Hector Malot - Heimatlos / Sans famille

  • Inhalt (aus dem Umschlagblatt).


    Erzählt wird die Geschichte eines aus vornehmer englischer Familie stammenden Knaben, der seinen Eltern als Kleinkind geraubt worden ist, in Frankreich in ärmlichen,ja elenden Lebensverhältnissen aufwächst, von seinen Pflegeeltern an einen wandernden Komödianten verkauftwird und nach wechselvollen Abenteuern das Geheimnis seiner Herkunft aufklärt.


    Das Lexikon der Kinder- und Jugendliteratur schreibt zu diesem Buch:


    Zwei Merkmale machen dieses Buch auch heute noch lesenswert: einmal die treffende Schildung Frankreichs am Ende des 19. Jahrhunderts mit seinen gegensätlichen Landschaften, Sitten und Gebräuchen; vor allem aber die Aufdeckung der sozialen Mißstände in der französischen Gesellschaft zwischen 1870 und der Jahrhundertwende, die viele Menschen ohne eigenes Verschulden in Elend und Not geraten ließ, ohne Aussicht auf Hilfe.




    Vor sicher mehr als 8 oder 10 Jahren habe ich mir das Buch gekauft. Eigentlich habe ich gefragt, ob es ein Buch zur Zeichentrickserie "Perrine" gibt. Die Verkäuferin hat mir daraufhin dieses Buch gegeben. Ich war dann sehr enttäuscht, weil es auf den ersten Blick ja übehaupt nichts mit "Perrine" zu tun hatte, sodaß das Buch im Regal landete und dort sehr lange stehen blieb.


    Nun, im Zuge meines Projektes "Vernichte die ungelesenen Bücher" habe ich das Buch wieder hervorgeholt, begonnen zu lesen und blieb hängen. Die Geschichte ist ungemein fesselnd, interessant, traurig, lustig, lehrreich usw. usw. Es ist wieder mal ein Fall, wo ich mich im nachhinein über mich selbst ärgere, daß ich das Buch nicht schon früher gelesen habe. Aber egal, immerhin habe ich es nun gemacht und bin wirklich froh darüber.

  • Der französische Roman erschien 1878 unter dem Originaltitel "Sans famille", hier in einer Ausgabe aus dem Verlag "Ecole des Loisirs" von 2007.

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "God's Country" (126/223)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 55 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Martinson "Schwärmer und Schnaken" (15.04.)

  • Dieser französische Jugendbuchklassiker erzählt auf sehr spannende, doch im Grunde einfache Weise die sehr melodramatische, wendungsreiche und aufregende Geschichte des Jungen Remi. Seine Eltern kennt er nicht. Er wurde, in teure Tücher gehüllt, als Kleinkind auf der Straße abgelegt - nachdem er gegebenfalls seinen Eltern geraubt wurde - und von einem Steinmetz gefunden, der ihn zu sich nimmt, weil er hofft, wenn sich die wahren Eltern melden würden, reich entlohnt zu werden. Als dies nicht geschieht und die Armut in der Steinmetz-Hütte einzieht, verleiht er ihn gegen Gebühr an den fahrenden Musikanten Vitalis. So beginnt die Wanderung des Jungen als obdachloser Musikant und Späßemacher, die ihn zu Fuß durch ganz Frankreich führt. Bald - nach einem sehr traurigen Ereignis - wieder allein, bald an der Seite des Jungen Mattia, der sein guter Freund wird. Unterwegs trifft er viele Menschen, arme und nicht ganz so arme, von denen sich einige als außerordentlich herzensgut erweisen, andere jedoch als ausgesprochen fiese Schurken. Dabei macht der Leser Bekanntschaft mit der Armut der ländlichen Dorfbevölkerung, mit der Ehrlosigkeit englischen Diebesgesindels und dem rechtlosen Status der Kinder und Jugendliche, die geschlagen und in einer harten Welt mit anpacken müssen, unter anderem im Bergbau, denn Remi verdingt sich einige Tage in einem Bergwerk. Als es dort zu einem Unglück kommt, ist er einer von nur sieben Überlebenden. 120 Arbeiter sterben. Remi muss durch Schneestürme stapfen, auf Hochzeiten aufspielen, fährt eine Zeitlang auf einem Hausboot mit, trifft Kinder, die sich wünschen, eher zu sterben, als weiter für ihre Padrones Geld ranschaffen zu müssen, landet mehrmals im Gefängnis und unternimmt schließlich einen Ausflug nach England, wo seine wahren Eltern wohnen sollen. Dem Zeitgeschmack folgend kommt es natürlich zu einem großen, glücklichen Ende.


    Hector Malot war ein ausgesprochen produktiver Autor. Im Laufe seiner Veröffentlichungen, mehrheitlich schrieb er wohl "erwachsene Literatur", häuften sich allerdings auch Stimmen, die ihm vorwarfen, immer häufiger leicht lesbare, oberflächliche "Massenware" zu verfassen. Auch dieses erfolgreiche Jugendbuch ist schnell lesbar, langweilige Zwischenschritte der Handlung werden kurz erzählt und die melodramatischen und spannenden Szenen schön ausgereizt. So fliegen die Ereignisse und die Jahre nur so am Leser vorbei. Bei allem Unterhaltungswert steckt aber auch ein gerütteltes Maß an Gesellschaftskritik in diesem Buch, das weniger die sozialen oder wirtschaftlichen Hintergründe analysiert, sondern zunächst einmal die offensichtlichen Tatsachen der Armut und Verrohung benennt. Womit ja schon ein erster Schritt getan ist.
    Mir hat der Roman wirklich viel Vergnügen bereitet, war ich doch einmal wieder richtig schön involviert und am Mitfiebern, wütend über Ungerechtigkeit und selig, wenn sich Menschen in ihrer ganzen Güte und Hilfsbereitschaft in den Armen lagen.


    Einen Wehrmutstropfen hatte meine Lektüre dann aber doch gehabt - und das ergab erst das kurze Nachwort: Meine dtv-Taschenbuchausgabe #79002, die zunächst 1980 (meine sechste Auflage ist von 1987) unter dem Signet "Literatur für heute und morgen" erschienen ist, ist leider nur eine gekürzte, bearbeitete Fassung der deutschen Übersetzung von Paul Moritz aus dem Jahr 1880, vorgenommen von Gerd F. Rumler, der einige gefühlsbetonte Passagen herausgestrichen hat - und einem unter anderem wohl auch das Schlusskapitel vorenthält, da es "unnötig breit und rührselig" Dinge ausführt, die das vorletzte Kapitel "Das schöne Weißzeug hat die Wahrheit gesagt" (mit dem meine Ausgabe endet) schon berichtete. Also, nein, sowas mag ich ja gar nicht! [-( Meine dtv-Ausgabe hat 384 Seiten Romantext, die gebundene Ausgabe im Dressler-Verlag von 1996 umfasst 464 Seiten. Vielleicht entspricht sie ja der ursprünglichen Fassung! Wem Vollständigkeit wichtig ist, der sollte also die deutschen Ausgaben vergleichen!

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Everett "God's Country" (126/223)


    :king: Jahresbeste: Gray (2024), Brookner (2023), Mizielińsky (2022), Lorenzen (2021), Jansson (2020), Lieberman (2019), Ferris (2018), Cather (2017), Tomine (2016), Raymond (2015)

    :study: Gelesen: 55 (2024), 138 (2023), 157 (2022), 185 (2021), 161 (2020), 127 (2019), 145 (2018), 119 (2017), 180 (2016), 156 (2015)70/365)
    O:-) Letzter Kauf: Martinson "Schwärmer und Schnaken" (15.04.)