Als die junge Amerikanerin Isabel unter den Sachen ihrer Mutter auf einen verschlissenen braunen Koffer stösst, ahnt sie nicht, dass diese Entdeckung ihr Leben verändern wird. Denn beim näheren Hinsehen erweist sich der Koffer als Schatzkammer aus einer anderen Zeit. Isabel kann zunächst die Bedeutung der Briefe, Tagebücher und Notizen in englischer und arabischer Sprache nicht entschlüsseln. Sie ist jedoch überzeugt, dass die Fundstücke, die einst ihrer Urgrossmutter Anna Winterbourne gehörten, mit ihr zusammenhängen. Und ist es nicht ein Fingerzeig des Schicksals, dass sie gerade jetzt den aus Ägypten stammenden Stardirigenten Omar al-Ghamrawi kennen und lieben lernt? Als sie ihm von dem Koffer erzählt, rät er ihr, zu seiner Schwester Amal zu fahren, die nach langen Jahren in England wieder in Kairo lebt. Dort angekommen, stösst sie bei Amal zunächst auf Skepsis. Doch schliesslich lässt sich die ältere Frau, die sich nach der schmerzhaften Trennung von Mann und Kindern und nach der Rückkehr in ihr Geburtsland nicht mehr mit Ägypten und mit ihren Wurzeln identifizieren kann, von Isabels Neugier und Begeisterung über den Inhalt des Koffers ins Leben zurücklocken. Auch Isabels Liebe zu Omar rührt ihr Herz, und so versenkt sie sich in Anna Winterbournes Leben vor beinahe hundert Jahren. Aus Briefen und Tagebucheintragungen erfährt sie von Annas kurzer Ehe mit dem introvertierten Edward, der nach einem traumatischen Einsatz der Briten im Sudan an Depressionen litt und starb. Um Anna auf andere Gedanken zu bringen, empfahl ihr Schwiegervater, der weltmännische Sir Charles, ihr einen Aufenthalt in Ägypten. Anna, die von der Realität ausserhalb der vornehmen britischen Elitefamilien keine Ahnung hatte, liess sich offen und mutig auf die fremde Kultur ein. Ihre Briefe und Notizen zeigen Amal, dass Anna sehr schnell die Verachtung der meisten Briten gegenüber den "unzivilisierten" Ägyptern durchschaute und als ungerechtfertigt empfand. Sie versuchte, sich ein eigenes Bild jenseits der hermetischen Kolonialgesellschaft zu machen. Als Mann verkleidet unternahm sie schliesslich auf eigene Faust eine Reise in die Wüste und wurde in die politischen Auseinandersetzungen hineingezogen, als junge rebellische Ägypter sie entführten. Die patriotischen Intellektuellen, die sich gegen die Herrschaft der Kolonialherren auflehnten, wollten den jungen Briten als Faustpfand einsetzen. Als sie erkannten, dass sie eine Frau entführt hatten, brachten sie ihre Geisel in das Haus von Sharif al-Baroudi, einem angesehenen Anwalt und Politiker. Dort begegnete Anna Layla, der Schwester von Sharif, und die beiden Frauen verband bald eine tiefe Sympathie. Sharif beendete entschlossen die unselige Entführungsaktion und bot der eigensinnigen Anna an, sie auf ihrer Erkundungsreise in die Wüste zu begleiten. Für Anna begann eine wunderbare Zeit. Sie überliess sich dem faszinierenden Schweigen der Wüste und dem ungewöhnlichen Mann an ihrer Seite. Der einsame Sharif wiederum liess sich von dieser klugen Engländerin mit den veilchenblauen Augen und dem furchtlosen Auftreten überwältigen. Am Ende der Reise wussten beide, dass sie sich liebten. Aber im Ägypten des Jahres 1901 war die Beziehung zwischen einer Engländerin und einem Ägypter eine Provokation. Doch obwohl Anna wusste, dass sie mit einer Heirat jede Verbindung zu ihren Landsleuten abbrach, und obwohl Sharif fürchtete, sich durch eine Ehe mit Anna zwischen alle politischen Stühle zu setzen, entschieden sie sich für ihre Liebe. Während der Lektüre nähert sich Amal ihrer eigenen Herkunft an; sie erkennt, dass Sharifs Schwester Layla ihre Grossmutter war, sie also eng mit Annas und Isabels Leben verbunden ist. Tief beeindruckt verfolgt sie, wie Anna vor vielen Jahren die Verachtung ihrer britischen Landsleute ertrug. In der abgeschlossenen Frauenwelt lebte sie in innerer Freiheit. Als ihre Tochter Nur geboren wird, schien Annas Glück trotz der schwierige Lage im Land vollkommen. Doch dann wurde Sharif erschossen. Anna kehrte mit Nur nach England zurück, und ihre Spur verlor sich im Sand der Geschichte. Nun, Jahre später, scheinen sich die verschlungenen Wege der Familien von Isabel und Amal endlich wieder zu vereinen...In "Die Landkarte der Liebe" erzählt Ahdfa Soueif eine bewegende Liebesgeschichte, die der Leser lange nicht vergisst. Mit Anna gelang ihr eine beeindruckende Frauenfigur, die mutig der Stimme ihres Herzens folgt und sich über alle Grenzen von Kultur und Tradition hinwegsetzt. Doch der Roman ist nicht nur die Geschichte einer grossen Liebe, sondern auch das Porträt eines zerrissenen Landes auf der schwierigen Suche nach dem Weg in die Moderne.
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Ahdaf Soueif gibt uns das volle Abenteuer-Programm: ein Koffer, gefüllt mit Geheimnissen, Tagebücher in verblichener Tinte, gekidnappte Frauen in Männerkleidern, romantische Liebesgeschichten zwischen Europäerinnen und Arabern, Revolte gegen die Kolonialmacht, geheimnisvolle Geistererscheinungen. Doch die ägyptische Autorin ist nicht Karl May: Sie weiß, wovon sie schreibt. Ihre Erzählerin Amal, eine emanzipierte Ägypterin, spürt dem Schicksal von Anna Winterbourne nach. Annas Urenkelin Isabel hat deren Tagebücher in einem Koffer gefunden, und sie liebt Amals Bruder, den Stardirigenten Omar al-Ghamrawi. Isabel lernt durch Amal das moderne Ägypten kennen, erkennt ihre Vorurteile gegenüber Palästinensern und Islamisten und wird mit Kritik an der Politik ihrer Heimat, den USA, konfrontiert. Parallel führt die Spurensuche nach Anna zurück ins 19. Jahrhundert, zu den Wurzeln der zeitgenössischen Konflikte. Das Buch wird so zu einer Art politisch korrekter, episch erzählter und hoch spannender Neuauflage von Karl Mays Durch die Wüste - ein Karawanen- und Harems-Abenteuer aus globalisierungskritischer Sicht.
Empfehlenswert****
Grüsse von Bonprix