David Guterson, Östlich der Berge, Originaltitel "East of the Mountains"
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Der Herzchirurg Ben Givens lebt seit über einem Jahr allein in Seattle, seine Frau ist gestorben und beim letzten ärztlichen Check hat sein Kollege schlechte Nachrichten für ihn: Er ist unheilbar an Darmkrebs erkrankt. Ben überlegt und entschließt sich schließlich zu einer Reise in das Land seiner Kindheit, von der er nicht vorhat, zurückzukehren. Für seine Tochter, die nichts von seiner Krankheit weiß, soll sein Tod wie ein Unfall aussehen.
Er möchte noch einmal die Apfelplantagen und die Salbeiwüste am Columbia River sehen und Chukars mit der alten Winchester seines Vaters jagen. Und dann soll Schluß sein -- für immer. Niemandem will er zur Last fallen und keinesfalls ist er bereit, die zunehmenden Schmerzen des Krebses zu ertragen.
Doch auf seiner Reise begegnen ihm Menschen, die ihm durch ihre Art des Daseins vermitteln, daß Weiterleben durchaus Sinn hat, und er selbst wird mehrmals gebraucht als Arzt. Einmal wird sein Hund von einer Meute Wolfshunde verletzt, ein andermal leistet er Geburtshilfe.
David Guterson, der bei uns durch seinen Roman Schnee, der auf Zedern fällt berühmt wurde, hat seinen bekannten leisen, eindringlichen Tonfall auch in diesem Buch beibehalten. Auffallend ist sein sehr genauer Blick auf die Dinge. Wenn er schildert, wie ein Hund operiert wird, dann vergißt er nicht die Stärke des verwendeten Fadens zu erwähnen. Seine Naturschilderungen der Wüste, die Einsamkeit bei der Jagd, der Geruch der Apfelplantagen, das alles sind unvergeßliche Passagen des Romans.
"Das Buch wird Ihnen nur dann gefallen, wenn Sie Autoren mögen, die jeden einzelnen Grashalm beschreiben", sagte die Bibliothekarin bei der Ausleihe.
Ich kann ihr nicht widersprechen. Allerdings passen die weitschweifenden Landschaftsschilderungen und die breit ausgemalten Szenen zum Thema und zur Stimmung des Buches: Den gröten Teil seines Weges legt Ben allein zurück, nur in Begleitung seiner Hunde; er trifft wenige Menschen, aber jede dieser Begegnungen gewinnt im Angesicht seines Selbstmordplanes eine Bedeutung.
Am besten haben mir die beiden Einschübe gefallen, in denen Ben sich an seine Kinder- bzw. Kriegszeit erinnert: Die schwere Arbeit auf der Obstplantage seiner Eltern in der glühenden Sommerhitze, der Tod der Mutter, das Kennenlernen seiner späteren Frau und der Militäreinsatz in Italien im zweiten Weltkrieg, der Dreck, die Kälte, das Blut, die Toten.
Gefallen hat mir auch, dass das Buch weder sentimental noch mitleidheischend ist trotz der immer wieder beschriebenen Schmerzen und Erschöpfungszustände, unter denen Ben leidet.
Probleme bereitete mir eher die Selbstverständlichkeit der Jagd, die weniger der Nahrungsbeschaffung dient, sondern für Männer ein Ventil ist, mit dem sie Gefühle wie Trauer, Angst, Verzweiflung oder Frust zu kompensieren versuchen.
Ansonsten habe ich der Aussage meiner Bibliothekarin nichts hinzuzufügen.
Marie