Thomas Mann - Buddenbrooks

  • Was für eine unglaublich gut geschriebene Geschichte! Selbst diejenigen, die die Ausdrucksweise als altertümlich oder ähnlich empfinden, werden zugeben, dass es nicht nur eine Kunst ist, wie Mann erzählt, sondern ein Vergnügen. Sonst nerven mich allzu ausufernde oder genaue Personenbeschreibungen eher, hier sind sie das Salz in der Suppe. Der Roman ist ein üppiges historisches Familienepos, aber er ist auch eine Satire, ein Drama, ein philosophisches Lehrstück (letzteres aber leichter verdaulich als im Zauberberg).


    Inhaltlich waren es folgende Stellen, die mir besonders im Gedächtnis blieben:
    Die Todesszenen der alten Konsulin und Thomas Buddenbrooks sowie das Leiden von Hanno Buddenbrook an der Welt.
    Ich kenne mich in der Geschichte der Familie Mann nicht gut aus, vermute aber, dass Thomas Mann zu diesem Zeitpunkt bereits Menschen beim Sterben begleitet hat, sonst wäre ein derart eindringliche Schilderung dieser Todeskämpfe kaum möglich gewesen. Auch die Wut, die den Ärzten entgegen gebracht wird, die sich weigern, lindernde Medikamente wie Morphium zu geben, scheint mir seine eigene Wut zu sein.


    In Hanno, der einfach hundert Jahre zu früh gelebt hat, um mit seiner Leidenschaft für Musik und seiner Sensibilität nur die geringste Chance zu haben, versetzt sich Thomas Mann besonders intensiv hinein. Die Ängste und Zweifel eines Kindes beschreibt er wirklich so wie sie ein Kind empfindet und nicht, wie ein Erwachsener sie über ein Kind schreiben würde. Auch fand ich hier das Aufblitzen des Themas Homosexualität interessant, es findet quasi zwischen den Zeilen statt.


    Ansonsten war für mich persönlich Antonie Buddenbrook die Hauptfigur; diese naive Gläubige des Standesdünkels, die im Grunde robuster ist als der gesamte Rest der Bagage und die, als das Familienschiff schon längst untergeht, doch wieder unzerstörbar an der ach so wichtigen Außenwirkung festhält. Soll man sie betrauern oder beneiden? Beides wäre passend.

  • Ich habe den Roman bereits dreimal gelesen, er gehört zu meinen absoluten Lieblingsbüchern, und nach Deinem schönen Beitrag bekomme ich direkt wieder Lust, das Werk sofort ein viertes Mal zu lesen! Vielen Dank für das daran erinnern, weshalb der Roman so hervorragend ist!

  • Das hat wirklich jahrelang gedauert, bis ich nun zu diesem Klassiker griff. Vielleicht verfolgten mich irgendwelche Assoziationen mit einer als Kind (?) gesehenen Verfilmung, die ich damals als total langweilig erfahren habe ? Doch liest man sich durch den Wälzer durch, kann man nur getroffen sein von der beeindruckenden Sprache von Thomas Mann. Es ist fast unvorstellbar, dass er solch ein Werk mit circa 25 Jahren schrieb. Und das meine ich sprachlich wie auch von einer Sichtweise her, die von echter Reife zeugt.


    Ich bin oft davon beeindruckt, dass viele sich von den Fragen nach « sympathischen » Hauptpersonen leiten lassen. Der oder die wären ja auf der richtigen oder sympathischen Seite. Meines Erachtens fängt aber die Verfallsgeschichte (so ja der eindeutige Untertitel, oder ist er zweideutig?) schon früh an, nicht erst mit dem Auseinanderklaffen von Positionen oder dem ökonomischen Niedergang einer Firma. Ich meine, dass Mann sehr wohl seinen Personen gegenüber in einer gewissen kritischen Distanz gegenübersteht. Nein, nicht ein offenes Bekritteln oder Schlechtmachen. Doch hinter den Charakterzeichnungen stecken doch Menschen, die sich sehr früh selber widersprochen haben, oder Wege gehen, die allein auf gesellschaftliche Konventionen Rücksicht nehmen. Das gilt nun mal für Thomas, für Antonie usw… Und auch wer sich gerne als Opfer hinstellt hat seinen Anteil gehabt. Besonders Antonie und eben auch Christian. Das zeichnet der Autor in aller Finesse und leicht durchscheinendem Spotte. Welch Standesdünkel, welch Überheblichkeit…, aber auch : welch Eingepferchtsein in Konventionen, die für « Freiheit und Größe » stehen, aber letztlich Gefangene erzeugt, Gefangene einer gesellschaftlichen Rolle.


    All das gefällt mir außerordentlich gut. Ja, oft kann man lachen oder zumindest schmunzeln angesichts der gefundenen Beschreibungen und nahezu… Witzeleien. Zur selben Zeit ist es auch tragisch. Diese Personen da sind irgendwie alle Gefangene einer Gesellschaft, von Handlungsmustern, die sie in Korsette zwängen. Wer ist wirklich eine ausgereifte Person, ein entfalteter Mensch ?


    Von mir also klare Leseempfehlung an geduldige und interessierte Leser.

  • Thomas Mann hat sie,glaube ich,gekannt:Die eisige Einsamkeit des Thomas Buddenbrook.Das Geschick nicht aufhalten können,nicht die Zeit die entgleitet,aber alles genau vor Augen.Dieses Buch habe ich in verschiedenen Phasen meines Lebens immer wieder gelesen und hatte jedes Mal andere Erlebnisse damit.Ein Buch fürs Leben,sozusagen.Und dann diese Sprache:Dinge auszudrücken,die man eigentlich gar nicht sagen kann,das schaffte so nur ein deutscher Autor.

    Leseempfehlung?Welche Frage!

  • Auch wenn ich für diesen anspruchsvollen Roman eine Weile gebraucht habe und mich durch einige der langwierigeren Abschnitte ein bisschen "durchkämpfen" musste, handelt es sich aus meiner Sicht hier um ein einzigartiges und lesenswertes Buch. Der Roman lebt einerseits von den Charakteren, aber auch von der überzogenen Darstellung, die der Autor an vielen Stellen gewählt hat.

    Was mir nicht so gefallen hat, war zum einen der Titel - ich fand es etwas deprimierend, an jeder Stelle des Romans zu wissen, dass - egal wie gut es den Buddenbrooks gerade ging - ein düsteres Ende auf sie wartete.

    Das habe ich einerseits auch so empfunden. Andererseits denke ich, dass bei diesem Roman vor allem der Weg das Ziel ist. Als Leser weiß ich zwar bereits aufgrund des Untertitels, in welche Richtung sich die Geschichte ganz grob entwickelt. Was dann aber im Detail passiert, wie es passiert, welchen Charakteren ich dabei begegne und wie die verschiedensten Aspekte des Lebens der Buddenbrooks und der damaligen Gesellschaft charakterisiert werden, gilt es, beim Lesen zu entdecken.


    Trotz des Untertitels und des phasenweise etwas langatmigen Erzählstils, kam bei mir auch durchaus Spannung auf. Buddenbrooks ist zwar kein handlungs-intensives Buch, in dem ständig etwas passiert, aber es hält einige Wendungen und Ereignisse parat, mit denen zumindest ich nicht gerechnet hatte.

    Mittlerweile denke ich, dass ich mich vielleicht für eine kommentierte Aushabe hätte entscheiden sollen.

    Das habe ich mir zeitweise beim Lesen auch gedacht. Mir selbst stand sowieso ein privat geliehenes Exemplar zur Verfügung, sodass ich mir das Buch nicht extra gekauft habe. Außerdem habe ich einige Hintergrundinformationen durch die Mini-Leserunde, an der ich kürzlich hier im Büchertreff teilgenommen habe, mitbekommen. Grundsätzlich denke ich aber, dass eine kommentierte Ausgabe dieses Romans mit ausgewählten Worterklärungen, historischen und biografischen Informationen das Leseerlebnis sehr bereichern könnte, denn in dem Buch steckt viel drin.