Dostojewskij: Die Brüder Karamasow

  • Heute möchte ich euch "Die Brüder Karamasow" von Dostojevskij vorstellen, einer seiner bekanntesten Romane.


    Klappentext:
    Der alte Gutsbesitzer Karamasow wird ermordet. Alle drei Söhne hatten gute Gründe, ihren lüsternen Alten zu töten. Aber war es wirklich Dimitrij, der Rivale des Vaters bei der begehrenswerten Gruschenka...
    Der letzte große Roman Dostojewskija - eine spannende Kriminalgeschichte um schuldhafte Verkettungen, Sehnsüchte und Leidenschaften - ist gleichzeitig die Summe seines dichterischen Schaffens.


    Meine Meinung zum Buch: Also ich fand es Weltklasse. Und das aus mehreren Gründen.
    Erstens ist die Story alles andere als fad. Es geht um Mord, Liebe, Leidenschaft und Justizirrtümer.
    Zweitens: die Personen sind äußerst komplex geschildert. Die Söhne könnten unterschiedlicher nicht sein: da ist Dimitrij, der Älteste, ein aufbrausender Bursche, der gegen seinen Vater um die Liebe von Gruschenka kämpft, der intellektuelle Rationalist Iwan und der jüngste, Aljoscha, der die meiste Zeit im Kloster lebt. Außerdem gibt es noch den unehelichen Sohn Smerdjakow, den der Vater mit eineer Schwachsinnigen gezeugt hat. Dostojevskij versteht es, diese Personen und ihre Charaktere psychologisch einfühlsam zu schildern.
    Außerdem ist in diesem Roman die bekannte Erzählung "Der Großinquisitor" zu finden.


    Das über 1000 Seiten lange Buch besitzt ein Personenverzeichnis, das besonders jenen, die nicht so häufig russische Romane lesen und mit den Namen nicht zurechtkommen, am Beginn der Lektüre helfen wird, einen Überblick zu behalten.


    Ich kann es euch nur ans Herz legen. :wink:

    Liebe Grüße,
    Azrael


    Aktuelles Buch: "Schwarz zur Erinnerung" von Charlene Thompson

  • Hallo@Arzael,
    igendwann werde ich mir sicher dieses Buch einmal vornehmen. Und sei es nur unter dem Gesichtspunkt eines spannenden Krimis :loool: . Wenn ich es dann mal gepackt habe, werde ich es hier sicher berichten.


    grüße von missmarple

  • leider bin ich schon zweimal gescheitert - begonnen und wieder beendet, aus dem grund den aszrael schreibt: die russischen namen sind der hammer.... soll ich mich nochmals darüber wagen?

  • Frl. Smilla, also ich würds dir auf jeden Fall empfehlen. Mit der Zeit gewöhnt man sich auch an die Namen :wink:

    Liebe Grüße,
    Azrael


    Aktuelles Buch: "Schwarz zur Erinnerung" von Charlene Thompson

  • leider bin ich schon zweimal gescheitert - begonnen und wieder beendet, aus dem grund den aszrael schreibt: die russischen namen sind der hammer.... soll ich mich nochmals darüber wagen?


    Ich schließe mich uneingeschränkt an :lol:
    2x begonnen, an den Namen gescheitert und ständig am Überlegen, ob ich es ein 3. x versuchen soll 8-[


    Mal sehen, aller guten Dinge sind ja bekanntlich 3 ;) Und da werde ich mir dann vorher wohl einen "Stammbaum" o.ä. erstellen, den ich beim lesen immer parat habe ;)

    LG,
    Cehoernchen

    A positive attitude may not solve all your problems, but it will annoy enough people to make it worth the effort.
    (Herm Albright 1876 - 1944)

  • Eigentlich müsste ich hier endlich mal DAS Plädoyer für mein Lieblingsbuch schreiben..., aber dann bin ich wohl noch morgen am PC! Äh, ja: ich halte "Die Brüder Karamazow" für einen der besten Bücher "aller Zeiten". Ich finde es schade, dass manche sich so von den Namen abschrecken lassen. Eine gute Ausgabe gibt auch ein Personenregister. Oder aber, wie Cehoernchen erwägt, man lege sich beim Schreiben selber eins an. Die verschiedenen "Namen" stehen übrigens schon für eine gewisse Vielschichtogkeit und Tiefe der Personen m.E., sind aber von jeder Symbolik unabhängig enfach geläufig in der russischen Sprache. Das sollte man sich schon zutrauen.


    Eigentlich kann man den Roman unter verschiedensten Aspekten lesen: als echte Unterhaltung und als Krimi; als feine psychologische Darstellung; als Plattform für verschiedene philosophische, religiöse Ansätze zum Umgang mit dem "Sinn des Lebens, des Leidens; als Allegorie des Einen und der Vielen etc etc.


    Dies ist sicherlich KEINE absolut leichte Kost und ich will es nicht uneingeschränkt allen hier im Forum empfehlen. Aber wer gehobene klassische, und zumal russische Literatur schätzt, kommt an diesem Werk wohl einfach nicht vorbei.


    Ich habe es zweimal in der Rahsin-Übersetzung gelesen, einmal auf Russisch angefangen, die eingefügte, fast unabhängig lesbare Kurzgeschichte "Der Großinquisitor" wohl fünf, sechsmal.Nun liegt die neue Geier-Übersetzung für eine neue Lektüre parat. Ein Buch zum Lesen und Wiederlesen!!!


    Soll ich noch mehr sagen??? Auf meiner persönlichen TOP 10 Liste Number One!

  • Hallo!


    Ich trage mich schon seit einiger Zeit mit dem Gedanken in die russische Literatur hinein zu schnuppern. Ich habe ein wenig gestöbert und mein Augenmerk fiel auf dieses Werk. Da Swetlana Geiers Übersetzungen allseits so gepriesen werden, habe ich nach dieser bei amazon geschaut -- der Preis haut einen allerdings aus den Socken! 78 € da musste ich schon schlucken. Daher meine Frage, ist diese Übersetzung sooo viel besser, dass ich auch ohne eingeschworener Liebhaber des Werkes zu sein einen solchen Betrag ausgeben sollte?


    Ralech

  • Hallo Ralech,


    ich weiß jetzt nicht, wie Du da bei diesem Preis ausgekommen bist, denn ich habe ihn wohl für 16.95 erworben und wenn ich folgenden Link richtig einstelle, müßte das bei Dir dann auch auskommen. Klappt's?
    Für diesen Preis hast Du eine Menge Stoff! Dann gibst kein Zögern. Ich denke, dass Geiers Übersetzung sehr gut ist, nach anderen Büchern und Kritiken zu urteilen.

  • Schau mal hier das Taschenbuch gibt es für 17 Euro. Zur Übersetzung kann ich leider nichts sagen, da ich keinen Vergleich zu aderen Übersetzern habe. Ich habe nur "Verbrechen und Strafe" von Dostojewskij gelesen und zwar in der Übersetzung von Svetlana Geier, die sich meiner Meinung nach sehr gut lesen ließ.

    Verstehst du, was es heißt, irgendein bescheuertes kleines Musikstück oder eine Band so maßlos zu lieben, dass es wehtut?
    (Almost Famous)

    Einmal editiert, zuletzt von Autumn ()

  • Danke schön! Ja, für diesen Preis muss man nicht lange grübeln. Ich hatte die amazon-suche benutzt und eben jene TEURE gebundene Ausgabe gefunden. Die Taschenbuchausgabe, die du mir verlinkt hast wurde mir vorenthalten [-(


    Nochmals Danke,


    Ralech

  • Vor ein paar Tagen habe ich mit der Lektüre der Brüder Karamasov begonnen, mittlerweile bin ich bei der Lektüre des Kapitels „Der Großinquisitor“ angelangt und finde mich gefangen von Dostojewskijs gedanklichen Ansätzen und der enormen geistigen Toleranz, die ich bisher aus seinen Darstellungen herauszulesen glaube. Dennoch möchte ich im Moment nicht weiter auf meine Eindrücke eingehen, mein Anliegen liegt in einem anderen Punkt:
    Bisher habe ich es mir verkniffen, die eigentlichen Rezensionen mit Kommentaren in diesem Thread wie auch die der anderen fünf Dostojewskij-Werke, die im BT-Rezensionsindex aufgelistet sind, durchzulesen. Dabei möchte ich es auch belassen, bis ich dieses Buch beendet habe (ich möchte erst einmal versuchen, mit dem Buch allein zurechtzukommen).
    Nur habe ich neulich schon in diesem Forum im Schuld-und-Sühne-Thread einen neuen Beitrag über eine neuere Übersetzung (etwas über einen Film: habe gerade in Farasts Beitrag über Fr. Geier noch einmal hineingeschaut) gelesen. Mich stört die Sprache in meiner Ausgabe eigentlich nicht, denn das Werk stammt doch im Original aus der Mitte des 19. Jahrhunderts; deshalb muss die Übersetzung ins Deutsche in ihrer sprachlichen Darstellung so gut wie möglich nachempfunden werden, denke ich mal. Obwohl ich die Lektüre der Brüder Karamasov bisher sehr genieße, ist mir doch im Unterbewusstsein die Unruhe verblieben, ob ich mit der Übersetzung von Hans Ruoff und Richard Hoffmann eine eventuell mängelbehaftete Übersetzung in Händen halte?
    Wie ist das – kann ich diese Übersetzung beruhigt weiterlesen oder muss ich mir erst die neue Übersetzung besorgen? Wo und in welcher Hinsicht liegt der Unterschied zwischen den beiden Übersetzungen?


    tom leo, Ralech, Farast, entschuldigt bitte obige Frage, aber ich möchte dieses Buch ohne störende Hintergedanken genießen – wenn Ihr oder gerne jemand anders, der sich mit dem Thema der beiden Übersetzungen auskennt, meine Zweifel beseitigen könntet, wäre ich wirklich dankbar.
    Danke im Voraus,
    Eure Monika

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • O je, ein altes Problem..., doch ich amüsierte mich, dass Du von zwei Übersetzungen sprichst. Auf http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Br%C3%BCder_Karamasow sind allein schon neun verschiedene Übersetzungen angegeben. Ich selber habe früher zweimal (gerne) die Fassung von Rahsin gelesen. Und nun, letztes Jahr (?) die neue Fassung von Svetlana Geier, die mir sehr gut gefiel und eigentlich gute Kritiken bekam.


    Doch ich bin kein Fachmann. Sicherlich ist auch die Winklerausgabe qualitativ wertvoll? Und andere... Vielleicht weiß jemand Bescheid?

  • Hypocritia: Oha, die Sache mit den Übersetzungen. Ich kann dir da nur meine ganz persönliche Laienmeinung schreiben.
    Ich war eher zufällig direkt an die Übersetzung von Frau Geier gelangt und kenne jetzt andere Übersetzungen von Dostojewskij nicht, um jetzt zu beurteilen wo die Unterschiede liegen. Ich denke mal so, setze 5 Übersetzer an einem Tisch und lasse sie eine Textstelle übersetzen und dann bekommst du 6 verschiedene Übersetzungen geliefert. Und keines davon muss wirklich falsch sein, weil jede auf ihre Art richtig ist.
    Am schönsten wäre es wirklich das Original lesen zu können, nur wer kann das schon? Ich leider nicht :uups:
    Wenn dir deine Übersetzung gefällt, dann hast du doch eine gute Wahl getroffen!


    Ich wünsche dir noch viel Vergnügen bei den Brüdern Karamasow! Mittlerweile habe ich das Buch schon zweimal gelesen und es ist einfach nur großartig!!!!! Jedesmal entdeckt man beim lesen etwas neues, entdeckt einen neuen Blickwinkel, einen neuen Ansatz und ich freue mich schon darauf es wieder lesen zu dürfen.

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


    SuB-Leichen-Challenge 2024: Alle Bücher bis inkl. 2022 [-X

    Klassiker-Challenge 2024


  • Als ganz junges Mädchen habe ich den Film gesehen. Wenn ich so richtig darüber nachdenke, habe ich viele Klassiker als junges Mädchen schon gesehen. Und heute trau ich mich an die Bücher nicht so richtig ran. Ist schon eigenartig.

    Denn ich, ohne Bücher, bin nicht ich. - Christa Wolf


    2022 - 64

    2023 - 84 von 80 - geschafft :)

  • Jetzt, nachdem ich Die Brüder Karamasow durch habe, möchte ich, wenigstens in ein paar Punkten, meine Meinung dazugeben:


    Beeindruckendes Buch – voluminös, komplex, verwirrend. Ein Buch, das einen mit Denkanstößen nur so überhäuft, und einem vor lauter Zwiespältigkeit das Gefühl gibt, dass man zwischen den Stühlen sitzt, sosehr man sich auch um eine eindeutige Platzierung bemüht.
    Streckenweise eine begeisternde Lektüre, rasant, Mitgefühl und Verständnis erzeugend, zwischendurch aufreibend, fast abstoßend, sowohl vom zügellosen Laster wie auch von der hohen Geistigkeit/Frömmigkeit.


    Es scheint um Wahrheit und ihre Veränderung unter verschiedenen Sichtweisen zu gehen, um Glauben und Ablehnung; Glauben und Wahrheit dargestellt als Prisma der unterschiedlichen Wahrnehmung. Der Begriff Glauben ist hier sogar im doppelten Sinne zu betrachten: sowohl im religiösen als auch im Sinne von zwischenmenschlichem Vertrauen und Zweifel – aber hierzu muss sich wohl jeder selbst seine Gedanken bei der Lektüre machen (Ich möchte wetten, dass jeder, aber ausnahmslos jeder in den Brüdern Karamasow etwas von seinen eigenen Gedanken wiederfindet, und genauso möchte ich wetten, dass solche eigenen Gedanken ganz schön unterschiedlich ausfallen können).


    Grundsätzlich würde ich Azrael in ihrer Rezension hier oben zustimmen: auch ich hatte teilweise den Eindruck, den ultimativen Krimi, oder den „Urkrimi“ schlechthin zu lesen. Unglaublich, wie genial Dostojewskij Hunderte von Details in Einklang und Folgerichtigkeit bringt – und gleichzeitig scheint all das wieder höheren Aussagen untergeordnet zu sein; es handelt sich also nicht nur um einen Krimi um des Krimis willen, beileibe nicht! Also, wenn das allein nicht schon zur unverhohlenen Bewunderung ausreicht, ja – dann weiß ich auch nicht …


    Ich kann nachempfinden, dass jemand die Lektüre innerhalb der ersten 40% des Buches abbricht – dennoch schade, denn kurz danach (etwa ab Buch 7) liest sich der Rest praktisch wie von selbst. Ich würde auf jeden Fall zur erneuten Lektüre raten – durch ein paar einzelne weniger flüssige Abschnitte muss man einfach durch – letztendlich machen alle Kapitel Sinn im großen Zusammenhang. Trotzdem geb ich’s zu, es gab Stellen, da hat dieses Buch in mir keine Begeisterung ausgelöst – aber eben nur stellenweise; wie gesagt, das scheint zum Gesamtkonzept dazuzugehören: das irritierend „Chorknabenhafte“ bildet den Gegensatz zum irritierend Luder- und Lasterhaften (das ist nur meine eigene Meinung, vielleicht liege ich da auch daneben).


    Alle Charaktere, ohne Ausnahme, sind in den Brüdern Karamasow wahnsinnig gut ausgearbeitet – indiskutabel ein weiterer Punkt, warum sich das Buch so toll liest.
    Was ich mir noch nicht so ganz erklären kann: Dostojewskij spricht am Anfang des Buches immer davon, wie sehr ihm der Jüngste, Alexeij, am Herzen liege – aber der beeindruckendste, am besten herausgearbeitete Charakter stellt für mich sein Bruder Iwan dar, kein Zweifel. „Der Großinquisitor“ trägt zweifellos seinen Teil zu diesem Effekt bei, obwohl dieses Kapitel nicht gerade einfach zu lesen ist.


    Ich denke, irgendwann werde ich Die Brüder Karamasov noch einmal lesen (auch daran habe ich keinen Zweifel), dann werde ich das Ganze aber unter den folgenden Gesichtspunkten etwas systematischer angehen:


    1. Kurz einlesen in Geschichte und Gesellschaft Russlands im 19. Jahrhundert
    2. Die Erzählfäden markieren: Dostojewskij macht ganz oft Vorgriffe auf Personen und Ereignisse, zu denen er später im Buch zurückkommen wolle: das würde ich gerne nachverfolgen, ob er wirklich seine Erzählfäd(ch)en immer wieder aufnimmt und weiterführt.
    3. Warum wird die zweite Hälfte der Lektüre rasanter, atemloser, obwohl der Autor noch genauso viel und weit ausschweift wie in der ersten Hälfte (zumindest schien mir das so)? Auf diesen Punkt würde ich achten.
    4. Warum wirken die Brüder Karamasow nicht einmal stellenweise dogmatisch? Warum habe ich den Eindruck, dass ich als Leser mit sehr viel Respekt behandelt werde, obwohl einzelne Themen für eine Irritation im Leser geradezu prädestiniert sind?
    5. Schließlich und endlich würde ich eine andere Übersetzung lesen (wenn bisher neun Übersetzungen existieren, bleiben mir ja immerhin noch acht zur Auswahl), schon allein zum Vergleich. Ich meinte ja tatsächlich anfangs, dass die stellenweise fehlende Lesebegeisterung vielleicht auch durch die mir vorliegende Übersetzung bedingt sein könnte #-o (so ein Schwachsinn, gebe ich ganz offen zu – hier nochmals Danke an Farast für ihre Lesemotivation).


    Ein Kommentar trotzdem zur Ruoff/Hoffmann-Übersetzung: auch wenn man „nur“ der Übersetzer ist, hätte man sich um eine Trennung von übersichtlichen Absätzen für die deutsche Ausgabe bemühen können. Seit den Brüdern Karamasow weiß ich, was Andreas Rüdig mit „Bleiwüsten“ gemeint hat (sh. Bleiwüste): Ich habe mich reihenweise durch mehrere Seiten lange Blei-Gobis und Blei-Saharas ohne einen einzigen Absatz hindurchgelesen. Durch so etwas wird visuell im Leser ein Widerwille gegen die Lektüre erzeugt, der meiner Meinung nach sehr leicht zu vermeiden wäre. In diesem Sinne: ich glaube, wenn es irgendwo eine Angabe zur „Absatzmenge“ der einzelnen Übersetzungsversionen gäbe, würde ich ohne zu zögern die Ausgabe mit den höchsten „Absatzzahlen“ für meine nächste Lektüre der Brüder Karamasow wählen. :wink:


    Trotzdem und ganz ehrlich: Die Brüder Karamasow sind eine faszinierende Lektüre, mal was völlig Anderes. Schlicht und einfach empfehlenswert.

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog

  • Toller, ausführlicher Kommentar - danke! :thumleft:


    Ich reagiere einfach mal auf ein paar Bemerkungen:


    Die mögliche Verwirrung und Komplexität des Romans liegt wohl auch darin, dass das Geschehen von verschiedenen Persönlichkeiten spricht, und sich jeweils eines klaren Urteils enthält. Auch wenn man vermuten könnte, dass ja Aljoscha im Mittelpunkt einer ausstehenden Trilogie (ide nicht zustande kam) gestanden hätte und er eine "Christusgestalt" ist, die des Autors Ideal entspräche, so weiß sich Dostojevski selber in unendlich größerer Komplexität als wir es oft gerne von uns wahrhaben wollen. In gewisser Hinsicht stellt er den VIER Brüdercharakteren auch noch die Vaterfigur hinzu. Und er (und wir!) sind in gewisser Hinsicht jeweils etwas von diesen Figuren, können uns nicht einfach einer Teilhabe am Verbrechen entziehen!


    Wenn man einen Aspekt - ob Raserei, Frömmigkeit, Zweifel, Tat oder Gedanke etc - wegnimmt, amputiert man den Menschen schlechthin.


    Es ist wahnsinnig, unter wie vielen Aspekten man diesen Roman lesen kann, und ich stimme Dir voll zu, dass eigentlich jeder etwas "von sich" entdecken kann.


    Welcher Charakter am besten ausgearbeitet ist mag auch Deiner/unserer jeweiligen Verfassung beim Lesen entsprechen... Beim ersten Lesen empfand ich Aljoscha als sehr beeindruckend, beim zweiten Lesen Iwan, und im letzten Jahr dann plötzlich Dimitri!!! Jeder steht auch für eine Art der Beteiligung an Schuld, am Verbrechen. Es geht dann nicht mehr allein um die Frage: "Wer war der Täter?", sondern wer hat wie irgendwie teilgenommen, sich enthalten usw.


    Mag dieses Buch doch noch viele Leser finden!
    (Für mich DER Roman schlechthin!)

  • Mir hat Dein Beitrag auch sehr gut gefallen, Hypocritia. Dass Du nicht nur ausführlich Deine Leseeindrücke beschreibst, sondern auch einige Aspekte formulierst, auf die man beim Lesen achten könnte, ist eine gute Idee.
    Die "Brüder Karamasow" haben mir erheblich besser gefallen als "Schuld und Sühne". Aber die Lektüre ist lange her und ein Re-read wäre dringend fällig. Aber erst kommen dieses Jahr die "Dämonen" dran.
    Ich weiß nicht, ob Du Dich schon mit anderen russischen Klassikern beschäftigt hast. Wenn nicht, wirst Du an Tolstoi, Gogol, Turgenjew, Tschechov, Gontscharow usw. noch große Freude haben.


    Gruß
    mofre

    :study: Olga Tokarczuk - Gesang der Fledermäuse

    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

    :study: David Abulafia - Das Mittelmeer
















  • Die mögliche Verwirrung und Komplexität des Romans liegt wohl auch darin, dass das Geschehen von verschiedenen Persönlichkeiten spricht, und sich jeweils eines klaren Urteils enthält.


    tom leo, damit lieferst Du tatsächlich den Schlüssel, warum man nach der Lektüre nicht in befriedigender Weise sagen kann: „Der war’s.“ Auf den Aspekt der Enthaltung des klaren Urteils müsste ich dann auch noch stärker achten, wenn ich das Werk später noch einmal lese. Die Lektüre selbst wirkt auf mich durch den von Dir angesprochenen Aspekt aber umso befriedigender, weil man als Leser gedanklich viel stärker eingebunden wird und nicht nur ein unkompliziertes Ergebnis aufgetischt bekommt.


    … Jeder steht auch für eine Art der Beteiligung an Schuld, am Verbrechen. Es geht dann nicht mehr allein um die Frage: "Wer war der Täter?", sondern wer hat wie irgendwie teilgenommen, sich enthalten usw.


    Auf die unterschiedlichen Grade der Teilhabe am Verbrechen, wie Du sie erwähnst, wird auch im Nachwort (Horst-Jürgen Gerigk) eingegangen, das ich gerade eben gelesen habe.


    Auch vom geplanten Hauptwerk ist dort die Rede, zu dem Die Brüder Karamasow „nur“ die Einleitung bilden sollte, genau wie Du erwähnt hast.
    Es wird auch bemerkt: „Dostojewskij hat uns keinerlei schriftliche Hinweise hinterlassen; …“ Soll das heißen, dass er solch eine komplexe Fortführung weitgehend mit sich im Kopf herumgetragen hat? Das würde dann allerdings auch erklären, wie Dostojewskij es schafft, all diese vielfältigen, weitreichenden und tieferen Verflechtungen ohne Fehler miteinander zu kombinieren – er muss einfach eine wesentlich komplexere Denkfähigkeit als der menschliche Durchschnitt besessen haben, sonst wären Die Brüder Karamasow mit all ihren äußerlichen, familiären und psychologischen hundertfachen Verflechtungen gar nicht möglich gewesen, oder?


    Die "Brüder Karamasow" haben mir erheblich besser gefallen als "Schuld und Sühne". Aber die Lektüre ist lange her und ein Re-read wäre dringend fällig. Aber erst kommen dieses Jahr die "Dämonen" dran.
    Ich weiß nicht, ob Du Dich schon mit anderen russischen Klassikern beschäftigt hast. Wenn nicht, wirst Du an Tolstoi, Gogol, Turgenjew, Tschechov, Gontscharow usw. noch große Freude haben.


    mofre, Du hast mich erwischt … ich möchte tatsächlich gerne mehr russische Schriftsteller lesen, da ich sie noch nicht kenne. Ich gedenke mir erst einmal das Kurzgeschichtenbuch „Russische Meistererzählungen“ zu besorgen, um zu entscheiden, wer mich noch zur Lektüre reizt. Von Tschechov habe ich vor fünfundzwanzig Jahren einige Kurzgeschichten gelesen, die mir gut gefallen haben. Wenn Ihr Empfehlungen habt, nehme ich sie natürlich gerne entgegen. Und definitiv, das nächste Dostojewskij-Werk (Schuld und Sühne, Die Dämonen, Der Jüngling, Der Spieler? – ich weiß noch nicht, welches) will ich entweder noch dieses Jahr oder spätestens nächsten Frühling angehen.
    Puschkins Jewgeni Onegin würde mich der Versform wegen reizen, das macht mich wirklich neugierig – ist dieses Werk empfehlenswert für jemanden, der sich nicht mit russischer Literatur auskennt?


    Liebe Grüße,
    Monika

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    Saul Bellow, (1915-2005 ), U.S. author,
    in Herzog


  • Die Lektüre selbst wirkt auf mich durch den von Dir angesprochenen Aspekt aber umso befriedigender, weil man als Leser gedanklich viel stärker eingebunden wird und nicht nur ein unkompliziertes Ergebnis aufgetischt bekommt.


    Ja, man liest diesen Autor nicht passiv, um sich berieseln zu lassen, sondern wird mit hin- und hergerissen, wird eingebunden, bzw. herausgefordert zur persönlichen Stellungnahme. Ein aktives Lesen und Verarbeiten...



    Auch vom geplanten Hauptwerk ist dort die Rede, zu dem Die Brüder Karamasow „nur“ die Einleitung bilden sollte, genau wie Du erwähnt hast.
    Es wird auch bemerkt: „Dostojewskij hat uns keinerlei schriftliche Hinweise hinterlassen; …“ Soll das heißen, dass er solch eine komplexe Fortführung weitgehend mit sich im Kopf herumgetragen hat? Das würde dann allerdings auch erklären, wie Dostojewskij es schafft, all diese vielfältigen, weitreichenden und tieferen Verflechtungen ohne Fehler miteinander zu kombinieren – er muss einfach eine wesentlich komplexere Denkfähigkeit als der menschliche Durchschnitt besessen haben, sonst wären Die Brüder Karamasow mit all ihren äußerlichen, familiären und psychologischen hundertfachen Verflechtungen gar nicht möglich gewesen, oder?]


    Zur Einbettung der "Brüder Karamazow" in ein weiterreichendes Projekt kannst Du jetzt nochmals kurz das Vorwort, bzw. den Prolog von Dostojevski nachlesen. Dort erwähnt er kurz sein Projekt. Demnach hiesse das Gesamtwerk "Das Leben eines großen Sünders" (Aljoscha! sic!). Er verläßt ja mit Ende des Romans das Kloster und geht einen anderen Weg "in der Welt". Diese Idee einer innerweltlichen Heiligkeit ohne Abtrennung war dem Autor anscheinend wichtig. Aljoscha hätte geheiratet und noch einen "komplizierten Weg gehabt".



    mofre, Du hast mich erwischt … ich möchte tatsächlich gerne mehr russische Schriftsteller lesen, da ich sie noch nicht kenne...


    Achtung! Suchtgefahr! Ich persönlich schätze die russische Literatur als meine Lieblingssphäre ein und kann Dich nur in alle Richtungen hin ermuntern.
    Von Dostojevski wäre der nächste Tipp dann wohl "Verbrechen und Strafe" (Schuld und Sünde).


    Andere "Pflichtlektüren wären - ungefähr der Priorität nach - Tolstoi, Puschkin, Tschechov, Turgeniev, Gogol, Lesskov, Gontscharov was das 19 Jahdt anbetrifft.
    Und zum XX. Jhdt wächst die Liste noch fast an: Mandelstam, Akhmatova, Tzvetaieva, Pasternak u.m. für die Poeten, Platonov,Gorki, Pasternak, Solschenizyn, Bunin, Biely, Bokov, Makine, Gelassimov, Pelewin, Makanin etc. für die Prosa...
    Ich habe meine Bibliothek nach Sprachen sortiert. Wenn Du willst schaust Du mal unter der russischen Kategorie rein...

  • Puschkins Jewgeni Onegin würde mich der Versform wegen reizen, das macht mich wirklich neugierig – ist dieses Werk empfehlenswert für jemanden, der sich nicht mit russischer Literatur auskennt?


    @ Hypocritia, ich kenne Eugen Onegin nur als von Tschaikowsky vertonte Oper, aber Puschkin zu lesen lohnt sich auf jeden Fall. Er ist der Nationaldichter der Russen, also das, was Goethe für uns oder Shakespeare für die Engländer ist. Dass er außerhalb Russlands lange nicht so bekannt ist wie die beiden Genannten oder wie andere russische Schriftsteller, liegt daran, dass er in erster Linie Lyriker war. Lyrik wird generell weniger gelesen, außerdem lässt sie sich nie eins zu eins in eine andere Sprache übersetzen, es geht dabei immer etwas verloren. Am besten wäre es daher, Du würdest erstmal Russisch lernen, bevor Du Dich an dieses Werk machst. :loool: Puschkin hat aber auch einige schöne Erzählungen geschrieben, am besten gefällt mir seine historische Erzählung Die Hauptmannstochter.


    Was die Empfehlungen betrifft, hat Tom Dir ja eine schöne Leseliste zusammengestellt, die Du jetzt in der nächsten Zeit abarbeiten kannst. :lol: Ich persönlich würde Dir raten, zunächst mal mit Tolstois Anna Karenina anzufangen und dazu vielleicht auch einige Erzählungen von ihm zu lesen, wie z. B. Der Tod des Iwan Iljitsch, Die Kreutzersonate oder Der Schneesturm. Anschließend würde ich Dir Gogols Die toten Seelen und Michail Bulgakows Der Meister und Margarita empfehlen, zwei satirische, witzige und ungemein vergnüglich zu lesende Romane. Dann müssen natürlich Tschechow (Dramen und Erzählungen), Turgenjew, Lesskow und Gontscharow folgen. Und das ist erst der Anfang. Du hast also viel zu tun in nächster Zeit, aber es wird eine gesegnete Zeit sein. :study::love:


    Gruß
    mofre

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    :study: Claire Keegan - Liebe im hohen Gras. Erzählungen

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