2. Teil: "Zwei Orden" bis "Ein Gespräch"

  • Ich greife mal zwei Kritikpunkte des Patres Jacobus auf, die er gegen Kastalien anbringt:
    1. pure Vergeistigung ohne Fleisch und Blut
    2. eine Religion ohne Gott


    zu 1. Das ist für mich wirklich der größte Kritikpunkt. Und obwohl es scheint, dass in dieser Elitewelt kein böses Fleisch und Blut existiert, verwundert mich sehr; sollten doch um ins Zentrum zu gelangen diese negativen Aspekte vorhanden sein. Man kann ja nur etwas Harmonisieren, wenn These und Antithese existent sind.
    Aber vielleicht ist es wirklich so, dass die unerwünschten Eigenschaften fern der Intelligenz liegen. (Kann man überhaupt Intelligenz mit Vergeistigung gleichsetzen?)


    zu 2. Im Buddhismus ist das der Fall. Der Buddha ist zwar die Lichtgestalt, aber nicht wie Gott im Christentum, außerhalb des Seienden als höhere Macht, sondern Buddha sind Menschen, die den Pfad der Erleuchtung gegangen sind. Von da her bestätigt es meine Annahme.
    Ich persönlich finde diese freie Denkweise des Buddhismus positiver. Dann kann keine Macht von außerhalb eingreifen, oder im Namen … ausgenutzt werden, weil es aus dem Jenseits auf uns wirkt. Die Macht liegt bei uns also im Seienden, der Mensch ist persönlich verantwortlich.

  • Zitat

    Original von Heidi Hof
    1. pure Vergeistigung ohne Fleisch und Blut
    2. eine Religion ohne Gott


    ad 1.)
    Ja, ich empfinde diesen Orden auch als extrem weltfremd. Vor allem kann man leicht verschiedenen Lastern entsagen, wenn man absolut nicht mit ihnen konfrontiert wird. Die Leute im Orden sind ja nur unter sich und haben kaum was mit der Außenwelt oder mit Frauen zu tun. Da kann man leicht sagen, ich komme ohne zurecht.


    Zitat

    Kann man überhaupt Intelligenz mit Vergeistigung gleichsetzen?


    Nein, kann man m.E. nicht, und das ist wohl auch das Problem von "Gelehrten". sie sehen sich selber so elitär und über allen und allem, aber auf einer einsamen Insel überleben würden sie nicht. Das hat aber für mich auch etwas mit Intelligenz zu tun!


    Zitat

    Ich persönlich finde diese freie Denkweise des Buddhismus positiver. Dann kann keine Macht von außerhalb eingreifen, oder im Namen … ausgenutzt werden, weil es aus dem Jenseits auf uns wirkt. Die Macht liegt bei uns also im Seienden, der Mensch ist persönlich verantwortlich.


    ad 2.) Der Gedanke von der persönlichen Verantwortung, der gefällt mir auch, er hat für mich aber nicht nur Positives. Ich glaube, dass ein "Gott" durchaus hilfreich ist für Menschen, die nicht auf die Sonnenseite des Lebens gefallen sind. Dass man mit Ungerechtigkeiten, Schicksalschlägen, und Dingen die einem widerfahren die einfach unerklärbar sind besser zurechtkommt in der Hoffnung auf einen Gott, der alles wieder zum Guten kehrt, dass vielleicht manches Leid irgendeinen Sinn hat bzw. es irgendwann eine ausgleichende Gerechtigkeit geben wird.


    Ich bin mittlerweile mit dem Kapitel "Zwei Orden" fertig. Dieses Kapitel hat mir sehr gut gefallen, v.a. die Reflexion über die Geschichtsschreibung.



    Bei Johann Albrecht Bengel musste ich googeln, v.a. weil diesbezüglich auch der Begriff des "Tausendjährigen Reiches" gefallen war.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Ich bin gleich durch mit diesem Teil, Rosalita.


    Ich denke gerade bei der Lektüre viel über Hierarchien nach. Stellt sich diese in Kastalien ja eigentlich genauso wie in der kath. Kirche dar, nur hat man hier „das goldene Kalb“, das Glasperlenspiel im Zentrum, wo es im Katholizismus Gott ist. Jakobus benennt das Spiel ja auch als Götze, aber ist es das?
    Überhaupt sagt dieser Pater sehr viel wichtige und interessante Dinge, z. B. ist Kastalien noch nicht sehr alt, kann über keine lange Geschichte verfügen, hat dieser Orden Chancen zu überleben?


    Also mir persönlich gefällt diese Hierarchie gar nicht. Ich weiß auch nicht, ob sie so streng im Buddhismus zu finden ist, allerdings habe ich noch kein solches Kloster besucht, oder darüber gelesen, lediglich über den Buddhismus an sich.

  • Das Dahinschwinden (ich mag nicht "Sterben" sagen) des Altmeisters hat mich sehr berührt und auch die Art, wie Hesse dies beschreibt.
    Gleichzeitig hat mich die fanatische Art dieses Pertrus, der plötzlich Todessehnsucht entwickelte, abgestoßen.


    Ja, ich bin im Zwiespalt: einerseits fasziniert mich dieses Kastalien, diese Art der Weltanschauung. Andererseits ärgert es mich immer wieder wenn ich lese, wie weltfremd-arrogant manche agieren.


    Ist Josef Knecht überhaupt ein Mensch aus Fleisch und Blut? Die Sphäre, aus denen er auf alle herabsieht, hat etwas Gottähnliches. Der neue Magister Ludi ist mir alles andere als sympathisch.

  • Zitat

    Original von Lancelot einerseits fasziniert mich dieses Kastalien, diese Art der Weltanschauung. Andererseits ärgert es mich immer wieder wenn ich lese, wie weltfremd-arrogant manche agieren.


    Ja, so sehe ich das auch. Natürlich ist es wohl ein Ziel und sehr verlockend, sich nur mit den Künsten, Wissenschaften und Philosophie zu beschäftigen. Aber die Welt sieht leider anders aus, und für mich sind sie einfach allzu weltfremd.


    Pater Jakobus beschreibt es in folgendem Zitat sehr treffend:


    Zitat

    "Ihr kennt ihn nicht, den Menschen, nicht seine Bestialität und nicht seine Gottesbildschaft. Ihr kennt bloß den Kastalier, eine Spezialität, eine Kaste, einen aparten Züchtungsversuch."


    Ich bin jetzt mit "Die Mission" fertig.
    Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich momentan nicht so richtig den Kopf für dieses Buch und quäle mich so recht und schlecht durch. Ich kann nicht sagen, dass es mir nicht gefällt, aber froh bin ich schon, wenn ich durch bin :roll:

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
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  • Zitat

    Original von Rosalita
    Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich momentan nicht so richtig den Kopf für dieses Buch und quäle mich so recht und schlecht durch. Ich kann nicht sagen, dass es mir nicht gefällt, aber froh bin ich schon, wenn ich durch bin :roll:


    Genau das dachte ich bei diesem Teil des Buches auch. Ich hatte das Gefühl, nicht voranzukommen. Mein Buch hat auch sehr dünne seiten und ist eng bedruckt. Was ich immer ziemlich mühsam finde.

  • :D, Na dann besteht ja noch Hoffnung, dass der nächste Teil "spannender" wird! Ich habe auch eine Suhrkamp-Taschebuch Ausgabe mit "nur" knapp 500 Seiten, alles ziemlich kleingedruckt!
    Aber keine Angst, ich halte durch! :thumright:

    Herzliche Grüße
    Rosalita


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  • ich bin jetzt mit diesem Teil durch. :cheers:


    Das letzte Kapitel "Die beiden Pole" hat mir sehr gut gefallen, viele neue Gedanken kamen ins Spiel.


    Mit der Gestalt des Tegularius kommt frischer Wind nach Kastalien und es zeichnet sich ab, dass der Orden in dieser Form nicht mehr lange zu halten sein wird. Es entwickelt sich alles weiter, und wenn man krampfhaft bemüht ist, die alten Strukturen zu erhalten, so geht das meist nach hinten los. Tegularius gefällt mir übrigens recht gut!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


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  • Leider geht es bei mir dieses mal etwas langsamer voran. Aber ich mit diesem Teil heute fertig geworden.


    Das Kapitel "Zwei Orden" hat mir sehr gut gefallen. Für mich war das auch wie eine Art Meditation. War sehr angenehm zu lesen.


    Der Charakter von Tegularius gefällt mir auch sehr gut.


    Zitat

    Mit der Gestalt des Tegularius kommt frischer Wind nach Kastalien und es zeichnet sich ab, dass der Orden in dieser Form nicht mehr lange zu halten sein wird. Es entwickelt sich alles weiter, und wenn man krampfhaft bemüht ist, die alten Strukturen zu erhalten, so geht das meist nach hinten los. Tegularius gefällt mir übrigens recht gut!


    Finde ich auch. Vielleicht gerade weil ja beschreiben wird das er anderes ist als Knecht. Sein (Knechts) Charakter wird mir langsam zu "geistig". Kann ich schwer beschreiben. :D


    Besonders schön fand ich den Satz aus dem Kapitel "Die beiden Pole":


    Zitat

    "Es gibt kein adliges und erhöhtes Leben ohne das Wissen um die Teufel und Dämonen und ohne den beständigen Kampf gegen sie"


    Hat mir irgendwie imponiert. Da ich das so verstehe das man oft gegen seinen eigenen Teufel oder Dämon kämpfen muss um ein schönes Leben zu haben. Is mir irgendwie direkt ins Auge gesprungen.

    Narkose durch Bücher - Das Richtige ist: das intensive Buch.
    Das Buch, dessen Autor dem Leser sofort ein Lasso um den Hals wirft, ihn zerrt, zerrt und nicht mehr losläßt.


    :study: Sarah J. Mass - Throne of Glass / Die Erwählte :study:

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  • Scheinbar habt ihr alle Probleme mit Knecht, nach dem Musik-Meister ist er mir eigentlich die angenehmste Figur. Er kämpft mit sich, versucht neue Wege zu gehen, geht über die Traditionen hinaus. Eigentlich ist er doch ein sehr ruhiger, feiner und angenehmer Rebell, der positive Steppenwolf, oder?

  • Hallo!


    Mir wird die Figur des Josef Knecht eigentlich immer sympathischer. War er zu Beginn für mich ein weltfremdes, vergeistigtes Leben, so wandelt er sich zu einem weltoffenen, toleranten Wesen. V.a. dann im dritten Teil kann ich ihn sehr gut verstehen und seine Ideen gutheißen!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


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  • Hallo,


    bin etwas spät dran, aber ich hoffe es ist ok, wenn ich noch was schreibe.


    Zitat

    Original von Lancelot


    Ja, ich bin im Zwiespalt: einerseits fasziniert mich dieses Kastalien, diese Art der Weltanschauung. Andererseits ärgert es mich immer wieder wenn ich lese, wie weltfremd-arrogant manche agieren.


    .


    Auf mich wirken die Kastalier nicht arrogant und weltfremd, sondern eben einfach der "normalen" Welt abgekehrt. Um das Glasperlenspiel überhaupt spielen zu können, ist ein so umfangreiches Wissen vonnöten, das die Kastalier für Zwischenmenschliches eben nicht viel Zeit haben und ihre Zeit ausschließlich mit Lernen und Meditieren verbringen.


    Ich verstehe das Spiel so, dass darum geht, sinnvolle Zusammenhänge herzustellen, die auf den ersten Blick unmöglich erscheinen. Ist dies gelungen, so wird das Ergebnis in einem neuem Schriftzeichen festgehalten. Über je mehr Wissen einer verfügt, desto elegantere Verbindungen wird er herstellen können.


    Leider bin ich ja keine Kastalierin und daher leider nicht in der Lage, auch nur einfaches konkretes Beispiel zu erfinden.


    [quote]Original von Lancelot
    Ist Josef Knecht überhaupt ein Mensch aus Fleisch und Blut? Die Sphäre, aus denen er auf alle herabsieht, hat etwas Gottähnliches. Der neue Magister Ludi ist mir alles andere als sympathisch.



    .[/quote



    Ja, das habe ich auch erst gedacht. Ich war mit Tegelarius traurig, dass Josef nun die Freundschaft nicht mehr pflegt. Aber anfangs wurde doch auch erwähnt, dass eine eigene Persönlichkeit in Kastalien in den Hintergrund treten muss. Personen in wichtigen Positionen verlieren ihren Status als Individuum und sind als Bestandteil der Hierarchie zu betrachten. Josef macht also nur seinen Job.


    Bin leider erst bei Kapitel "Im Amte", und werde also erst später feststellen können, ob Josef mit seiner neuen Rolle so glücklich wird, wie er sich das erhoffte.


    Heidi


    Mir ist auch aufgefallen, dass Frauen keine Rolle spielen. Ich denke mal, dass das zum einen an der Entstehungszeit liegen könnte (ich glaube in den 1930ern gab es noch nicht so viele selbständige Frauen) und zum anderen natürlich am Handlungort, der eben ein Männerkloster ist.

  • Zitat

    Original von Gaby
    Auf mich wirken die Kastalier nicht arrogant und weltfremd, sondern eben einfach der "normalen" Welt abgekehrt. Um das Glasperlenspiel überhaupt spielen zu können, ist ein so umfangreiches Wissen vonnöten, das die Kastalier für Zwischenmenschliches eben nicht viel Zeit haben und ihre Zeit ausschließlich mit Lernen und Meditieren verbringen.


    Ich verstehe das Spiel so, dass darum geht, sinnvolle Zusammenhänge herzustellen, die auf den ersten Blick unmöglich erscheinen. Ist dies gelungen, so wird das Ergebnis in einem neuem Schriftzeichen festgehalten. Über je mehr Wissen einer verfügt, desto elegantere Verbindungen wird er herstellen können.



    Danke Gabi :thumleft: Das ist eine sehr gut formulierte Interpretation, die ich unterschreiben kann. Ganz genau weltabgewandt oder weltfremd, nur noch tiefe Vergeistigung durch Lernen und Meditieren. :dance:

  • Zitat

    Original von Gaby
    bin etwas spät dran, aber ich hoffe es ist ok, wenn ich noch was schreibe.


    Aber natürlich, ich freue mich sogar sehr über weitere Eindrücke, denn für mich ist das Buch noch lange nicht abgeschlossen. Ich grüble auch noch immer darüber nach!


    Das, was du über die Weltfremdheit etc. gesagt hast, und auch über das Glasperlenspiel, das kann ich eigentlich auch unterschreiben. Für mich sind halt solche Leute automatisch "arrogant", weil sie sich mit "Alltäglichem" nicht abgeben.
    Auch fand ich es einfach unverständlich, wie Josef in seinem Job aufgeht und alles nebenher vergisst und für ihn an Bedeutung verliert. Solche Leute mag ich im richtigen Leben auch nicht!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


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