Ludwig Homann - Der Hunne am Tor

  • Hallo Ihr Lieben,


    am Wochenende habe ich "Der Hunne am Tor" von Ludwig Homann gelesen und ich möchte euch dieses einfühlsame Buch nun vorstellen.


    Klappentext:
    Fridtjof Beese, inzwischen ein alter Mann, lebt in einer kleinen westfälischen Gemeinde und scheint mit seinem Leben abgeschlossen zu haben. Doch er wird auf schreckliche Weise von seiner Vergangenheit eingeholt, als er erfährt, dass sein Enkel sich in einer rechtsradikalen Kampfsportgruppe herumtreibt, die sich gerade rüstet, mit einem neu in der Gemeinde aufgestellten Wohncontainer für Asylbewerber kurzen Prozess zu machen. In dieser Situation trifft Fridtjof einen Verwandten ebenjenes Jugendfreundes, der er im Dritten Reich den Nazis ausgeliefert hat, einen Schriftsteller aus Israel. Zum ersten Mal kann Fridtjof über seine Vergangenheit sprechen ...


    Über den Autor:
    Ludwig Homann, geboren 1942 in Schlesien, lebt als freier Schriftsteller in Glandorf bei Münster in Westfalen. Im Haffmans Verlag erschienen: "Engelchen" (Erzählung) – "Ada Pizonka" (Roman) – "Klaus Ant" (Ein Erziehungsroman) – "Der weiße Jude" (Roman).


    1998 erschien im Haffmans Verlag Ludwig Homanns Roman "Der weiße Jude", die Geschichte des vom Nationalsozialismus begeisterten Gymnasiasten Fridtjof Beese, der wider Willen seinen besten Freund denunziert. Erzählt wird, wie Fridtjof, der im Dritten Reich als "Judenfreund", als "weißer Jude" galt, mit seiner Schuld, die er selbst für unverzeihlich hält, zu leben versucht. "Der Hunne am Tor" ist eine Fortführung dieser Geschichte, für die Ludwig Homann 2000 den Annette-von-Droste-Hülshoff-Preis erhielt.


    Meine Meinung:
    Ich konnte das Buch nicht weglegen, die Geschichte hat mich gefesselt. Der Autor beschreibt sehr einfühlsam die Gefühle des alten Mannes und den "Dämon", der ihn sein Leben lang begleitet. Er ist im Zwiespalt, einerseits stören ihn "die Dunklen" dort hinter seinem Haus, die ihm seinen Garten zerstören und ihn verhöhnen. "Das hätte es früher nicht gegeben", sagt ihm sein Dämon. Andererseits möchte er sich mit dem Afrikaner Affo und seinen drei Freunden, die sich sehr zurückhalten auch gern anfreunden und mehr über die Gründe erfahren, warum sie hier sind und wo sie herkommen. Dann ist da noch seine alte Liebe Rixa, die Schwester seiner verstorbenen Frau. Beide sind allein, aber dürfen sie sich lieben? Fridtjof hat ein schlechtes Gewissen gegenüber seiner verstorbenen Frau. Er ist einsam und unglücklich aber er will etwas daran ändern und er kämpft, gegen seinen Dämon, gegen die rechtsradikale Kampfsportgruppe, gegen die verbohrten Dorfbewohner und er kämpft sich frei aus seinem Gefängnis ... Eine sehr schöne, sehr zum Nachdenken anregende Geschichte. Ich musste oft den Kopf schütteln über diese Idioten, die als junge Männer die Parolen einer schrecklichen Zeit benutzen, um Angst und Schrecken zu verbreiten ... Ich werde mir nun "Der weiße Jude" besorgen, weil ich wissen möchte, was vorher war.


    Ich finde: SEHR EMPFEHLENSWERT :thumleft:


    LG, Steffi :cat:

    "Ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos ..."

    (nach Loriot)

    Einmal editiert, zuletzt von Steffi ()

  • Meine Wunschliste dankt dir für zwei weitere Einträge. :wink: ("Der weiße Jude" landet auch mit auf der Liste, weil es ja die Vorgeschichte erzählt)

    ~~°°Flüchtest du mal vor der Welt, bieten dir Bücher Zuflucht.°°~~
    E. Kocapinar


    :study: Meteor - Dan Brown

  • Zitat

    Original von leela
    Meine Wunschliste dankt dir für zwei weitere Einträge. :wink: ("Der weiße Jude" landet auch mit auf der Liste, weil es ja die Vorgeschichte erzählt)


    Gern geschehen, leela :wink: ... Freut mich sehr, da das Buch nicht gerade zu den Bestsellern gehört :-, - schade eigentlich. :-k


    LG, Steffi :cat:


    :study: Annie Proulx - Das grüne Akkordeon

    "Ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos ..."

    (nach Loriot)

    4 Mal editiert, zuletzt von Steffi ()

  • Danke für die Vorstellung des Buches, Steffi. Wir hatten ja auch schon in Berlin darüber gesprochen. Ich werde mal sehen, ob ich mit einem Kauf das Buch im Verkaufsrang etwas nach oben bringen kann. :wink:

  • Nun habe ich das Buch auch ausgelesen und es hat sich gelohnt, dass ich Steffis Tipp nachging.


    Es war der Alltag des Fridtjof Beese, seine Einsamkeit, seine innere Unruhe, seine heimliche Liebe zu Rixa und seine "Dämonen", die ihm immer wieder längst vergessene Parolen und Schlagworte in die Gedanken spucken, was mich an diesem Buch nachhaltig gefangen genommen hat. Ich habe das Buch schon vor ein paar Tagen beendet. Konnte aber nicht gleich danach meine Meinung dazu niederschreiben, es musste sich erst alles setzen. Auch jetzt sind meine Gedanken noch häufig bei Fridtjof Beese. Ludwig Homann hat einen bewegenden, leisen und einfühlsamen, aber auch ungewöhnlichen Roman geschrieben. Dieser ist zwar die Fortsetzung von "Der weiße Jude", man kann aber "Der Hunne am Tor" auch als einzelnen Roman gut lesen.


    Anfangs musste ich mich etwas an den Schreibstil von Homann gewöhnen, das Buch, das ich vorher las, hatte lange geschachtelte Sätze, dieses hat eher eine kurze und knappe Satzform. Aber das gelang mir recht schnell.


    Fazit:
    Dies war ein Buch, dessen Protagonist bei mir ganz persönlich angekommen ist. Es ist von hoher Aktualität geprägt und äußerst lesenswert. :thumleft: :thumleft: :thumleft:


    Nun werde ich noch schauen, dass auch "Der weiße Jude" in mein Regal wandert. Denn ich bin neugierig, was in den Jugendjahren Fridtjofs wirklich geschah.

  • Mensch, Karthause ... freut mich, dass Dir das Buch auch so gut gefallen hat. Jetzt kann ich noch weniger verstehen, warum so ein tolles Buch "nur noch so" als Restauflage in Billigbuchläden herumliegt. Solche Bücher sind selten auf irgendwelchen Bestsellerlisten :scratch: ... Ich bin froh, dass ich es gefunden habe. "Der weiße Jude" ist leider noch nicht in meinem Bücherregel, wird aber bald nachgeholt.

    "Ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos ..."

    (nach Loriot)

  • Jetzt habe ich den 1. Teil dazu ergattert, natürlich auch nicht über die normale Bestellung im Buchhandel, es ist nur noch als gebrauchtes Buch bei Amazon zu bekommen. Ich freue mich schon darauf, zu erfahren, was sich in der Jugend des Fridtjof Beese alles zugetragen hat.

  • „Der Hunne am Tor“ ist der Folgeband von „Der weiße Jude“, der 1998 erschien und die Geschichte Fridtjof im II. Weltkrieg erzählt. Ich bin mir fast schon sicher, dass es auch einen dritten Band geben wird, denn die Widerbegegnung mit Hasselfeld steht noch frei im Raum.


    Ich möchte zunächst auf die Sprache eingehen, denn das ist der Knackpunkt bei diesem Roman. Selten habe ich eine so schlampige Sprache gelesen. Die Satzstellung lässt oft zu wünschen übrig, sie ist sehr umständlich gewählt, so dass kein vernünftiger Lesefluss zustande kommt. Reine Nebensätze werden beispielsweise nicht in den Satz integriert, sondern als Satz deklariert. Der Leser stolpert ständig über solche Fehler, und das ist einfach ärgerlich.


    Sieht man von dieser Schwäche ab, dann ist „Der Hunne am Tor“ ein sehr reiches Buch.
    Fridtjof ist seit zwei Jahren Witwer, und lebt sehr zurückgezogen. Jeden Tag besucht er das Grab von Methi, auf dessen Grabstein schon sein Name wartet. Zuhause wandert er ständig zwischen Küche und Schlafzimmer hin und her. Zu einem steht im Schlafzimmer das Bild von Methi, und die Küche ist weitere Raum, der genutzt werden kann. Das Wohnzimmer muss er verdunkeln, denn hinter seinem Grundstück wurde ein Container aufgestellt, in dem Asylanten wohnen. Eigentlich hatte Fridtjof der Stadt diesen Boden zur Erweiterung des Friedhofs veräußert, doch jetzt leben „die Dunklen“ hinter seinem Garten.
    Sie sitzen auf der Friedhofsmauer von mittags bis Mitternacht, werfen ihre Abfälle über die Mauer, und benutzen die Grabmäler für ihre Notdurft. Stilles beten und in sich kehren ist für die Trauernden nicht mehr drin, ständig werden sie von den Fremden beglotzt.


    Und hiermit beginnt die totale Verkettung des Romans. Der Leser erfährt, dass Fridtjof im Krieg einen Halbjuden als Freund hatte, und er selber bei der Hitler-Jugend war. Dass er seinen Freund auf Grund von Ekel ausgelöst von Behinderten, die jetzt auch wieder im Städtchen untergebracht sind, verraten hat. Und dass die Rechtsradikalen wieder für Ordnung sorgen, und die dunklen „Juden“ sowie Behinderte wie ein Dejá-vu Fridtjof bedrängen.
    Selbst der Leser muss sich die Gewissensfrage stellen; denn er freut sich ungemein als die „Neger“ Besen in Hände gedrückt bekommen, und endlich ihren Unrat beseitigen müssen; wieweit er mitlaufen darf.
    Wann und wer schreitet hier ein? Die Bewohner? Die Polizei? Fridtjof?


    Selten habe ich eine solch grandiose Handlung gelesen, ein Mosaiksteinchen fügt sich zum anderen, alles hat einen Sinn und stellt gleichzeitig die Frage nach dem Sinn. Abgesehen von der Sprache, ein beeindruckendes Buch, welches ich empfehlen kann. :D