken:


    Im Lesesessel


    Kein Schiff trägt uns besser in ferne Länder als ein Buch!
    (Emily Dickinson)



    2024: 010/03.045 SuB: 4.302

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  • Er nennt sich Snowman und lebt in den Überresten einer untergegangenen Zivilisation; die Welt, wie wir sie kennen, gibt es nicht mehr. Ein kleines Grüppchen besonderer Menschenkinder leistet ihm ab und an Gesellschaft, ansonsten ist er alleine und hat viel Zeit, sich an die Vergangenheit zu erinnern.


    An damals, als er Jimmy hieß und Crake sein bester Freund war, ein brillanter Kopf, der nach Höherem strebte und alles so viel besser zu können und zu verstehen schien als Jimmy selbst. An die faszinierende Oryx mit ihrer tragischen Geschichte. An seinen Vater, der an genmanipulierten Schweinen forschte, die als Organdepots für Transplantationsbedürftige dienten, und an seine Mutter, die eines Tages einfach wegging aus den "Compounds", in denen die Mitarbeiter der Biotechfirmen lebten, in einer heilen, künstlichen Welt, abgeschottet vom Pöbel in den Siedlungen außerhalb, mit ständigem Zugriff auf diverse Medienkanäle, in denen man alles findet, egal wie abseitig. An eine von der Technik dominierte Menschheit, die problemlos aus zwei Tierarten willkürlich eine neue machte und Alter, Krankheit und Hässlichkeit wegzurationalisieren suchte - aber nur für die, die sich das auch leisten konnten.


    Bis eines Tages alles kippte.


    Wie Snowman in dieser postapokalyptischen Umgebung gelandet ist, bleibt lange unklar, und auch über den Rückblenden in seine und Oryx' Vergangenheit schwebt immer die Frage, wie das nur alles zusammenhängen soll. Beantwortet wird sie erst ganz allmählich und zumindest für mich größtenteils ziemlich überraschend.


    Dystopien sind eigentlich gar nicht mein Ding und momentan noch weniger, doch trotz des Themas und eines ordentlichen Zynismus' im Erzählton hat mich das Buch nicht runtergezogen, sondern von Anfang an gefesselt. Margaret Atwood entwirft ein düsteres Bild von unserer Welt in der nicht allzu fernen Zukunft. Sie betrachtet kritisch zahlreiche Aspekte, die uns auch heute schon beschäftigen, und treibt einige davon auf die Spitze, bis es zum "großen Knall" kommt. Das kann man als Mahnung gegen Machbarkeitswahn und allzu große Technikgläubigkeit lesen oder auch einfach als spannende Unterhaltung, beides funktioniert.


    Das einzige, was fast 20 Jahre nach Erscheinen nicht gut gealtert ist, sind die technischen Grundlagen, so sind etwa immer noch DVDs und CDs die Datenträger der Wahl. Aber dass zu stark vom Stand der Technik zum Zeitpunkt des Entstehens ausgegangen wird, ist ja kein seltenes Manko bei Zukunftsromanen und tut der Wirkung des Buches keinen Abbruch.