Jorge Semprun - Was für ein schöner Sonntag! / Quel beau dimanche

  • Kurzbeschreibung Amazon:
    Ein Wintersonntag im Konzentrationslager Buchenwald, wenige Monate vor Kriegsende. Der Häftling mit der Nummer 44904 (S) steht in Gedanken versunken vor einer großen Buche. Wie kurz ist doch der Weg von diesem Ort des Schreckens zum Weimar Goethes, wie nah liegt der Ort der nationalsozialistischen Barbarei an der Wirkungsstätte der größten deutschen Dichter und Denker! Irgendwo hier, ganz in der Nähe, muss Goethe sein berührendes Gedicht „Wanderers Nachtlied“ geschrieben haben, unter Bäumen wie diesem muss er mit seinem Vertrauten Eckermann spazieren gegangen sein… So träumt sich der junge, belesene Häftling fort vom Ort des Grauens, bis ein SS-Mann ihn unsanft wieder in die grauenvolle Realität zurückstößt.


    Der Roman Was für ein schöner Sonntag! (1980) ist eine eindringliche Autobiografie Jorge Sempruns, die keinen unberührt lässt. In ihr beschreibt der spanische Schriftsteller den Alltag im Konzentrationslager, die Spannungen zwischen den Häftlingen, die Furcht vor der SS und die Versuche, trotz allem die persönliche Würde zu bewahren. Dabei weitet sich der Bericht zu einer umfassenden Lebensgeschichte des Autors aus, in der sich die Erinnerungen an die Kriegszeit mit denen an das Studium in Paris, an die Zeit als Widerstandskämpfer und an die heimlichen Reisen in den Ostblock nach Kriegsende zu einem faszinierenden Kaleidoskop politischen Lebens im zwanzigsten Jahrhundert zusammensetzen.



    Semprún erzählt die Geschichte des Sonntags mit vielen Umwegen, Wiederholungen, Zwischenfällen und Querverbindungen. Der Roman weist selbst für Vielleser eine sehr kompliziert konstruierte Erzählstruktur auf. Diese wird von zwei konträren Tendenzen bestimmt:
    Von der Zentrierung auf die Schilderung eines Sonntags im Dezember 1944 zum einen, und von der Verknüpfung verschiedenartiger und auf unterschiedlichen Zeitebenen angesiedelter Erinnerungen des Autors zum anderen.
    Als Pflichtlektüre im Studium konnte ich mich mit dem Buch lange nicht anfreunden - habe jedoch nach dem Lesen festgestellt, dass es mir einfach nicht mehr aus dem Kopf ging. Dann habe ich es nocheinmal gelesen (und etwas mehr verstanden) und fand es wirklich gut! Man muss sich aber viel Zeit dafür nehmen, es ist kein Buch für Bus und Bahn.



    LG schnakchen

  • Der Roman weist selbst für Vielleser eine sehr kompliziert konstruierte Erzählstruktur auf.

    Nein, ein einfach zu lesendes Buch ist es wirklich nicht. Dabei liegt es nicht nur an dem «schweren» Stoff, sondern auch an der sprunghaften Erzählstruktur, wie schnakchen bereits bemerkte.


    Zunächst hatte ich einen Roman erwartet, wie ich es bereits von Imre Kertész kenne: Erinnerungen geprägt an das Konzentrationslager: Wie kann man nach Auschwitz weiterleben? Was hat die Erfahrung mit einem gemacht? Nicht so sehr eine Lagerbeschreibung, sondern die persönliche und gesellschaftliche Entwicklung scheint mir bei Kertesz im Mittelpunkt zu stehen.


    Aber Jorge Semprún ist nicht Imre Kertész, und beide Autoren legen unterschiedliche Schwerpunkte in ihrer Erinnerungsarbeit. Zunächst einmal beschreibt er so «ehrlich» wie möglich seine Erinnerungen an das Lager, wohlwissend, dass Erinnerungen täuschen können und er aus Sicht eines Überlebenden schreibt, ja er nur eine limitierte Sicht der Dinge haben kann. Zudem kommen ihm ständig Assoziationen und er erinnert sich an seine Kindheit, an Begegnungen mit anderen Häftlingen nach der Befreiung, an die Geschichte der Kommunistischen Parteien Europas, seine Erfahrungen als Spion, er vergleicht den GULAG mit den KZs, befürchtet, dass sich seine Erinnerungen mit den Lektüren von Solschenizyn vermischen, usw usw


    Eigentlich sehr viele unterschiedliche Themen, an die sich Jorge Semprún erinnert, sprunghaft und nach Dutzenden von Seiten wieder darauf zurückkommend. Da muss man ordentliches Interesse mitbringen, nicht nur an Auschwitz, sondern auch an der «Verrohung» / dem Übergang der Weimarer Republik zum KZ, an den stalinistischen Säuberungen und den Verfolgungen ehemals russischer KZ-Gefangener, an seinen Untergrundtätigkeiten für die kommunistische Partei Spaniens (PCE)…


    Es ist ein gutes Buch, und ein wichtiges Buch. Allerdings möchte ich zukünftige Leser vorwarnen, dass man Zeit, Konzentration und zusätzliche Recherche aufbringen muss. Dann erhält man aber einen lohnenswerten Einblick eines Intellektuellen zu seinem Auschwitzer KZ-Aufenthalt, seiner Tätigkeit für den Kommunismus, und seiner Kritik an der Aufarbeitung und der Gefahr extremer Politik von rechts und links.

  • Puh, mit dem Buch konnte ich so gar nichts anfangen, obwohl es mich inhaltlich gereizt hat. Aber ich bin mit dem Stil so gar nicht klargekommen.

  • Puh, mit dem Buch konnte ich so gar nichts anfangen, obwohl es mich inhaltlich gereizt hat. Aber ich bin mit dem Stil so gar nicht klargekommen.

    Ja, ich habe mich auch lange durchgekämpft. Der Stil ging noch, aber die Themenvielfalt, das mir fehlende Hintergrundwissen und der ständige Wechsel an Orten und Zeiten waren anstrengend. Wenn ich aber mal in einer Szene drin war, dann fand ich es wieder spannend und auch sprachlich toll.


    Ach ja: Jorge Semprún schrieb das Werk in französischer Sprache, hier ein Link zum Original "Quel beau dimanche!"

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Jorge Semprun - Was für ein schöner Sonntag!“ zu „Jorge Semprun - Was für ein schöner Sonntag! / Quel beau dimanche“ geändert.