3. Teil: "Ein Gespräch" bis "Josef Knechts – 4 hinterlassene Schriften"

  • Ah, jetzt kommen wir der Sache langsam näher. Ich möchte nichts vorweg nehmen, und drücke es nur insoweit aus, dass jetzt in diesem Teil meine gedanklichen Einwände zu den verschiedenen Welten dargestellt werden.
    Ich bin auch wirklich gespannt darauf, wohin der Weg von Josef führt.


    … immer noch sehr begeistert vom Buch. Ich denke, das wird in meiner Top-10-Liste hinter dem Zauberberg auf Platz 2 steigen. :thumleft:

  • Bevor mich vielleicht wieder der Kastalien-Frust überwältigt, muss ich ein paar Sätze zum ersten Kapitel des dritten Abschnitts loswerden.


    Ich habe gerade "Ein Gespräch" gelesen und bin begeistert. Endlich klärt sich manches, endlich kann ich Josef Knecht zumindest teilweise verstehen. Meine Sympathie gilt voll und ganz Plinio, der mir schon im ersten Abschnitt positiv aufgefallen ist. Schön, dass die beiden einmal miteinander reden. Bisher hatte ich den Eindruck, dass jeder immer nur Monologe führt und an Interaktion nicht interessiert zu sein scheint.


    Vor allem aber ist wieder einmal Hesses geniale Erzählkunst zu spüren.

  • Der dritte Teil hat mir sehr gut gefallen. Ich kann die Gründe des Meisters nachvollziehen, warum er die Welt kennen lernen möchte. Er fühlt sich noch nicht komplett, er hat zwar die Geschichte der Welt studiert, er hat über die Menschen gelesen, und alleine das ist in Kastalien eine große Ausnahme. Nun möchte er die Welt, die Menschen spüren, und sein Wissen weitergeben, auf einer ganz anderen Ebene. Er möchte alle Energien aufnehmen, da er spürt, dass ansonsten Etwas fehlen würde.



    Die Analyse soll sich der Leser wohl selber gestalten.
    Wird Knecht genau wie sein Mentor zur leuchtenden Lichtgestalt?
    War sein Gang der richtige?
    Wie wird er die Welten verbinden?
    Kann er sie in sich vereinen?
    Oder wird er ein Mensch ohne seine stoische Ruhe aus Kastalien?

  • Hallo zusammen,


    habe mich heute hier neu angemeldet und hoffe, dass ich schnell genug lese, um bei dieser Leserunde noch mitmachen zu können.


    Das Glasperlenspiel habe ich vor Jahren im Urlaub zu lesen begonnen und dann irgendwie vergessen. Diese Diskussion bietet aber eine prima Gelegenheit, die Lektüre endlich zu beenden.


    Ich muss zugeben, dass meine Lesemotivation damals aus dem Wunsch gespeist wurde, herauszufinden, was denn das Glasperlenspiel eigentlich ist. Hier wurde aber ja schon angedeutet, dass dies unerheblich sein könnte. Mal sehen ...


    Nun, dann sollte ich jetzt wohl besser erstmal das Buch lesen und mich später hier im Forum weiter einlesen.


    Herzliche Grüße
    Gaby





    :study: Hermann Hesse, Das Glasperlenspiel
    :study: Jane Austen, Persuasion (Pause)
    :study: Frank Schätzing, Der Schwarm (Pause)

  • Ich freue mich auch schon auf deine Meinung zu dem Buch, Gaby :D


    Dieser vorletzte Abschnitt hat es ja wirklich in sich. Einerseits kommt die Handlung ganz schön in Bewegung, es vollziehen sich ungeahnte Veränderungen. Andererseits ist der Leser nochmal so richtig zum Mitdenken aufgefordert.


    Über die Kapitel "Das Rundschreiben" und "Die Legende" habe ich sehr lange nachgedacht. Sind Knechts Handlungen nachvollziehbar? Ist die Konsequenz unvermeidlich? Ist der Schluss befriedigend, richtig, stimmig?


    Ich bin zum Schluss gekommen: in allen Punkten ja.

  • Kannst du dieses "Ja" näher beschreiben, Lancelot?


    Den Schritt hinaus in die Welt kann ich absolut nachvollziehen, und auch seine Gründe. Mit der Stimmigkeit des Endes da habe ich noch gewisse Einordnungsprobleme, die ich zunächst noch einmal hinterfragen muss. Vielleicht liegt es einfach daran, dass es zu abrupt kam, und ich noch Pläne mit Knecht hatte ;)

  • Ja, ich würde und könnte das gerne tun. Mein Problem ist, dass ich den Ausgang des Buches nicht gerne verraten möchte und deshalb lieber warten würde, bis Rosalita (und vielleicht auch Gaby) auch den dritten Abschnitt beendet haben.


    Alles unter Spoilerwarnung zu setzen ist ein bisschen seltsam - meinem Empfinden nach.

  • Zitat

    Original von Lancelot
    Ich habe gerade "Ein Gespräch" gelesen und bin begeistert. Endlich klärt sich manches, endlich kann ich Josef Knecht zumindest teilweise verstehen. Meine Sympathie gilt voll und ganz Plinio, der mir schon im ersten Abschnitt positiv aufgefallen ist.


    *unterschreib*


    "Ein Gespräch", das fand ich echt klasse! Auch die Figur des Plinio gefällt mir eigentlich noch viel besser als die des Teguliaris.


    Josef Knecht wird nun immer mehr zu einem Menschenfreund und Menschenkenner. Zuvor war er für mich ein Eigenbrötler, der vom Rest der Welt nicht viel wissen wollte. Nun geht er aktiv auf seine Schüler zu, stellt auch fest, dass er einen sehr guten Zugang zu den Mitmenschen hat, dass sie ihm vertrauen und schätzen. Er hat für mich fast einige demagogische Züge!


    Was mich ein bisschen stutzig machte, weil ich eigentlich bisher noch nie so den Eindruck hatte: Josef Knecht spricht davon, dass die "Heiterkeit" ein ganz großer Bestandteil, ein ganz großes Ziel der Kastalier ist. Mir persönlich gefällt diese Einstellung ja recht gut, aber mit Kastalien habe ich eigentlich bisher "Heiterkeit" nicht wirklich in Zusammenhang gebracht.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Zum Kapitel Das Rundschreiben


    Ihr habt nicht zuviel versprochen, dieses Kapitel hat es wirklich in sich.


    Besonders das Rundschreiben selbst zeigt von einem "erwachsenen" Josef Knecht. Ich finde seine Einstellung wirklich nachvollziehbar, schade dass es an der Sturheit, an der Passivität und der Betriebsblindheit der Kastalier und ihrer Hierarchie scheitert, und Knechts Vorahnungen und Ängste nicht ernst nimmt. (Für mich tun sich da schon Parallelen zur aktuellen Situation in der kath. Kirche auf).


    Ich musste auch viel nachdenken über dieses Kapitel. Es wird beschrieben die dekadente Weltuntergangsstimmung um die Jahrhundertwende, die damit verbundenen Gewalttätigkeiten, Intoleranz, und nicht zu letzt steigende Selbstmordrate, die dann letztlich im 1. Weltkrieg endete.
    Ebenso gefiel mir seine Reflexionen darüber, dass die Welt sehr wohl ohne den Orden auskommt, der Orden aber nicht ohne die Welt. Die Welt bestand schon vor dem Orden, und wird auch nach dem Orden bestehen.
    Es stellt sich halt die Frage (und auch bei der kath. Kirche) in wie weit man Zugeständnisse macht, in wie weit man an den eigenen Traditionen festhält bzw. in wie weit man auf den Menschen zugeht.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Zitat

    Original von Rosalita


    Was mich ein bisschen stutzig machte, weil ich eigentlich bisher noch nie so den Eindruck hatte: Josef Knecht spricht davon, dass die "Heiterkeit" ein ganz großer Bestandteil, ein ganz großes Ziel der Kastalier ist. Mir persönlich gefällt diese Einstellung ja recht gut, aber mit Kastalien habe ich eigentlich bisher "Heiterkeit" nicht wirklich in Zusammenhang gebracht.


    Ich habe eigentlich überhaupt Gefühle nicht mit Kastalien verbunden: weder Heiterkeit, Hass, Zorn, Feigheit, Liebe.
    In Kastalien verläuft meinem Empfinden nach alles lauwarm, nicht kalt, nicht heiß.


    Josefs Knechts Leben war bis zu seinem Aussteigen ein gleichmäßiger breiter Weg nach oben. Keine Stoplersteine, keine echten Herausforderungen. Er war immer satt, er litt weder Kälte noch Entbehrungen. Ein Leben im Kokon. (Ich merke gerade, dass ich nur in Metaphern schreibe, aber so fühle ich momentan)


    Sein "Erwachen" machte ihm diesen Weg wohl erst bewusst. So erscheint mir rückblickend auch logisch, dass er am Ende ins andere Extrem verfiel: kein Besitz, kein Ansehen, kein Ruh, keine wirtschaftliche Sicherheit. Es ließ bewusst alles hinter sich.

  • Für mich ist es auch keine Kunst als Nonne oder Mönch, oder auch als Dalai Lama, den Pfad der Erleuchtung zu gehen. Sie sind alle in ein System eingepackt, fern ab von Welt mit ihren Nöten, Ängsten, ja, dass man auch genügend Geld braucht um überleben zu können. Ich denke mir, dann ist dieser Weg relativ leicht, wenn man diese Sorgen nicht hat.
    Zur Harmonie und innerer Ruhe zu finden als Weltmensch, sieht man manchmal ganz klare Gesichter, die einem sofort sympathisch sind, ist um ein Vielfaches schwieriger. Und ich denke, genau das hat Knecht bei Plinio gesehen, sein harmonisches von Leid gekennzeichnet Antlitz, das hat ihn imporniert, diesen Weg wollte er kennen lernen.

  • Ich bin nun auch mit diesem Teil fertig und doch etwas geschockt, denn mit diesem Ende habe ich eigentlich so abrupt gar nicht gerechnet. :shock:


    Zitat

    Original von Heidi Hof



    Ja, ich denke auch, dass hier der Leser gefordert ist.


    Zitat

    War sein Gang der richtige?


    Ich denke auch, dass sein Gang der richtige war. Wie er im Gespräch mit Alexander schon erwähnte, ging er diesen Weg nicht aus Selbstsucht und rein persönlichen Motiven. Er wollte das, was er in Kastalien gelernt hatte, in die Welt tragen. Er wollte sich der Erziehung von Schülern widmen, es war also nicht eigennützig und er wollte sich auch nicht vor Verantwortung drücken.


    Zitat

    Wie wird er die Welten verbinden? Kann er sie in sich vereinen?


    Der Schlusssatz dieses Abschnittes birgt für mich doch einen Hinweis diesbezüglich:

    Zitat

    ... überkam ihn mit heiligem Schauer die Ahnung, dass diese Schuld ihn selbst und sein Leben umgestalten und viel Größeres von ihm fordern werde, als er bisher je von sich verlangt hat


    Ich denke, es liegt jetzt an der Person des Tito, diese beiden Sphären zu vereinen. Tito war sehr angetan von Knecht, er mochte ihn und konnte sich wohl auch mit seinen Motiven anfreunden. Zudem verkörpert natürlich Tito auch die Welt seines Vaters, Plinio, der es eben nicht geschafft hat, sich die Haltungen von Kastalien anzueignen.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Zitat

    Original von Lancelot
    Ich habe eigentlich überhaupt Gefühle nicht mit Kastalien verbunden: weder Heiterkeit, Hass, Zorn, Feigheit, Liebe.
    In Kastalien verläuft meinem Empfinden nach alles lauwarm, nicht kalt, nicht heiß.


    Für mich eigentlich auch. Es war gefühlskalt, dieser von Hierarchie bestimmte, fast diktatorisch geführte Orden ließ eigentlich kaum menschliche Züge zu, und schon gar nicht eigene Meinungen. Deshalb war ich dann auch etwas verwundert, dass Knechts Ausstieg eigentlich leichter ging, als erwartet.


    Zitat

    Ihr sprechet mit mir, als seien wir zwei Privatpersonen, die sich unverbindlich unterhalten. Das trifft aber nur auf Euch zu, Ihr seid ja jetzt in der Tat eine Privatperson. Ich bin es aber nicht, und was ich denke und sage, sage nicht ich, sondern es sagt es der Vorstand der Ordensleitung


    Im Gespräch mit Alexander prallen diese zwei Welten aneinander. Josef Knecht spricht als Privatmensch mit eigenen Interessen, Alexander spricht als Vorstand der Ordensleitung und lässt seine persönlichen Ansichten ganz aus dem Spiel.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Mir hat der 3. Teil auch sehr gut gefallen und finde auch dass es das Kapitel "Das Rundschreiben" am meisten in sich hatte. Es hat mich fast schon melancholisch gestimmt.


    Was mich etwas erstaunt hat war das Knecht um seine Entlassung bittet...


    Daraus wieder ein Satz der mir besonders gut gefallen hat...


    Zitat

    Einzig das Glasperlenspiel ist unsere eigene Erfindung, unsere Spezialität, unser Liebling, unser Spielzeug. Es ist der letzte differenzierteste Ausdruck unserer speziell katellanischen Art von Geistigkeit.

    Narkose durch Bücher - Das Richtige ist: das intensive Buch.
    Das Buch, dessen Autor dem Leser sofort ein Lasso um den Hals wirft, ihn zerrt, zerrt und nicht mehr losläßt.


    :study: Sarah J. Mass - Throne of Glass / Die Erwählte :study:

  • Hallo zusammen,


    fast bin durch. Nur noch 2,5 Lebensläufe :-)


    Der plötzliche und für mich völlig unerwartete Tod von Josef Knecht hat mich regelrecht umgehauen. Ich habe für mindestens eine halbe Stunde nach Beendigung der Lektüre noch ein dummes Gesicht gemacht. Und dann war ich auch ein bischen sauer. So ein Ende wollte ich nicht. Was soll das denn heissen? Wenn man sich vom Erreichten abkehrt, muss man sterben? Oder: Die Welt (Kastalien) ist eben nicht zu retten? Oder: Wenn man es als Alter den Jungen gleichtun will, kann das nur schief gehen?


    Beim Lesen erinnerte mich die Situation an den Schluss von Thomas Manns Tod in Venedig. Kurz zusammengefasst: Ein alter Mann betrachtet mit größtem Wohlwollen einen attraktiven jungen Mann im Wasser und stirbt. Josef Knecht schien ja fast ein wenig verliebt in seinen neuen Schützling zu sein. Jedenfalls hat es auf mich so gewirkt.


    Ich finde, das Ende kam so ohne Vorwarnung. Ich hätte gerne erfahren, ob Knecht mit einem Leben als Individuum glücklicher wird als mit einem Leben als Funktion innerhalb einer Hierachie.


    @ Heidi


    Ich glaube Du hattest geschrieben, dass Du nicht weisst, was die Lebensläufe mit Knecht zu tun haben. Leider habe ich mir die konkrete Textstelle nicht gemerkt, aber es gehörte wohl in einer Schule zu den Aufgaben, alternative Lebensläufe zu verfassen. Die Magister konnten aus diesen Lebensläufen so manche Persönlichkeitsstruktur herauslesen. Die Lebensläufe sind also die Hausaufgaben von Knecht. Die Gedichte fand ich ganz schön.




    Bei Gelegenheit werde ich mal sehen, ob ich etwas Sekundärliterur zum Buch finde.