KLR: 3. Teil des Romans

  • SO,bin durch!
    Mein Gott! Ich konnte das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen,so überschlugen sich die Ereignisse im dritten Teil.Die Spirale nach unten dreht sich schneller und schneller.
    Ich habe die ganze Zeit doch noch auf ein sanfteres Ende gehofft,aber dem war nicht so.
    Mal sehen wie Ihr das Ende so betrachtet...
    Auf jeden Fall ein wunderbar geschriebenes Buch,das ich gerne auch noch einmal lesen werde.

  • Fertig! Mir ging's wie Dir, Schoenchen, den letzten Teil habe ich gestern fast in einem Zug gelesen.
    Mein Eindruck ist, dass Emma nur verliebt sein kann, aber nicht lieben, sie erwartet und hofft, dass die Euphorie am Anfang einer Beziehung immer genauso erhalten bleibt, mit feurigen Liebesbriefen etc.
    Ob sie an einer materialistischen Welt scheitert, hmm, sicher ist Geld am Ende der Auslöser für ihren Selbstmord, aber in gewisser Weise ist sie selbst ja auch materialistisch - möchte Prestige und umgibt sich mit schönen Dingen. Für mich scheitert sie daran, dass sie ihre Erwartungshaltung (durch Erziehung im Kloster, Romane lesen etc.), insbesondere in der Beziehung zu Männern, nicht mit der Realität in Einklang bringen kann. Wäre sie so völlig die romantische Idealistin, dürfte ihr der Verlust von Hab und Gut ja nicht so nahe gehen, oder?


    Katia

  • Hallo!


    Ich bin zwar noch nicht ganz durch (Kapitel 6 dieses 3. Teiles) und die Ereignisse überschlagen sich wahrlich. Mittlerweile sind auch die letzten Anflüge von Verständnis bei mir verschwunden, ich halte sie für ein durchtriebenes, berechnendes, egoistisches, hinterhältiges Luder 8-[ . Ich kann absolut keine Krankheit mehr als Rechtfertigung dafür ansehen, wie sie z.B. Charles behandelt. Auch wenn er ein lascher, naiver Tölpel ist, hat er dies wohl wirklich nicht verdient.


    Eigentlich schade, dass hier in der Leserunde kein Mann mitliest. Es wäre sehr interessant, wie das alles auf einen Mann wirkt.


    Den Begriff "romantische Idealistin" kann ich eigentlich überhaupt nicht in Zusammenhang mit Emma bringen, ganz im Gegenteil, ich finde sogar, das sei genau das Gegenteil von ihr.


    Nun werde ich gleich mal weitersehen, wie sehr sie sich noch in ihr Lügengebäude verstrickt und wie lange sie noch standhält!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Zitat

    Original von Rosalita
    Ich bin zwar noch nicht ganz durch (Kapitel 6 dieses 3. Teiles) und die Ereignisse überschlagen sich wahrlich. Mittlerweile sind auch die letzten Anflüge von Verständnis bei mir verschwunden, ich halte sie für ein durchtriebenes, berechnendes, egoistisches, hinterhältiges Luder 8-[ . Ich kann absolut keine Krankheit mehr als Rechtfertigung dafür ansehen, wie sie z.B. Charles behandelt. Auch wenn er ein lascher, naiver Tölpel ist, hat er dies wohl wirklich nicht verdient.


    Immerhin war ja ich diejenige welche das Wort "Depression" ins Spiel gebracht hat, also, nochmal hierzu:
    Für mich trifft das nur auf einige wenige Kapitel in diesem Buch zu (Pfarrerbesuch), in diesem Kapitel hatte ich echtes Mitleid mit Emma. Ob es sich dabei um eine Depression im klinischen Sinne handelt, ist vielleicht nicht so relevant, jedenfalls hätte Emma gute Chancen sich in der heutigen Welt in einer solchen Situation Hilfe zu holen. In dieser Zeit hat sie es nicht, denn der am ehesten für seelische Leiden zuständige Pfarrer interessiert sich nicht dafür. Mein Mitleid verflüchtigt sich in den Szenen in denen sie Charles oder Berthe oder Hippolyte schlecht behandelt ganz schnell, Emma ist launisch und egoistisch. Berechnend auch, solche Spielchen wie "Charles nett auf dem Klavier vorspielen um Zeit und Geld für Stunden aus ihm zu locken" sind absolut nicht meine Wellenlänge.


    Meine Haltung zu Emma ist immer noch zwiespältig, in vielen Dingen kann und will ich sie nicht verurteilen, dass sie nach Liebe sucht, in gewissem Maße auch dass sie die Ehe bricht, dass sie sich nach einem besseren Leben sehnt. Sie sieht aber immer nur sich und nie die anderen, nicht mal Leon bleibt am Ende davon verschont. Ihr Sterben ergreift mich nicht in der Weise, wie es Anna Kareninas oder Effis Tod tat.


    Was nichts daran ändert, dass mir das Buch sehr, sehr gut gefallen hat, und das obwohl ich eigentlich immer eher meine Probleme mit den französichen Klassikern habe!


    Katia

  • Ich habe das Buch nunmehr auch beendet und ich gebe euch recht, der 3. Teil hat es in sich!


    Bis zur Mitte des Buches konnte ich mich nicht entscheiden, ob es mir gefällt oder nicht, dachte eigentlich eher, dass es mir nicht gefällt, aber als Schlussfazit kann ich sagen, dass es mir sehr gut gefallen hat.


    Zitat

    das Scheitern einer romantischen Idealistin an einer materialistischen Welt.


    Dem kann ich nicht zustimmen. Der romantische Idealist in diesem Buch ist für mich eindeutig Charles. Er könnte ohne Wohlstand glücklich sein, braucht kein Drumherum und legte seiner Frau trotzdem die Welt zu Füßen. Er würde ihr alles verzeihen, er ist für mich ein romantischer (weltfremder) Idealist.


    Der wahre Übeltäter in diesem Buch ist für mich der Apotheker, dagegen ist Emma ein "Lämmchen". Sein wahrer Charakter wird zwar im Laufe des Buches immer wieder angesprochen, in diesem letzten Kapitel kommt er aber so richtig zum Vorschein.
    Immer nur seinen eigenen Vorteil im Auge, immer nur um sein Ansehen und seinen Ruf bemüht und aus jeder Situation einen eigenen Vorteil schlagen. Er ist charakterlos, gewissenlos, unehrlich und falsch.


    Ich freue mich schon auf eurer Kommentare!

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

    Einmal editiert, zuletzt von Rosalita ()

  • Ich finde das Fazit auch nicht korrekt.
    Rosalita Denkansatz gefällt mir,eigentlich ist Charles wahrlich der Romantiker und Emma eine kranke,aber/und doch sehr berechnende Frau.... :thumright:


    Es gib allerdings wirklich einige Charaktere,die noch übler sind,als Emma.
    Der Apotheker,aber auch Monsieur LHEUREUX finde ich zum Beispiel,der ihre Schwäche voll durchschaut hat und schamlos ausnutzt.Er schwatzt ihr ständig neue Schulden,Wechsel auf und nimmt billigend in Kauf die Bovarys in ihr Unglück zu treiben.


    Zitat

    "Auch noch Tränen!"
    "Sie treiben mich zur Verzweiflung!"
    "Ist mir doch egal! sagte er und schloß die Tür."


    Alle,ausser Charles und ihr Papa,scheinen ihr Sterben,ihren Tod zu geniessen.
    Ich finde die Sterbeszenen schrecklich kalt und grausam.
    Und diese theologischen Diskussionen am Totenbett,makaber...

  • der dritte teil ist wahrlich rasant, aber natürlich ist die entwicklung folgerichtig. emmas absturz wird von flaubert immer mehr beschleunigt. schließlich ist sie auch nicht mehr ganz so unbeteiligt wie in teil eins. sie läßt sich jetzt völlig gehen, nimmt wider besseres wissen immer mehr schulden auf und läßt sich einfach in diesen strudel hineinfallen.


    ich ärgerte mich im verlauf des buches immer mehr über den autor. schon von anfang an hatte ich das gefühl, daß er die rollen "gut" und "böse" schön verteilt hat, ohne daß die leser es so recht merken. emma ist die überspannte, nervös reizbare frau, die ihren mann in den abgrund hinunterreißt mit ihren launen, unberechenbarkeiten und wollüsten. klingt doch schon ganz wie in der bibel und unzähligen anderen nachfolgenden patriarchalischen vorstellungen von der frau.


    und richtig: er macht zwar als erstes schulden, aber SIE kann ihre dann nicht mehr unter kontrolle halten. er erscheint nun als der arme betrogene ehemann, der sich immer brav und gut ihr gegenüber verhalten hat. aber stimmt das auch so? klar, er liebt sie, aber hat er sie sich jemals wirklich angesehen? sich wirklich um sie gekümmert? ich glaube, er wollte eine hübsche und stillschweigende frau an seiner seite, die ihn in SEINEM leben unterstützt, nicht er sie in IHREM. aber dafür ist sie natürlich ist anstrengend.


    ich denke, flaubert zeigt uns hier ein klischee zu einem ganz bestimmten zweck, denn mal ehrlich: welche frau verhält sich denn schon so?

  • Also, dass Emma nicht die romantische Idealistin ist, da scheinen wir uns ziemlich einig zu sein :D. Aus dem Buch der 1000 Bücher habe ich folgenden Satz:


    Zitat

    Indem der Autor seine Heldin zu Grunde gehen läßt, weil sie Wunschwelt nicht von Wirklichkeitswelt unterscheiden kann, bricht Flaubert mit der Romantik in der Literatur und trägt somit entscheidend zur Entwicklung des modernen realistischen Romans bei.


    Das gefällt mir bedeutend besser, Emma steckt in einer Traumwelt, die sie nicht realisieren kann.


    Eumelbär: Ich kann nicht finden, dass Flaubert Charles als "gut" und Emma als "böse" charakterisiert - Charles wirkt schwach und beeinflussbar, und wie Du schon sagst, nimmt er seine Frau einfach als selbstverständlich hin, kümmert sich aber nicht wirklich um sie und ihre Bedürfnisse. Dass Frauen zu dieser Zeit eher ihren Männern den Rücken freigehalten haben, als dass sie sich selbst verwirklichen konnten, gar noch mit Unterstützung der Männer, war wohl so.
    Zu dieser Klumpfussopertation hätte Charles sich wahrscheinlich auch nur vom Apotheker überreden lassen, letztlich löst das seinen beruflichen Niedergang aus, aber Emma sehe ich da eigentlich nicht in der Hauptverantwortung: was er sich medizinisch zutraut, muß er als Arzt schon selbst wissen. Die eigentliche Todesursache ist die Entdeckung, dass Emma ihn betrogen hat - eine Tatsche die er immer verdrängt hat, er (romantischer Idealist!) verschließt die Augen solange es geht davor.
    Emma ist sieht die Bedürnisse anderer nicht, ich glaube aber nicht, dass sie irgendjemanden absichtlich in einen Abgrund stürzen würde.


    Katia

  • Ich glaube man muss jedenfalls berücksichtigen, in welcher Zeit dieser Roman geschrieben wurde (1857).


    Ich sehe eigentlich die Schwarz-Weiß-Malerei (gut/böse) auch nicht so eindeutig. Gerade in der Person der Emma bin ich hin- und hergerissen zwischen Verständnis und Unverständnis. Ich glaube auch nicht, dass sie das alles absichtlich tut, um anderen zu schaden. Sie sieht nur sich selber und ihre eigenen Bedürfnisse, sie denkt gar nicht daran, was sie den anderen antut.


    Die wahren Bösewichte sind für mich - wie oben schon erwähnt - der Apotheker, und natürlich auch, wie Schönchen ergänzte - Monsieur Lheureux. Trotz besseren Wissens und auch der Konsequenzen bewusst nutzen sie Emmas Leidenschaft und Schwächen aus, um sich selber zu bereichern.


    Der Roman ist immerhin 150 Jahre alt und ich finde ihn doch sehr aktuell. Viele Aspekte können 1:1 in die Gegenwart übernommen werden, sei es die Selbstverwirklichung der Frau (die ja auch heutzutage oft wahrlich komische Auswüchse erlebt), die Unverfrorenheit mancher Geschäftsleute, das "über-Leichen-Gehen" zum Zwecke des Kapitalsimus und die Gewinnsucht, sowie das Herumtrampeln und Ausnutzen der Guten und Schwachen der Gesellschaft.

    Herzliche Grüße
    Rosalita


    :study:
    Wenn das Schlachten vorbei ist - T.C. Boyle


    *Life is what happens to you while you are busy making other plans* (Henry Miller)

  • Zitat

    Original von Rosalita


    Der Roman ist immerhin 150 Jahre alt und ich finde ihn doch sehr aktuell. Viele Aspekte können 1:1 in die Gegenwart übernommen werden, sei es die Selbstverwirklichung der Frau (die ja auch heutzutage oft wahrlich komische Auswüchse erlebt), die Unverfrorenheit mancher Geschäftsleute, das "über-Leichen-Gehen" zum Zwecke des Kapitalsimus und die Gewinnsucht, sowie das Herumtrampeln und Ausnutzen der Guten und Schwachen der Gesellschaft.


    *unterschreib*


    Mir kommt es auf jeden Fall eher so vor,als würde Flaubert die kleinbürgerliche Welt,
    mit ihrer Doppelmoral und Oberflächlichkeit,anprangern.
    Am Ende des Buches kommt das doch ziemlich deutlich rüber.
    Kein Arzt kan sich dank Monsieur Homais etablieren.Die Behörden dulden ihn,
    die Öffentlichkeit fördert ihn und ein Ehrenkreuz bekommt er auch noch....

    Ich glaube das Ende war Flaubert besonders wichtig.

  • ich stimme euch zu, daß emma eigentlich weniger die absichtlich böse ist, die bewußte intrigen spinnt oder fallen stellt. das ist ja auch zu einfach. nein, für mich wird hier eine frau dargestellt, die ihre wünsche und launen selbst nicht unter kontrolle hat. von außen betrachtet scheint sie hin und hergeworfen, unkalkulierbar und eigentlich nur insofern berechenbar, als sie immer nach ihren eigenen wünschen entscheidet.


    nicht umsonst haben hier einige von psychischen krankheiten gesprochen. dieser eindruck von der frau als unvernünftigem menschen, der sich nicht entscheiden kann, dem man keine verantwortung übertragen kann, der selbst nicht weiß, was er eigentlich will - DAS stört mich. die erklärung von der psychischen erkrankung hat es u.a. den männern des 19. jahrhunderts dann ganz praktisch ermöglicht, ihre frauen in die irrenanstalt abzuschieben. hauptsächlich aber führt eine solche darstellung dazu, daß frauen als nicht gleichwertig, da nicht verantwortungsbewußt und verläßlich angesehen werden.


    und obwohl charles sich ja auch langsam auf den ruin zubewegt und vielen männern in diesen zeiten in der realität durch spielen, alkohol, frauengeschichten etc ja auch wirklich nicht zu helfen war, ist es eben nicht ER, der am ende verwirrt, verzweifelt, einsam stirbt, sondern SIE. grund: er kann ja seine angelegenheiten kontrollieren, seine probleme im griff behalten, seine gefühle rationalisieren. sie offenbar/angeblich nicht.