Charles Dickens - Große Erwartungen / Great Expectations

  • Kurzbeschreibung:
    Während seiner allwöchentlichen Besuche bei der reichen Miss Havisham verliebt sich der kleine Pip in die Adoptivtochter der alten Dame und beginnt von Reichtum und Bildung zu träumen - schier unerfüllbare Wünsche für einen Waisenjungen und Schmiedelehrling. Plötzlich will ihn ein unbekannter Gönner zu einem Gentleman erziehen lassen. Bald hat Pip sein einfaches Leben vergessen und führt in London ein verschwenderisches Dasein. Unversehens gerät er in eine lebensgefährliche Lage.Charles Dickens (1812 - 1870) hatte eine harte Jugend hinter sich, als er zu schreiben begann und bald zum gefeiertsten Autor seiner Zeit wurde. In fieberhaftem Tempo schrieb er seine sozialkritischen, immer unterhaltsamen Romane, die weltweit gelesen werden.


    KritiK:


    Wer hat noch nicht eine Person kennengelernt, in die man sich verliebt hat, die aber einfach unerreichbar ist, die Liebe entweder nicht erhört wird, oder man gar als Spielball von der geliebten Person verwendet wird, ihr vor Liebe blind total hörig ist? Und dann ist man im Grunde ständig auf der Suche nach dieser Person.


    Charles Dickes hat ein umwerfendes Werk geschaffen, für mich noch besser als alle seine Bücher. Eine schöne Liebesgeschichte, die sich über Jahre hinzieht, man könnte wahnsinnig werden bis endlich das .... Ende kommt.
    Diese wunderschöne, aber so kalte Estella, die brutal mit Pip spielt, aber dann doch merkt, dass sie ihn liebt.


    Es gibt übrigens eine ausgezeichnete moderne Verfilmung von diesem Buch. "Große Erwartungen" mit Ethan Hawke und Gwyneth Paltrow. Sehr zu empfehlen.


    mfg

  • Ich muss das Buch wohl auch mal lesen, da ich festgestellt habe, dass man dann bestimmte Stellen in Jasper Ffordes Romanen besser verstehen wird...
    Ms Havisham spielt in "Lost in a good book" eine tragende Rolle...


    "Große Erwartungen" kommt gleich auf meine Leseliste!

    She wanted to talk, but there seemed to be an embargo on every subject.
    - Jane Austen "Pride and prejudice" - +

  • Wird notiert.


    Lese gerade Oliver Twist, auch genial!
    Brauch dann wahrscheinlich eine kleine Dickens Pause, aber danach wirds gekauft und gelesen :loool:


    Liebe Grüsse
    Pooh

    "Das Paradies habe ich mir immer als eine Art Bibliothek vorgestellt."


    :study: Die Vermessung der Welt, Daniel Kehlmann

  • Habe in der Weihnachtszeit Dickens "Weihnachtsgeschichten" um den alten Knauser Scrooge gelesen und mir danach Oliver Twist und David Copperfield auf den SUB gelegt. Na da mache ich doch demnächst einen Ch. Dickens Session, denn "Große Erwartungen" sind jetzt auch noch dazu gekommen. :wink:


    Danke für den Tipp!

  • Ich hab mal eine Frage: Gibt es eigentlich bei der deutschen Übersetzung von "Große Erwartungen" nur die Reclam-Ausgabe??? Die finde ich nämlich optisch und handhaberisch nicht so toll!!! Kann mir da jemand weiterhelfen?

    Ein schönes Buch ist wie ein Schmetterling. Leicht liegt es in der Hand, entführt uns von einer Blüte zur nächsten und lässt den Himmel ahnen. (Lao-Tse)

  • Ich habe heute bereits einige Kommentare vom Stapel gelassen und dieses oder jenes Buch über den Klee gelobt, aber ein Wort zu Dickens kann ich mir nicht verkneifen.
    Ich habe mich über Céline ausgelassen, über Oscar Wilde, über Bulgakov und andere, aber wenn man mir frei stellte, das Gesamtwerk von drei Autoren mit auf die einsame Insel zu nehmen, die ich ein Jahr nicht verlassen dürfte, dann würde ich mich für Thomas Mann entscheiden, für Emile Zola, aber vor und über allem für Charles Dickens. Er ist der Meister aller Klassen...
    Alle Romane, auch seine Erzählungen sind unbedingt zu empfehlen, vor allem jenen, die sich ein jugendliches Herz, Freiheitssinn und Überbleibsel einer schönen Seele bewahrt haben.
    Ich habe gesprochen...

  • All4 one


    Guck einfach mal nach beim zvab.com. Da findest du jede Menge gebundene Ausgaben. Ich hab mich auch da bedient. Und die sind zum Teil noch billiger als Reclam.

    Neue Lektüre:
    John Norman : Die Nomaden (Gor-Reihe, Bd 4 )
    Wo man liest, da lass dich ruhig nieder,
    böse Menschen lesen keine Bücher

  • Vor ein paar Tagen die neue BBC-Verfilmung gesehen - Super!
    Jetzt muss ich auch das Buch lesen. Müsste morgen kommen, bin gespannt.
    Liebe Dickens Romane. Klein Dorrit ist auch sehr zu empfehlen aber leider schon ewig in deutsch vergriffen.

    "Eine ganze Stunde der Seligkeit! Ist das etwa wenig, selbst für ein ganzes Menschenleben?" - Dostojewski

  • Ein perfides Verwirrspiel erster Güte, das niemals langatmig wird. Und dennoch ist man schlussendlich froh, nicht in den Schuhen der Hauptfigur zu stecken. Wie von Dickens gewohnt ist die Erzählung sehr vielschichtig und alle scheinbaren Nebenschauplätze sind am Ende doch miteinander verwoben.


    Es ist zwar nicht mein Lieblingsbuch von Dickens, aber es steht auf meiner persönlichen Hitliste doch relativ weit oben.

  • Handlung
    Spätes 19. Jahrhundert. Der kleine Pip hat keine einfache Kindheit: seine Eltern sind schon so lange tot, dass er sich nicht einmal mehr an sie erinnern kann und aufgezogen wird er von seiner erheblich älteren Schwester und deren Ehemann Joe. Die kleine Familie führt ein einfaches und bescheidenes Leben, denn Joe bestreitet ihren Unterhalt mit seiner Schmiede. Doch trotzdem könnte Pips Leben um einiges behaglicher sein, wäre seine Schwester nicht unheimlich jähzornig, gewaltbereit und unfair gegen den Jungen. Joe, der ebenso gutmütig wie seine Frau überreizt ist, bemüht sich, deren Schläge und Gemeinheiten auszugleichen und Pip ein guter Freund zu sein. Dies gelingt ihm auch und Pips Dasein hat deshalb immerhin einen kleinen Hoffnungsschimmer, doch trotzdem reift der Wunsch in dem Jungen heran, mehr aus seinem Leben zu machen, als bei Joe in die Lehre zu gehen und bis ans Ende seiner Tage ein Schmied zu sein. Pip erwartet einfach mehr von seinem Leben – Bildung, Karriere und Erfolg. Gestärkt wird dieses Bedürfnis noch, als eine reiche Dame aus der Stadt, Fräulein Havisham, ihn zu ihrem temporären Spielkind auserwählt hat und er einige Zeit lang in gehobener Gesellschaft verkehrt. Dort verliebt er sich unsterblich in Estella, die Pflegetochter seiner Gönnerin, und auch um ihr zu gefallen, möchte er seinem absolut gewöhnlichen Leben ein Ende machen. Durch zunächst mysteriöse Umstände gelangt Pip zu einigem Vermögen, verlässt Joe und seine einzige andere Freundin Biddy, um in London sein Glück zu machen. Es dauert sein halbes Leben lang, bevor Pip nach vielen Rückschlägen, gelüfteten Geheimnissen und endlosen Gewissensbissen erkennt, dass mehr zum Glücklichsein gehört als Geld und Einfluss.


    Meine Meinung
    Genau 200 Jahre ist Charles Dickens jetzt tot. Seine Bücher werden aber nach wie vor gelesen und zählen zu den größten Werken der Weltliteratur. Warum das so ist? Ich denke, es liegt daran, dass Dickens die Stimmungen seiner Zeit genau erfassen und verarbeiten konnte und auf besondere Art Lebensweisheiten vermittelt, die auch heutzutage noch gelten.
    Die Geschichte des Waisenjungen Pip bietet dem Leser die Möglichkeit, sich mit der Hauptfigur zu entwickeln und einiges mitzunehmen. Wir verfolgen die Geschichte des Jungen von seinem neunten Lebensjahr an bis ins Erwachsenenalter und er macht dabei einiges mit. In dem kleinen ärmlichen Dörfchen, in dem er aufwächst, gibt es viel Klatsch und Tratsch, aber keine richtige Schule. So hat er sein ganzes Wissen von seiner etwas beleseneren Freundin Biddy, die ihm ihre Fertigkeiten gerne beibringt. Außerdem sind die Erziehungsmethoden von Pips Schwester, die gerne mal zum Rohrstock greift, nicht gerade das, was man pädagogisch wertvoll nennt. Meistens lässt sie nur ihren gesamten Frust an dem Jungen aus, weil sie mit ihrem Leben im Grunde nicht zufrieden ist, und wirft ihm den restlichen Teil der Zeit vor, dass er nicht so undankbar sein soll gegen die Person, die ihn „mit der Hand aufgezogen“ hat. Joe, sein Ziehvater, ist ein gemütlicher Kerl, der brav seine Arbeit verrichtet und ordentlich unter dem Pantoffel seiner Frau steht. Trotzdem tut er sein möglichstes, um die Wut seiner Frau von Pip abzulenken und bleibt ihr beider Leben lang Pips treuster Freund. Ich mochte Joes Figur beim Lesen mit Abstand am meisten, doch auch die anderen Charaktere des Buches sind so ausgearbeitet, dass sie sowohl ihre Funktion in der Geschichte erfüllen, als auch eine Identifikationsmöglichkeit für den Leser bieten. Von einer besonders raffinierten Gestaltung der Personen möchte ich zwar nicht reden, weil sie meistens doch nur die Eigenschaften haben, die für die Story wichtig sind, doch sind sie dabei trotzdem nicht platt und langweilig.
    Obwohl es mit seinen 740 Seiten ein sehr dickes Buch ist, das vor allem im Mittelteil – wenn Pip gerade eine extrem unsympathische Phase hat – ein paar Längen hat, kommt man beim Lesen gut durch. Natürlich ist der Schreibstil der Geschichte nicht gerade leichte Kost und man muss sich erst ein wenig damit anfreunden. Teilweise arbeitet mir Dickens auch zu oft mit Wiederholungen; dabei ist mir zwar bewusst, dass er das der Hervorhebung einzelner Wörter und Bedeutungen willen tut, dennoch hat es mich zeitweise gestört, den ein und selben Begriff über mehrere Sätze hinweg ständig zu lesen. Ansonsten ist der Stil sehr bildlich, es wird viel mit Metapher gearbeitet, was schön die Atmosphäre der jeweiligen Momente verdeutlicht, und wenn man sich erstmal an die monströsen Schachtelsätze gewöhnt hat (was mir persönlich nicht schwer fällt – man beachte meine eigenen) macht es richtig Spaß, einen Roman in dieser ältlichen Sprache zu lesen. Mit einigen Begrifflichkeiten konnte ich zwar überhaupt nichts anfangen und in meiner Ausgabe gibt es auch keine Erläuterungen dazu, aber das tut dem Lesefluss nur geringfügigen Abbruch und Google weiß ja auch meistens Rat.
    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: gints von mir :D

  • Große Erwartungen sind es nicht, die Pip an seine Zukunft hat. Früh verwaist, wächster bei seiner lieblosen, wesentlich älteren Schwester und deren Ehemann auf, einem sanftmütigen Schmied, der Pip zumindest Liebe schenkt, aber gegen das harte Herz und die nur allzu schnell zur körperlichen Züchtigung bereite Hand seiner Frau nie recht ankommt. Pips Lebensweg scheint vorgezeichnet. In die Fußstapfen seines Ziehvaters zu treten ist das Naheliegende. Bedauerlich nur, dass Pip als einfacher Handwerker nie eine Chance haben wird, Estella für sich zu gewinnen, die bei der verschrobenen Miss Havisham auf einem halb verfallenen Anwesen in der Nähe aufwächst und die ihm von der ersten Minute an den Kopf verdreht hat.


    Doch eines Tages, Pip ist inzwischen schon erwachsen, fällt ihm plötzlich eine großzügige Geldzuwendung in den Schoß, die ihm ein Studium in London ermöglicht. Wer der edle Spender ist, erfährt Pip indes nicht. Man sagt ihm nur, dass dieser sich erkennen geben wird, wenn er den Zeitpunkt für richtig hält.


    In der großen Stadt eröffnen sich Pip völlig neue Welten, aber auch neue Gefahren lauern, und das Leben ist nicht unbedingt unbeschwerter als in seinem verschlafenen Heimatdorf - die Probleme sind lediglich anderer Natur.


    Wieder einmal erweist sich Charles Dickens als Meister der Atmosphäre, der mit lebhaften Details Schauplätze, Menschen und Stimmungen zu entwerfen versteht, und wieder einmal schickt er ein Waisenkind ins Rennen, das seinen Platz im Leben finden muss. Man merkt jedoch deutlich, dass es sich um ein Spätwerk handelt. Die Tränendrüse wird lange nicht so sehr strapaziert wie in früheren Romanen, und er nähert sich stärker der Realität an, was sich auch am Romanende bemerkbar macht, das ein jüngerer Dickens womöglich ganz anders gestaltet hätte. Zudem drückt er sich um einiges bissiger und sarkastischer aus, ein düsterer Witz, der einen Großteil des Reizes dieses Buches ausmacht, und schmückt viele Figuren mit leicht skurrilen Charakterzügen aus.


    Dass Geld alleine nicht glücklich macht und nicht alle Probleme lösen kann, zeigt Pips wechselvolle Geschichte auf eindringliche Weise. Ich habe ihn sehr gerne durch die verschiedensten Höhen und Tiefen begleitet und auch einige der Nebenfiguren (die oft für Überraschungen gut sind) sehr liebgewonnen. Ein toller Klassiker!

  • Wieder einmal erweist sich Charles Dickens als Meister der Atmosphäre, dermit lebhaften Details Schauplätze, Menschen und Stimmungen zu entwerfenversteht,

    Ich liebe Dickens wegen dieser Fähigkeit, mit manchmal sehr wenig eine so eindringliche Atmosphäre zu schaffen. Spontan fällt mir kaum ein anderer ein, der das so perfekt beherrscht. :pray:


    Man merkt jedoch deutlich, dass es sich um einSpätwerk handelt. Die Tränendrüse wird lange nicht so sehr strapaziert wie infrüheren Romanen, und er nähert sich stärker der Realität an, was sich auch amRomanende bemerkbar macht, das ein jüngerer Dickens womöglich ganz andersgestaltet hätte. Zudem drückt er sich um einiges bissiger und sarkastischer aus,ein düsterer Witz, der einen Großteil des Reizes dieses Buches ausmacht, undschmückt viele Figuren mit leicht skurrilen Charakterzügen aus.

    Und auch das fasziniert mich bei Dickens: wie man seine schriftstellerische Entwicklung in seinen Romanen verfolgen kann. Ich habe ja erst drei gelesen, aber auch mir sind Unterschiede beim Lesen aufgefallen. Und mir fällt grad auf, dass ich gar keine Rezension zum Buch geschrieben habe. :uups:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn