"Mein Leben" von Marcel Reich-Ranicki

  • Hallo @ll,


    dieses Buch habe ich heute morgen erst bekommen und mich gleich darin >festgelesen<. Ich mag diesen Marcel Reich-Ranicki, der viel bewundert und gescholten, so bekannt und populair, so einflussreich und schliesslich auch so umstritten wie kein anderer deutscher Kritiker ist.
    Mir gefällt an ihm besonders, dass er >unverblümt< seine Meinung/Kritik äussert, auch wenn das vielen Autoren/Lesern nicht gefällt.


    Inhaltsangabe bei Amazon kopiert;
    Lange Zeit hatte Marcel Reich-Ranicki die Niederschrift seiner Autobiografie vor sich hergeschoben. Dennoch wurde er von Freunden und Bekannten ermutigt und gedrängt, von Verlegern mit Geld gelockt. Sechs Jahre schrieb er an seinen Erinnerungen. Im Alter von 79 hatte er sie dann vorgelegt. 2003 sind die Erinnerungen des 1920 Geborenen im Taschenbuch erschienen.
    Das Buch ist in fünf Teile gegliedert, wobei der Schwerpunkt auf der Zeit vor 1958 liegt. Die ersten beiden Abschnitte zeigen die Entwicklung und die Leidenszeit des Schülers und jungen Mannes, die in höchstem Maße von den Ereignissen der Zeitgeschichte geprägt ist. Es sind dies die Kindheit in Polen, die Jugend im nationalsozialistischen Berlin und schließlich die eindringlich und zugleich in einem ruhigen Tonfall geschilderten Zustände im Warschauer Getto. Nach dem Neuanfang im kommunistischen Polen erfolgt dann die Zäsur: Ende der Fünfziger zieht es Reich-Ranicki in die Bundesrepublik.


    Dieses Datum markiert einen Einschnitt im Leben des Kritikers und zugleich in dessen Erzählen. Hat er bis dahin seine Persönlichkeitsbildung als humanistisch geprägter Schüler und junger Mann in der immer barbarischer werdenden äußeren Welt ausführlich dargestellt, so erzählt er die folgenden Jahrzehnte nur noch in Episoden. Zwar kommt manches -- z. B. seine Zeit bei der F.A.Z. -- etwas zu kurz, gleichwohl können andere Abschnitte dafür entschädigen: Die Begegnungen mit Mitgliedern der Familie Mann, sein Porträt Wolfgang Koeppens oder die jahrelange und letztlich doch gebrochene Freundschaft zu Joachim Fest werden unterhaltsam wie sensibel geschildert. Mein Leben ist ein Buch über das Gezeichnetsein durch die Schrecken des Dritten Reiches und über persönliche Enttäuschungen. Es ist aber auch ein Buch über glückliche Augenblicke, sowie über die Liebe, und zwar die zu seiner Frau und -- natürlich -- zur Literatur.


    Marcel Reich-Ranicki hat im Grunde alles erreicht, was ein Kritiker erstreben kann: Er wurde zum bedeutendsten und einflussreichsten Kritiker seiner Zeit. Nach wie vor ist er gefürchtet und respektiert -- doch kaum geliebt. Vor allem aber ist er eins geblieben: ein Außenseiter. Und man spürt über die 560 Seiten hinweg, wie sehr ihn das geschmerzt hat. So steht gegen Ende des Buches nicht zufällig ein Zitat des von ihm geschätzten Friedrich Schlegel, das Reich-Ranicki auf sich selbst bezieht: "Man findet mich interessant und geht mir aus dem Wege... Am liebsten besieht man mich aus der Ferne, wie eine gefährliche Rarität." --Alexander Simon


    Der Spiegel, 16.8.99/ Nr. 33
    Marcel Reich-Ranicki hat seine Memoiren geschrieben. Unter dem schlichten Titel "Mein Leben" erzählt er eine der ergreifendsten Lebensgeschichten dieses Jahrhunderts. Deutschlands wortmächtigster Literaturkritiker und TV-Entertainer überrascht durch stille Lakonik und das melancholische Fazit, trotz aller Erfolge ein Außenseiter geblieben zu sein.


    Grüsse von Bonprix

  • Ich bin ein Bewunderer von Reich-Ranicki und habe natürlich auch sein Buch gelesen.
    Er ist ein Kritiker, der austeilen kann, aber was er sagt, ist oft zwar unangenehm, aber nicht von der Hand zu weisen.
    Seine Lebenserinnerungen sind sehr eindrucksvoll. Dabei schreibt er gar nicht effektheischend oder wichtigtuerisch. Ich finde sein Buch berührend. Es hat mir den Menschen Marcel Reich-Ranicki viel näher gebracht.

  • Ich mag ihn auch, weil er einfach ohne Rücksicht auf Konsequenzen ehrlich ist. Gut, dann mag ihn der eine oder andere Autor nicht, das nimmt er in Kauf. Auch, dass er dann eben eine Außenseiterrolle innehat. Er passt sich nicht an, und das gibt es heute leider viel zu selten.


    Zur Kritik an Reich-Ranicki von seiten jener Autoren, deren Werk verrissen wurde, muss ich sagen: Es stimmt schon auch irgendwie, dass ein Buch, das Reich-Ranicki verreißt, kaum gute Chancen hat, von sehr vielen gelesen zu werden, denk ich. Das Problem (für das Reich-Ranicki aber nichts kann, wie ich betonen will) ist halt einfach, dass viele Leute zu bequem sind, sich ihre eigene Meinung zu bilden und daher blind irgendwelchen Kritikern vertrauen. Da Reich-Ranicki halt der einflußreichste ist, ist er vermutlich auch der Buh-Mann. Schade.


    Werde das Buch sicher auch irgendwann lesen.

    Liebe Grüße,
    Azrael


    Aktuelles Buch: "Schwarz zur Erinnerung" von Charlene Thompson

  • Dass ein von M R-R verrissenes Buch nicht viele Chancen hat, ist nicht wahr. Ich hab mal in der ZEIT (oder sonst wo) einen Artikel gelesen, dass die Verlage sich darum reißen, ihre Bücher im Literarischen Quartett unterzubringen, egal ob Lob oder Verriss. Sie verkaufen sich allesamt danach besser.


    Nichts gegen seine fachliche Kompetenz, aber ich mag seine Rechthaberei nicht. Es war z.T. unverschämt, wie er im Quartett mit Sigrid Löffler umgegangen ist und sie als dummes kleines Mädchen hingestellt hat.


    Ich habe ein Buch gelesen, bei dem er als Herausgeber fungiert: "Meine Schulzeit im Dritten Reich" mit Beiträgen von Heinrich Böll, Walter Jens, Siegfried Lenz, Ludwig Harig, Günter Gaus, u.a. Unbedingt zu empfehlen für jemanden, den diese Epoche interessiert.


    Marie

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Marie, das find ich interessant. Ich habs bis jetzt nur immer so gehört (in Interviews mit Autoren, wie mir jetzt, wo ich drüber nachdenke, allerdings auffällt), dass er halt schon stark mitentscheidend ist, ob das Buch ein Erfolg wird im Sinn von viel gekauft oder eben nicht. Gut, aber vielleicht waren das zum Teil auch nur Ausreden von Autoren, die beleidigt waren oder so. Kann auch sein. Mir fällt nämlich nicht mehr ein, in welchem Interview ich das gelesen hab, aber in Erinnerung ists mir geblieben...

    Liebe Grüße,
    Azrael


    Aktuelles Buch: "Schwarz zur Erinnerung" von Charlene Thompson

  • Tatsache ist, dass sich auch die verrissene Bücher verkauft haben.
    Vielleicht von denen, die Schwieirgkeiten mit MRR hatten und dachtem, wenn der das nicht gut findet, muss es gut sein?!
    Umkehrschluss: Nicht alle Bücher, die der "Bücherpapst" gut fand, sind auch gut verkauft worden.
    Aber es gibt hierzu natürlich keine Statistik (genaus so wenig wie bei Elke Heidenreich!), man kann halt eben nur als Buchhändler/Verleger anhand der Absätze / Nachauflagen erahnen, ob das gut war oder nicht.
    Aber was heißt schon gut?
    fragt sich in diesem Zusammenhang mal wieder
    Börsenblatt

    Der Weg ist schwer, auch wenn er mit Büchern gepflastert wäre. (HK)

  • börsenblatt hat Recht. Ich erinnere mich, dass ich einmal ein Buch gerade deshalb gekauft habe, weil MRR sehr darüber geschimpft hat :mrgreen:


    Und seinen "Kreuzzug" gegen Günter Grass habe ich nie verstanden.

  • Ich habe das Buch nicht gelesen, aber ich mag Reich-Ranicki auch. Habe ihn auch öfter im Quartett gesehen und ich mochte seine klare direkte Art sehr und seine Kritiken hatten schon was an sich.

    Liebe Grüße
    Helga :winken:


    :study: [b]???


    Lesen ist ernten, was andere gesät haben (unbekannt)

  • Ich hab des Buch in einem Zug durchgelesen, und fand es einfach klasse und sehr rührend an manchen Stellen (z.B. seine ersten sexuellen Erfahrungen durch die Kondombeschriebung :mrgreen: )auf jeden Fall zu empfehlen, auch für Nicht MRR-Liebhaber.

    "Verbringe nicht die Zeit mit der Suche nach einem Hindernis: Vielleicht ist keines da."


    Franz Kavka

  • :scratch: Ich hätte schwören können, dass ich mich bereits hier im Forum zu diesem Buch geäußert habe, Ich hab's mir ja aufgrund der Empfehlungen via Buchticket besorgt. Doch warum ich dann hier nichts gepostet habe ... Keine Ahnung :shock: .


    Jetzt ist es natürlich schon eine ganze Weile her, dass ich's gelesen habe. Mir hat es supergut gefallen. Vorher stand ich MRR sehr ambivalent gegenüber, doch nach der Lektüre von "Mein Leben" sehe ich ihn doch in einem anderen Licht und meine Hochachtung und Bewunderung für ihn ist groß. Wie er schildert, dass er sich mittels der "Kleinen Hausapotheke" von Kästner im Ghetto hochgezogen hat, seine Schilderungen, wie er das polnischen Ehepaar, das ihn und seine Frau versteckt mittels Nacherzählung der Klassiker unterhält, das rührte fast zu Tränen. Gut in Erinnnerung ist mir auch das Klassentreffen geblieben.
    Ein so bewegtes Leben hat dieser belesene Mann, da ziehe ich meinen Hut.


    grüße von missmarple

  • Ich bin auch gerade dabei dieses Buch zu lesen.
    100 Seiten fehlen zwar noch,dennoch kurz mein Eindruck:
    Ist ziemlich beeindruckend,das Leben dieses Mannes.
    Seine Schilderungen der Schulzeit als Jude unterm Hakenkreuz und seines Lebens im Warschauer Ghetto haben mich ziemlich betroffen gemacht und auch teilweise in Details überrascht und belehrt.
    Ich glaube nicht,daß ich die Stärke hätte nach all diesen Erlebnissen noch in Deutschland,im "Land der Peiniger",zu leben.:pale:
    Er jedoch hat dies,auch durch seine Liebe zur deutschen Literatur und Kultur,"überwunden",davor kann ich nur meinen Hut ziehen.
    Sehr spannend auch seine Beschreibungen von Treffen und Freundschaften mit diversen Autoren,bei deren Namen man aufhorcht:Böll,Brecht,Seghers,Lenz.....
    Er ist ein Kritiker,der nach bestem Wissen und Gewissen urteilt,ich glaube das gibt es selten,besonders heute.
    Als Buch an sich einfach sehr zu empfehlen!! :thumright:


    LG
    Schoenchen

  • Hi, ich hatte es begonnen und mir direkt bestellt, dieses Buch wollte ich doch selber besitzen :thumright:


    Meine Meinung:


    Den Schwerpunkt hat Marcel Reich-Ranicki auf seine Schulzeit und auf das Dritte Reich gelegt. Und ich war sehr überrascht, dass er 1. sich absolut kritisch über das Judentum ausgesprochen hat, und 2. dass dieser tiefe Hass, den man oft in „jüdischen“ Biographien findet, überhaupt nicht vorhanden ist. (Dazu muss ich anmerken, wenn es mein Leben gewesen wäre, ich hätte und ich könnte nicht mit dieser „scheinbaren“ Leichtigkeit darüber schreiben.) Aus diesem Grund muss ich Reich-Ranicki hoch loben: Alle Achtung!


    Der zweite Teil handelt dann von der Zeit nach dem II. Weltkrieg, und hier wird eigentlich der ganze Literaturbetrieb beschrieben. Zahlreiche deutsche Schriftsteller werden vorgestellt. Es verwundert mich auch, dass Reich-Ranicki ohne Studium eine solche „Musterkarriere“ erreichen konnte. Aber das liegt wohl an seiner klaren und einfachen Sprache wie er Literatur dem Leser präsentiert; denn das war immer sein Anliegen: Nicht hochtrabende Worte, sondern Literatur verkaufen..


    Zur Karriereleiter. Schnell und steil ist er aufgestiegen, und war dennoch immer ein Fremder, schreibt er. Der Antisemitismus wäre immer noch in Deutschland verwurzelt, und er hat oft darunter gelitten. (Das ist für mich schwer verständlich. Aber wenn es so ist, finde ich es sehr traurig! Gerade in einem Land der Aufklärung und mit einer Hochkultur.) Aber es stellt sich mir auch eine andere Frage:


    Dieses sich „allein-fühlen“, muss es ausschließlich auf das Judentum bezogen werden? Oder könnte es sein, dass Marcel Reich-Ranicki rein menschlich ein sehr unangenehmer Zeitgenosse ist? Freundschaften halten nie sehr lange …


    Mir fehlt in seiner Biographie ein wenig das Private. Über sein Privatleben, Frau und Sohn wird so gut wie gar nichts gesagt. Leider.

  • Hallo zusammen,


    nachdem ich MRR immer schon gern mochte (und dem Quartett immer noch nachweine!), war jetzt endlich auch mal seine Autobiographie an der Reihe. Der erste Teil war sehr interessant, bedrückend, vielleicht manchmal mit etwas viel Distanz geschrieben, ich hatte immer den Eindruck, dass er den Leser nicht wirklich an sich heranlassen will - was ich völlig in Ordnung finde, besser als "Seelenstriptease" im großen Stil.
    Im zweiten Teil dagegen merkt man schon, dass er sich selbst gerne ein bißchen beweihräuchert und dass er ein schwieriger Mensch ist. Ein Beispiel: er beschwert sich, dass er bei der Zeit nie eine reguläre Anstellung bekommen hat, und somit nicht zu den Redaktionskonferenzen kommen mußte/durfte - bei der FAZ muß er das dann, findet sie aber nach kurzer Zeit langweilig


    Zitat

    Schließlich hatte ich es satt und blieb, versuchsweise, den Konferenzen fern. Ich war sicher, daß man dies auf Dauer nicht hinnehmen werde und mich auffordern wieder zu erscheinen. Aber ich hatte mich wieder einmal gründlich geirrt.


    :loool: Schon ein schwieriger Mensch - ich mag ihn immer noch, und werde mir wahrscheinlich bald mal eines seiner anderen Bücher zulegen.


    Katia

  • Das Buch hatte ich schon öfter in der Hand , aber es bisher nicht gekauft. Nachdem es hier so positiv besprochen wurde, werde ich das wohl demnächst tun!
    Zumal ich nach jeder Sendung "Lesen" denke, "War ja ganz nett, aber "Das literarische Quartett" fehlt mir .
    Siri

  • Ich habe jetzt "Mein Leben" begonnen, besser gesagt , bin bereits im dritten Kapitel angelangt und es gefällt mir ausnehmend gut ! Besonders die Sprache bzw der Stil von Reich-Ranicki treffen genau meinen Geschmack. :thumright:

  • Zitat

    Original von SiriNYC
    Ich habe jetzt "Mein Leben" begonnen, besser gesagt , bin bereits im dritten Kapitel angelangt und es gefällt mir ausnehmend gut ! Besonders die Sprache bzw der Stil von Reich-Ranicki treffen genau meinen Geschmack. :thumright:


    Ja, das habe ich auch so bewundert. Er bleibt seiner einfachen Sprache treu, ist ja sein Markenzeichen; und auch der Stil, so ohne Anschuldigungen, hat mir auch sehr zugesagt. Das es grauenhaft war, liest man auch so durch.

  • Marcel Reich - Ranicki: Mein Leben; Deutsche Verlags Anstalt Stuttgart 1999; 506 Seiten; ISBN: 3-421-05149-6




    "Reich - Ranickis Autobiographie ist Bekenntnis und Darstellung in
    einem, eine zeitkritische Chronik und zeugleich die Geschichte einer
    Ehe. Es ist ein Buch über die Literatur und nicht zuletzt über die
    Liebe. Ob der Autor es wollte oder nicht, es ist ein Epochenbuch
    geworden, ein Deutschlandbuch, geschrieben von einem, der nicht ohne
    Trotz erklärt: `Wohin ich kam, da war deutsche Literatur." ," berichtet
    die Inhaltsangabe.


    Ich gestehe: Ich habe das Buch nur quergelesen. Für mich gibt es einen
    handfesten Grund dafür: Die Biographie ist mich persönlich zu
    oberflächlich und nichtssagen geschrieben. Es fängt schon damit an, daß
    Reich - Ranicki nur selten konkrete Daten und Termine liefert. Wann ist
    was (wo und warum) passier? Das möchte der neugierige und unbedarfte
    Leser wissen. Reich - Ranicki bleibt viele Antworten schuldig.
    Personenbeschreibungen? Ortsbeschreibungen? Reich - Ranicki liefert sie
    genausowenig wie Begründungen für seine Handlungen.


    Reich - Ranicki ist als wortgewaltiger und scharfzüngiger
    Literaturkritiker bekannt. Daher ist es für mich schon ein wenig
    verwunderlich, daß seine eigene Biographie so schwach und
    verbesserungsbedürftig geraten ist. Reich - Ranicki läuft immer dann
    zur Hochform auf, wenn er über Bücher und Autoren spricht. Dann hat
    seine Meinung Gewicht. Reich - Ranicks Autobiographie hätte jemand
    anders schreiben sollen.