John Griesemer
Übersetzer: Ingo Herzke
marebuchverlag (Hardcover/2004)
Niemand denkt an Grönland
ISBN 3-936384-44-4
335 Seiten
M.A.S.H. spielt in einem Lazarett in Korea während des Krieges an diesem Ort der Welt. Qangattarsa – die Romanversion des real existiert habende Lazaretts der U.S. Army – befand sich in Grönland und hier kamen die Schwerstverletzten des Koreakrieges hin, deren Angehö-rige nur wussten, dass sie M.I.A – Missing in Action – waren (im Feld verschollen), bis ihnen nach deren Ableben genau dieses Ableben mitgeteilt wurde. Dieses Lazarett existierte offi-ziell nicht und war für die daran Beteiligten eine große emotionale Belastung.
Die Romanversion dieses Lazaretts wird den Leserinnen und Lesern durch die Augen des jungen Corporal Rudy Spruance vorgestellt, der hier relativ unmotiviert hinkommandiert wird und zunächst selber zu einem Patienten wird, da ihn niemand vor den überaus aggressiven Moskitos in Grönland gewarnt hatte, denen er auch prompt zum Opfer fällt. In der Kranken-station aufwachend lernt er diesen seltsamen Stützpunkt schnell kennen und ganz besonders den Vorgesetzten Colonel Lane Woolwrap, dessen Geliebte Sergeant Irene Teal bald ein Au-ge auf Rudy wirft, was dessen Leben überaus kompliziert macht. Daneben bekommt er außer-dem noch den Auftrag, eine Stützpunktszeitung heraus zu geben, wobei er aber schließlich mit einigen seiner Artikel nicht unbedingt auf Gegenliebe bei den oberen Rängen stößt.
Im Zusammenhang mit seiner Arbeit als Chefredakteur bekommt Rudy außerdem Zugang zu einem besonderen Trakt des Lazaretts, wo sich zu dieser Zeit – gegen Ende des Jahres 1959 – immer noch mehr oder weniger Überlebende des Koreakrieges aufhalten, die auf den Tod warten. Einer dieser Schwerstverletzten beginnt eine ungewöhnliche Beziehung mit Rudy, wobei er diesem erfolgreich seinen Namen verschweigt und für Rudy die ganze Zeit nur Guy X ist. Als dann der letzte Verwundete für dessen Zustand Woolwrap direkt die Schuld zuge-sprochen wurde verstirbt, verändert sich die Situation. Die Zeitung wird eingestellt, Rudy darf nicht mehr in die Station und es werden immer mehr Besatzungsmitglieder des Stützpunkts verlegt. Irene und Rudy überlegen, wie sie zusammen bleiben können und gleichzeitig be-kommt Rudy Guys Sorge um seinen eigenen weiteren Verbleib mit. Und dies alles in einer Zeit, als in Grönland die Sonne nicht aufgeht und die Stimmung der Leute irgendwo zwischen suizidal-depressiv und berserker-aggressiv schwankt. Und in dieser dantesken Atmosphäre herrscht Woolwrap noch wie ein verrückter König, bis er nach dem Verlust seiner Macht be-ginnt immer mehr König Lear zu ähneln. Und Rudy dem dazugehörigen Narren.
Anders als in Rausch sind die Figuren durch den festgelegten Handlungsraum wesentlich durchgängiger gezeichnet und damit auch für die Leserinnen und Leser zugänglicher und bes-ser zu erinnern. Zudem verarbeitet Griesemer hier eine Geschichte, die ihn in seiner Dienst-zeit in der Zeit des Vietnamkriegs verfolgt hat – die Geschichte eines „weißen Schiffs“, das niemals anlegt und auf das Verwundete nur zum sterben gebracht wurden und einem Aus-schnitt aus Lawrence Millmans „Saga Land“, in dem die real existierende Station in Grönland beschrieben wurde und erreicht somit eine wesentlich größere emotionale Nähe als dies über weite Teile bei „Rausch“ der Fall gewesen ist. Dabei muss man bedenken, dass es sich bei „Niemand denkt an Grönland“ um Griesemers Debüt gehandelt hat und „Rausch“ erst später kam. Der Film wird im Moment mit Jason Briggs (AMERICAN PIE) als Rudy und Natascha McElhone als Irene unter der Regie von Saul Metzstein verfilmt, wobei Jeremy Northam (DER PERFECT EHEMANN) und Michael Ironside (u.a. DARK ANGEL) in weiteren Rol-len zu sehen sein werden.
K.-G. Beck-Ewerhardy