Harper Lee - Wer die Nachtigall stört / To Kill a Mockingbird

  • Womit ich mich schon seit langem rumschlage, ist die Frage, ob ich das andere Buch von Lee auch lesen möchte. Es soll ja eine Variation dieses sein, aber mit einem eindeutig rassistischen Einschlag. Ich fände es schon interessant, andererseits habe ich wirklich Angst, mir die tolle Erinnerung an dieses Lesevergnügen zu vermiesen. Kann jemand was dazu sagen?

    Da muss ich leider passen, weil es mir genauso geht wie Dir.


    Soweit ich weiß, war das andere Buch ein früher Entwurf zur späteren "Nachtigall", in dem vor allem die Figur des Atticus Finch ganz anders auftritt. Und gerade weil ich den so wahnsinnig gerne mag, möchte ich den "Wächter" eigentlich lieber nicht lesen. Ich bin mir immer noch nicht so ganz im klaren darüber, ob die Veröffentlichung überhaupt im Sinne der Autorin war.

  • Womit ich mich schon seit langem rumschlage, ist die Frage, ob ich das andere Buch von Lee auch lesen möchte. Es soll ja eine Variation dieses sein, aber mit einem eindeutig rassistischen Einschlag. Ich fände es schon interessant, andererseits habe ich wirklich Angst, mir die tolle Erinnerung an dieses Lesevergnügen zu vermiesen. Kann jemand was dazu sagen?Für mich gehört die Nachtigall (der deutsche Titel ist wirklich rätselhaft) zu den Top 5!

    Also ich habe beide Bücher gelesen.
    "Wer die Nachtigall stört" gehört für mich ebenfalls zu einem der besten Bücher, die ich jemals gelesen habe. Habe dann vor zwei Jahren auch den - damals brandneuen - Nachfolger direkt nach Erscheinen in der Bibliothek vorbestellt und gelesen, aber...oh Schreck...ich war schockiert. Atticus hat seine Sichtweise sehr geändert und ich habe es echt bereut, "Geh hin und stelle einen Wächter" gelesen zu haben.


    Mein Tipp:
    Behalte das Alte gut in Erinnerung :thumleft: und lies das Neue nicht. :thumbdown:

  • Es ist ja auch kein Nachfolger, sondern eine Variation des ersten Buches bzw. ein früherer Entwurfsstand. Wie gesagt, ich finde es ein bisschen fragwürdig, dass das überhaupt veröffentlicht wurde.

  • @Klaus V.: Ich habe beide Bücher vor ungefähr zwei Jahren gelesen.
    "Wer die Nachtigall stört" hat mir sehr gut gefallen. Es war spannend geschrieben, hatte viele positive Charaktere und mehrere längere Szenen, die ich nicht so schnell vergessen werde. :)
    Ich war sehr zufrieden und verstand, warum das in den Staaten Schullektüre ist und wieso es einige andere Autoren inspiriert hat.


    Dann kam dieser Nachfolger/Vorgänger heraus und ich habe auch den gelesen. Auch ich glaube nicht, dass das wirklich noch unbedingt veröffentlicht hätte werden sollen, aber interessant ist der etwas andere Schwerpunkt der Erzählung auf seine Art schon.
    Da ja beschrieben war, dass es eigentlich der erste Entwurf von Harper Lee gewesen sein soll, war es nicht so überraschend, dass der "Wächter" irgendwie unfertig (da ja von einer noch unerfahrenen Autorin) wirkt. Es ist auch nicht so humorvoll, sondern eher ernster, aber auch erwachsener (wie auch die Protagonistin, die da ja schon über 20 ist).
    Das Buch stellt Atticus Finch mMn eher mehrdimensional dar (auch kritischer aus der Sicht erwachsen werdender Kinder), wodurch diese Figur aber natürlich auch an Charme verliert. Letzteres aber auch, weil alle Charaktere eben schon fast zwanzig Jahre älter und damit entweder schwächer oder in verschiedene Richtungen weiterentwickelt sind.


    Ich persönlich würde sagen, du kannst auch gut ohne die Lektüre von "Gehe hin und stelle einen Wächter" auskommen.
    Unbedingt lesen muss man es wirklich nicht, aber es bietet schon eine gewisse Herausforderung, weil es keine so eindeutigen Gut-Böse-Zuordnungen (und womit man sich dann natürlich identifizieren kann :D ) bietet wie das alte Buch mit den kindlichen Hauptdarstellern.


    Wenn dir die Atmosphäre gefallen hat, kann ich dir übrigens noch den Film mit Gregory Peck empfehlen. :)

  • Wenn dir die Atmosphäre gefallen hat, kann ich dir übrigens noch den Film mit Gregory Peck empfehlen. :)

    Unbedingt. Das war seine allerbeste Rolle!


    Differenzierte Charaktere mag ich grundsätzlich sehr, aber ich finde, die "Nachtigall" ist schon gut so, wie sie ist. (Zum Glück ist Atticus da ja auch nicht so ein aalglatter, langweiliger Moralapostel.) Die Autorin wird ihre Gründe gehabt haben, warum sie das Buch überarbeitet und sich letztendlich für eine andere Darstellung entschieden hat.

  • So geht es mir auch. Ich habe dieses Buch gelesen, als ich noch ziemlich jung (zu jung?) war und meine einzige schwache Erinnerung daran ist die, dass es mich nicht gefesselt hat.Vielleicht wäre es anders, wenn ich es jetzt in gesetzterem Alter nochmal probieren würde, aber der Gedanke reizt mich nicht. Man muss ja auch nicht alles lesen/ gelesen haben, was "gehypt" wird. :wink:

    :pray::pray::pray: ENDLICH!! Noch nie ist mir jemand begegnet, der das Buch auch nicht mag! :lechz:


    Lange, lange lag es auf meinem SUB und nun habe ich es endlich auch gelesen. Ich kann nicht behaupten, dass mich das Buch sehr begeistert hat, aber auch nicht, dass ich es nicht mochte.


    Das Thema ist definitiv interessant, nach wie vor aktuell und der Schreibstil ist wirklich toll. Die Charaktere sind ebenfalls wunderbar und ich hatte wirklich das Gefühl, selbst in Maycomb zu leben und den Wegen von Scout und Jem zu folgen. Scout ist ein ganz entzückender Charakter, wunderbar kindlich, naiv, liebenswert. Ebenso Jem und auch Atticus - bewunderswert wie ruhig, verständnisvoll und gefestigt er ist. Ein Mann, der immer zu dem steht, was er sagt und tut, auf den man sich verlassen kann :thumleft:

    Auch die Beschreibungen der Lebensart in Maycomb waren interessant, aber leider eben nur das. Obwohl im Nachhinein klar ist, dass fast jede kleine Nebenerzählung von Scout wichtig ist, um alles zu verstehen und am Ende zusammenzufügen, passiert so lang so wenig... es war nicht unbedingt langweilig, aber es plätscherte unfassbar lange einfach nur so dahin. Und bis auf den Tag im Gericht wirkt auch die Geschichte um Tom wie eine kleine Nebenhandlung.


    Wie €nigma hat mich das Buch einfach nicht gefesselt - es war nicht uninteressant, nicht langweilig, aber einfach nicht fesselnd. Vielleicht hätte ich sogar aufgegeben, wenn nicht so wunderbare Charaktere die Geschichte ausgeschmückt hätten. Dennoch regt das Buch zum Nachdenken an - es ist kein Buch, das man zuklappt und nach ein paar Wochen hat man den Inhalt gänzlich aus seinem Gedächtnis gestrichen. Definitiv werde ich es nicht vergessen, auch wenn ich nur :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb: vergeben kann.

  • Wie €nigma hat mich das Buch einfach nicht gefesselt - es war nicht uninteressant, nicht langweilig, aber einfach nicht fesselnd. Vielleicht hätte ich sogar aufgegeben, wenn nicht so wunderbare Charaktere die Geschichte ausgeschmückt hätten.

    Mir ging es ebenso, ich habe es sogar ziemlich schnell abgebrochen weil ich absolut nichts damit anfangen konnte. Die Charaktere fand ich allerdings nicht wunderbar, mir waren sie allesamt unsympathisch und übertrieben zu "gut". Allerdings hatte ich es als Hörbuch, vielleicht lag es auch daran. Oder an einer überdimensionierten Erwartungshaltung bei so einem gehypten Buch.

  • Wie €nigma hat mich das Buch einfach nicht gefesselt - es war nicht uninteressant, nicht langweilig, aber einfach nicht fesselnd. Vielleicht hätte ich sogar aufgegeben, wenn nicht so wunderbare Charaktere die Geschichte ausgeschmückt hätten.

    Mir ging es ebenso, ich habe es sogar ziemlich schnell abgebrochen weil ich absolut nichts damit anfangen konnte. Die Charaktere waren mir allesamt unsympathisch und übertrieben zu "gut". Allerdings hatte ich es als Hörbuch, vielleicht lag es auch daran.

    @Jessy1963 kannst du bitte schreiben wer der oder die Sprecher waren, denn ich würde mir dies gerne einmal anhören.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Jessy1963 kannst du bitte schreiben wer der oder die Sprecher waren, denn ich würde mir dies gerne einmal anhören.

    Ja klar. Das war dieses Hörbuch aus der Berliner Onleihe. Eva Matthes ist hier als Sprecherin angegeben. Das irritiert mich jetzt etwas, weil ich sie eigentlich gerne mag und mir ist auch so dunkel in Erinnerung, dass der Sprecher ein Mann war :scratch: Seltsam. Sorry, das kann ich jetzt irgendwie gerade nicht so richtig nachvollziehen.

  • Ich denke, mir hat es unter Anderem deshalb so gut gefallen, weil es eine der wenigen Schullektüren war, mit der ich mal was anfangen konnte. Und wir haben uns dann im Unterricht auch intensiv mit dem Buch beschäftigt, sodass man nochmal zusätzliche Hintergrundinformationen usw. bekam. Das ist, finde ich, schon nochmal was Anderes, als wenn man das Buch nur zu Hause für sich liest, danach abhakt und mit dem Nächsten weitermacht. :)

  • Das ist, finde ich, schon nochmal was Anderes, als wenn man das Buch nur zu Hause für sich liest, danach abhakt und mit dem Nächsten weitermacht. :)

    Kann sein, muss aber nicht. Ich habe das Buch erst vor wenigen Jahren gelesen und sehr gemocht (und bin froh, dass ich es nicht in der Schule totanalysieren musste).

  • großartiges Buch. Selten so eine authentische Erzählung gelesen. Die amerikanische Gesellschaft in den frühen 30ern wird auch super nachgezeichnet.


    Tolles Buch. Ein MUSS für jeden der gesellschaftskritische Literatur mag:love:

    "Aber sie hatten einander damals völlig natürlich verstanden und angenommen. So vollständig, dass es beinahe ein Wunder war"


  • Ich hatte mir wirklich was anderes unter dem Buch vorgestellt; so richtig was vom Inhalt wusste ich gar nicht, eben nur, dass das Buch schon nahezu ein “Klassiker” ist. Nun griff ich danach, und war mehr als freudig begeistert. Das Buch hat alles um mich zu interessieren. Und nach über einem Jahr hole ich den Fred einfach nochmals hoch; trotz zahlreicher Leser mag es ja doch noch Nicht-Leser geben...


    Da ist einerseits, anfangs und über weite Teile der Geschichte, das abenteuerlustige Leben von Kindern. Sie setzen sich Mutproben oder andere Erfahrungen. Da sind die Geschwister und halt Dill, der im Sommer zu Besuch kommende Freund.


    Die Ebene der Familie, mit dem alleinstehenden Vater, lässt einen nahezu neidisch werden. Wer von uns hat den einen solch verständigen und großzügigen Vater erlebt? Das schafft eine Atmosphäre der Geborgenheit.


    Doch auch bei freundschaftlichen Figuren im Umfeld, bleibt das Ambiente geprägt von der vorurteilsbehafteten Behandlung der “Schwarzen”. Der Prozess, in dem dann der Vater die Verteidigung des Angeklagten übernimmt, ist da symptomatisch. Und manchmal mag man meinen – angesichts der objektiven Zahlen – dass sich das bis heute nicht einfach normalisiert hat. In der zeitgleichen Erfahrung im Deutschen Reich, das de Juden verfolgt, sollten wir jedoch aufpassen, uns wie von außen da als Urteilende hinzustellen. Diese Thematik taucht auch auf.


    Man lacht bei diesem Buch, man ballt die Faust, ist traurig. Ein ganz grosser Wurf!

  • Ich habe das Buch heute beendet und bin nicht ganz so überwältigt. Dabei versuche ich gerade herauszufinden, woran das liegt.


    Ich mochte die Beschreibungen des Alltags von Scout und Jem, ihres Schullebens und auch die Erzählungen über die Erlebnisse im Sommer, zusammen mit ihrem Freund Dill. Auch das Radley - Haus und den Sog, den es auf die Kinder ausübte, waren für mich überzeugend dargestellt.

    Tatsächlich gefiel mir der erste Teil des Buches daher besser als der zweite.


    Das, was eigentlich den Kern des Romans ausmacht, der Fall Tom Robinson war mir persönlich nämlich zu holzschnittartig, auch aus dem Grund, den @Jessy1963 nannte:

    Die Charaktere fand ich allerdings nicht wunderbar, mir waren sie (…) übertrieben zu "gut".

    Atticus hat wirklich für alle Situationen die passende Weisheit parat, ist moralisch integer, fortschrittlich, etc. quasi ein Engel auf Erden. Für mich war das einfach zu viel des Guten.


    Ich fand es daher wirklich interessant hier im Thread zu lesen, dass Lee Harper ihn im ursprünglichen Manuskript völlig anders dargestellt hatte.


    Und ist es nicht auch ein Klischee, dass der wirklich Böse in der Geschichte


    Aufschlussreich fand ich den Hinweis bei Wikipedia, dass das Buch in den USA heute sowohl in „konservativen als auch in progressiven Kreisen“ kritisch betrachtet wird. Das erklärt vielleicht auch mein widersprüchliches Gefühl beim Lesen (für das Jahr 1960 war der Roman sicher progressiv).


    Ich vergebe :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: bis :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb: Sterne.